Donnerstag, 28. Juni 2012

Krise der Institutionen

Von Stefan Sasse

Die allumfassende Krise, die mit dem Namen "Euro-Krise" kaum treffend beschrieben werden kann, macht keinesfalls vor Parteien und Politikern halt. Was wir derzeit erleben ist auch eine tiefe Verunsicherung über die Institutionen selbst. Dies betrifft vor allem, aber keinesfalls ausschließlich, die europäischen Organe. Neu ist daran, dass es sich um ein grundlegendes Misstrauen handelt. Frühere Vertrauenskrisen fanden üblicherweise im Rahmen von Skandalen und großflächigen, als falsch empfundenen Politikmaßnahmen statt. Erstere führen häufig zu der verbreiteten Ansicht, dass die Regeln für "die da oben" nicht gelten und sie sich auf Kosten der Allgemeinheit bereichern. Die gesamte Wulff-Affäre ist hierfür ein gutes Beispiel. Eine Vertrauenskrise ergriff das Amt des Bundespräsidenten, konnte jedoch durch den Austausch des Personals rasch beendet werden. Dies ist tatsächlich auch die einfachste Vertrauenskrise, häufig personalisiert und prinzipiell durch das Auftreten einer als vertrauenswürdig empfundenen Person zu lösen. Anders verhält es sich bereits bei der Krise aufgrund von politischen Maßnahmen.

Mittwoch, 27. Juni 2012

It's the politics, stupid!

Von Stefan Sasse

"Alle Welt will das deutsche Geld!" Das ist eine Aussage, die man derzeit kreuz und quer durch den deutschen Blätterwald rauschen hört. Sie wird vorgetragen mit der Aura heiliger Empörung, mit der Selbstsicherheit, die nur ein moralisch einwandfreier Lebenswandel geben kann (sofern man kein Katholik ist), der typischen chauvinistischen Selbstgewissheit, mit der diejenigen, denen es gut geht, schon immer denjenigen begegnen denen es schlecht geht. Das kann der Großbürger des 19. Jahrhunderts gegenüber dem Fabrikarbeiter sein (Was ist der auch arm! Selbst schuld!), das kann der Deutsche sein, dessen stolzgeschwelltes Herz sich in Geschichten vom eigenen Fleiß ergibt, der den "Schuldnerländern" des "Südens" so überlegen ist. Tatsächlich schreit "die Welt" (also vor allem Europa und die USA) nach deutscher Aktion in dieser Sache. Tut endlich was! ist der Tenor, und damit ist nicht einmal das reine Geldausgeben gemeint. Aber der Deutsche denkt dieser Tage nur mit dem Portmonee, und alles, was er hört, ist das Rascheln von Geldscheinen und Klingen von Münzen. Dabei hat die Krise längst eine völlig andere Dimension, die völlig untergeht. Es geht nämlich nur sehr zweitrangig ums Geld, das die Deutschen mit Argusaugen vor den gierigen, unverantwortlichen Südländern bewahren zu müssen glauben. Die Dimension der Krise ist längst politisch geworden, ohne dass die Deutschen das sehen würden. 

Montag, 25. Juni 2012

Fiskalpakt

Von Marc Schanz

Die Euro-Krise nimmt kein Ende. Wer kann sich noch an eine krisenfreie Zeit erinnern? Ich kann es nicht! Ich fühle mich wie auf einem Schiff, das durch einen niemals endenden Sturm fährt und dabei ständig hin und her geworfen wird. Es ist ein ekliges Gefühl, ohne festen Boden, ohne Orientierung zu sein. Hunderte Male wurde uns versprochen, gleich ist der Sturm vorbei, nur noch dieses eine Manöver, dann sind wir wieder im ruhigen Wasser, dann sind wir wieder in Sicherheit! Diesmal soll uns also der Fiskalpakt von der Krise erlösen, natürlich endgültig und das auch noch für alle Ewigkeit!

Wäre die Krise doch nur ein Sturm! Die Euro- und die Finanzkrise ist, obwohl sie überall und ständig präsent ist, so merkwürdig unwirklich. In den Meiden ist sie ein Dauerthema, jeder spricht von ihr und dennoch hat man dieses sonderbare Gefühl, sie einfach nicht fassen zu können. Das Zermürbende an der Krise ist, die unangenehme Ahnung zu haben, etwas läuft gewaltig schief, ohne benennen zu können, was es eigentlich ist. Woran liegt das nur? Machen wir etwas Ungewöhnliches, machen wir eine Schiffsreise und gehen an Bord des Tankers Teutonia.

