Samstag, 30. Juni 2007

Fundstücke 30.6.2007

Sieben Thesen von TP zum Polenstreit.
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Interview mit Kurnaz' Anwalt zum Bundeswehrlöschskandal.
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Spiegelfechter zum selben.
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Rechtsradikale Frauen: Interessante Doku.
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Zur Diskussion um Kapitalbeteiligungen.
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Freitag, 29. Juni 2007

Fundstücke 29.6.2007

Zum Glück beobachtet der Verfassungsschutz die Linkspartei und G8-Gegner.
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Die Lohnschere in Deutschland geht immer weiter auseinander.
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Der Schäuble, der dreimal Wolf rief
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Zur Anschlagsgefahr in Deutschland.
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Porträt des Blackstone-Bosses.
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Die drei Buchstaben geklaut.
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Donnerstag, 28. Juni 2007

Bildungsprobleme

Gleiches gilt für die aktuelle Bildungsdebatte, hier die Links:
SZ: Ende einer Lebensform (sehr empfehlenswert!)
taz: Ideologie des Ständestaats (dito)
taz: Deutsche Zustände
TP: Soziale Auslese für Fortgeschrittene
StudisOnline: Nicht Lösung, sondern Teil des Problems

Links zur EU-Verfassung

Eigentlich wollte ich ja was zum Thema schreiben, aber mir fehlt einfach die Zeit. Deswegen hier eine Sammlung an interessanten Links zum Thema:
- TP: Plebiszite: Nein Danke!
- TP: Ein hässlicher Vertrag
- TP: Raider heißt jetzt Twix
- NDS: EU Verfassung jetzt eben ohne Volksabstimmungen

Richtig blödsinnige Vergleiche

Nachdem ich aufgrund einiger Artikel der letzten Tage schon fast geneigt war zu glauben, dass der Stern wieder so etwas wie journalistisches Qualitätsniveau entwickelt, zeigt er sich heute wieder von seiner gewohnten wie hässlichen Boulevardseite:
Nachdem der Linkspartei schon oft vorgeworfen wurde, rechts zu sein (im Übrigen seit übe 100 Jahren ein beliebtes Mittel zur Diffamierung der Linken), macht der Stern den ungemein unbestechlich-objektiven Vergleich mit der NPD. Um genau zu sein und dem die Krone aufzusetzen: er verwendet einen "Test", den die B.Z. gemacht hat. Die Argumentation, wenn man sie überhaupt so nennen will, muss man sich auf der Zunge zergehen lassen:
Sogar die NPD jubelte über Lafontaines "lupenreine NPD-Positionen".
Nicht, dass das irgendein Kriterium wäre; die NPD provoziert gerne. Sie lobt auch Schäuble und Konsorten, um Aufmerksamkeit zu erreichen.
Zuwanderung
Während Oskar Lafontaine vor "Fremdarbeitern, die Familienvätern die Jobs wegnehmen" warnte, heißt es bei der NPD "Fremdarbeiter stoppen! Arbeit für Deutsche!"
Neben der Tatsache, dass Lafontaine hier wirklich daneben gegriffen hat: B.Z. und Stern vernachlässigen hier die Tatsache, dass die NPD einfach die Ausländer aus dem Land werfen will, in der irrigen Vorstellung, dann könnten alle Deutschen Arbeit haben. Lafontaine wandte sich gegen die Praxis, Lohndumping über ausländische Zeitarbeiter zu betreiben - und zum einen die Dienstleistungsrichtlinie zu kippen und zum anderen diese entsprechend zu bezahlen. Das war aber beiden Magazinen wohl zu kompliziert.
Hartz IV
Die Linkspartei forderte auf Demonstrationen mit dem Spruch "Hartz IV - Armut per Gesetz" die Abschaffung der Arbeitsmarktreform. Bei der NPD hießt es mit dem selben Ziel "Hartz IV - nicht mit mir".
Ist ja Wahnsinn. Die NPD versucht mit Hartz-IV Stimmen zu machen, weil es sich anbietet. Sie sind aber auch für die Schäuble'sche Terrorabwehr .
Globalisierung
"No G8. Menschen vor Profite" lautete die Linken-Parole gegen den G8-Gipfel von Heiligendamm. Die NPD machte mit dem Slogan: "Gib 8 - Sozial statt Global" mobil.
Wiederum ein feiner Unterschied: die Linke will eine ANDERE Globalisierung, die NPD GAR KEINE. Die Linke ist internationalistisch aus tiefster Seele, die NPD nationalistisch - ein Unterschied wie Tag und Nacht, trotz vordergründiger Gleichheit. Oder warum wohl gab es in Heiligendamm keine Kooperation?
Nahost
Während die NPD die "Eindämmung des Aggressionsstaates Israel" forderte und sich sogar mit dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad solidarisierte, hetzte Linken-Vorstandsmitglied Christine Buchholz noch 2006, Israel "führe Krieg im Interesse der USA" und erklärte, die Hisbollah stünde auf der Seite "auf der auch ich stehe".
Hier finden wir den ersten wirklich wunden Punkt. Die zumindest Distanz, sogar eher Feindschaft gegenüber Israels der Linken speist sich aus der geopolitischen Situation der 1950er Jahre. Die eigentlich judenfreundliche Einstellung der sowjetisch dominierten Linken wandelte sich durch das amerikanische Engagement in eine (rein politische) Gegnerschaft zu Israel. Ich nehme an, dass das auch heute noch fortwirkt, besonders, wenn die Kritik in so vielen Teilen berechtigt ist. Allein das Hochhalten der Erinnerungskultur an den Holocaust jedoch entlastet in meinen Augen die Linke hier; die Motive der NPD müssten glaube ich nicht besprochen werden.
Irak/Afghanistan
Die Linke nennt den Irak-Krieg "völkerrechtswidrig" und will, dass die deutsche Bundeswehr aus Afghanistan abzieht. Auch NPD und DVU nennen den Irak-Krieg "völkerrechtswidrig" und fordern "Deutsche Soldaten raus aus fremden Kontinenten"-
Im Falle NPD halte ich es für populistischen Stimmenfang, der den eigentlichen Zielen der Partei entgegen steht; im Falle der Linken handelt es sich wiederum um den Internationalismus und Pazifismus., der SPD und Grünen abhanden ging.
Anti-Amerikanismus
Während die NPD gegen den "Wirtschaftsimperialismus der USA" hetzt, wettert Lafontaine gegen eine "US-Außenpolitik, die auf Rohstoff-Imperialismus fußt".
Mit dem Anti-Amerikanismus verhält es sich glaube ich ähnlich wie im Falle Israel, während die Rechten hier auf eine lange anti-kapitalistische Tradition, gerichtet auf ein ominöses US-Konglomerat an diffusen Feindbildern, blicken können.



Plumpe INSM-Meinungsmache

In einem äußerst durchsichtigen Versuch der positiven Konnotierung von "neoliberal" hat die INSM auf ihrer Homepage einen Test geschaltet: "Wie neoliberal sind Sie?"Dabei werden diverse Maßnahmen vorgestellt, in denen extrem simplifizierend Zusammenhänge konstruiert werden ("Steuern runter = Arbeitsplätze"). Ganze zwei Auswahlmöglichkeiten stellt der Test zur Verfügung, "gut" und "nicht gut". Effektiv sind die Fragen so formuliert, dass man sie nicht vernünftig ablehnen kann. Dummerweise ist die Chance der INSM, "neoliberal" so umzudefinieren, relativ gut.

Bundeswehrvertuschungsskandal

Ihr habt es sicher schon gehört: dem Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr sind sämtliche (!) Daten über Auslandseinsätze zwischen 1999 und 2003 verloren gegangen, angeblich wegen diverser nicht näher spezifizierter Technikfehler gelöscht. Unter den verschwundenen Daten sind auch sämtliche in diesem Zeitraum, die den Fall Murat Kurnaz betreffen - und dabei ganz besonders dessen Anschuldigung an KSK-Soldaten, ihn in Kandahar misshandelt zu haben.
Glücklicherweise erhebt sich dieser Tage ein Sturm der Entrüstung über dieses arg durchsichtige Manöver aus Politik und Presse; bisher hat niemand zu Protokoll gegeben, dieser Version auch nur ansatzweise Glauben zu schenken. Mit hinein spielt, wie die SZ vermutet, auch das Kompetenzgerangel mit dem immer stärker (und demokratiegefährdenden) BND.
Vollkommen unglaubwürdig dabei ist nicht nur, dass die Bänder zerstört wurden, sondern dass man sie nicht wiederherstellen konnte: hier fehlte es, jede böse Absichtsunterstellung außen vor gelassen, definitiv am Willen.

Fundstücke 28.6.2007

Nette FR-Glosse über Heuschrecken und Ackermänner.
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Guter Bericht über Zeitarbeit.
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Deutsche in türkischen Gefängnissen.
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Börsenboom in Simbabwe, während das Volk hungert.
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Stauffenberg-Film

Zwischen Verteidigungsminister Jung und Tom Cruise gibt es Streit wegen einer Drehgenehmigung; mit Bryan Singer will dieser ab 18. Juli das Widerstandsdrama "Valkyrie" angehen. Auf den Streit, der wegen der Mitgliedschaft Cruises in Scientology ausgebrochen und natürlich sofort mit Antisemitismusvorwürfen aufgeladen wird, will ich hierbei nicht näher eingehen.
Wichtiger ist: Hollywood verfilmt also die Geschichte eines deutschen Widerstands. Strahlemann Cruise in der Hauptrolle sorgt dabei für Quote, und Bryan Singer steht auch eher für Qualität. Trotz allem habe ich Magenschmerzen bei dem Gedanken an das Projekt, denn als Widerstandsgruppe haben sich die Jungs aus Hollywood natürlich ausgerechnet Stauffenberg ausgesucht.
Das ist per se nicht falsch; Stauffenberg entlastet immerhin einen Gesamtvorwurf für die deutsche Armee und hatte durchaus edle Motive. Weniger edel waren seine Absichten und Ablehnung der Demokratie und demokratischer Freiheiten; nach gelungenem Attentat hätte er eine Militärdiktatur in Deutschland installieren wollen. Es kann bezweifelt werden, dass dieser Aspekt im Hollywood-Weichspüler noch auftauchen wird. Ich befürchte eher, dass wir für "die Freiheit" kämpfende, moralisch integre Soldaten sehen werden.

Mittwoch, 27. Juni 2007

Bestechliches Staatsoberhaupt?

Dass der Politikbetrieb von "Sponsoren" und damit Korruption durchzogen ist wie kaum etwas anderes, ist keine Neuigkeit. Übel dagegen ist die Selbstverständlichkeit, mit der sogar das Staatsoberhaupt sich bestechen lässt. Der Skandal um Christian Wulff ist kaum ausgestanden, da wird bekannt, dass allein für das Sommerfest 2004 des Bundespräsidenten fünf Sponsoren - bisher nicht namentlich genannt - 205.000 Euro aufgebracht haben, eine ebenso ungenannte Anzahl von 22 weiteren haben größtenteils Sachspenden erbracht.
Besonders die Tatsache, dass Köhler die Spender nicht nennen will, weil diesen das nicht gefallen würde (o Wunder) spricht Bände. Ein Unrechtsbewusstsein besteht überhaupt nicht.

