Das Buch besteht aus einer Ansammlung von 31 kurzen Texten in essayistischer Form. Sie befassen sich mit drei zentralen Themenkomplexen: Der seelenlosen Bürokratie, die durch die Hartz-Reformen geschaffen wurde, dem Ausländerhass der Deutschen und der Auschwitz-Mentalität. Die Essays sind dabei, der Natur ihres Blogursprungs entsprechend, auf zeitaktuellen Ereignissen basierend. Es ist Robertos Verdienst, dass es ihm gelingt, seine Anklagen in geradezu lyrische Prosa zu packen. Oftmals spürt man die Anleihen beim Stil großer Autoren wie Camus, Marcuse, Orwell und Sartre. Verwundbare, geisterhafte Gestalten irren durch die Flure der Arbeitsämter dieser Republik, in denen seelenlose Menschmaschinen ihnen erklären, dass die Aktenlage leider nicht zulässt, dass man sich ihres Schicksals erbarmt. Ärztliche Gutachten über die Arbeitsfähigkeit werden höher bewertet als die offensichtlich durch „Mark Eyeball“ zu erlangende Erkenntnis, dass der „Kunde“ vor einem an einem Bein amputiert ist. Man täusche sich ja so oft, erklärt der Beamte mit Unschuldsmiene, wogegen das ärztliche Urteil das einer Fachkraft und im Allgemeinen verlässlich sei.
Es ist die schmerzhafte Surrealität solcher Szenen, die de Lapuente vor dem Leser ausbreitet und die diesen so in seinen Bann schlagen. Doch nicht nur der seelenlosen Bürokratie der Arbeitsämter als solcher widmet sich der Autor, sondern sein zurecht idealistischer Kreuzzug streitet auch engagiert wider das bürgerliche Vergessen, wider das, was ich hier als Auschwitz-Mentalität subsumiere. Die Leichtigkeit, mit der ihm es gelingt, die Selbstrechtfertigung eines ehemaligen Hartz-Beamten in einem postrevolutionären Deutschland genau nach der eines KZ-Wächters klingen zu lassen, der immer noch nicht zu erkennen vermag, warum „was damals Recht war, heute Unrecht sein kann“, ist beeindruckend und regt zu tiefem Nachdenken an. Der Übergang von diesem Topos zur Frage des allgegenwärtigen deutschen Ausländerhasses ist fließend.
De Lapuente kennt ihn nicht nur vom heimischen Schreibtisch aus; der Name verrät es, er hat ihn selbst erlebt. Der Bayer mit dem spanischen Vater musste in der bajuwarischen Provinz genug davon ertragen, und folgerichtig gehört das titelgebende Essay „Unzugehörig“ auch zu den stärksten des Bandes, da es aus dem Vollen seiner eigenen Seele und Erinnerungen schöpft.
In dieser Geschichte wird der Leser am stärksten emotional gepackt, in vielen anderen zur kritischen Selbstreflexion gezwungen. Könnte ich das sein? Wie gehen wir miteinander um? Wollen wir so leben? Roberto de Lapuente gibt in seinen Beiträgen keine Antworten darauf, vielmehr öffnet er uns die Tür, selbst darüber nachzudenken und unsere eigenen Schlüsse zu ziehen. In einer Welt, in der die Konformität der Gedanken zunehmend überhand nimmt ist, dies kaum hoch genug einzuschätzen.
Danke für die Buchbesprechung.
AntwortenLöschenHab mir das "Teil" soeben bestellt.
Mit herzlichen Grüßen