Freitag, 7. November 2008

Fundstücke 07.11.2008, 13.14 Uhr

Wo ist der deutsche Obama?
FTD - Zum Rekorddefizit eines Landes gehört in einer (voraussichtlich) geschlossenen Welt immer mindestens ein Land, das mehr exportiert (und verkaufen darf), als es im Rest der Welt an Waren kauft. Und: Das trifft auf kein anderes Land außer China so atemberaubend zu wie auf Deutschland. Nach den neuen Prognosen der EU-Kommission steigt der deutsche Leistungsbilanzüberschuss kommendes Jahr auf 200 Mrd. Euro. Das entspricht rein rechnerisch rund 67 Prozent des (mittlerweile sinkenden) US-Außendefizits - und es legt zumindest den statistischen Verdacht nahe: Wenn Amerikas Defizite untragbar sind, könnten es nach aller Logik auch die deutschen Rekordüberschüsse sein. Es macht keinen Sinn, wenn ein Land auf Dauer davon profitiert, dass alle anderen kräftig einkaufen, ohne selbst für Nachfrage zu sorgen.
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Das Ende am Ende der Welt
Tagesspiegel - Die Probleme in dem einstigen Wirtschaftswunderland und viel gerühmten Wohlfahrtsstaat sind gewaltig. Noch steht Neuseeland in einer Rangfolge der Weltbank, wer die besten regulatorischen Rahmenbedingungen für Unternehmen hat, auf Rang zwei hinter Singapur und im Antikorruptionsranking gar auf Platz eins. Doch die Wirtschaftskrise trifft das Land hart. In einer OECD-Studie hat die Kinderarmut zusammen mit Deutschland, Kanada und Tschechien weltweit am stärksten zugenommen. Das vielleicht innovativste Agrarland der Welt – 40 Prozent beträgt der Anteil der Landwirtschaft am Sozialprodukt – leidet wegen der großen Entfernungen zum Weltmarkt stark unter dem Ölpreis. Ein enormes Problem bereitet inzwischen auch die vollständige Privatisierung von Staatsbetrieben in den vergangenen zwei Jahrzehnten. So wurde erst vor wenigen Wochen die Bahn zurückgekauft, weil kaum mehr ein Zug über die verrotteten Gleise durchs Land rollte.
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Die Unscharfmacher
Tagesspiegel - Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) mag dennoch bis heute an der personellen Verflechtung zwischen Politik und Finanzwirtschaft kein Problem erkennen. Man müsse nur „die Interessen der jeweiligen Personen“ berücksichtigen, dann stehe einer Zusammenarbeit nichts im Wege, versichert er. Doch schon jetzt ist absehbar, dass das globale Finanz-Netzwerk die von Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihren ausländischen Kollegen versprochene Reregulierung der Kapitalmärkte erneut ausbremsen wird. Der erste Schritt dahin ist schon gemacht: In der von Merkel berufenen Expertenkommission übernahm Otmar Issing, der frühere Chefökonom der Europäischen Zentralbank, den Vorsitz. Auch die EU-Kommission berief ihn als Reformexperten. Die schwache Regulierung war zwar nie sein Thema. Aber dafür kann Issing auf die Zuarbeit von Top-Experten bauen. Seit Januar 2007 steht er bei Goldman Sachs als Berater unter Vertrag.
Anmerkung: LESEBEFEHL! Solchen Journalismus möchte man öfter sehen!
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Teach First Deutschland und die Privatisierung (zuerst) der Lehrerausbildung

NDS - Im Großen und Ganzen soll dann Folgendes geschehen: Teach First allein – finanziert bisher unter anderem von Lufthansa, Deutsche Post, Microsoft Deutschland, den Zeit-, Hertie- und Vodafone-Stiftungen (vgl. http://www.teachfirst.de/tfd/unterstuetzer/) sowie 2 privaten und namentlich nicht bekannten „Mäzenen“ (mit Robert-Bosch- und Jacobs-Stiftung finden aktuell Gespräche bezüglich möglicher Kooperationen statt) – übernimmt die Auswahl und die Ausbildung von (vermeintlich) „exzellenten Personen“, die dann als von der Wirtschaft mit deren Weltsicht ausgebildete „Fellows“ als Ersatz- bzw. Unterstützungslehrer (zuerst vor allem) an solche deutschen Schulen gehen, in denen es viele benachteiligte Schülerinnen und Schüler gibt. Diese Fellows werden von den Kultusministerien mit ca. 1.700 Euro brutto monatlich – und aus „zusätzlich“ zu schaffenden Personaltöpfen, die eine Verdrängung „normaler“ Lehrer somit vermeintlich verhindern – aus öffentlichen Geldern bezahlt. Sie entstammen - der Selektion nach „überdurchschnittlichen Studienleistungen“ sei es gedankt – aller Voraussicht nach fast ausschließlich dem Klein- und ggf. Großbürgertum.
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