Fundstücke 27.6.2007

Schützenhilfe von ungewohnter Seite: der Politikprofessor Butterwege unterstützt Lafontaine.
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Feynsinn zum Thema Manager.
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Dienstag, 26. Juni 2007

Fundstück

Unsinniger Vorwurf
Einen Populisten schelten die führenden SPD-Genossen gerne ihren ehemaligen Parteichef. Haben sie denn ganz vergessen, wie sehr sie einst selbst die rednerische Brillanz des Saarländers bewundert haben? War doch wohl zu schön, wie er einst die SPD mit einer einzigen Rede von ihrem verschlafenen Biederling Scharping befreit hat. Abgesehen davon: Einen unsinnigeren Vorwurf kann man gegen einen Politiker eigentlich nicht erheben. Begnadete Populisten wären sie doch gerne alle, egal in welcher Partei. Das gehört zum Politiker wie die Rinde zum Brot.
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Was Lafontaine für die SPD so gefährlich macht, ist nicht sein Populismus an sich. Brandgefährlich für die SPD wirkt er dadurch, dass er genau das sagt, was 80 Prozent der SPD-Wähler denken. Damit treibt Lafontaine die SPD-Führung vor sich her, die erst geglaubt hat, das Problem werde sich vielleicht von selbst erledigen. Jetzt erst merkt die Partei allmählich, dass inzwischen ein Angriff auf die Substanz der SPD stattfindet, wie es ihn bisher in der Nachkriegsgeschichte der Partei nicht gegeben hat: Die Situation ist nur vergleichbar mit der Abspaltung der USPD in der Weimarer Republik.
Quelle und ganzer Artikel: Stern

Zitat des Tages

Dr. Josef Ackermann. Sein Tick: Er hat ständig das Gefühl, zu wenig Rendite zu machen. Also entlässt er Leute in die Freiheit des Neue-Herausforderungen-Findens. Unweigerlich erscheint uns sein ewiges Siegeszeichen wie das Lächeln des Rotkäppchen-Wolfes. (SZ)

Sonntag, 24. Juni 2007

Fundstücke 24.6.2007

Kurz vor Schluss noch einige Fundstücke:

Zeit-Bericht über das langsame Sterben von ver.di.
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Zur Inflation in Venezuela.
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Analyse der rechten Christen in den USA.
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Freitag zur Achse des Guten.
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Pro und Contra zur Verschleierung.
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Discount-Medizin

In der Zeit ist ein euphorischer Artikel erschienen, der sich mit der Discount-Medizin beschäftigt, die immer mehr um sich greift und medizinische Dienstleistungen zu Niedrigpreisen anbietet. In der üblichen Globalisierungseuphorie wird berichtet, wie Unternehmen wie McZahn in Billiglohnländern die Brücken u.ä. herstellen lassen, zu Preisen, die die deutschen Unternehmen niemals machen können.
Diese Euphorie ist so typisch wie bedenklich. Schön, dass es für den Kunden billiger wird, gewiss. Dass durch dieses "billiger" wie aber bereits bei den Lebensmittel-Discountern massiv Arbeitsplätze verloren gehen und Gehälter sinken, während die Arbeitszeiten steigen - wodurch die Billigangebote überhaupt erst nötig werden -, das verschweigt der Artikel.

Reaktion Gabriels auf die Kanzlerofferte

Lafontaine hat, sicherlich nicht wirklich ernst gemeint, Kurt Beck die Kanzlerschaft vorgeschlagen, so sich dieser von Hartz-IV und Afghanistan verabschiedet und den Mindestlohn durchbringt. Dass es dabei nur wieder darum geht, die SPD als prinzipienlos dastehen zu lassen ist klar, das Manöver ingesamt so durchsichtig, dass ich es nicht weiter besprechen will, sondern vielmehr die Reaktion von Sigmar Gabriel (Umweltminister) im SZ-Interview.
Neben den üblichen Unterstellungen (Lafontaine will nur Macht, nur Inszenierung) finden sich interessante Aussagen:

SZ: Lafontaine stellt drei Bedingungen. Erstens: Weg mit Hartz IV.

Gabriel: Die SPD lässt sich von Lafontaine keine Bedingungen stellen. Die SPD ist die Partei der linken Mitte, die ökonomische, ökologische und soziale Perspektiven miteinander verbindet. Das ist die Differenz zur Linkspartei.

SZ: Zweitens: Zurück zur alten Rentenformel.

Gabriel: Hier wird besonders deutlich, dass Lafontaine in eine Zeit zurück will, die es nicht mehr gibt. Das ist Ideologie, aber nicht verantwortungsvolle Politik. Die alte Rentenformel ist nicht wiederherstellbar in einer Gesellschaft, in der die Menschen Gott sei Dank länger leben, andererseits die Lebensarbeitszeit relativ kürzer ist und weniger Kinder geboren werden.

SZ: Drittens: Raus aus Afghanistan.

Gabriel: Die SPD ist die Partei des Völkerrechts, historisch und aktuell. Wir brauchen da keine Nachhilfe. Die Durchsetzung des Völkerrechts aber ist genau, was in Afghanistan geschieht. Die Grundlage ist ein UN-Beschluss. Man kann nicht das Völkerrecht einfordern und sich verdrücken, wenn es schwierig wird.
Auf die erste Bedingung antwortet Gabriel gar nicht. Für mich ist das ein Ausdruck davon, welch schwärende Wunde Hartz-IV im Gewebe der SPD noch immer ist. Stattdessen schwadroniert er Allgemeinplätze, die eine Differenz nur dadurch schaffen, dass die Linke Programmpunkte hinter den (gleichen) Behauptungen wie die SPD hat, diese aber nicht.
Für die zweite Forderung wird wieder der berühmte Demographiefaktor bemüht. Mit dem Wissen einer akzeptierten Breitenmeinung und Riesenpropaganda im Hintergrund fällt gar nicht auf, dass Gabriel überhaupt kein sachliches Argument dagegen anbringt. Stattdessen fallen die berühmten Worte von Ideologie und verantwortungslos - ebenfalls ohne Beleg.
Für die dritte Bedingung steht immerhin etwas überprüfbares im Raum, über das man sich tatsächlich streiten kann. Alles vorherige waren einfach nur Behauptungen, die weder überprüfbar waren (mangels Argumenten) noch belegbar (ebenfalls mangels Fakten).
Und genau da ist das Problem der SPD: außer größtenteils haltlosen Vorwürfen hat sie kaum etwas gegen die Linke in der Hand. Deswegen wird sie von ihr im Wahlkampfbetrieb auch beständig weggeputzt; Lafontaine versteht sich darauf glänzend. Rafiniert wird Gabriel allerdings in seiner letzten Aussage:

SZ: Noch einmal zum Koalitionsangebot: Sie arbeiten also lieber mit Frau Merkel als unter Kurt Beck mit Lafontaine?

Gabriel: Ich arbeite am liebsten mit Sozialdemokraten. Lafontaine ist geschichtsblind. Sonst wüsste er, dass in Deutschland die Spaltung der Sozialdemokratie immer weniger Freiheit, weniger Gerechtigkeit, weniger Solidarität bedeutet hat und dass nur eine starke Sozialdemokratie in der Lage ist, verantwortungsvolle Politik auch dort zu machen, wo es mal schwierig wird und man nicht immer nur den erstbesten Meinungsumfragen hinterherlaufen kann. Eine geschwächte Sozialdemokratie hat historisch immer der Demokratie geschadet und den Rechten genutzt.
Denn damit hat Gabriel vordergründig Recht. Sowohl im ersten Weltkrieg, in der Weimarer Republik als auch 1933 war die schwache Sozialdemokratie nicht in der Lage, den Fluss der Dinge aufzuhalten. Vor allem lag dies an der Sektiererei (USPD und MSPD 1917) und, natürlich, dem Zerwürfnis mit den Kommunisten ab 1922. Und genau dieses Zerwürfnis (nicht die Abspaltung der USPD, mit der man sich wiedervereinigte) bestimmt bis heute das Herz und die Seele der Partei. Denn nicht nur der Weggang Lafontaines ist es, der die SPD so rumoren lässt - es ist die Tatsache, dass er ausgerechnet zur PDS wechselte, die Nachfolgerin der SED, die wiederum aus der Zwangsvereinigung von KPD und SPD im Osten entstand. Es würde zu weit führen, dieses Thema nun genauer auszubreiten - vielleicht tue ich das später noch -, aber hier ist definitiv eine große Wurzel der Animositäten gegenüber der Linkspartei.


Freitag, 22. Juni 2007

Gedanken

Eine enge Bekannte meiner Freundin ist heute nacht verstorben. Die ganzen vorhergehenden Tage hat sie bereits an ihrer Haushaltsauflösung gearbeitet, und meine Freundin und ich sollten ebenfalls sehen, ob wir etwas gebrauchen können, ehe alles im Container landet und weggeworfen wird. Neben einigen Möbeln halte ich gerade das Telefon in der Hand und lösche das noch darin gespeicherte Adressbuch.
Ich kannte die Frau nicht, nur aus den Erzählungen meiner Freundin, der sie viel bedeutet hat. Doch während ich die Einträge mit mir unbekannten Namen lösche - und jede Löschung von einem durchdringenden Piepton begleitet wird, der mich mit nervenzerfetzender Penetranz an ein EKG erinnert - wird sie lebendig, auf eine gewisse Weise. Ein Gefühl von Traurigkeit umfasst mich, weil es mir so vorkommt, als ob ich mit dem Löschen dieser Einträge ein Stück Erinnerung an diese Person mitauslösche, gleichzeitig aber durch meine eigene Erinnerung - auch wenn der Begriff aufgrund einer fehlenden Bekanntschaft merkwürdig passend und gleichzeitig unpassend ist - sie aber wieder lebendig wird. Ich glaube, diese seelische Ambivalenz gehört zu dem, was uns zum Menschen macht. Irgendwie.

