Teil 1: Auftakt
Teil 2: Welche Wurzeln hat unser Bildungssystem?
Teil 3: Schulformen
Teil 4: Infrastruktur
Teil 5: Lehrerbildung
Teil 6: Die Universitäten
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Infrastruktur
Nach längerer Pause soll es heute mit der Serie zum Bildungssystem in Deutschland weitergehen. Der Fokus dieses Teils liegt auf der Infrastruktur. Was ist damit gemeint?
Bildung vollzieht sich nicht im luftleeren Raum. Die Hauptstätten der deutschen Bildung, die Schulen, sind in ihrer äußeren Erscheinung erst einmal Gebäude, die einem bestimmten Zweck unterliegen. Gleiches gilt für die Universitäten und Volkshochschulen und die vielen, vielen anderen kleinen Institutionen der Aus- und Weiterbildung. Manche mögen nun einwenden, dass das alles eigentlich nur eine sehr irdische Fassade ist und das Wichtigste doch, was innerhalb dieser Gebäude geschieht. Aber sicher, aber sicher. Die Ausbildung der Lehrer, der Geist der Professoren, die Gestaltung der Bildungspläne, das alles hat viel, viel mehr Einfluss auf die Gestaltung und Ausformung der Bildung. Aber deswegen sollte man die dazu notwendige Infrastruktur nicht sträflich vernachlässigen.
Denn das Sein bestimmt das Bewusstsein, nicht umgekehrt. Wenn Schüler in engen, hellhörigen, halb vermoderten Räumen lernen sollen, Räumen, in denen der Putz abbröckelt und es winters kalt und sommers drückend heiß ist – man muss schon sehr realitätsblind sein, um dem jeden Effekt auf das Lernergebnis und die Lernfreude abzusprechen. Wenn nicht genügend Schulbücher vorhanden sind, dann erschwert dies das Lernen. Wenn es an Lehrern fehlt und an Räumlichkeiten, fällt Unterricht aus. Machen wir uns nichts vor: die Substanz im Bildungssystem ist hundsmiserabel.
Dies betrifft vor allem die städtischen Schulen. Je innenstädtischer eine Schule ist, umso schlimmer sind häufig die zutage tretenden Mängel. Je weiter man hinauskommt in die Vororte, desto schöner und besser ausgestattet sind die Schulen. Das der Migranten- und Unterschichtenanteil an den innenstädtischen Schulen signifikant höher ist als in den häufig mittelschichtdominierten Vororten ist dabei sicher kein Zufall.
Bevor wir in unseren großen Rundumschlagbericht einsteigen, erst einmal kurz zur rechtlichen Situation: woher bekommt eine Schule eigentlich ihr Geld und wie gibt sie es aus? Das folgende Beispiel fußt auf dem System Baden-Württembergs, dürfte sich aber in den anderen Bundesländern nur in Details unterscheiden, sieht man einmal von Schulen in privater Trägerschaft ab. Die Schulen unterstehen direkt den Kommunen. Das bedeutet, dass der Etat für eine Schule von der Kommune aufgebracht wird, von der Bezahlung der Handwerker und Lehrer bis hin zu den Schulbüchern. Natürlich gibt es ein feinverzweigtes System weiterer Fördertöpfe, das der findige Schulleiter anzapfen kann, aber effektiv schultern die Kommunen die Hauptlast der Kosten. Daraus folgt, dass reiche Kommunen sich deutlich bessere Schulen leisten können als arme Kommunen. Da eine der Haupteinnahmequellen der Kommunen aber die Gewerbesteuer ist, heißt dies auch im Umkehrschluss, dass sozial schwache Kommunen mit hohen Arbeitslosen- und Migrantenanteilen auch weniger Geld für Schulen haben – eine Hauptquelle für die ständig monierte soziale Vorentscheidung im deutschen Bildungssystem, die sich selbst erhält und beständig verstärkt.