Samstag, 23. Juni 2012

Dienstag, 19. Juni 2012

Kein Programm

Von Stefan Sasse

Es ist ein häufiger Vorwurf gegen die Piraten, dass sie kein Programm hätten. Gerade diese Woche hat die aktuelle Piraten-Doku der ARD wieder den Protest vieler Piraten hervorgerufen, die den Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen wollten; Marina Weisband etwa verwies auf Twitter auf die ironisch gebrochene Seite http://www.kein-programm.de/, wo die Parteiprogramme der einzelnen Piratenverbände angeschaut werden können. Seit Wochen wiederholen Piraten gebetsmühlenartig, dass es Programme gibt, größtenteils ausgearbeitet, und wo noch Lücken sind arbeite man daran, diese zu füllen. Bald. Ganz bestimmt. Die Parallele zu der Debatte um die damals frisch gegründete Linkspartei, der man ebenfalls das Fehlen eines Programms vorwarf, ist offenkundig. Und die LINKE hatte sogar ein Papier, eines, aus dem die SPD nachweislich abgeschrieben hatte. Aber genau darum geht es ja gar nicht. Der Vorwurf, die Partei habe "kein Programm" bezieht sich nicht auf ein tatsächliches Programm, mit vielen Seiten die ohnehin niemand liest, am allerwenigsten die, die eines fordern. Was steht schon im aktuellen SPD- oder CDU-Programm? Und, vor allem, interessiert es irgendwen? Nein, der Vorwurf ist nur vorgeschoben. Es geht, wie so oft, ums Narrativ.

Montag, 18. Juni 2012

Die etwas andere Geschichte der Euro-Krise

Von Marc Schanz

Die Euro-Krise ist historisch, keine Frage. Die Inflation an geschichtlichen Bezügen ist daher verständlich. Gerne wird im Hinblick auf unseren Austeritätsautismus der selige Herr Brüning erwähnt, oder Griechenland soll sich doch bitte ein Beispiel an der Argentinienkrise nehmen und sich deren Moral zu Herzen nehmen. In eine humoristische Kategorie fällt die absurde These des Herrn Sinn, Griechenland habe von Deutschland bereits eine Art Marshallplan erhalten. All diese Geschichten haben gar nicht so viel Beine, wie sie zum Hinken benötigen. Ich möchte daher eine etwas andere Geschichte der Euro-Krise erzählen, und zwar ohne historische Bezüge, ohne Moral und frei von Emotionen. Bei verworrenen Konstellationen hilft mir stets eine solche Versachlichung, um mir wieder die notwendige Klarheit zu verschaffen.

Machen wir eine kleine Zeitreise in die krisenfreie Ära vor der Einführung des Euros. Jedes Land hatte seine eigene Währung. International agierende Konzerne und Unternehmen mussten bei einem länderübergreifenden Warenaustausch nicht nur hohe Verwaltungskosten schultern, sondern auch die Ausfallrisiken dieser Auslandsüberweisungen tragen. Auf der Suche nach der Lösung dieses Problems wurde die Idee der Gemeinschaftswährung geboren. Der Euro hatte somit das Ziel, den innereuropäischen Warenaustausch zu vereinfachen, sowie kostengünstiger und risikoärmer zu gestalten. Es gab noch eine politische Vorgabe: die No-Bailout-Klausel, kein Land darf für das andere haften.

Freitag, 15. Juni 2012

Was war nur schiefgelaufen?

Von Christian Sickendieck

Ein Schneesturm legte große Gebiete in Deutschland lahm. Einen solchen Winter hatte es seit Jahrzehnten nicht gegeben. Frank Schirrmacher stieg in Frankfurt in seinen Dienstwagen, er wurde in Hamburg bei Google Deutschland zur Unterzeichnung der neuen Verträge erwartet. Als sein Fahrer den Wagen auf die Autobahn lenkte, dachte Schirrmacher zurück, an die gute alte Zeit des Leistungsschutzrechtes. Die Politik hatte verstanden, damals 2013: Kurz vor ihrer Abwahl hatte die schwarz-gelbe Koalition unter lautem Beifall der rot-grünen Opposition das emotional diskutierte Leistungsschutzrecht verabschiedet. Die Zukunft des Journalismus schien gesichert.

