Freitag, 31. Mai 2013

Eine Sprache gehört niemandem

Von Stefan Sasse

Mein geschätzter Kollege Theophil hat postuliert, dass der zunehmende “falsche” Sprachgebrauch innerhalb der EU-Institutionen das Englische zerstören würde. Dem liegt in meinen Augen eine grundlegende Fehleinschätzung zugrunde: dass es eine irgendwie “richtige” Sprache gebe, die gewissermaßen ehern steht und an der sich alle Anwender zu messen haben. Das aber ist für das Englische ebenso falsch wie für das Deutsche, nur für das Englische wahrscheinlich noch falscher. Was übrigens auch kein Wort ist, aber trotzdem versteht es jeder, was uns direkt zum nächsten Punkt führt.  

Dienstag, 28. Mai 2013

Gibt es einen mutigen und fairen Krieg?

Jakob Augstein schreibt in seiner aktuellen Kolumne über das Drohnen-Desaster. Während er in seiner Argumentation am Ende zu einer durchaus richtigen Einschätzung kommt, ist der Weg dorthin gelinde gesagt fraglich. Dreht man seine Argumentation nämlich um, so sind die Folgen mehr als merkwürdig, besonders für jemanden, der sich als im Zweifel links stehend sieht. Effektiv spricht sich Augstein nämlich für blutigere Konflikte aus, die von deutschen Soldaten ausgefochten werden.

Mittwoch, 22. Mai 2013

Warum der Austritt aus der Sozialistischen Internationale für die SPD richtig ist

Die SPD hat letzthin ihre Mitgliedschaft in der Sozialistischen Internationale gekündigt. Nicht offiziell, natürlich, aber das Abziehen der Mitarbeiter und praktische Einstellen der Zahlung von Mitgliedsbeiträgen dürfte der alten SI den Exitus bereiten, war doch die SPD der Hauptsponsor der alt-ehrwürdigen Organisation, als deren Vorstand etwa SPD-Legende Willy Brandt lange Jahre tätig war. Stattdessen betrieb die SPD die Gründung der “Progressive Alliance”, mit rund 70 Gründungsmitgliedern. Diese soll “moderne” sozialdemokratische Ziele befördern. Der Schritt mag manchen Traditionalisten sauer aufstoßen, aber er macht absolut Sinn.

Donnerstag, 16. Mai 2013

Die Meute wird zur Jagd geblasen – die Medien und die “Obama-Skandale”

Von Stefan Sasse

Obama hat eine furchtbare Woche hinter sich, an die sich die nächste voraussichtlich nahtlos anschließen wird. Erst fingen die Medien an, die Vorwürfe von Cover-Ups im Falle Benghazi ernstzunehmen, die bisher auf Kreise rechter Verschwörungstheoretiker beschränkt gewesen waren, dann platzte die Nachricht, dass die IRS (die Steuerbehörde der Amerikaner) Tea-Party-Gruppierungen gezielt von Steuernachlässen auszunehmen versuchte (die nur unter sehr diffizilen Bedingungen möglich sind) und am Ende verbreitete sich das Gerücht, dass das Justice Department Telefone und Mails von AP-Journalisten abgehört habe. Es war, als hätte jemand das Horn zum Jagen geblasen, und die Journalisten sprangen auch darauf an.

Dienstag, 14. Mai 2013

Warum Vergangenheitsbewältigung so wichtig ist

Von Stefan Sasse
Die Forderung, endlich einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen und mit der fast obsessionshaften Beschäftigung mit der "Vergangenheit, die nicht vergehen will" aufzuhören, kommt in Deutschland mit schöner Regelmäßigkeit immer wieder hoch. Bislang hat die Forderung, obwohl grundsätzlich populär, jedoch keinen bleibenden Einfluss erwirken können. Weder die Totalitarismusdiskussion des Historikerstreits in den 1980er Jahren, noch die Forderung nach der Historifizierung des Nationalsozialismus, noch die Wiedervereinigung konnten dem grundsätzlichen deutschen Konsens etwas anhaben, dass Deutschland eine furchtbare Schuld auf sich geladen hat, die es nicht einfach wird abschütteln können und der es sich stets aufs Neue zu stellen hat. Was passiert, wenn ein solcher Konsens nicht existiert, lässt sich immer wieder in Japan beobachten. 