Wollen wir also an dieser Stelle versuchen, eine Mängelliste zu erstellen und dazu zu erläutern, warum der jeweilige Mangel eigentlich ein so großes Problem darstellt – oder warum er es nicht tut. Sämtliche dieser Mängel sind natürlich von Region zu Region unterschiedlich stark ausgeprägt, manche mögen sogar teilweise gar nicht vorkommen. In einem so bunten System wie dem föderalistisch-deutschen sind verallgemeinernde Aussagen immer grob und mit Vorsicht zu genießen. Derart vorsichtig gestimmt machen wir uns nun an die Liste.
1) Klassengrößen und Lehrermangel
Den Schulen fehlt es eigentlich allerorten an Lehrern. Hier in Baden-Württemberg liegt der Klassenteiler bei 33, das heißt ab 34 Schülern wird die Klasse geteilt, während 33 noch gerade als Grenze des Machbaren angesehen werden. Diese Zahl ist viel zu hoch. Nimmt man 40 Minuten Unterrichtszeit an, kann der Lehrer jedem Schüler eine Minute widmen und hat danach noch sieben Minuten für Dinge wie Tafelanschriebe oder Erläuterungen. Jeder, der einmal Unterricht besucht hat weiß, wie irrig diese Annahme ist – für die Schüler steht also praktisch keine Zeit zur Verfügung, was bei individuellen Schwächen verheerend wirkt. Einzelne Schüler kommen nicht mehr mit und kapseln sich als Resultat schnell ab. Im Prinzip müsste der Klassenteiler bei 10 bis 15 ansetzen, aber wenn wir das realistisch machbare im Blick behalten wollen streben wir eine Zahl von 22 bis 25 an. Selbst das ist noch zu viel, würde die Situation aber deutlich entlasten.
An den Universitäten ist dies noch deutlich krasser. Seminargrößen von 120 Studenten sind leider nicht die Ausnahme, obgleich auch noch nicht die Regel. Dass die Hälfte der Studenten nicht in die richtigen Seminare kommt dagegen leider schon. Studiengebühren werden verlangt, allein um die Langzeitstudenten abzuschrecken, so hieß es in der Begründung. Dann bremsen die Universitäten die Studenten aber selbst immer aus. Wer einmal den Anmeldungsmarathon zu Semesterbeginn mitgemacht hat weiß, wovon ich rede. Seminare für 25 Studenten, und 5 Minuten nach der Freischaltung der Online-Anmeldung (so weit ist man immerhin) gibt es bereits über 200 Anmeldungen – das passiert ständig.
2) Materialmangel
Immer wieder hört man von Schulen, dass nicht genügend Schulbücher zur Verfügung stehen. Das geht an den Lebensnerv. Etwas viel elementareres als Schulbücher kann man sich eigentlich kaum vorstellen, und schon gibt es neunmalkluge Reformer die uns erklären, dass die verfassungsrechtlich garantierte Lernmittelfreiheit so gar nicht verstanden werden darf, sondern dass es den Eltern durchaus zugemutet werden darf, Schulbücher selbst zu kaufen. Das bedeutet Mehrausgaben von locker 300 Euro pro Schuljahr und Kind! Ein Schulbuch kostet im Normalfall rund 30 Euro, und die meisten Fächer verlangen mehr als nur eines davon. Doch fehlende Schulbücher sind, wie gesagt, glücklicherweise zumindest im Ländle noch eine Ausnahmeerscheinung. Zwar wurden schon zu meinen Schulzeiten die Übungshefte nicht mehr gekauft, die zum Beispiel in den Fremdsprachen essentiell sind. Aber die grundlegenden Bücher sind da. Es fehlt dafür an vielen anderen Dingen. Dazu gehören Computer mit schnellem Internetanschluss, von denen die meisten Schulen nicht einmal genug haben um eine Klasse von 33 Schülern gleichzeitig daran arbeiten zu lassen. Dazu gehören Werkräume und die darin verwendeten Materialen, besonders im Kunstunterricht. Längst ist es usus, von den Schülern zu Beginn des Schuljahres einen Obulus für das Material abzuverlangen. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen, wird jedoch in einem anderen Punkt virulent: den Kopierern.