Donnerstag, 21. Juni 2007

Exportweltmeister - Karriere eines Mankos

Wer krank und angeschlagen ist, sieht im allgemeinen ganz andere Sachen als positiv an als gesunde Menschen. Nach einem Verkehrsunfall mag die Möglichkeit einer leichten Bewegung des linken Arms ein Erlebnis sein, das andere als Einschränkung betrachten würden. Ungefähr so verhält es sich mit dem Titel "Exportweltmeister", mit dem sich Deutschland so gerne schmückt.
Dabei ist Exportweltmeister zu sein nichts, das positiv wäre. Die USA bezeichnen sich auch nicht als Importweltmeister, obwohl da die Gründe naheliegender sind.
Des Einen Exportüberschuss ist des anderen Importüberschuss - letztlich ist das auch gesetzlich im Stabilitätsgesetz von 1967 verankerte Ziel der Regierung, eine ausgeglichene Handelsbilanz vorzulegen. Genau das tut sie jedoch, gerade unter stolzer Berufung auf den Fetisch Exportweltmeister, nicht. Das hat zweierlei Konsequenzen.
Es handelt sich um den Teil einer Politik, die nicht erst Stiglitz mit beggar-thy-self (Bring dich selbst an den Bettelstab) bzw., daraus folgend, beggar-thy-neighbour (Bring deinen Nachbarn an den Bettelstab) umschrieb. Beggar-thy-self bedeutet, vorrangig über Steuersenkungen für Unternehmen und Subventionen die Einnahmen des eigenen Landes stark zu beschneiden - eine unübersehbare Tendenz der letzten Jahre, die von der Wirtschaft und ihren Marionetten innerhalb der Politik gerne mit steuertechnischen Sachzwängen zu begründen versucht wird. Dabei wird jedoch meist so getan, als ob Deutschland eine Insel und allein der Globalisierung ausgesetzt wäre: wenn Deutschland die Steuern senkt (und dabei ist es, entgegen der neoliberalen Propaganda, Vorreiter), ziehen die Nachbarn aus den gleichen Sachzwängen nach - die beggar-thy-self-policy wandelt sich zur beggar-thy-neighbour-policy. Und genau in diese Sparte schlägt der Exportweltmeister.
Dadurch, dass Deutschland seine (dank Niedriglöhnen und Niedrigsteuern) billig hergestellten Güter in Massen exportieren und auf die europäischen Märkte werfen kann (die EU ist der Haupthandelspartner Deutschlands), erwirtschaftet die Wirtschaft dieser EU-Nachbarn Saldos. Das führt zu einer aggressiven Politik gegen Deutschland auf der einen Seite (siehe Frankreich und Polen), zur aggressiven Konkurrenz innerhalb der EU auf der anderen Seite. Das ist die internationale Komponente. Innerhalb Deutschlands sorgen die "hervorragenden Wettbewerbsbedingungen" in Form niedriger Löhne und Steuern für stetig sinkende Investitionen des Staates, der immer mehr Verantwortung an seine Bürger abgibt, die in der überwältigenden Mehrheit diese nicht tragen kann. Da jedoch dadurch zuwenig Geld bei den Bürgern verfügbar ist, kommt die Binnenkonjunktur seit Jahren nicht auf Touren - im Gegensatz zur Erfolge feiernden Exportwirtschaft. Deswegen ist die Hoffnung unseres Aufblaswirtschaftsminister Glos', die boomende Exportwirtschaft möge auf die Binnenkonjunktur umschlagen, auch so irr. Beten wäre rationaler.

Fundstücke 21.6.2007

Inzwischen werden immer mehr Skandale über den G8-Gipfel laut.
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Ausgerechnet Frauen sehen die neuen Gore-Folterfilme an. Witzig.
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Noch zwei Kommentare zum Polen-Streit.
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Perspektive2010 über die Bahnprivatisierung.
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Die SPD ist plötzlich der Meinung, dass der Tornadoeinsatz über Rostock verfassungswidrig war. Riech ich da ein Wahlkampfthema?
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NDS bringen einen gewerkschaftlichen Beitrag zum Thema Mindestlohnkompromiss.
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NDS-Vergleich zwischen Lafontaines und Becks Reden.
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Selbst Politologen sprechen es aus: die SPD ist neoliberal.
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Polens Weigerung zur EU-Verfassung

Telepolis hat einen besonders empfehlenswerten und guten Artikel hervorgebracht, der die polnische Weigerung an der EU-Verfassung analysiert. Deswegen hier eine dringende Leseempfehlung und der Kommentar, dass die Situation, trefflich im Artikel beschrieben, ironischer wirklich kaum sein kann.

SPD in der Dauerkrise

Nun ist, mit Hängen und Würgen, ein Kompromiss zu dem Thema gefunden, das beharrlich als "Mindestlohn" bezeichnet wird, auch wenn ein solcher nicht beschlossen, sondern abgelehnt wurde. Dass Münterfering am Morgen nach der Verhandlungsnacht nur böse Worte über den Kompromiss findet, kann als symptomatisch gelten; für die Diskussion als solche wie für die SPD.
Selbiger Müntefering nämlich hat den Kompromiss, den er als Vizekanzler nur Stunden vorher (!) mitbeschlossen hat, nun kritisiert. Das ist geradezu absurd dumm. In einer Koalition versucht man am Ende des Kompromisses immer, ihn für die eigene Seite als Erfolg darzustellen. Das tut sogar die SPD-"Linke" Andrea Nahles. Müntefering dagegen läutet, nachdem die Gemeinsamkeiten der GroKo immerhin zweieinhalb Jahre vor der Wahl aufgebraucht sind, den Wahlkampf ein - mit einem Eigentor. Denn, es kann gar nicht oft genug betont werden: er hat den Kompromiss Stunden zuvor selbst beschlossen. Der hartknäckige Verweis auf die Härte der CDU ist also Wahlwerbung für sie, gegen die sich die SPD nicht durchsetzen und damit ihr Stammklientel ein weiteres Mal nicht schützen konnte. Gleichzeitig allerdings ist es auch Wahlwerbung für die gehasste Linke, die nun mit dem Finger auf diese Niederlage zeigen kann - und zumindest behaupten, sie könne es besser. Zudem ist sie in der komfortablen Lage zu behaupten, erst ihre Oppositionsarbeit habe das Thema überhaupt auf die Agenda gebracht.
Aber nicht nur die SPD geht stark angeschlagen aus der Schlacht heraus; auch der DGB zeigt sich alles andere als in Musterstimmung. Noch 2004 lehnte er einen Mindestlohn vehement mit dem Hinweis auf die eigene Verhandlungsmacht ab; nun schreit er händeringend nach staatlicher Schützenhilfe - eine Bankrotterklärung der eigenen Art, wo die Gewerkschaften hüben und die SPD drüben ihre Klientel nicht mehr zu schützen in der Lage sind. An und für sich müsste die SPD die GroKo verlassen, denn Gemeinsamkeiten gibt es keine und Politik kann sie nicht machen. Aber das wird sie nicht tun - zu viele Ministerposten hängen davon ab.

Nachtrag: Ulrich Maurer sieht in der Münte-Kritik den Beginn des Ausstiegs aus der GroKo, halte ich für Quatsch.

Dienstag, 19. Juni 2007

Keine Samenspender mehr

Bis zu 5000 Euro bietet man in England inzwischen für Samenspenden; trotzdem gibt es keine Spender. Auch in Deutschland sind die Angebote über die 1000-Euro-Schwelle gestiegen, ohne dass es genug Spender gäbe. Das hat Gründe.
Kinder, die aus einer Samenspende gezeugt werden, sind nämlich erb- wie unterhaltsberechtigt gegenüber dem biologischen Vater. Damit ergibt sich, dass der Samenspender im Ernstfall langdauernden, enormen Kosten gegenüberstehen kann, für die das Geld für die Samenspende geradezu als Witz erscheint, besonders, da in Deutschland im Allgemeinen nur 105 Euro bezahlt werden. Verzichtserklärungen u.ä. der Spenderempfänger sind dabei dank BVerfG nutzlos, da die Kinder mit 18 dank ihres Rechts auf Information über den biologischen Vater diesen ausfindig machen (trotz Anonymitätsversprechen der Samenbanken) und auf Unterhalt, beispielsweise für ein Studium, verklagen können. Wieder einmal sieht man deutlich, wohin eine Politik der zu starken Einmischung in solche Belange führen kann.

Nichts Ganzes und nichts Halbes

Nach zähen Verhandlungen hat die GroKo es geschafft, etwas zu beschließen, das sie "Kompromiss zum Mindestlohn" nennt. Zufrieden ist niemand, ganz besonders die SPD nicht, die bereits ankündigt, in hypothetischen späteren besseren Zeiten gegen die CDU einen Mindestlohn durchzusetzen.
Der faule Kompromiss bedeutet eine Ausweitung des Entsendegesetzes auf Branchen, die tariflich zu mindestens 50% eingebunden sind. Damit hat die Union elegant dafür gesorgt, dass das Problem eben nicht gelöst wird: die meisten Dumpinglöhne werden ja bezahlt, WEIL die Gewerkschaften fehlen. Dazu soll es in Einigung zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern zu Mindestlöhnen für die einzelnen Branchen kommen, wobei die Arbeitgeber ein Vetorecht haben.
Damit ist klar, dass die CDU sich wieder einmal erfolgreich als Verteidigerin des Kapitals (der Bush'schen Have-Mores) betätigt hat. Geschickt hat sie dabei der SPD die Chance genommen, ihr nicht mehr vorhandenes soziales Profil zu schärfen; erneut Wasser auf den Mühlen der Linkspartei.

Fundstücke 19.6.2007

Feynsinn zur FDP-Freiheitsstatue.
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taz zur Lafontaine-Rede.
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NDS zum neuen wie dämlichen Bundesbankbericht.
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Montag, 18. Juni 2007

Fundstücke 18.6.2007

Gute Merkel-Analyse von Freitag.
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Zwei geniale Kommentare zum FDP-Parteitag finden sich hier und hier.
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Telepolis zur Gründung der Linken.
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jW-Interview mit Albrecht Müller.
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Fundstück

Oettinger: Wolfgang Schäuble vertritt eine Politik der Inneren Sicherheit, die der Position der CDU in Baden-Württemberg zu 100 Prozent entspricht. Das können nicht alle anderen Landesverbände sagen. Beim Thema Kinderbetreuung vertritt Volker Kauder ebenfalls eine konservative Linie, mit der wir sehr gut leben können. Dazu kommen unsere Landesminister. Wir sind in Berlin gut vertreten. (Quelle)
Da schaudert es einem durch und durch.

Sonntag, 17. Juni 2007

Ambivalenz am politischen Beispiel

Die Medienberichterstattung ist bisweilen schon ein wenig schizophren.
SPD und CDU fordern kartellrechtliche Aufsicht gegenüber Preissteigerungen = gut.
Die Linke fordert so etwas = Populismus und Demagogie
Glos fordert ein Konjunkturprogramm von 70 Milliarden bis 2012 = gut machbar
Die Linke fordert Konjunkturprogramme = verstaubte Rezepte der 1970er Jahre

Das verstehe wer will.

SPD auf Kreuzzug

Wie sehr die Linke die SPD an die Wand drückt, lässt sich auch an der Heftigkeit der Äußerungen ablesen, mit der diese die Linke attackiert. Den Preis für die größte Geschmacklosigkeit darf sich der Bayer Ludwig Stiegler an die Brust heften:
Stiegler warf der Linken vor, deren Wurzeln lägen in der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) der früheren DDR. "Gerade am 17. Juni werden wir nicht vergessen, wie brutal die SED mit Hilfe der sowjetischen Macht den freien Willen der Arbeiterbewegung unterdrückt hat.“

Jeder Sozialdemokrat müsse wissen: "Als die sich heute Linke nennenden Post-SED-ler noch mächtig waren, haben sie jeden Sozialdemokraten unnachsichtig verfolgt“, sagte Stiegler.
Machen wir uns noch einmal klar: Stiegler referiert auf ein Ereignis, das 1953 stattfand und von einer Riege bereits damals alter Männer beschlossen wurde. Die meisten heutigen Abgeordneten und Mitglieder der Linken waren damals noch nicht einmal geboren, geschweige denn so alt, als dass sie die Ereignisse auch nur hätten verstehen können. Bedenklich also, dass die SZ diesen Kommentar lapidar mit "ungewohnter Heftigkeit" abtut - den Aufschrei müsste man sich vorstellen, würde die Linke bezüglich beispielsweise der CDU folgende Aussage treffen:
[Beliebiger Abgeordneter, den niemand kennt] warf der CDU vor, ihre Wurzeln lägen im katholischen Zentrum (Zentrum) des früheren Kaiserreichs. "Gerade am 30. Januar sollten wir nicht vergessen, wie freudig das Zentrum mit den rechtsextremen Parteien für das Ermächtigungsgesetz der Nazis gestimmt hat."
Jeder Linke müsse wissen: "Als das sich heute CDU nennende Zentrum im Parlament saß, hat es die Nazis vorbehaltlos unterstützt."
Oder:
[Beliebiger Abgeordneter, den niemand kennt] warf der SPD vor, ihre Wurzeln lägen bei der MSPD des früheren Kaiserreichs. "Gerade am 4. August sollten wir nicht vergessen, wie freudig die SPD für den Burgfrieden und den Ersten Weltkrieg gestimmt hat."
Jeder Linke müsse wissen: "Als die SPD damals die Macht hatte, den Krieg zu verhindern, hat sie stattdessen freudig dafür gestimmt."
Beide Aussagen weißen in etwa den gleichen Sinngehalt auf. Trotzdem würden beide einen gewaltigen Aufschrei provozieren (wahrscheinlich heftiger als Raabs RAF-Collage), man würde sie als Beweis für was auch immer man der Linken anlastet hernehmen.
Nicht, dass die Linke nicht auf eine gewisse Art auch die Nachfolgepartei der SED ist und damit Verantwortung trägt: es geht um das Niveau, mit dem hier ein direkter Kausal- und Personalzusammenhang hergestellt und impliziert wird, die SED von 1953 sei identisch mit der Linken von heute. Stattdessen wäre ein vernünftiger und sachlicher Umgang mit der Verantwortung durch die Linke wünschenswert, die sich in diesem Fall tatsächlich vorwerfen lassen kann und muss, die Verbrechen der DDR (und anderer realsozialistischer Staaten) zu verharmlosen und bagatellisieren.



