Dienstag, 23. Februar 2010

Dinosaurier der Gewaltenteilung

Von Stefan Sasse

Die Gewaltenteilung gehört unbestritten zu den wichtigsten Grundsätzen unserer Demokratie. Staaten, in denen sie nicht verwirklicht ist, können nach unseren Maßstäben nicht als Demokratien gelten, da ihnen elementare Mittel der checks&balances fehlen. Ein wunder Punkt der Gewaltenteilung sind in allen demokratischen Staaten zwangsläufig die Geheimdienste. Sie operieren im Geheimen, das heißt, Transparenz ist Gift für ihren Job, und gleichzeitig benötigen sie weitreichende Befugnisse, um ihren Job ausführen zu können. Beides wird hingenommen, weil ohne diese Prämissen ein Geheimdienst nicht möglich wäre. So überrascht es auch nicht, dass im Raum der Geheimdienste immer wieder Skandale entstehen.
In Deutschland sind es BND und Verfassungsschutz, die regelmäßig für Ärger suchen. Der BND, weil er als einer der wohl schlechtesten Geheimdienste der Welt - Spitzname "Gurkentruppe aus Pullach" - im Ausland regelmäßig irgendwelche Operationen verbockt, bei denen die Agenten deutlich die Grenzen des Erlaubten überschreiten und sich zu allem Überfluss auch noch dabei erwischen lassen, was im Geheimdienstgeschäft tolerierbar wäre würde der BND im Gegensatz dazu wenigstens vernünftige Informationen liefern - was er nicht tut.
Der zweite Geheimdienst ist der Verfassungsschutz. Er untersteht, in Landesbereiche geordnet, der Organisation des jeweils zuständigen Innenministeriums. Seine Aufgaben sind es, innere Gefahren für die demokratische Grundordnung abzuwehren, eine Aufgabe, bei der er fast schlimmer versagt als der BND bei der Abwehr äußerer Gefahren. Doch im Gegensatz zu den Schlapphüten aus Pullach versagt der Verfassungsschutz, weil er einseitig als Waffe im politischen Alltagsgeschäft instrumentalisiert wird und sich auch bereitwillig dafür prostituiert. 
Dies hängt damit zusammen, dass Geheimdienste ebenso wie Militär und gleichgeartete Organisationen eine sehr konservative, misstrauische Grundattitüde haben. In Deutschland sind sie traditionell auf Seiten der CDU, die wiederum den Kampf gegen den "Kommunismus" und den "Islamismus" auf ihre Fahnen geschrieben hat. Beides sind die primären Betätigungsfelder des Verfassungsschutzes. Das dritte, eher periphere Feld sind rechtsextreme Bestrebungen. Hier fiel der Verfassungsschutz durch tatsächliche, BND-vergleichbare Inkompetenz auf, als bei dem Verbotsverfahren gegen die NPD offenbar wurde, dass viele führende Personen in der Partei auf den Gehaltslisten des Verfassungsschutzes standen. Der Skandal weitete sich aus, als, leider weitgehend unbeachtet von der öffentlichen Berichterstattung, klar wurde dass der Verfassungsschutz von vielen dieser V-Leute mit hanebüchenem Unsinn gefüttert wurde und die NPD seit Jahren überhaupt nur überleben konnte, weil zahlreiche hartgesottene Mitglieder das nicht unbeträchtliche Geld vom Verfassungsschutz direkt in die Parteikassen einbrachten. 
Seit diesem Skandal hat sich das primäre Betätigungsfeld des Verfassungsschutzes verschoben. Das verwundert nicht, denn mit der Gründung der WASG und dem Beitritt Oskar Lafontaines entstand quasi über Nacht eine politische Kraft, die sich dezidiert deutlich links der Mitte verortete und darüber hinaus über eine zumindest verbal radikale "Kommunistische Plattform" verfügte. Das Beschäftigungsfeld des Verfassungsschutzes umfasst seither in starkem Maße die LINKE, und die jährlichen Verfassungsschutzberichte sowie unregelmäßige weitere Statements sind wertvolle Munition für die Wahlkämpfer von CDU und FDP, die ohnehin nie müde werden, das kommunistische Gespenst in Deutschland zu beschwören. 
Ein aktueller Fall zeigt schmerzhaft deutlich das Missbrauchspotential des Verfassungsschutzes auf: die linke Jannine Menger-Hamilton, mit britischer und italienischer Staatsbürgerschaft in Deutschland aufgewachsen und bis 2007 in der SPD und seither in der LINKEn engagiert, beantragte vor zweieinhalb Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft. In solchen Fällen - doppelte EU-Bürgerschaft, gesicherte Verhältnisse, perfekt integriert da in Deutschland aufgewachsen - eigentlich eine Routineangelegenheit, doch in ihrem Fall zog es sich. Und zog sich. Als sie schließlich in Hannover anfragte, erfuhr sie, dass der Verfassungsschutz Bedenken habe, da sie sich in der LINKEn engagiere, die eine verfassungsfeindliche Partei sei. Die Vorwürfe, die Menger-Hamilton schriftlich vorgelegt wurden, sind dabei mehr als merkwürdig: 
Später bekam sie es schriftlich. Der Verfassungsschutz listete in einem umfänglichen Papier viel Allgemeines über die Linkspartei auf. So sei der "demokratische Sozialismus", den die Partei anstrebe, "nur scheinbar mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar". Auch die "Wirtschaftsdemokratie", die nichts anderes als die "Entprivatisierung bestimmter Wirtschaftsbereiche" sei, deutet der Verfassungsschutz als klares Zeichen, dass SED und Linkspartei im Grunde das Gleiche seien.
Teile der Partei ließen es zudem an der "nach den Maßstäben des Grundgesetzes erforderlichen Distanzierung von der Republik Kuba" mangeln. Außerdem zitieren die Verfassungsschützer ausführlich dogmatische Phrasen der Kommunistischen Plattform.
Dass diese Plattform in der Linkspartei ein randständiges Dasein fristet und Hamilton mit eisernen Glaubenssätzen nicht viel am Hut hat, irritiert die Verfassungsschützer nicht. Im Gegenteil: Wie staatsgefährdend ihre Einbürgerung wäre, beweise ihre Wahl "zur stellvertretenden Kreisschatzmeisterin" im Jahr 2008, die ihre "hervorgehobene Stellung" in der Linkspartei zweifelsfrei belege. Diese Schlussfolgerung ist selbst für die oft gedrechselte Verfassungsschutz-Prosa kurios. Doch das Votum des niedersächsischen Innenministerium ist eindeutig: Ein deutscher Pass für Hamilton würde die verfassungsmäßige Ordnung gefährden. (taz)
Interessant sind hier mehrere Punkte. Während die politische Konkurrenz nicht müde wird zu betonen, dass die LINKE eigentlich kein Programm habe, weiß der Verfassungsschutz, dass der "demokratische Sozialismus", den die LINKE anstrebe, sich nicht mit dem GG vereinbaren lassen. Dieses Ziel findet sich wortgleich im SPD-Programm von 2007. Mir ist natürlich klar, dass das alleine nichts aussagt. Auf welcher Grundlage der Verfassungsschutz zu dieser Einschätzung kommt wäre allerdings durchaus interessant. 
Warum ausgerechnet die Entprivatisierung bestimmter Wirtschaftsbereiche, die vor 25 Jahren allesamt noch nicht privatisiert waren - Energie, Wasser, Bahn - dem GG widersprechen soll bleibt ebenfalls das Geheimnis der Verfassungsschützer. Das GG sieht Enteignungen zum öffentlichen Wohl sogar ausdrücklich in einem eigenen, wenn auch nie angewandten, Artikel vor. 
Richtig absurd ist der Vorwuf an Kuba: das Land ist sicherlich kein demokratischer Musterstaat, aber auf die erforderliche Distanzierung der FDP von Afghanistan nach dem gigantischen Wahlbetrug warten wir ebenso noch immer wie auf die deutliche Distanzierung der CDU von China. Hier wird offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen, und das ist ein Unding. 
Wäre das alles nur ein Einzelfall, könnte man ihn aufklären und darüber hinwegsehen. Doch es handelt sich nicht um einen Einzelfall, das zeigt sich schon allein daran, dass außerhalb der LINKEn niemand Aufklärungsbedarf sieht. Der Verfassungsschutz wird von einer bestimmtem politischen Richtung als politisches Kampfinstrument seit vielen Jahren missbraucht, ohne dass dies in irgendeiner Form untersucht oder angeprangert werden würde. Es geht dabei nicht um die LINKE an sich. Dass die Ziele der Kommunistischen Plattform nicht mit dem GG vereinbar sind, versteht sich denke ich von selbst. Es ist nicht die Beobachtung per se, die hier anzuprangern ist, sondern die Einseitigkeit, mit der dies geschieht, und die offensichtliche Instrumentalisierung vor allem durch die konservative Kräfte im Land, denen sich der Verfassungsschutz offen anbiedert. Hier besteht deutlicher Handlungsbedarf.