An jeder Schule, an der ich bisher war, gab es nicht genügend Kopierer für das Lehrpersonal, geschweige denn für die Schüler (wobei viele Schulen hier aufgerüstet haben). Ein Kopierer für ein Kollegium von 70 Lehrern, dazu häufig Kopierkontingente von gerade 3000 Kopien/Monat – das ist schlichtweg lächerlich. Wer sich einmal an seine Schulzeit zurückerinnert, so sie noch nicht zu weit zurückliegt, weiß, wie enorm der Papierbedarf ist. Das lässt sich nicht mit dem Argument beiseite wischen, dass dann eben mehr gespart werden und auf effizientere Kopiermethoden gesetzt werden müsse.
Auch an den Universitäten regiert der Mangel, obgleich er hier angesichts der größeren Rolle der Studenten im Lernprozess, die oftmals die Seminare selbst durch Referate gestalten und dementsprechend auch die Kosten tragen müssen, nicht ganz so frappant zutage tritt. Auch die Dozenten müssen aber immer Geld einsammeln um die Kopierkosten zu decken, da die Universität selbst sie nicht übernimmt, und lagern immer mehr solcher Prozesse auf die Studenten aus, die sie dann aus eigener Tasche finanzieren müssen. Auch die Universtitätsbibliotheken haben die Standardwerke häufig nicht oft genug vorrätig, so dass man sie immer anschaffen muss, selbst wenn man nur einen Pflichtschein macht und weiß, dass man diesen wissenschaftlichen Zweig nicht mehr weiterverfolgen wird.
3) Räumlichkeiten
Die Räumlichkeiten an Schulen wie Universitäten entsprechen häufig den banalsten Anforderungen nicht. Kaputte Fenster, kaum funktionierende Heizungen, nicht vorhandene Klimasysteme, alte und modernde Bausubstanz – das alles sind keine Einzelfälle, sondern der traurige Alltag. Das letzte Mal, dass im Bildungssystem großartig Ausbau betrieben wurde, war in den vielgeschmähten Siebziger Jahren. Seither hat sich fast nichts mehr getan, die Unterfinanzierung des Bildungssystems ist frappant besonders in den Räumlichkeiten, weil man es hier auf einen Blick sieht.
Bestenfalls funktionale Tische und Stühle ohne jeden Komfort, an den Universitäten zudem viel zu wenig davon, so dass auf dem Boden sitzende Studenten die Regel sind, praktisch keine Arbeitsräume für das Lehrpersonal (hier ist die Situation an den Universitäten leicht besser als an den Schulen, aber von irgendwie angemessener Umgebung kann auch dort nicht gesprochen werden) – das ist die Lage hier.
4) Mittagsbetreuung
Ein Problem, das zugegebenermaßen nur die Schulen trifft, ist die Fixierung auf den Schulschluss um 13 Uhr und ein Heimgehen der Schüler. Dies trifft jedoch die Lebenswelten vieler Familien nicht mehr, in denen beide Elternteile berufstätig sind. Hier in Baden-Württemberg werden seit dem letzten Schuljahr Ganztagesprogramme gefördert, die die Schulen optional einbauen können – Mittagessen und Hausaufgabenbetreuung vor allem, die von Studenten in ehrenamtlicher, wenn auch bezahlter, Arbeit geleistet wird -, aber die Gebäude selbst sind auf die Anforderungen einer Ganztagesanwesenheit der Schüler, die eigentlich dringend erforderlich wäre, nicht auch nur im Geringsten vorbereitet. Es gibt praktisch keine Aufenthaltsräume, besonders nicht für die Mengen an Schülern für die sie notwendig wären, selten Möglichkeiten vernünftiges Essen zu bekommen und häufig kaum Spiel- und Sportgerät. Zumindest Letzteres wird nun mit den Fördermitteln angeschafft, und die Schulen legen oftmals bewunderswertes Improvisationstalent an den Tag, um mit den sehr begrenzten Mitteln (um 5000 Euro pro Schule/Jahr) Personal zu bekommen und für Essen und Betreuungsmöglichkeiten zu sorgen. Von Professionalität und ansprechender Umgebung ist das aber noch weit entfernt.