Montag, 13. Mai 2013

Sie sprechen in Zungen! - Warum wir uns in der Politik nicht verstehen

Von Stefan Sasse

Im zweiten Teil unseres Online-Seminars zu Arnold Klings "Three languages of politics" soll es um die Frage gehen, warum sich politische Debatten so oft im Kreis drehen. Beispielhaft ist das ja stets in den Talkshows zu begutachten: zwei bis fünf "Diskutanten" sitzen sich gegenüber und werfen sich Zufallsgriffe aus dem Phrasenschwein an den Kopf. Der Erkenntnisgewinn geht gegen null. Arnold Kling würde nun Argumente um die bessere Verkaufbarkeit polarisierenden Unsinns beiseite wischen (obgleich das natürlich eine wichtige Rolle spielt) und stattdessen auf die unterschiedlichen politischen Sprachen verweisen, die eine Verständigung praktisch unmöglich machen.

Freitag, 10. Mai 2013

Das Geld findet immer einen Weg - warum die Debatte um eine Parteispendenreform sich immer im Kreis drehen wird

Von Stefan Sasse

Der von mir geschätzte Hans-Martin Tillack vom Stern hat in einer Serie zu der Finanzierung der Parteien mehrere Problem offengelegt, die die Spendenpraxis im deutschen Parteienrecht umgeben. Er bedauert, dass es in Deutschland keine Höchstgrenzen für Unternehmensspenden gibt und dass die Kontrolle über die Parteispenden bei den Parteien selbst. Er diskutiert Alternativen wie eine reine Beschränkung auf Staatszuschüsse oder Gesamtausgabegrenzen im Wahlkampf. Allein, seine Argumentation ist weder neu noch originell, und sie wird stets so aktuell wie folgenlos bleiben. Das Geld findet immer einen Weg.

Donnerstag, 9. Mai 2013

Generalverdacht „Meinungs-Mache“: Wie die NachDenkSeiten billige Ressentiments bedienen

Von Jan Falk

Am 21. September dieses Jahres, am Tag vor der Bundestagswahl, wird, so haben es die Movers and Shakers im Hause Springer entschieden, mal wieder eine Gratis-BILD an alle Haushalte verteilen werden. „Die ‚Bild zur Wahl‘ – so der offizielle Name - soll aktuelle politische Zusammenhänge beleuchten, Wahlprogramme der Parteien hinterfragen, die Kanzlerkandidaten vorstellen und die wichtigsten Umfragen analysieren", berichtet Meedia.

Das wird, vorsichtig formuliert, interessant, und ist jetzt schon Grund genug für Jens Berger, eine gefährliche und potentiell wahlentscheidende Manipulation durch den Springerverlag zu vermuten: "Die 'BILD zur Wahl' [greift] sprichwörtlich in letzter Minute direkt auf die Wahlentscheidung der Bürger [ein]", so Berger. Diese Einschätzung ist wenig überraschend, erscheinen doch auf den NachDenkSeiten fast täglich neue Artikel über "Meinungs-Mache" und "Manipulation" durch die Massenmedien. Doch es wird Zeit, dass das populäre Blog diese Begriffe mitsamt ihrer Implikationen endlich über Bord wirft. Sie bedienen nur noch Ressentiments und haben mit Nachdenken nicht viel zu tun.

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Mittwoch, 8. Mai 2013

Politische Analphabeten bei der Arbeit

Der SPD bei der Wahlkampfarbeit zuzusehen ist ungefähr wie "Pleiten, Pech und Pannen", nur nicht so lustig. Wer ihr Verhalten in den letzten Monaten beobachtet kommt kaum um die Feststellung umhin, dass die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut, und dass der Kopf die Augen fest verschließt in der Hoffnung, dass beim Wieder-öffnen alles schon irgendwie gut wäre. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die absurde Auseinandersetzung um ein Tempolimit auf Autobahnen. Sigmar Gabriel, seines Zeichens Parteivorsitzender der SPD, hat sich für ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen ausgesprochen; 120 soll es sein.

Dienstag, 7. Mai 2013

Die Grenzen unserer politischen Sprache...