Fundstücke 17.6.2007

Die britische Armee gibt im Irak weniger Essensgeld für ihre Soldaten aus als für ihre Hunde.
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Fingerzeig.net zur Mindestlohndebatte.
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SZ zur Wahlniederlage der UMP.
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In eigener Sache

Der Oeffinger Freidenker hat Geburtstag. Auf den Tag genau ist es ein Jahr her, dass der erste Post unter dieser Domain geschalten wurde. Seither hat sich viel getan.
Erinnert sich der geneigte Leser noch an die Nachrichtenüberblicke? Größtenteils unkommentiert, aber dafür mit wahnsinnig vielen Links habe ich, später auch geordnet nach Rubriken, die Nachrichten zusammengestellt. War eine Wahnsinnsarbeit, aber wenig sinnvoll. Deswegen wich das Ganze später dann auch den einzelnen Kommentaren zu bestimmten Themen. Die Einführung der Rubrik "Fundstücke" ermöglichte es dann, auf Artikel, auf die ich nicht eingehen, die ich aber mit euch teilen will, aufmerksam zu machen.
Eine Möglichkeit, von der leider kaum Leser Gebrauch machen sind die Gastbeiträge. Ich biete jedem Leser an, seine Meinung zu bestimmten Themen hier als Gastbeitrag zu setzen und so die Meinungspluralität des Blogs zu erhöhen. Die letzte größere Neuerung sind dann die langen Essays gewesen, die analytisch Themen abhandeln.
So oder so, der Blog läuft rund. Inzwischen finden sich täglich etwa 300 Leser ein, was eine beachtliche Steigerung ist. An dieser Stelle möchte ich mich bei all jenen bedanken, die geholfen haben, diesen Blog bekannt zu machen; ganz besonders Arne Hoffmann, der seinerzeit den ersten Link gesetzt hat. Auf ein weiteres, erfolgreiches Jahr!

Samstag, 16. Juni 2007

Weibliche Intern-Kritik an Lafontaine

Katharina Schwabedissen, WASG-Landeschefin NRW, beschwert sich im SZ-Interview über Lafontaine. Und zwar mit zwei Sachverhalten. Zum einen sei er ein Alphamännchen, das sehr stark Ich-zentriert arbeitet. Ist ein berechtigter Kritikpunkt, wobei man in einem Posten wie seinem anders wahrscheinlich gar nicht arbeiten kann. Man denke an Strauß, Adenauer, Schröder, Fischer und wie sie alle heißen. Wer nicht so arbeitet, siehe Merkel, hat nicht so viel Kontrolle.
Abstrus aber wird es im zweiten Kritikpunkt. Es sei eine Altherrenriege an der Spitze der Linken, und statt Biskys wäre doch eine junge Frau toll gewesen.
In diesem etwas beleidigten Tenor fährt sie fort, erklärt, dass eine junge Frau "ein Signal" gewesen sei für das Anderssein der Partei. Dabei liegt sie so falsch, wie man nur falsch liegen kann. Zum Einen hat sich keine einzige Frau auch nur beworben. Wahrscheinlich hat sie Recht, wenn sie das auf die arbeitsintensiven Parteistrukturen schiebt, die sich im nebenberuflichen Ehrenamt nicht bewältigen lassen. Aber mal ernsthaft, kann man davon ausgehen, der Parteivorsitz der drittstärksten Partei der BRD sei neben einem regulären Job mit Familie zu schaffen?! Wie oft wird Lafontaine wohl ins Saarland zu seiner Familie können? Die Kritikerin selbst hat sich auch nicht beworben, vor allem wegen ihrer Magisterarbeit und ihrer Familie.
Wieder einmal wird Substanzkritik ohne Substanz geübt. Wo keine geeigneten weiblichen Kandidaten vorhanden sind gibt es nichts dümmeres, als darauf zu beharren, einer Frau den Posten zu geben. Davon abgesehen hat die Doppelspitze Lafontaine/Bisky ja auch die Klammer zwischen Ost und West zu bewältigen, die für die Partei immens wichtig und mit Sicherheit deutlich vorrangig vor Gender-Mainstreaming-Fragen sein dürfte. Es ist immer wieder erstaunlich, dass das Negativbeispiel der Grünen von den ach so aufgeklärt-emanzipierten jungen Damen der Politik so begeistert und andauernd positiv rezipiert wird.

Meudalismus oder Sklaverei?

Im Nordschwäbischen wurden 118 rumänische "Erntehelfer" gefunden, die unter unwürdigsten Zuständen in Containern eingepfercht waren und täglich bis zu dreizehn Stunden für einen Stundenlohn zwischen einem Euro und einem Euro zwanzig arbeiten mussten.
Doch dieser Skandal geht tiefer, als die Berichterstattung den Anschein hat. Denn sowohl Polizei als auch zuständige Behörden haben mehrmals die Container und den Betrieb kontrolliert, ohne dass jemand eingeschritten wäre. Lediglich das Gesundheitsamt schritt ein und verfügte, dass die Müllcontainer geleert werden müssten.
Dabei waren auf neun Quadrametern in völlig überhitzten Containern vier Leute eingepfercht. Jedem noch so oberflächlichen Beobachter hätte auffallen müssen, dass das ungesetzlich sein muss. Trotzdem schritt niemand ein. Das ist es, was ich mit dem tiefer gehenden Skandal meine: Arbeitsbedingungen wie diese sind mittlerweile so beängstigend real geworden, dass sich niemand verpflichtet fühlt, auch nur die Stirn zu runzeln.

Fundstücke 16.7.2007

Ambivalentes Zeit-Essay zu einem neuen sozialdemokratischen Zeitalter.
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Feynsinn zur neuen FDP-Kampagne.
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NDS zum täglichen Lobbyismus.
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Spiegelfechter nimmt die neoliberale Spaßpartei auseinander.
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Einige Lesben in New York haben einen Mann wegen sexistischer Ausdrücke brutal niedergeschlagen.
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SZ-Analyse des "WM-Wunders".
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Die Yes-Men haben wieder zugeschlagen.
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Brauchbarer Zeit-Artikel zur LiPa-Gründung. Im Gegensatz zu den Kreuzzugsstragien der SZ.
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Freitag, 15. Juni 2007

Aasgeier der Versicherungswirtschaft

Kaum ist die Rente mit 67, unter tatkräftiger Schützenhilfe der Versicherungswirtschaft, beschlossen, landet auch schon die übliche unerwünschte Werbung im Briefkasten. Gerade eben ein Umschlag von der Debeka, den ich eigentlich ungeöffnet wegwerfen wollte, der aber so verdammt amtlich aussah. Darin befindlich Horrorvisionen vom Untergang der staatlichen Rente und "attraktive" Anlagemodelle, um sein Geld unter Debeka-Mithilfe bis ins hohe Alter zu haben. Widerlich, diese Aasgeier auf Beutefang.

Fundstücke 15.6.2007

Zwei Artikel zur Vereinigung der Linken.
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"Wir schaffen eine Klasse systematischer Verlierer"
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Die katholische Kirche ruft zum Boykott von Amnesty International auf.
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SPD-Linke feuern gegen PE.
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Guter Stern-Artikel über die LiPa-Aktion mit dem Mindestlohn.
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Schmeißt die Penner raus!
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Immer wieder schön und entlarvend: warum Kinder kein Benjamin Blümchen oder Bibi Blocksberg hören sollten.
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Donnerstag, 14. Juni 2007

Seelenausverkauf

Bei Lidl kann man vieles kaufen, das billig, vieles das ungesund, vieles das schlecht ist. Seit diesem Sommer kann man sogar die Seele von Greenpeace kaufen, für lächerliche 4,90 Euro. Oder es sein lassen, was auf das Gleiche hinausläuft.
Wie kommt's? Noch 2005 belegte Lidl beim Greenpeace-Ranking über die Pestizid-Verseuchung von Lebensmitteln stets klar den letzten Platz, was bei der Unternehmenskultur nicht wirklich verwundert. Seit kurzer Zeit kann man im Lidl jedoch auch das Greenpeace-Magazin für 4,90 Euro kaufen, das in den besten Auslagen verkauft wird - kostenlos. Das ist der Platz, für den jeder Lidl-Zulieferer töten würde, Greenpeace bezahlt nichts. An der innigen Freundschaft wird es kaum liegen. Zudem hat Lidl 150.000 Hefte bezahlt - nicht auf Kommission gekauft, wie man das normalerweise macht, sondern gleich bezahlt. Da kaum jemand das Zeug kauft, landen sicherlich 90% der Lidl-Auflage im Müll, was stern-TV-Reporter nachgeprüft haben. Dafür belegt Lidl bei den Rankings plötzlich den ersten Platz - ohne den auch nur die Zulieferer gewechselt zu haben. Aber wie heißt es so schön?
"Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt!"

Terror oder nicht Terror, das ist die Frage

Personen, die eine "...Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines EU-Mitgliedstaats..." sind, durften nicht zum G8-Gipfel nach Heiligendamm reisen, wie indymedia klarstellt. Beeindruckend ist freilich, was ausreicht, um in dieses doch eigentlich recht enge Raster zu fallen: der Besitz eines T-Shirts der schwedischen Pro-Raubkopien-Partei. Auf diese Art und Weise, das ist gewiss, werden diesem Land die Terrorverdächtigen nicht ausgehen.