Nun haben wir eine lange Mängelliste erstellt. Daraus ableiten lassen sich bereits einige direkte Forderungen. Ich will zur Vertiefung aber noch einmal aufzeigen, welche Investitonen ich für dringend geboten halte, Investitionen, die gerade angesichts der Wirtschaftskrise angebracht wären, da sie antizyklisch in den Abschwung wirken würden.
1) Mehr Lehrpersonal
Es braucht mehr Lehrer, Professoren und Doktoren. Dringend. Doppelt so viele wie derzeit, mindestens. Wer jetzt die Hände über dem Kopf zusammenschlägt und fragt, woher das Geld denn kommen soll: das weiß ich auch nicht. Ich bin kein Finanzpolitiker. Ich erkenne den Missstand und seine negativen Folgen. Im gleichen Rahmen reduziert man dann auch an den Schulen den Klassenteiler.
2) Mehr Budget für Material
Die Schulen brauchen mehr Geld für Material. Besonders die Kopierer sind hier ein Problem. Absolut keinen Bedarf sehe ich im Einrichten von Computerräumen. Die Entwicklung ist bei Computern so schnell und die Kompetenz bei den meisten Lehrern so niedrig, dass es eine kostspielige Fehlinvestition ist, ständig hinterherhechelnd einen modernen Computerraum am Laufen zu halten. Ich plädiere für Arbeitsrechner, die Schülern und Lehrern zugänglich sind, aber nicht für komplette Klassen. Dieser Unterricht ist in meinen Augen sinnlos, zumindest ist dies meine Erfahrung aus Schul- und bisheriger Lehrzeit. Hier kann bereits mit wenig Geld der gröbste Missstand beseitigt werden.
3) Neue Schulen bauen oder alte komplett umstellen
Hier wird es utopisch, denn für die Maßnahmen, die ich eigentlich für geraten halte, ist definitv der finanzielle Spielraum nicht gegeben. Hätte ich ein entsprechendes Budget, würde ich hier folgende Maßnahmen vorschlagen:
- Arbeitsräume/Büros für Lehrer. Die Lehrer an den Schulen müssen mehr Zeit dort verbringen. Die Auslagerung praktisch aller Tätigkeiten der Lehrer, die nicht Unterricht sind, in deren Heim schiebt der Kommunikation mit Kollegen und Schülern einen Riegel vor und ist eigentlich nicht zeitgemäß. Vernünftig ausgestattete Arbeitsräume mit gut ausgestatteten Bibliotheken und Mediatheken sind Pflicht, ebenso Ansprechbarkeit durch Schüler und Eltern im Rahmen von Sprechstunden und ähnliches.
- Aufteilung der Klassenzimmer. Die typischen Klassenzimmer mit ihren Tischen und Stühlen sind eigentlich völlig ungeeignet, um die Erkenntnisse der Pädagogik und ihre offenen Unterrichtsformen angemessen umzusetzen, die das Lernen der Schüler deutlich anregen. Es braucht hier mehrere abgegrenzte, frei zugängliche Arbeitsbereiche, in den Kleingruppen von Schülern lernen können, zentrale Bereiche für das Unterrichtsgespräch und auch Ruhe- und Rückzugsmöglichkeiten. Die Klassenzimmer sind immer noch rein nach den Erfordernissen von Frontalunterricht aufgebaut.
- Mensen einrichten. Schüler, die den Mittag in der Schule verbringen, brauchen Zugang zu gutem und nahrhaftem Essen. Das ist zugegebenermaßen nichts, was man im Allgemeinen mit einer Mensa verbindet, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Eine Mensa muss groß genug sein allen Schülern Raum zu bieten und zudem über verschiedene Speisemöglichkeiten verfügen.