4 Kommentare:

  1. Gewaltenteilung (Legislative, Exekutive, Judikative und, als vierte Gewalt, die Medien) teilen sich in der Tat die Gewalt im Staate auf. Zwischen die passt in der Regel kein Blatt Papier. Trennendes gibt's da nicht!
    Da wuchert zusammen, was nicht zusammengeh�rt.

    Der Fall Hamilton beweist gerade die Verlogenheit des Systems, das sich als Demokratie ausgibt.

    Wem wurde k�rzlich bescheinigt, dass er Artikel 1 GG verletzt hat? Richtig, den Leuten aus der Politik, dem Gesetzgeber, wurde das unter die Nase gerieben. Aber selbst das Bundesverfassungsgericht billigt der W�rde des Menschen noch eine Auszeit bis Jahresende zu!

    Die Kommunistische Plattform ist mir allemal lieber als geistig-politische (Was soll das sein?) bzw. neoliberale Hassprediger.

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  2. Ein Geheimdienst ist per Definition weder gut noch böse, sondern ein Machtinstrument der Herrschenden und damit deren Abbild.Und die Me4rrschenden sind hier das Kapital,unabhängig davon welche Partei gerade in der Regierung sitzt.

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  3. Man spricht in Deutschland ja nicht umsonst von "GewaltenVERSCHRÄNKUNG" und "funktionaler Überlappung". ;-)

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  4. Wo ist denn der Verfassungsschutz, wenn regelmäßig die Verfassung von unserer Regierung verletzt wird. Verfassungsfeindlich ist so ein schönes Wort. Nur leider scheint die Intention stärker zu wiegen als die Tat. Das entspricht ja auch unsere Rechtsnorm. Schuldig bis die Schuld erkannt wurde.

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