Tobinsteuer neoklassisch verteidigt. Versuch eines Gedankenexperiments

Die Forderung nach einer geringen Steuer (0,05 - 1,00%) auf Kapitalflüsse geht bekanntlich auf den Ökonomen James Tobin zurück, der damit bereits 1972 die hochgefährlichen Spekulationen mit Währungen eindämmen wollte, die - in einer sich erfüllenden Prophezeiung - 1997 ganz Ostasien und beinahe den Rest der Welt in eine Krise rissen, aus der sich die Region bis heute nicht empor gehangelt hat. Die Krise in Ostasien ist dabei nur eine von vielen schweren Währungskrisen von Entwicklungsländern in den letzten 15 Jahren, die auf kurzfristige Devisenspekulation zurückzuführen sind (sog. Daytrading). Diese Idee ist im übrigen der Namensgeber der globalisierungskritischen Gruppe Attac (association pour une taxation des transactions financières pour l'aide aux citoyens, dt. Verein für eine Besteuerung von Finanztransaktionen zum Wohle der Bürger), deren originäre Hauptaufgabe die Durchsetzung dieser Steuer ist.
Damit reihen sich sowohl Tobin als auch attac in die lange Reihe der Post-Keynesianer ein, die die neoklassischen Ökonomen bekanntlich fürchten wie der Teufel das Weihwasser sind ihnen staatliche Eingriffe in die Wirtschaft doch ein Graus. Ich möchte in diesem Artikel nicht mit keynesianischen Erklärungsmustern die Tobin-Steuer verteidigen, sondern den Versuch unternehmen, mit neoklassischen Erklärungsmustern ein Plädoyer dafür abgeben. Dabei soll dezidiert nicht das Niveau einer wissenschaftlich-ökonomischen Betrachtung verfolgt werden, was schon allein mangels entsprechender Kompetenz nicht möglich ist. Stattdessen soll halbwegs oberflächlich der Versuch unternommen werden, verkrustete Denkstrukturen aufzubrechen und weniger Dogmatismus, stattdessen aber mehr Überlegung, Analyse und Diskussion in den Diskurs um die angemessene Wirtschaftspolitik des frühen 21. Jahrhunderts gebracht werden.
Was ist die Neoklassische Lehre? Die klassische Lehre geht auf Adam Smith zurück, der - grob vereinfacht - auf die Selbstheilungskräfte des Markts (die berühmte "unsichtbare Hand") vertraute, die wesentlich besser als der Staat den "Wohlstand der Nationen" (so der Titel seines Werks) mehren könnten. Jean Baptiste Say verfeinerte das mit seinem "Say'schem Theorem", nachdem der Markt auf ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage, Vollbeschäftigung und Preis strebt. Diese Theorien wurden von Keynes stark in Zweifel gezogen, der ab 1929 die Wirtschaftspolitik der USA (und damit zu einem Gutteil der gesamten industrialisierten, kapitalistischen Welt) bestimmte. Ab dem Ende der 1960er Jahre und dem Beginn der 1970er Jahre verloren die Keynesianer an Einfluss - es war die Zeit der Neoklassik, oder auch des Neoliberalismus und des Monetarismus von Milton Friedman. Dieser empfiehlt eine radikale Privatisierung sämtlicher Staatsbetriebe, also auch der sozialen Sicherungssysteme, eine Abschaffung der Sozialleistungen zugunsten einer negativen Einkommenssteuer und eine Beschränkung des Staates auf die Fiskalpolitik - die Preisstabilität, die er als elementar für wirtschaftliches Wachstum ansah. Weitere ordnungspolitische Aufgaben obliegen dem Staat seiner Meinung nach nicht.
Es gilt, dies vorweg, festzuhalten, dass die meisten der heutigen Meinungsmacher keine Monetaristen sind. Sie, die meist unter dem Schmähwort des Neoliberalismus zusammengefasst werden (das deswegen in diesem Essay keine weitere Verwendung finden soll), sind zu einem Gutteil von ihren wohlverstandenen Eigeninteressen (oftmals via Korruption von außen eingegeben) geleitet und deswegen für einen intellektuellen Diskurs und den Entwurf von funktionierender Wirtschaftspolitik ohnehin nicht zu gebrauchen.
Ich habe bereits eingangs die zentrale These aufgestellt, dass die Tobinsteuer sich durchaus mit neoklassischen Ansätzen verfechten lässt. Denn die Neoklassik wünscht den Staat, wie der Wirtschaftsliberalismus im Allgemeinen, gerne auf die Rolle eines Nachtwächters zu reduzieren, der die Rahmenbedingungen für effizientes Konkurrenzwirtschaften schafft (und damit auch Monopole verhindert! Ein weiterer Grund, warum die heutigen Meinungsmacher in diesem Sinne eigentlich keine echten Liberalen sind und sein können) und den entsprechenden Rechtsrahmen, die Verbindlichkeiten und Sicherheiten garantiert (vor allem durch den juristischen Apparat, die Garantie für Privatbesitz auch und gerade für Produktionsmittel und die Verteidigung gegen äußere Feinde). Dies würde jedoch auch implizieren, dass - und dies ist besonders im Kontext mit der monetaristischen Theorie und ihren Forderungen an Ordnungspolitik zu sehen - der Staat die Sicherheit der Währung garantiert. Denn nur eine stabile Währung (und das bedeutet eine Inflation von unter 10% und eine Sicherheit im Umgang mit der Währung) garantiert Anlage- und Investitionssicherheit, die die Grundlage bei der Entscheidung von ausländischen wie inländischen Investoren bildet, im jeweiligen Land zu investieren; noch vor Steuern und Lohnkosten, denn die können niedrig sein wie sie wollen: wenn ich als Investor mit einem Totalabsturz des Landes und seiner Währung rechnen muss, ist meine Investition nicht sicher.
Diese Argumentation gilt natürlich nur für das neoklassische Staatsverständnis; da zumindest die hochindustrialisierten Staaten der westlichen Hemisphäre sowie Asiens derzeit eine expansiv-imperialistische Politik betreiben und anderen Ländern nachteilige Bedingungen im Umgang mit inländischen Investoren aufzwingen mag diese erfreuen und ihre Profite steigern, ist aber im Sinne einer liberalen Theorie absolut unzulässig.
Je kleiner ein Land und damit seine Währungsmacht nun ist, desto angreifbarer ist diese Währung auch (in mächtige Bündnisse eingebundene Staaten einmal außen vor gelassen). In Zeiten prosperierender Wirtschaft ist dies im Allgemeinen kein Problem, denn hier stellt die Finanzierung des Booms über Devisenspekulationen kein großes Problem dar. Doch das Daytrading, gegen das sich die Tobinsteuer ja richtet (langfristige Devisengeschäfte wirken eher stabilisierend), reagiert hochsensibel auf jede mögliche Umkehr eines Aufwärtstrends - oder nur seine Stagnation. Da die Kapitalströme durch die Globalisierung und technische Vernetzung hochmobil geworden sind und keine Steuern oder andere Abgaben anfallen, sind kurzfristige Umschichtungen zwischen Währungen überhaupt kein Problem. Wie der sprichwörtliche Flügelschlag des Schmetterlings, der den Taifun auslöst kam so beim ersten Anzeichens eines Stottern des Konjunkturmotors in den Boomregionen Ostasiens (den sog. Tigerstaaten) eine Lawine in Gang, bei dem der Wirtschaft innerhalb weniger Stunden praktisch das gesamte Kapital entzogen wurde, mit der Folge, dass die Banken reihenweise crashten und die Wirtschaft vollkommen zusammenbrach. Heute, zehn Jahre danach, hat sie immer noch nicht das Niveau von 1997 wieder erreicht, von Südkorea einmal abgesehen.
Eine solche Katastrophe kann nicht im Sinne eines Neoklassischen Wirtschaftlers sein (noch einmal zur Erinnerung: wir gehen nicht von indivuellen CEOs aus, die im Einzelfall von einer solchen Krise durchaus profitieren können und auch haben, sondern von Wissenschaftlern und Ordnungspolitikern). Die Tobinsteuer würde das Daytrading stark einschränken, da in dieser Form der Währungsspekulation auf sehr kurzfristige wie kleine Währungsschwankungen spekuliert wird und die Margen entsprechend klein sind - eben meist zwischen 0,05 und 1,00%. Langfristige Währungsgeschäfte und andere finanzielle Transaktionen wären praktisch nicht betroffen.
Dadurch würde die Tobinsteuer einen wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung der Währungen - und damit auch der Kontrolle von Preissteigerungen - beitragen und ein nachhaltig verbessertes Investitionsklima besonders in kleinen Ländern schaffen, deren individuelle Wettbewerbsvorteile somit deutlich besser zur Geltung kämen.

Günter Wallraff ist zurück!

Nach langer Pause recherchiert Wallraff wieder undercover; er hat sich die Callcenter geschnappt. Auch Wut! berichtet ausführlich; es wird spannend zu sehen, wie es weitergeht. Zeit wurde es, ein Katalysatoreffekt ist zu erhoffen. Daumen hoch für Wallraff!

Fundstück

"Man kann auch einen Papageien zum Ökonomen machen, wenn man ihm nur beibringt, `Angebot und Nachfrage´ zu sagen."
- Mankiw

Fundstück

SPIEGEL ONLINE: Das heißt, Sie wären auch zu direkten Gesprächen mit Müntefering und Beck bereit?

Lafontaine: Immer, sobald die SPD wieder sozialdemokratisch wird.

SPIEGEL ONLINE: Ein leicht gemachtes Angebot. Ihnen ist doch klar, dass die SPD darauf nicht eingehen wird. (Quelle)

Die SPD und die Anderen

Wie die Süddeutsche Zeitung so schön schreibt, scheint sich bezüglich der Linkspartei in der SPD das alte Schröder-Wort von "den Anderen" als der Opposition zu halten. Am Samstag wird die Linkspartei offiziell gegründet, und in der SPD herrscht nichts als bedrücktes Schweigen. Wie weiland 1980 versucht die SPD, die ungeliebte Konkurrenz zu ignorieren und drückt sich damit ins Abseits. Müntefering wie Beck erklären routinemäßig, niemals mit der Linkspartei koalieren zu wollen. Die führt die SPD bei jeder Gelegenheit vor, sei es die Mindestlohninitiative, sei es die Neoliberalismusdiskussion, sei es beim Kampf und den Begriff "sozialdemokratisch", wo SpOn unfreiwillig Schützenhilfe leistete.
Dabei ist das Verhalten irrational. Die derzeitige Haltung der SPD lässt für 2009 - ein Ausbleiben wirklich massiver Verschiebungen innerhalb der Parteienlandschaft vorausgesetzt - keine andere Alternative als die einer Neuauflage der Großen Koalition, die schon jetzt unter starken Abnutzungserscheinungen landet und als einzigen Erfolg in einer Serie von Misserfolgen und kritikwürdigen Initiativen für sich verbuchen kann, die zarte Pflanze Konjunktur nicht sofort totgetreten zu haben. Wie soll es weitergehen? In der SPD weiß man es nicht. Die Parteispitze scheint sich wohl zu fühlen als Juniorpartner der CDU; ein bisschen soziales, ein bisschen friedliches Gerede zur Abgrenzung und ansonsten so tun, als sei der juristische Schritt der Fusion der ehemaligen Volksparteien bereits so vollzogen wie der geistige. Die Basis indessen nimmt die Eigenschaft von Traubensaft an, der in großen Fässern abgelagert wird: sie gärt.
Das heißt derzeit nichts; seit dem Abgang Lafontaines 1999 hat die SPD keinen echten Parteivorsitzenden mehr gehabt und ist die Basis konsequent als ungeliebtes Anhängsel betrachtet und missachtet worden. 58% der Basis sind für Kontakte zur Linkspartei, es mehren sich die leisen Forderungen nach dem Sondieren von Koalitionsmöglichkeiten. Für viele ist der Wunschtraum eine Fusion der beiden Parteien, eine Rückkehr zu den goldenen Zeiten der Sozialdemokratie. Möglich wäre sie, geboten auch. Sie scheitert an den starken Beharrungskräften der politischen Oberklasse in der SPD, die mehr an ihrer Macht als an irgendetwas anderem zu hängen scheint. Es bleibt die Frage bestehen, welche Möglichkeiten es gibt und welche davon wahrgenommen werden können.
Die viel bemühte strukturelle Mehrheit der Linken (rechnerische Mehrheit von SPD, LiPa und Grünen) halte ich für trügerisch. Nicht allein, dass die SPD nicht wirklich links ist; viel schlimmer ist, dass es die Grünen nicht sind. Hier ist die Lage anders als bei der SPD, denn bei den Grünen ist in der Basis zwar ein Hauch Sponti-Charme erhalten geblieben, die Partei selbst jedoch ist mittlerweile deutlich näher bei der CDU als bei der SPD und eine Partei des intellektuellen Bürgertums geworden - und damit der Besitzenden (im Sinne von Bush, nicht Marx). Allein das macht eine Koalition rot-rosa-grün unwahrscheinlich. Das ist keine allzu positive Aussicht, besonders im Hinblick auf die Alternative Große Koalition. Um Farbenspiele durchzuführen: eine Spanienkoalition ist sehr unwahrscheinlich, ganz besonders unter Westerwelle. Auch eine Wiederauflage der Sozialliberalen Koalition ist wegen der dauerhaften Schwäche der SPD unwahrscheinlich, wo es nicht einmal zu schwarz-gelb reicht. Jamaika wäre vielleicht möglich, und nach vier Jahren Opposition sind die Grünen vielleicht wirklich zu Experimenten geneigt.
So oder so bleibt die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Große Koalition bestehen bleiben wird. Dieses Ergebnis jedoch würde aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer weiteren Beschleunigung des Abschleifens der "Volks"parteien führen, deren Ergebnis im Mittel bei 30% liegen dürfte - nicht genug, um allein Gestaltungsmacht zu entfalten. Um die Drei-Parteien-Koalitionen dürfte man mittelfristig nicht herumkommen, die Frage bleibt nur, in welcher Konstellation.