- Ruheräume. Ebenfalls hauptsächlich für die Mittagspause, aber auch für sonstige Pausen, brauchen die Schüler Rückzugsräume. Viel von der Aggressivität an den Schulen heute kommt auch von der Enge und dem Lärm, dem man in den Gebäuden beständig ausgesetzt ist.
- Hausaufgabenbetreuung. Es muss für die Hausaufgaben und Klausurvorbereitungen geschultes Personal zur Verfügung stehen, das den Schülern hilft, ihre Schwächen auszubügeln und mit dem Schulstoff mitzukommen, der sich seit der Einführung des achtjährigen Gymnasiums potenziert hat. Dies wird bereits mit großem Erfolg erprobt und ist deutlich ausbaufähig.
Solange ich dieses Budget nicht habe, müssen die Schulen weiter improvisieren. Daran wird sich leider in naher Zukunft nur wenig ändern lassen.
Ein letztes Wort: ich befasse mich eigentlich ausschließlich mit Schulen und Universitäten öffentlicher Trägerschaft. Private Schulen und Universitäten funktionieren nach eigenen Regeln, sind oftmals der Rentabilität unterworfen und verlangen hohe Gebühren. Ich kenne mich auf diesem Feld nicht aus und spare sie deshalb in dieser Betrachtung aus.
Ein sehr schöner Artikel, der den dringenden Handlungsbedarf verdeutlicht. Gerade jetzt wäre Investitionen in unser Bildungssystem dringend angeraten, finanzielle Engpässe dürfen nicht als Pseudoargument engeführt werden. (Ich habe übrigens 1000 Kopien pro Halbjahr frei…)
AntwortenLöschen1000 pro Halbjahr...? Das ist krass. Habt ihr wenigstens so einen Billigkopierer miesester Qualität, an dem man beliebig viele machen kann?
AntwortenLöschenVieles davon kann ich nur bestätigen.
AntwortenLöschenDa ich eine Ausbildung mache kann ich nichts zu Ganztagsangeboten o. ä. sagen, aber der Realität entspricht der Beitrag schon. Wegen Lehrermangel und auch weil die Klassen zu klein waren(12 Leute in einer Klasse, da konnten sich die Lehrer noch um jeden einzelnen kümmern)mussten zwei Klassen zusammengelegt werden; wir sind jetzt 32 Leute. Dies führt zu einigen Problemen. Es gibt nicht genügend Räume die für so eine Größe angemessen sind. Die Stühle und Tische reichen grade für alle aus. Im seltenen Fall findet sich kein Raum und der Unterricht fällt aus. Die Lehrer haben Probleme die Schüler unter Kontrolle zu halten.
Zudem sind die Räume in einem desolaten Zustand. Flecken an der Decke. Es stinkt besonders in den älteren Räumen und die Kellerräume wurden schon gesperrt.
Einen Tropfen auf den heißen Stein sind jetzt die Bauarbeiten mit Geld aus dem Konjunkturprogramm. Warum das nicht schon vorher in Angriff genommen wurde, bleibt mir schleierhaft. Aber das hilft auch nichts, da eher die Wärmedammung und ähnliches verbessert wird, als die Unterrichtsräume- und material.
Leider wurde ein Kernproblem des dt. "Bildungsföderalismus" nicht hinreichend verstanden: Zuständig für die sächliche und die personelle Ausstattung der Schulen sind das Land und die Kommunen. Die Lehrer, teilweise auch die Sozialarbeiter sind Beamte bzw. Angestellte des Landes. Für die Ausstattung der Schule einschl. der Schulhäuser und für das nicht-pädagogische Personal ist die Kommune zuständig.
AntwortenLöschenDaraus ergibt sich ein zentrales Dilemma: Die Länder regieren mittels Schulgesetzen und Erlassen unmittelbar in die Schulen hinein. So kann ein Land über die Stundentafeln faktisch Ganzstagsunterricht anordnen; ob oder in welcher Qualität eine Mensa oder eine Nachmittagsbetreuung vorhanden ist, hängt jedoch von der Bereitschaft und Leistungsfähigkeit der Kommunen ab.