Von Theophil

… bestimmen die Grenze unserer politischen Vorstellungskraft. So könnte man Arnold Klings “The Three Languages of Politics” zusammenfassen und damit beginnt unser kleines Onlinelektüreseminar. Seine These: Wir beschreiben die Welt durch eine von drei politischen Sprachen. Jede dieser Sprachen bildet gleichzeitig eine Heuristik, mit der wir politische Probleme analysieren. Unsere politische Diskussionskultur leidet, weil wir uns nur in einer Sprache ausdrücken können und weil wir diese Sprache hauptsächlich zur Kommunikation mit unserem eigenen “politischen Stamm” benutzen.

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Sonntag, 5. Mai 2013

Von Bismarcks Parlamentsreden direkt ins heimische Wohnzimmer

Frank Schäffler und Horst Krahmer, FDP-Abgeordnete in Bundestag und Europaparlament und schon länger Rebellen gegen den Kurs der Parteiführung, haben in der FAZ einen gemeinsamen Artikel veröffentlicht, in dem sie Grundlinien für eine andere FDP skizzieren. Angesichts der Ergebnisse des jüngsten FDP-Parteitags erscheint der Artikel eher wie eine Erklärung des Parteiübertritts zur AfD, aber beide Autoren legen Wert darauf, die FDP von innen verändern zu wollen. Sie sind quasi für die Liberalen, was Albrecht Müller für die SPD ist. Ihre Kritik ist ein merkwürdiges Konglomerat von unheimlich treffenden Analysen und völlig fehlgeleiteten Prämissen, das zu sezieren sich lohnt.


Samstag, 4. Mai 2013

Wann du Sex hast bestimme ich!

Von Stefan Sasse

Das Thema Sex ist in den USA von genausovielen Merkwürdigkeiten umrankt wie bei uns das Thema Gewalt in den Medien. Eine aktuelle Debatte befasst sich mit der Frage, ab welchem Alter es Mädchen gestattet sein sollte, die "Pille danach" zu kaufen, ohne dass die Eltern informiert werden müssen. Die Obama-Administration würde die Grenze gerne bei 18 setzen, wurde aber gerichtlich zu 15 gezwungen, ein Urteil, das sie nun anfechtet und das möglicherweise mit einer Aufhebung sämtlicher Altersgrenzen enden könnte. Die Washington-Post-Kolumnistin Kathleen Parker definiert das Grundproblem:
There’s no point debating whether such young girls should be sexually active. Obviously, given the potential consequences, both physical and psychological, the answer is no. Just as obvious, our culture says quite the opposite: As long as there’s an exit, whether abortion or Plan B, what’s the incentive to await mere maturity?

Mittwoch, 1. Mai 2013

Informationen sind im Politikbetrieb doch eher hinderlich

Könnte man zumindest denken, wenn man die aktuellen Verwerfungen in den USA über die Implementierung von Obamacare ansieht. Nicht nur weiß die Bevölkerung praktisch nichts über das Gesetz – was angesichts seiner Komplexität durchaus zu verschmerzen wäre -, auch die Kongressabgeordneten offenbaren erschreckende Lücken, die für Millionen Menschen direkte Folgen haben, wie Jonathan Chait in zwei Artikeln untersucht. Der Fall war ein typisches Beispiel dafür, wie Politiker es schaffen, Lose-Lose-Situationen zu schaffen, quasi ein Musterbeispiel in Rufselbstmord. Politico, ein Magazin das sich auf krawallige Überschriften spezialisiert hat, glaubte herausgefunden zu haben, dass der Kongress sich selbst aus der Obamacare-Gesetzgebung herausnehmen will – ein Gerücht, das man nur allzugerne glaubte, schien es doch alles Schlechte, das man den Politikern so gerne zutraut, zu bestätigen. Ohne sich groß mit Informationssuche aufzuhalten nutzten die Republicans auch sofort die Gelegenheit und forderten die Democrats auf, das Gesetz aus sich anzuwenden, was die auch sofort lautstark bejahten. Später fand man heraus, dass die entsprechende Gesetzespassage etwas unklar formuliert gewesen war. Der Kongress fiel genauso nicht unter das Gesetz wie alle anderen Amerikaner, die bereits eine Versicherung hatten. Viel Lärm um nichts, aber der Ruf der Politik hat wieder einmal Schaden genommen.