Sie feierten es damals als Erfolg, als das Leistungsschutzrecht im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde. Endlich konnten die FAZ, der Axel-Springer-Konzern, die SZ, der Spiegel, alle Kolleginnen und Kollegen Google für seinen Dienst Google News eine Rechnung stellen, Blogger, Facebook- und Google+-Nutzer wurde untersagt, weiter gegen das Urheberrecht zu verstoßen und mit der harten Arbeit deutscher Journalisten Aufmerksamkeit zu generieren und Geld zu verdienen. In einer privaten Unterredung mit der Chefredaktion hörte Frank Schirrmacher den Satz eines Kollegen, "wie bei Alice im Wunderland.".

Donnerstag, 14. Juni 2012

Einer, der es ganz besonders nicht verstanden hat

Von Stefan Sasse

Hans-Werner Sinn (2008) ((c)Jan Roeder, GNU 1.2)
Hans-Werner Sinn hat für die New York Times einen Meinungsartikel geschrieben, in dem er zu erklären versucht, warum Deutschland keine Lust auf den Griechenland- und Südeuropa-Bailout hat. Meine Überschrift ist etwas verräterisch: ich halte von seiner Argumentation ziemlich wenig. Das fängt schon damit an, dass er Obama reinen Eigennutz unterstellt, wenn dieser die Rettung der Euro-Zone fordert. Das ist zwar richtig, würde ein Zusammenbruch derselben den USA doch definitiv schaden, entspricht aber in etwa der Vernunft eines Mannes, der mit einem Deutschen im Schlauchboot auf offener See unterwegs ist und ihn auffordert, doch bitte endlich den Stöpsel wieder in das Loch zu stecken, bevor man untergeht. Interessant ist auch, dass Sinns erstes echtes Argument der Maastricht-Vertrag ist, der einen Bailout generell verbiete. Deutschland könne damit selbst wenn es wöllte keine Rettung unternehmen, weil das Bundesverfassungsgericht sonst interveniere. Ich bin kein Staatsrechtler, aber der Maastrichtvertrag ist kein Grundgesetzartikel, und der Verstoß Deutschlands unter Schröder, als die 3%-Grenze ohne Strafzahlung gerissen wurde, landete auch nicht vor dem BVerfG. Sich auf diesen Vertrag zurückzuziehen und ihn für sakrosankt zu erklären ist mehr als merkwürdig, denn die aktuellen Vorgänge beweisen einmal mehr, dass Verträge erst einmal Papier sind. Warum in dieser Situation keine Änderung möglich sein sollte, entzieht sich meinem Verständnis. Im Ernstfall könnte man Maastricht einfach kündigen.  

Dienstag, 12. Juni 2012

They just don't get it

Von Stefan Sasse

"Wir dürfen Deutschland nicht überfordern", warnt Michael Hüther, Chef des arbeitgebernahen Instituts IW, in einem Gastbeitrag in der ZEIT. Deutschlands Solidarität dürfe nicht überstrapaziert werden. Ins gleiche Horn blasen andere Kommentatoren, besonders wenn sie auf den "moral hazard" hinweisen, der angeblich droht, wenn man die ganzen südländischen Versager raushaut und denen damit nur den Anreiz gibt, auch künftig nicht auf deutsche Tugenden zu achten. Michael Hüthers Warnung vor der "Überstrapazierung der Solidarität" jedoch trifft den Nagel auf den Kopf: they just don't get it. Es geht nicht um Solidarität. Es geht nicht um die gefälschten griechischen Bilanzen oder die genaue Deutung der Target-2-Salden. Menschen, die auf die oben beschriebene Weise argumentieren, leben offensichtlich in einem anderen, der Welt entrückten Deutschland, einem Deutschland, das irgendwo auf einer Insel liegt oder wie die Schweiz zwischen lauschigen und entlegenen Berghügeln. Ein Volk von emsigen, bodenständigen Arbeitern ohne hochfliegende Ambitionen, das ist quasi das Selbstbild dieser Leute, und ein Großteil der Deutschen hängt diesem Bild auch gerne nach. Kein Vergleich mit der notorischen Selbstüberschätzung der Franzosen oder Briten, die immer noch an Grande Nation und Empire glauben. Es ist von einer geradezu beißenden Ironie, dass die Deutschen nach zwei verlorenen Weltkriegen das Ziel der Hegemonie Europas aufgaben und diese Hegemonie nun nicht einmal mehr erkennen können, wenn man sie ihnen quasi auf dem Tablett serviert. Denn genau das ist in den letzten Monaten passiert: Deutschland ist eine Großmacht geworden, die Großmacht, die es früher einmal sein wollte. Ohne Deutschland geht in Europa gar nichts mehr. 