Fundstücke 14.6.2007

Telepolis dementiert die Gerüchte vom Arbeitslosenhaus. Es ist beruhigend zu wissen, dass es eine Ente war - aber beunruhigend, dass das Szenario von niemandem angezweifelt wurde, weil man es für realistisch hielt.
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Unter der Überschrift "Reformen ohne Verbesserungspotenzial" räumt Telepolis mit dem Begriff von der "Chancengleichheit" auf.
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Telepolis zu der rechtlichen Unterstützung der Protestierenden in Heiligendamm.
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Extrem fundierter und empfehlenswerter Artikel zum Thema Killerspiele.
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Die Zeit zum Thema Mindestlöhne.
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Wer versteht was unter Neoliberalismus?
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Feynsinn zum Thema Israel.
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NDS zum Thema Umformen von Begriffen.
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Zum Thema schlanker Staat.
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Monitor gleich zweimal zu Heiligendamm.
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Monitor mit der Nachbearbeitung der Ein-Euro-Uni-Jobs.
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...und zum Brandbrief aus Afghanistan.
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Zum Vierten-Teil-Wahn in Hollywood.
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Kaum zu glauben: ein guter SpOn-Artikel über Heiligendamm.
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Ein Trip ins Creation-Museum.
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Mittwoch, 13. Juni 2007

Fundstücke 13.06.2007

Interessantes BILD-Interview (!) mit Lafontaine. Und ebenso interessant die beiden Artikel, die daneben verlinkt werden: hier und hier.
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Neben Panzern wurden auch Tornados in Heiligendamm eingesetzt.
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Montag, 11. Juni 2007

Fundstücke 11.6.2007

Heribert Prantl wirft sich wieder einmal für die Bürgerrechte in die Bresche.
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Gerhard Wisenewski polemisiert gegen Merkels "Null-Toleranz", mit empfehlenswertem Video!
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Telepolis präsentiert die Geschichte der Gummikugel. Unbedingt empfehlenswert!
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Greenpeace-Boote wurden von der Polizei überfahren, SpOn zeigt es in deutlichen Bildern.
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Noch mal SpOn, die eine extrem bescheuerte Merkel-Aussage widerlegen.
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Onez' Beitrag zum Blogkarneval.
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Die Krise der Linken in Frankreich.
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Arbeitszeiten der Lehrer.
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In den USA hat ein Intelligent-Design-Museum aufgemacht.
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Heiligendamm gehört wieder den Möwen.
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Arbeit wird immer billiger.
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Die WM hat am Ende doch nicht den Aufschwung gebracht.
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Wut! über die Klagewelle gegen Hartz-IV-Bescheide.
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Steuersenkung für Frauen?

Auf eines kann man sich bei den Grünen immer verlassen: wenn man schon dachte, sie wären gerade im neoliberalen Einheitsbrei der Etablierten untergegangen, kommen sie mit einem richtig absurden Vorschlag. Respektive einige aus ihren Reihen. In diesem Fall ist es die Fraktionschefin Antje Hermenau, die im Verbund mit zwei weiteren Damen aus der Wissenschaft und Forschung eine "geschlechtergerechte" Einkommensteuer fordert. Das heißt nichts anderes, als dass dieselbe für Männer rauf und für Frauen runter soll. Damit erschöpft sich der Inhalt dieses geistigen Tiefflugs bereits.
Immerhin muss man Hermenau hoch anrechnen, dass sie in der geistigen Verfassung ist zu erkennen, dass das Diskriminierung ist. Aber:
Eine Ungleichbehandlung nehme sie dabei im Kauf. "Lieber eine positive Diskriminierung als eine negative. Wenn Frauen finanziell besser gestellt werden, ermutigt das viel mehr Paare, Kinder zu bekommen."
Und Hurra, das Demographie-Thema ist auch gleich wieder dabei. Dann kann ja nichts mehr schief gehen. Der Unfug ist aber noch lange nicht am Ende:
Sie habe bereits mit männlichen Wirtschaftswissenschaftlern über das Modell gesprochen, die ebenfalls sehr viel Sympathie dafür gezeigt hätten.
Das spricht weder für deren Sachverstand. Aber wahrscheinlich haben sie diese "Sympathie" nur gezeigt, um Madame loszuwerden, im sicheren Wissen, dass so ein Irrsinnsplan ohnehin nicht durchgesetzt wird, nicht einmal im Gender-Mainstreaming-Paradies Deutschland. Der volkswirtschaftliche Aspekt hinter dem Plan: durch die niedrigeren Steuern für Frauen würden die mehr arbeiten und bevorzugt eingestellt werden (werden sie das nicht ohnehin)? Dadurch wächst die Wirtschaft und das durchschnittliche Einkommen der Familien. Zum Abschluss dieser Satz:
Nach Ansicht des Berliner Verfassungsrechtlers Christian Pestalozza wäre eine Steuersenkung nur für Frauen mit dem Grundgesetz vereinbar. "Artikel 3 des Grundgesetzes bedeutet nicht, dass alle gleich behandelt werden müssen - sondern Gleiches gleich und Ungleiches ungleich", zitiert ihn die "Bild am Sonntag". Seien Frauen benachteiligt, dürften sie solange bevorzugt werden, bis die Benachteiligung ausgeglichen ist.
Mit dem GG kann zur Zeit ohnehin jeder beliebige Schindluder getrieben werden; auf diesen Schwachsinn käme es dann auch nicht mehr an.
Auffällig ist an dem ganzen Plan mehreres: zum einen ist es das letzte verbliebene grüne Reizthema, die Geschlechtergerechtigkeit. Umweltpolitik hat die CDU geklaut, Friedenspolitik die SPD. Dieses Thema ist so abstrus, unkontrollierbar und gefährlich, dass keine andere Partei es den Grünen wegnehmen wöllte. Schon allein deswegen drängt es die Grünen damit mit aller Macht in die Schlagzeilen.
Zum anderen ist die volkswirtschaftliche Rechnung, die dem Ganzen zugrunde liegt, grober Unsinn. Die alte Bauernweisheit der Wirtschaftler, die bei jeder Gelegenheit postuliert wird und sich auf das lächerlich einfache Paradigma des "Steuern runter für mehr Jobs" beschränkt, kommt auch hier zur Anwendung. Als ob die letzten Jahre nicht ausreichend gezeigt hätten, dass niedrige Steuern keine ausreichende Grundlage für mehr Jobs sind, ob für Männer oder für Frauen, dürfen sich hier einzelne Damen im Namen der politischen Korrektheit verlustieren und Unfug postulieren. Wenn die Steuern für Frauen niedriger sind und diese Verschiebung tatsächlich zur bevorzugten Einstellung von Frauen animiert, so werden mehr Frauen und weniger Männer Jobs haben, mit der Folge, dass es eben nicht die Frauen wegen mangelnden Geldes keine Kinder wollen, sondern die Männer - was, ein Stimmen dieses ebenfalls etwas abstrusen und durch die Wirklichkeit längst widerlegten Gedankengangs vorausgesetzt, nichts ändern würde. Was es ändern wird ist die weitere Zerstörung der Familie. Denn in der überwältigenden Mehrzahl der Fälle ist der Mann der Ernährer, was sich durch das hier postulierte Steuermodell mitnichten ändern würde - es sorgte lediglich dafür, dass weniger Geld verfügbar ist. Im Gegenzug wird es aber die Familiengründung weiter erschweren. Glücklicherweise sind die wenigsten Frauen so progressiv (?), wie die Grünen sich das in ihren Phantasien ausmalen und hängen noch immer dem alten Rollenbild an - oder sie sind bereits so "progressiv", dass sie gar keine Familie mehr wollen und sich im Singledasein über die niedrigeren Steuern freuen würden.
So oder so erweist sich das Modell als Unsinn, der Vorschlag als ebenso falsch wie gefährlich und die Grünen als großer Haufen Dampfplauderer.



Knirschen in der GroKo

Leider knirscht es in der GroKo derzeit nicht so, als dass ein Scheitern derselben zu befürchten wäre. Stattdessen beginnen SPD und CDU, ihre Geschütze langsam auf Wahlkampf auszurichten, auch wenn der noch zwei Jahre entfernt ist.
Ernst zu nehmen ist die Chose nicht. Die CDU nennt wieder einmal die FDP als Wunschpartner, die SPD wirft der CDU zunehmenden Neoliberalismus vor und verspricht irgendwelche Betonungen auf das nicht vorhandene soziale Wesen der Partei. Die FDP indessen verkündet, dass sie niemals mit SPD und Grünen will, hat aber inhaltlich ansonsten nichts beizutragen. Die Grünen sagen gar nichts, sondern lugen lieber unter dem olivgrünen Stahlhelm hervor, während die Linkspartei eine klare Aussage mit Bedingungen für eine Koalition mit der SPD macht (u.a. Mindestlohn, Herstellung der alten Rentenformel und Rückzug aus Afghanistan), wovon zumindest der Rückzug aus Afghanistan mit Sicherheit Verhandlungsmasse darstellt. Während die Gewerkschaften mit zusammengebissenen Zähnen schweigen, fordert die DIHK (Deutsche Industrie- und Handelskammer) von der Regierung mehr "Reformeifer" in der zweiten Hälfte der Amtsperiode, ein Rufen, in das Westerwelle in bekannter Epigonenmanier auch gleich miteinfällt.
Nichts Neues in Deutschland also. Auffällig ist allenfalls der verzweifelte Versuch Becks, der SPD so etwas wie sozialdemokratisches Profil zu geben. Bekanntlich ist die Basis in übergroßer Mehrheit gegen den aktuellen Kurs und wünscht sich eine Koalition mit der LiPa, worüber die "Cheffes" aber gerne hinweggehen. Das neoliberale Gewäsch von CDU, FDP und DIHK ist dagegen keine weitere Erwähnung wert.

