Dienstag, 28. Mai 2013

Gibt es einen mutigen und fairen Krieg?

Jakob Augstein schreibt in seiner aktuellen Kolumne über das Drohnen-Desaster. Während er in seiner Argumentation am Ende zu einer durchaus richtigen Einschätzung kommt, ist der Weg dorthin gelinde gesagt fraglich. Dreht man seine Argumentation nämlich um, so sind die Folgen mehr als merkwürdig, besonders für jemanden, der sich als im Zweifel links stehend sieht. Effektiv spricht sich Augstein nämlich für blutigere Konflikte aus, die von deutschen Soldaten ausgefochten werden.


Natürlich tut er das nicht wirklich. Vermutlich will Augstein einfach überhaupt keinen bewaffneten Konflikt und befürchtet beim Einsatz der Drohnen eine niedrigere Schwelle der Gewaltanwendung. Aber so,  wie er in seinem Artikel argumentiert, kommt das nicht wirklich zum Tragen. Stattdessen verzettelt er sich auf einigen Nebenkriegsschauplätzen, die in allen möglichen Milieus wurzeln, aber sicher nicht im linken.
In dem abscheulichen Geschäft, das der Krieg ist, sind Drohnen besonders abscheulich. Sie sind die feige Waffe des weißen Mannes. Ihr Einsatz ist ohne Risiko für den Piloten, und für das Opfer gibt es keine Gegenwehr.
Mit diesem Satz steigt Augstein in den Artikel ein, und ich muss ehrlich sagen, ich verstehe ihn nicht. Ist es irgendwie ethisch vertretbarer, Terroristen durch ein SEAL-Team erschießen zu lassen? Muss man sie zu High Noon zum Duell herausfordern? Oder wäre die ultimative Mutprobe der Kampf Mano-a-Mano, mit Messer oder bloßen Fäusten? Was für eine Kategorie ist denn “feige”? War die NATO feige, als sie im Kosovokrieg statt Bodentruppen auf Luftschläge setzte? Waren die Amerikaner feige, als sie vor dem Einmarsch im Irak die Verteidigungsanlagen aus der Luft zerstörten? Sind Soldaten generell feige, weil sie die Tendenz haben, Feinde mit Schusswaffen auf Distanz zu töten? Und was ist “feige” überhaupt für eine Kategorie?
Wie gesagt, ich unterstelle Augstein nicht, dass er für eine Form “mutigen” Kriegs eintritt, in dem sich Gegner irgendwie (wie auch immer?) Auge in Auge gegenüberstehen sollen. Das Argument, dass der Einsatz ohne Risiko für den Piloten sei und es für die Opfer keine Gegenwehr gebe, trifft auch auf Bombenopfer oder Ziele eines Scharfschützen zu. Drohnen sind, wie Jan Falk und ich bereits diskutiert haben, nicht “besonders abscheulich”, wie Augstein das hier postuliert. De Maizière hat Recht, wenn er die Waffe als “ethisch neutral” bezeichnet. Wie jede Waffe ist der Einsatz verwerflich. Hätte eine Drohne benutzt werden können, um Hitler beim Spaziergang im Garten der Reichskanzlei anno 1940 auszuschalten, wäre das abscheulich und feige gewesen?
Augstein entwertet mit diesem Ausflug in das Terrain von Mut und Tapferkeit seine eigene, folgende Argumentation, die mit der ethischen Frage ohnehin nichts zu tun hat sondern sich auf den vergleichsweise mundänen Beschaffungsskandal der Bundeswehr konzentriert. Der obige Satz als Einleitung des Artikels scheint geradezu gedankenlos hingeworfen und mehr wegen seinem Provokations- und Polarisierungspotenzial ausgewählt worden zu sein als weil er irgendwelche Einblicke erlaubt, denn eine Erklärung seiner Behauptung bleibt Augstein schuldig. Sie spielt für ihn später auch keine Rolle mehr. Und das sollte sie auch nicht, denn sie führt in die Irre. Den mutigen, tapferen, fairen Krieg gibt es nur in der Fantasie von selbst erklärten harten Männern, und die “Opfer” des Drohnenschlags, die sich – traurig, traurig – nicht dagegen wehren können, haben davor junge Menschen mit Sprengstoffgürteln in den Selbstmord getrieben. Wer den fairen und mutigen Kampf sucht, wird nicht einmal in der Ilias fündig, denn dort schneiden die Helden sich durch Horden namenloser, ihnen dramatischer unterlegener Statisten um ihren Heldenstatus zu unterstreichen und im Duell gegen andere Helden zu zementieren. Krieg ist nie fair, nie mutig, immer abscheulich, egal, welche Waffe verwendet wird.

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