Montag, 3. November 2008

Ypsilanti scheitert [UPDATE]

Endlich ist es soweit: Hessen ist gerettet. Nicht nur das Schicksal des kleinen Bundeslandes hing an einem seidenen Faden, nein, es war das Schicksal der gesamten Bundesrepublik. Beinahe wäre es in die Klauen von Kommunisten gefallen. Innerhalb kürzester Zeit wäre es soweit gewesen, dass die Wirtschaft sich im Niedergang befände, dass die Bürgerrechte abgebaut würden und ganz allgemein die Demokratie abgeschafft würde. Nur einige wenige tapfere Einzelkämpfer haben das verhindert. Wir wollen ihrer Namen mit Ehrfurcht gedenken: Dagmar Metzger. Jürgen Walter. Silke Tesch. Carmen Everts. Ein großer Tag für Deutschland. Eine großer Tag für die Demokratie.

Was gerade in Hessen passiert ist, war das schlechte 50 der 50:50-Chance, die Ypsilanti hatte, Koch tatsächlich abzulösen. Um Inhalte ging es längst nicht mehr. Wichtig war indes nur noch eines: Macht. Für alle Beteiligten ging es ums Ganze, nämlich um das Ende ihrer Karriere. Roland Koch stand nun schon 10 Monate am Abgrund seines Wirkens und hielt sich mit Beharrlichkeit von Pattex und der massiven Rückendeckung der Presse im Amt. Ypsilanti tanzte die letzten 10 Monate auf dem Vulkan, gegen Heckenschützen der eigenen Fraktion, den Widerstand der Bundesspitze, die Medien. Jürgen Walter und seine rechten Genossen sahen sich am Ende ihrer Karriere, in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. So oder so war klar: von diesen drei Fraktionen (SPD-Linke, SPD-Rechte, CDU-äußerst-Rechte) konnte nur eine gewinnen. Am Favoriten bestand eigentlich kaum Zweifel, und bald dürfte Roland "Schweinchen Babe" Koch wieder ein öliges Grinsen in die Kameras hieven. Im Augenblick aber regiert noch die totale Fassungslosigkeit bei den Verlieren und die hämische Freude in der Presse. Die SZ weidet sich, Ypsilanti "Verblendung" vorwerfend, weil sie ja keine Mehrheit habe in ihrem Unglück, das Handelsblatt denkt, es sei "gut so", dass sie gescheitert sei. Etwas differenzierter sehen das Stern und FTD.
Für Ypsilanti dürfte das das vorläufige Aus sein. Möglicherweise kommt ihre Renaissance nach der Bundestagswahl 2009, wenn die Stones und Müntefering endgültig abgewirtschaftet haben. Vielleicht auch nicht. Jürgen Walter und seine Meuchlerclique dürften noch so lange erfolgreich sein, wie es die Netzwerker und Seeheimer sind - also ebenfalls bis zur Abwirtschaftung von Stones und Müntefering und damit nicht besonders lang. Lachend seine Patschehändchen reiben kann sich jetzt Roland Koch. Denn auch wenn er jetzt generös Neuwahlen ausschließt - Hessen scheint daran nicht mehr vorbeizukommen.

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NACHTRAG: Zur Rhrenrettung der SZ sei, wie immer, auf Heribert Prantl verwiesen.

6 Kommentare:

  1. Denkt im Ernst jemand, dass es nur die Vier gab, die gegen Ypsilanti waren? Ach kommt, Kinners, wie naiv kann man sein? Die Vier haben Ypsilanti ein Geschenk gemacht, indem sie verhindert haben, dass sie so vor laufenden Kameras schmilzt wie damals Heide Simonis, wenn sie zehn oder elf ihrer Parteigenossen im Stich gelassen hätten.

    Und jeder - jeder - konnte das kommen sehen, nur Ypsilanti nicht. Wie du schreibst, es geht um "Macht". Und wenn du gegen den Machtpolitiker #1 in Deutschland antrittst, dann solltest du besser gut sein. Und das ist Ypsilanti offensichtlich nicht. Sie hat ihre eigene Partei nicht unter Kontrolle. Und in den letzten Monaten hat sie sich konsequent als unfähig und peinlich erwiesen. Glaubst du, in der Form hätte die Minderheitenregierung in Hessen funktioniert? Ich hätte es ja anders gemacht als die Vier.

    Ypsilanti wählen und dann jeden SPD-Antrag aus den eigenen Reihen auflaufen lassen. Dafür sind die Vier aber leider auch nicht Machtpolitiker genug. Walter hat noch die Chance sich zu retten: Er muss Koch nur das Angebot machen. Die Vier wählen ihn zum Ministerpräsident, dafür wird Walter Wirtschaftsminister. Wird er aber nicht tun, weil ihm dafür die Cojones fehlen.

    Und glaubst du wirklich, dass Ypsilanti nach 2009 zurück kommt? Die Frau hat sich politisch selbst ermordet. Statt ihre eigene Position zu stärken, hat sie die Hessen-SPD endgültig in den Abgrund gerissen. Nicht dass man da noch Mitleid mit der SPD haben müsste, die hat sich inzwischen selbst entlarvt als ein Partei, die nur aus Tradition, nicht aus Kompetenzgründen, noch nicht unter den 5% gelandet ist, wo sie hingehört.

    Aber Möchtegernprofis wie Ypsilanti arbeiten ja fleißig weiter daran. In dem Sinne: Vorwärts, Genossen.

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  2. Ich finde es war ein guter Tag für Deutschland. Viele Wähler der SPD werden nun zu ehemaligen Wählern der SPD, Lafo und Gysi dürfen sich also freuen.
    Das ist mir schon mal noch ein paar Jährchen Koch wert, falls es so schlimm kommt.

    Vielen Dank für den Link zu Prantl in der SZ.
    Ist doch mal was Erfreuliches, dass der in diesem ekelhaften Spiessbürgerblatt, das die SZ geworden ist, noch ein wenig Narrenfreiheit hat...

    Tyler Durden

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  3. Vor allem finde ich es belustigend, mit welcher Unverfrorenheit sich einige Parteifunktionäre von Verrat reden. Wenn man es genau nimmt, sind die 4 die Einzigen, die zu ihrem Wort gestanden sind. Hut ab!

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  4. Den setz mal schnell wieder auf, sonst wird es nur unnötig kalt. Die vier sind in den Wahlkampf gezogen mit dem Versprechen, dass Koch weg muss - und zumindest Walter hat öffentlich gesagt, dass er eine Große Koalition unter ihm als Ministerpräsident eingehen würde. Das ist ein verlogenes Pack, mehr nicht. Da lohnt sich die Anstrengung des Hutlüftens für echt nicht.

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  5. offinger freidenker, danke für die Klarstellung.
    Anscheinend kann selbst ich gar nicht so zynisch sein, dass ich nicht trotzde manchmal von der Absurdität der Deutschen überrascht kann...

    Tyler Durden

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  6. Setzen wir einfach nur noch einen Vertreter gewählter Parteien in unsere Parlamente und geben diesem die entsprechende Stimmanzahl. Dann gibt es keine Abweichler mehr und Geld für Abgeordnetengelder wird auch noch gespart...

    (Nein, das meine ich nicht ernst)

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