Samstag, 9. Juni 2012

Target2 oder der verbuchte Selbstbetrug

Von Marc Schanz
Target2 ist ein Flussgeldkontensystem für Bankreserven, das aufgrund von Eigenwährungstransfers negative Bankreserven erzeugen kann. Diese Anomalie entsteht, da die Zentralbankkonten der nationalen Notenbanken des Euro-Systems in Wahrheit nur Unterkonten einer faktischen, gemeinsamen Euro-Zentralbank sind.
Was passiert eigentlich auf diesen viel diskutierten Target2 Salden, die im Zuge der Euro-Krise astronomische Ausmaße angenommen haben? Die positiven Target2 Salden der Bundesbank belaufen sich auf unglaubliche +644,182 Mrd. Euro (Stand April ’12) und übersteigen den Haushalt des Bundes sogar um ein Mehrfaches! Sind wir dank der Krise und Target2 nun abartig reich geworden?
Die Antwort ist leicht, die Begründung jedoch alles andere als das. Um die komplexen Zusammenhänge so einfach wie möglich darzustellen, verdeutliche ich den Sachverhalt an einer fiktiven Währungsunion von Athenia und Teutonia.

Freitag, 8. Juni 2012

Ein Blick über den Großen Teich

Von Stefan Sasse

In den USA schleppt sich der Präsidentschaftswahlkampf hin. Die Aussichten für Obama, die Wahl zu gewinnen, haben sich deutlich verdüstert. Romney bringt mehr Spendengelder nach Hause als der Amtsinhaber, ein sicheres Zeichen, auf wen das Große Geld in diesem Kampf setzt (anders als noch 2008). Die Wirtschaft will und will sich nicht erholen. Fälle von Missmanagment und Veruntreuung bei Staatsgeldern, die in die notleidende Wirtschaft gepumpt wurden, werden bekannt. Für seine Angriffe auf Romneys Vergangenheit bei Bain Capital weht Obama inzwischen scharfer Gegenwind ins Gesicht. In den Umfragen führt er nur noch 2% vor seinem Herausforderer, und mehrere entscheidende Staaten wie Ohio, Virginia und Pennsylvania sind klare Battleground-States für diese Wahl. Der neueste Stein in diesem für Obama düsteren Mosaik ist die krachende Niederlage in Wisconsin, wo die Demokraten versuchten, den amtierenden republikanischen Gouverneur mit einer Recall-Election abzuwählen. Die sicherste Strategie scheint beiden Parteien darin zu bestehen, ihre eigene Basis zu mobilisieren, anstatt um die Wechselwähler ("Independents") der Mitte zu werben, die nichts mehr hassen als den Kampf der Parteien und Ideologien. 