Nachtrag: Auch Albrecht Müller hat sich des SPD-"Kursschwenks" angenommen.

Versagen muss sich endlich wieder lohnen!

Quo vadis, Leistungsgesellschaft? Für das spektakuläre Scheitern der "Welt AG" des Daimler-Konzerns wird deren spiritus rector Schrempp nun auch noch (neben dem ohnehin hohen Gehalt und der Abfindung) mit Aktienoptionen von über 50 Millionen Euro belohnt.
Dabei folgen Schrempp und Daimler natürlich nur dem heiligsten Grundsatz der Geschäftswelt, ohne den diese zusammenbrechen würde: pacta sunt servanda, Verträge müssen eingehalten werden. Die Kritik darf also nicht da ansetzen, wo Schrempp nun astronomische Summen ausgezahlt bekommt, wo andere mit Entlassung und Lohnkürzung die Folgen seines Scheiterns tragen müssen sondern da, wo dieser und andere Verträge geschlossen werden. Es kann nicht sein, dass Seilschaften und andere Formen der offenen Korruption und Korrumpierung, auch euphemistisch "Aufsichtsräte" genannt, gegenseitig dermaßen überzogene Verträge zuschanzen, die mit astronomischen Summen vollkommen unbeachtet der Managerqualitäten handeln. Das ist weder nachvollzieh- noch ethisch oder sonstwie vertretbar.

Samstag, 9. Juni 2007

Fundstücke 9.6.2007

Wie ist die Lage in Venezuela?
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taz-Artikel zur "Bibel in gerechter Sprache".
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Unter umgekehrten Vorzeichen trifft Sarkozys Euro-Kritik gerade in Japan zu.
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BILD versucht wieder mal, den Terror herbeizuschreiben.
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Der Schwindel mit den Mikrokrediten

Wer hat nicht schon von den tollen Mikrokrediten gehört, die in Indien und Bangladesh so Furore gemacht haben und eine Berühmtheit als Allheilmittel der Unterentwicklung erlangt haben, die ihresgleichen sucht? In Wirklichkeit, so deckt Telepolis auf, ist das jedoch eine riesige Propaganda-Seifenblase, hinter der eiskalte und nüchterne Kalkulation auf Kosten der Ärmsten der Armen steht - und damit die Erschließung und Ausbeutung der letzten unerschlossenen Finanzmärkte dieser Welt. Sehr lesenswerter Artikel!

Sinnlose Psychospielchen

Zum Ausfiltern des geeigneten Personals im Führungskraftbereich verwendet die Wirtschaft liebend gerne (oft genug sündteure) Assessment-Center. Die aber arbeiten reichlich ineffizient und, wie erwähnt, teuer. Im SZ-Gespräch mit dem Psychologieprofessor Heinz Schuler erzählt dieser, warum die Methoden schlecht sind und wie man im fundierten Einzelgespräch wesentlich mehr herausfinden kann als mit den veralteten und standardisierten, oft genug nicht an den ausgeschriebenen Job angepassten Assessmentcentermethoden.

Hedgefonds in der Kritik

Auf die unterschiedlichsten Weisen gelangen Hedge-Fonds dieser Tage in die Kritik und werden gleichzeitig auch promotet. Diese extrem risikoreichen Geldanlagemöglichkeiten, die zuletzt Hauptverantwortlich für die Asienkrise 1997 waren, gefährden die Weltwirtschaft - und damit auch die Weltsicherheit. Wer schließlich will ernsthaft behaupten, dass eine rasant ansteigende Verelendung nicht sozialen Sprengstoff liefert, der sich irgendwann gewaltsam entlädt - trotz Hochsicherheitsvierteln für die wenigen Gewinnern, verblödender Fernsehunterhaltung und Bundeswehr im Inneren?
Genug der einführenden Worte. Wer Lust hat, kann jetzt noch eine kurze Pause machen und im Kommentarteil des Blogs schreiben, dass ich von Wirtschaft keine Ahnung habe. Alle anderen dürfen gerne weiterlesen.
Die SZ berichtet über vom Finanzbuch-Verlag ausgerichtete, kostenlose Seminare zum Thema "Hedge-Fonds". Diese "Seminare" sind dabei kaum mehr als schlecht verdeckte Werbeveranstaltungen; die gewaltigen Chancen werden ausgebreitet, die noch gewaltigeren Risiken aber ebenso ausgeblendet wie das Anlegerprofil, das Hedge-Fonds überhaupt erst interessant macht: Experten gehen davon aus, dass es erst ab einer Einlagenhöhe von etwa einer Million Euro Sinn macht, etwa 20% der Anlagen in Hedge-Fonds zu investieren. Auf dem Seminar wird ein gegenteiliger Eindruck erweckt und die gewaltigen Risiken - die im Gegensatz zu anderen Anlagemöglichkeiten die eigene Anlage weit übersteigen können - heruntergespielt.
Aus ungewohnter Seite kommt Kritik an den steuerlichen Vorteilen von Private-Equity-Managern in Großbritannien, die gerade einmal (durch Steuertricks weiter reduzierbare) zehn Prozent Steuern auf ihre oft genug exorbitanten Gewinne entrichten müssen - den gleichen progressiven Steuersatz wie Putzfrauen: Nicholas Ferguson, seit über 25 Jahren im Geschäft, plädiert im Schulterschluss mit den Gewerkschaften und dem designierten Premier Brown für eine Anhebung der Gewinnsteuern der Private-Equity-Fonds.
In einem Inverview mit dem Bearingpoint-Experten (was auch immer das ist) Berg veröffentlicht das Manager-Magazin interessante Einblicke in die Gefährdung der Weltsicherheit durch die Hedge-Fonds. Gleichzeitig wird, zu Recht, dem Betreiben Peer Steinbrücks eine Abfuhr erteilt, durch Gesetze den Fonds Riegel vorschieben zu wollen. Da Hedge-Fonds ohnehin keine Werte schaffen, sondern lediglich Geld transferieren und Volkswirtschaften zerstören können, ist eine Verlegung des Firmensitzes in ein Land ohne entsprechende Gesetze vollkommen problemlos. Ob ein Verhaltenskodex die Probleme löst, wie GB und die USA vorschlagen, ist dabei aber genauso zweifelhaft. Es war ein entscheidender Fehler unter vielen von rot-grün, die Hedge-Fonds in Deutschland zugelassen zu haben, die zur volkswirtschaftlichen Entwicklung nichts, aber auch gar nichts beitragen, diese aber im Gegenzug massiv gefährden.

G8-Nachlese, Teil II

Noch immer gibt es genug interessante Fakten und Analysen im Umfeld des G8-Gipfels, der uns vermutlich noch eine Weile beschäftigen wird. Wieder der Reihe nach.
Greenpeace ist bei einer Protestaktion mit mehreren Schlauchbooten und zwei Sechs-Meter-Schiffen in die gesperrte Zone im Meeresteil von Heiligendamm eingedrungen, um persönlich eine Petition zu übergeben. Dabei wurden zwei Boote von Polizeischiffen überfahren, es gab drei Verletzte bei Greenpeace.
Unter der Überschrift "Eine andere Gewalt ist möglich" beschreibt Telepolis sowohl den Ablauf von Konferenzen im Vorfeld des Gipfels, die sich mit nicht-tödlichen Anti-Demonstrantenwaffen befassten als auch den Einsatz nicht-tödlicher Mittel gegen Demonstranten während der Demo. Auffällig ist hierbei die teilweise kaltblütig-kalkulierende Störung von Reden und Konzert, so dass der Eskalation idealer Nährboden bereitet wurde.
Etwa 10.000 Demonstranten haben es geschafft, in das Sperrgebiet II ein- und bis zum Zaun vorzudringen, was wieder einmal die Hinfälligkeit des ganzen Polizeizinnobers zeigt. Außerdem bezeichnete das BVerfG die Demonstrationsverbote als grob verfassungswidrig, ohne aber entsprechende Schritte einzuleiten, da - nicht zuletzt durch die gezielte Polizeieskalation - eine zu hohe Gefährdung entstanden war. Mit dem Inhalt des Urteils beschäftigt sich dieser Artikel genauer.
Während besonders die rechtskonservativen Leitmedien einen "Riesenerfolg" von Merkel herbeizuschreiben versuchen, ist jeder politisch halbwegs motivierte Zeitgenosse darüber informiert, dass die Gipfel der letzten 15 Jahre kein einziges Ergebnis zustande brachten und dieser hier lediglich in Sachen Bürgerrechtsbeschneidungen und Kosten einen neuen Rekord zu setzen vermochte. Die "Ergebnisse" nimmt dieser Telepolis-Artikel daher noch einmal deutlich unter die Lupe.
Die Regierung hat des Weiteren beschlossen, "die Autonomen" künftig stärker zu überwachen. Wahrscheinlich werden damit die echten Chaoten weiter unbehelligt gelassen, während man das angeblich verstärkte Engagement zum Vorwand weiterer Aktionen im Stil der norddeutschen Großrazzia nehmen wird. Außerdem gab es massive Kritik und Sammelklagen an den stark an Guantanamo erinnernden Käfigen für Präventionshaft von G8-Gegnern.
Albrecht Müller indes bezeichnet den Gipfel als größte CDU-Werbekampagne aus Steuergeldern, und er hat verdammt Recht damit. In einem weiteren Beitrag gehen die NDS darauf ein, wie BILD und Verfassungsschutz (mittels agents provocateurs) gezielt die Eskalation steuerten und steuern. Außerdem betreibt Heiner Geißler aus den Attac-Reihen heraus gezielt Propaganda für die CDU.
Mit am beunruhigendsten ist aber, dass es, abseits der Medienaufmerksamkeit, zu einem Bundeswehreinsatz während des G8-Gipfels kam und immer noch kommt. Mindestens zehn Panzerfahrzeuge sind im Einsatz, deren Einsatz mit dem GG gerechtfertigt wird - das dabei so sehr gebogen wird, dass es kracht.

Mittwoch, 6. Juni 2007

Mainstream

Wie Fefe so wunderbar ätzend bemerkt, ist Politiker beschimpfen inzwischen so sehr Mainstream, dass sie es auch untereinander immer häufiger und exzessiver tun. Der neueste Streich: Gabriel nannte Lafontaine einen "Helfershelfer der Taliban". Wird ohnehin Zeit, dass man ihn endlich inhaftiert und foltert, diesen Terroristen!
Immerhin stellte sich Trittin als einer der wenigen Grünen mit Rückgrat hinter die Forderung.