Symptomatisch sind fehlende Arbeitsplätze für Lehrer: Die Länder weigern sich, die Arbeitszeiten für Lehrer zu regeln, weil sich zum einen herausstellen könnte, dass Lehrer fehlen. Ferner müssten die Kommunen "gezwungen" werden, Arbeitsplätze bereit zu stellen... Nun hatte der Bund auch noch ein Einsparpotenzial entdeckt: Selbst das häusliche Arbeitszimmer ist nicht mehr steuerlich absetzbar, sollen die Lehrer doch am Küchentisch arbeiten.
Bildungspolitik ist ein Verschiebebahnhof. Bund und Länder überbieten sich mit "Reformen". Tatsächlich versucht jedoch jede Ebene der anderen den "schwarzen Peter" in Gestalt der Kosten aufzubürden.
Das Gesamtsystem ist im OECD Vergleich chronisch unterfinanziert. In Deutschland fehlt allgemein die Bereitschaft für Bildung mehr Geld auszugeben. Das Verhältnis zum Geld ist irrational: Marode Schulen, Unterrichtsausfall und überfüllte Hörsäle werden hingenommen wie Naturereignisse. Aber Steuererhöhungen, nein, die dürfen nicht sein. Sie schaden dem "Standort".
Kein FDP-Wähler dürfte sich über den Zustand der Schulen beschweren...
Im übrigen kann ich auch nicht verstehen, dass Lehrer, bin selber einer, sich über fehlende Kopierer beschweren; dies sind "peanuts" (das Gehalt ist ausreichend, um ein paar lächerliche Kopien zu bezahlen). Abschreckende Schulgebäude fallen da schon eher ins Gewicht.
Als wirklich belastend empfinde ich es, dass selbst in "Wohlstandsinseln" nicht ausreichend personelle und sachliche Mittel zur Verfügung stehen, um "benachteiligte" Kinder und Jugendliche (sei es aufgrund von "Wohlstandsverwahlosung", sei es aufgrund des sozialen Status der Familien) in den Unterricht zu integrieren. Es fehlt eine entsprechende schulische und außerschulische Infrastruktur (Sozialarbeiter, Familienhelfer usf.).
Die vorgeschlagene Senkung der Klassenstärken auf 10 - 15 Schüler kann kein erstrebenswertes Ziel sein: sie ist eine Kapitulation vor den Verhältnissen. Ziel muss es sein, die sozialen Kompetenzen der Schüler so zu fördern, dass sie in den Unterricht integriert werden können.
Ebenso problematisch ist Forderung nach Ganztagsschulen. In England kann man vorzüglich studieren, was in "schlechten" Ganztagsschulen abläuft.... Positiv-Beispiele in Skandinavien zeigen, wie sozialpädagogische Betreuung und "klassische" Schule miteinander kombiniert werden könnten.
Ohne eine Bündelung der Sektoralpolitiken und ohne ausreichende Finanzierung nimmt die festzustellende offenkundige Überforderung der Schulen durch vielgelobte Ganztagsschulen nochmals zu.
Die Weiterentwicklung des Schulsystems scheitert in Deutschland weniger an den seit den 70er Jahren erbittert diskutierten "Grundfragen" (gegliedertes System vs. Gesamtschule), sondern an der Finanzierung, den Egoismen der jeweiligen Politikebenen und Ressorts.
@Oeffinger Freidenker: Wir haben zwei Kopierer für 60 Kollegen, ich möchte aber meinem Vorkommentator beipflichten. Natürlich sind Kopierkosten relativ gesehen Peanuts, sie stehen allerdings gerade deshalb symptomatisch für die nicht vorhandene Bereitschaft seitens der Politik, für elementare Posten in der Bildung finanzielle Verantwortung zu übernehmen.