Donnerstag, 7. Juni 2012

Narrative außer Kontrolle

Von Stefan Sasse

In seiner aktuellen Kolumne fürchtet Wolfgang Münchau den großen Zusammenbruch der Euro-Zone und schließt mit den Worten: 
Die Narrative dieser Krise sind völlig außer Kontrolle geraten, und die Politik weiß nicht, wie sie sie wieder einfängt. Das geht Merkel nicht anders. Vielleicht kommt die politische Union. Vielleicht kommt der Zusammenbruch. Eines von beiden wird aber kommen, und Deutschland hat sich auf keines der beiden Szenarien vorbereitet.
Recht hat der Mann; das Narrativ der Euro-Krise bereitet auf keines dieser beiden Extremszenarien vor. Der Grund dafür ist leicht zu verstehen: praktisch niemand weiß etwas Definitives über die Euro-Krise. Das gleichzeitig debattierte Betreuungsgeld, das derzeit so viel Aufmerksamkeit in Beschlag nimmt, ist dagegen leicht verständlich. Befürworter und Gegner können ihre Positionen in wenigen markigen Sätzen erklären. Die Euro-Krise? Da gibt es noch nicht mal Befürworter oder Gegner, geschweige denn Leute, die das überhaupt erklären können, von markigen Sätzen mal abgesehen. Angela Merkel muss das von Anfang an klar gewesen sein. Sie hat bereits 2010 im NRW-Wahlkampf mit dem Wahlkampfschlager von den "faulen Griechen" die Richtung vorgegeben und seither nicht mehr geändert. Bei uns ist alles klar, die fiesen, faulen Südländer sind schuld, Glück auf.

Dienstag, 5. Juni 2012

Ich weiß nicht, was es soll, dass ich so traurig bin, das Märchen von 1922, es geht mir nicht aus dem Sinn

Von Stefan Sasse

Der Parteitag der LINKEn ist vorbei, der Staub legt sich erst langsam. Die Partei hat eine neue Führung gewählt, die wie die alte mit vertauschten Gesichtern wirkt: statt Ernst und Lötzsch nun Riexinger und Kipping. Die Hoffnung ist wohl, dass sie nicht anecken und der Partei ermöglichen, an die alten Wahlerfolge anzuknüpfen, indem die parteiinternen Konflikte abgekühlt werden. Doch mehr noch als die Wahl dieser Vorstände hat Gregor Gysis Rede die Gemüter erhitzt. Er sprach von pathologischem Hass innerhalb der Fraktion, nahm das Wort Spaltung in den Mund (was ihm Lafontaine reichlich übel nahm) und konstatierte, dass die LINKE aus zwei unterschiedlichen Parteien bestünde, einer "Volkspartei" im Osten und einer "Richtungspartei" im Westen. Selten hat ein Fraktionsvorsitzender seine eigene Partei so schonungslos analysiert. Die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, sind offen und unter einer Kaskade von Deutungen und Absichtsbekundungen begraben. Trotz aller harscher Kritik und gegenseitiger Anfeindungen, die sich auf dem Parteitag der LINKEn fanden, betonte doch jeder, dass die Einheit der Partei ein wichtiges Ziel sei, das unbedingt verfolgt werden müsse. Das Wort von der Spaltung aber hängt in der Luft wie ein böser Geist, der, einmal gerufen, nicht mehr losgeworden werden kann. 

Freitag, 1. Juni 2012

Liquid Feedback, die Tyrannei der Masse und die Gefahr für die Demokratie

Von Stefan Sasse

Im Umfeld der Landtagswahl im Saarland beklagte sich FDP-Generalsekretär Döring über die "Tyrannei der Masse", die er im Zuge der Wahlerfolge der Piratenpartei heraufdräuen sau. Es muss ihm später aufgefallen sein, dass diese Aussage nicht ganz clever war und, höflich ausgedrückt, missverstanden werden könnte, weswegen er sie in der ZDF-Fragerunde spezifizierte: mit "Tyrannei der Masse" sei gemeint gewesen, dass die Debatte im Netz bei aller Auffälligkeit und Dominanz im öffentlichen Diskurs nicht die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung repräsentieren müsse und daher einen Entscheidungsdruck schaffe, der gewissermaßen nicht demokratisch legitimiert sei. In ein ähnliches Horn stieß Boris Palmer in einem Gast-Artikel in der ZEIT, in der argumentierte, dass die Piraten nicht nur derzeit kein echtes Programm hätten und für nichts stünden, sondern quasi immer undefinierbar seien, weil über Liquid Feedback und andere Kanäle ja die Basis permanent das Bestehende per Mehrheitsbeschluss umwerfen könnte. Abschließend stellt er fest, dass dies eine parlamentarische Mitarbeit der Piraten enorm erschwere und Regierungsarbeit praktisch unmöglich mache. Sowohl Palmer als auch Döring sind politische Profis und wissen, wie man eine Schwachstelle beim politischen Gegner ausnutzen kann. Am effektivsten sind solche Manöver immer, wenn sie ein Körnchen Wahrheit beinhalten. Das ist auch hier der Fall.