AntwortenLöschenAuch ich halte die räumliche und personelle Ausstattung der Schule für weitaus wichtiger in Bezug auf das soziale Auskommen aller Beteiligten als die Qualität meiner Arbeitsblätter (unser Haus ist der typische Betonträger-Ziegelstein-Zweckbau, der innerhalb einer Woche wahlweise zu einem Katastropenschutzzentrum oder einer Justizvollzugsanstalt umfunktioniert werden könnte). Dennoch: Zeitgemäßer Unterricht hängt auch zu einem großen Teil vom Material ab und ich sehe es nicht ein, auch dieses noch von meinem Referendarsbudget zu schultern, das durch Fachliteratur ohnehin schon gehörig strapaziert wird.
Glücklich kann ich mich insofern schätzen, als das unsere Schule schon seit vielen Jahren erfolgreich das Ganztagssystem betreibt und auch für Mittagessen und Räumlichkeiten sorgen kann. Dies ist ein großer Gewinn und auch wenn der Unterricht in der neunten Stunde nicht mehr ganz so produktiv ist, so liegen die Vorteile auf der Hand: Die Schüler identifizieren sich mit der Schule, sie haben ein umfangreiches Angebot an AGs und wir Lehrkräfte haben die Möglichkeit, auch mal ein längeres Gespräch nach 12 Uhr mittags zu führen.
Zwar lässt sich nicht alles mit mehr finanzieller Unterstützung aus der Welt schaffen, was in unserem Bildungssystem schief läuft, aber eine entschiedeneres finanzielles Engagement der Träger würde enormes Verbesserungspotential aktivieren.
Mittlerweile bin ich froh, das dieser eigentlich unsägliche Terminus „Systemrelevanz" in den politischen Diskurs gebracht wurde, denn an ihm kann man sehr anschaulich deutlich machen, was hier falsch läuft. Wenn einige von aufgeblasenen Windeiern vor die Wand gefahrene Banken angeblich systemrelevant sind, was sind denn dann bitte unsere Schüler???
@Anonym (ihr solltet euch wirklich Nicks zulegen ^^): Ich sehe das nicht als Peanuts, denn es ist symptomatisch. Das ist wie wenn Schumacher sein Benzin selber zahlen müsste. Klar könnte er. Aber was soll denn der Unfug?
AntwortenLöschenDein letzter Satz hat meinen ganzen Kommentar kaputt gemacht... Wir haben weder Platzprobleme noch unbequeme Stühle/ Tische ;).
AntwortenLöschenAber, die Idee mit den Büros/ Arbeitszimmern für Lehrer finde ich sehr ansprechend. Gerade beim Konzept der Ganztagsschule / Hausaufgabenbetreuung ergäben sich hiermit auch Möglichkeiten für Schüler den Lehrer bei Fragen noch einmal aufzusuchen.
ich finde kopierer werden überschätz(ist nur meine bescheidene meinung) ich bin in der ddr zur schule gegangen. dort wurde absolut nix kopiert. wir haben alles selbst abgeschrieben, von folien, oder der tafel. das hat ne menge übung gebracht im schreiben und immerhin liest man von der tafel ab und schreibt es selbst auf. damit hat man das ganze schon 2 mal wiederholt, ausserdem erzählt der lehrer ja auch gleichzeitig davon. also man prägt es sich dabei schon oft ein.
AntwortenLöschenin der berufsschule, die habe ich dann im jetzigen system absolviert, habe ich nur noch kopien bekommen, ich hatte hefterweise kopien. die ich größten teils nie gelesen habe. ich habe mich da mehr auf meine schnelle auffassungsgabe verlassen und dem lehrer lieber zugehört. zur prüfung habe ich mir dann ein prüfungs-vorbereitungs-buch gekauft. und selten mal die kopien durchgelesen.
also ich fand die kopien nervig.
ist zwar nur ein kleiner punkt bei dieser debatte, aber ich empfand das damals schon als sehr merkwürdig, dass so viel kopiert wird.
als hätte der lehrer keine zeit, oder war zu faul das wissen gemeinsam mit den schülern aus fachbücher herauszuarbeiten.