G8-Nachlese

Seit sich der vorrangig publizistische Rauch wieder ein wenig verzogen hat, sieht man vieles klarer. Beginnen wir mit der Sachlage, für die keine klare Sicht notwendig ist, ja, eine verdeckte und verdrehte geradezu Grundvorraussetzung: die Hetze der Springerpresse. Die B.Z. hat in einem Artikel einen großen Aufruf zum Dank an die Polizei gestartet, die tapfer in der Unterzahl gegen ein Heer gewaltbereiter Demonstranten ausharrte - so der Tenor. Die Bürger werden aufgerufen, den Polizisten für ihren aufopferungsvollen Einsatz zu danken und ihnen Geschenke zu machen.
Inzwischen hat sich herausgestellt, dass die Zahlen der Verletzten grotesk übertrieben waren - was keine übermäßig große Überraschung ist; falsche Zahlen und Behauptungen zum Aufstacheln der Situation hatten wir vor 40 Jahren schon. Dass aber von den über 40 "schwer verletzten" Polizisten am Ende ganze zwei leicht verletzte übrig bleiben, ist schon ein dicker Hund.
Inzwischen hat auch Josef Stiglitz, quasi der ökonomische Kopf der G8-Gegner, in einem Spiegel-Interview sehr verkürzt seine Thesen ausgebreitet. An der Stelle noch einmal der Tipp, Stiglitz zu lesen. Er war Chefökonom der Weltbank und ist Ökonomienobelpreisträger, selbst meine Dauerkritiker werden seine Kompetenz kaum anzweifeln können.
Fast untergegangen indes sind die Demonstrationen der Rechten. Wegen der Konzentration der Polizei auf die friedlichen Demonstranten in Rostock gelang es den Neonazis, zwei (!) Demonstrationszüge unangemeldet durch das Brandenburger Tor am Holocaust-Denkmal vorbeimarschieren zu lassen. Die von amerikanischen Botschaftswächtern herbeigerufene Polizei wurde einfach beiseite geschoben, erst der dritte Demonstrationszug der Neonazis konnte mit 250 Beamten aufgehalten werden. Versagt haben dabei aber weniger die Polizisten, die schließlich wirklich nicht überall sein können, als vielmehr die Geheimdienste und der Verfassungsschutz, die von der Rechtskonzentration in Berlin genauso überrascht wurden wie die Polizei selbst. Bisweilen fragt man sich schon, was außer dem Bespitzeln unbescholtener Bürger sie mit ihren außerordentlichen Vollmachten und Budgets eigentlich machen.
Im Deutschlandradio wird ein Polizeipsychologe interviewt, der die Schuld an der Eskalation in Rostock eindeutig den Staatskräften zuschiebt - und Recht hat. Konzepte, die sich bereits in den 1970er Jahren als verfehlt und unwirksam herausgestellt haben, wurden in Rostock angewandt, im Vorfeld wurde, auch über die Medien, massiv polemisiert, pauschalisiert und aufgeheizt. Statt aggressiver Gewalt seitens der Polizei (auch von Merkel im Chor mit Schäuble als Null-Toleranz gefordert) empfiehlt der Psychologe - psychologische Konzepte, wie man sie seit Jahren auf Großveranstaltungen wie dem Oktoberfest anwendet, wo regelmäßig mehr Sachschaden angerichtet wird als auf der Rostocker Demo. Auch Telepolis geht, unter anderen Vorzeichen, auf diese Frage ein: die Bilder von militanten Demonstranten werden in den Medien immer gezeigt, die von Polizeigewalt nie. Woran liegt das?
Zuletzt ein SZ-Artikel zum neuen CDU-Programm, das pünktlich zum G8-Gipfel deren Profil in Richtung Volkspartei zu erweitern sucht, so dass am Ende ein einziger brauner Mischmasch übrig bleibt. Die NDS hatten das bereits gut kommentiert.
SpiegelOnline brachte das Gerücht in Umlauf, eine gewisse "Clown's Army" habe Gift gegen Polizisten gesprüht. Nachdem diverse Magazine und Zeitungen die Meldung ungeprüft übernommen hatten stellte sich heraus, dass es sich um - Seifenblasen gehandelt hatte.

Betrügereien bei der FDP

Wie der Stern berichtet, versuchen derzeit FDP-Abgeordnete in bekannter Dreistigkeit ihre Reise zum Parteitag nach Stuttgart aus den Steuermitteln der Fraktion bezahlen zu lassen. Das ist aus mehreren Gründen schändlich: wer nicht in der Fraktion des Bundestags ist, sondern "nur" als Parteimitglied kommt, zahlt alles selbst. Zum zweiten haben die Bundestagsabgeordneten ohnehin durch 1.-Klasse-Bahntickets und Freiflüge bei der Lufthansa Vorteile. Immerhin aber weiß die FDP-Spitze, um praktische Tipps nie verlegen, Rat: man könne die Kosten für den Parteitag als Spende abrechnen und von der Steuer absetzen, wodurch die FDP für jeden "Spenden"-Euro auch noch 40 Cent aus dem Bundeshaushalt bekommt. Dann ist ja alles in Butter.

Fundstücke 6.6.2007

Feynsinn mit einem genialen Artikel zum Thema Discountkultur und Killerspiele.
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Die Verbraucherschutzzentrale NRW ist aus Unicheck.de ausgestiegen.
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Klasse NDS-Artikel über den Imagewandel Merkels.
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Die geplante EZB-Leitzinserhöhung wird zu Recht heftig kritisiert.
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Absolut krass ist diese Bildserie über Kinder vor dem Fernseher.
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Albrecht Müller hat einen Redeauszug zum Thema Finanzwirtschaft online gestellt.
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Wirtschaftsprobleme aus der Sicht der Zeit.
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Montag, 4. Juni 2007

Nachbetrachtung der G8-Demo

Es ist absolut interessant: auf eine gewisse Art ist der G8-Protest verlaufen wie erwartet, auf eine gewisse Weise auch wieder nicht. Dass es zu Ausschreitungen kommen würde war so sicher wie das Amen in der Kirche. Zu denen kam es auch bei der WM, nur hat da seltsamerweise niemand lang und breit über einen Bruchteil unter den Fans berichtet, die einfach dämliche Spinner sind. Gleiches gilt hier für die Autonomen, die als "schwarzer Block" mitmarschierten und von denen die Gewalt wohl größtenteils ausging.
Aber geklärt ist die Lage beileibe noch nicht: die ergreifende Schilderung des Politblogs, wie die Polizei die friedlichen Demonstranten aus heiterem Himmel attackierte, passt nicht ins Bild. Das hat auch damit zu tun, dass die Demo seltsamerweise nach Blöcken organisiert war: vorweg die "Guten", die Grünen, attac, die Linke. Hinten an die "Bösen", DVU, der schwarze Block. Als die Gewalt losging, waren die "Guten" bereits am Ende der Demo angekommen, wo ein Konzert stattfand.
Ebenfalls zu erwarten war das Verhalten der rechtskonservativen Medien von Spiegel bis BILD:
Während der Spiegel geradezu lächerlich versucht, die Zahl der Demonstranten auf unter 25.000 kleinzureden (es waren wohl rund 80.000), betätigt sich das Sturmgeschütz gegen Demokratie BILD wieder einmal als eben dieses. In unzulässigerweise werden alle Demonstranten in einen Topf geworfen, wahlweise als gefährlich-irre Kriminelle oder naive Weltverbesserungshippies ("Gegen die Globalisierung zu demonstrieren ist so sinnvoll wie gegen einen Wolkenbruch zu demonstrieren"). Die BILD fabuliert eine generelle Gegnerschaft gegen die Globalisierung, die überhaupt nicht existent ist; attac steht dezidiert wie die anderen Gegner für eine ANDERE Globalisierung. Den Höhepunkt der BILD-Hetze findet folgender Satz:
Im Widerstand gegen die Globalisierung vereinigen sich die Feinde von Demokratie und Marktwirtschaft.
Fett gedruckt mitten im Artikel findet sich eine These, die an intellektuellem Tiefflug kaum zu überbieten ist. Ich glaube nicht, dass man sich ernsthaft weiter mit ihr auseinandersetzen muss.
Ein weiteres interessantes und bisher eher unbeachtetes Faktum ist das der Demo vorangehende Training der Polizei. Günter Wallraff hatte bereits in den 1960er Jahren ein solches Demonstrationstraining beschrieben, bei dem die Polizei schon im Vorfeld, quasi von Amts wegen, unglaublich aufgeheizt wurde. Der RP-Bericht vom Polizeitraining für Rostock eröffnet verhängnisvolle Parallelen: in einem gänzlich abstrusen Szenario (die Demonstranten führen eine richtige Schlacht gegen die Polizei, versuchen Wasserwerfer in die Falle zu locken und werfen Steine, Balken und Hausrat von Häusern herab) werden die Polizisten gezielt auf eine Eskalation vorbereitet. Am 2. Juni 1967 hatte mand en Polizisten gesagt, die Demonstranten hätten einen der ihren erstochen, was der scharfen Stimmung exzessiv Vortrieb gab. In Rostock wurden bald Schauermeldungen von über 100 verletzten Polizisten verbreitet, die sich bald auf drei reduzierten - aber da war der Kampf bereits im Gange, und im Verlauf der Ausschreitungen kamen weitere 433 hinzu.
Während vernünftige Stimmen nun eine Deeskalationsstrategie der Polizei fordern, ist für Polizeisprecher und rechte Regierungskreise (allen voran Schäuble und Beckstein) klar: eine Null-Toleranz-Schiene muss gefahren werden, mit mehr Kontrollen und Verhaftungen. Warum der von Anfang an isolierte und hervorragend zu überwachende schwarze Block überhaupt so problemlos mit dem Steinewerfen beginnen konnte, ist unklar. Vielleicht, weil die Hälfte auf den Gehaltslisten des BND steht? Fragen über Fragen.

Samstag, 2. Juni 2007

Der 2. Juni

Heute ist ein geschichtsträchtiger Tag. Vor genau 40 Jahren wurde Benno Ohnesorg auf einer Anti-Schah-Demo in Berlin vom Polizeikommissar Karl-Heinz Kurras erschossen. Es war der Auftakt der Studentenbewegung, die heute als "68er" pauschalisiert wird und auch der Keim der Bildung der RAF. Wer sich die (äußerst nüchterne) Beschreibung auf Wikipedia durchliest, bekommt bereits einen kalten Schauer auf dem Rücken. Eine völlig entfesselte Polizeimacht schlägt auf demonstrierende Studenten ein, es kommt zu einem Totem und fast 50 schwer Verletzten. Die rechtskonservativen Medien hetzen mit voller Kraft gegen die Demonstranten und schieben ihnen die Schuld in die Schuhe.
Bereits vor knapp einem Jahr habe ich über das Thema gesprochen; der erste politische Eintrag in dieses Blog. Besonders krass damals die Reaktionen der BILD, die sich bis heute keinen Deut geändert haben: wider betätigt sich das Blatt als Sturmgeschütz gegen die Demokratie. Neu ist, dass der Spiegel an ihrer Seite marschiert, anstatt wie seinerzeit zur Aufklärung beizutragen. Diese Rolle übernehmen heute die taz und Telepolis. Dabeigeblieben ist die Frankfurter Rundschau, das Basisblatt der Linksliberalen.
Heute findet außerdem die Großdemonstration der G8-Gegner in Rostock statt. Ich hatte fest vorgehabt, ebenfalls hinzufahren. Die Entwicklungen der letzten Wochen jedoch haben mich davon Abstand nehmen lassen - es ist schlicht zu gefährlich geworden, in diesem kalten, rohen Land. Deswegen reiht euch mit ein und gedenkt Benno Ohnesorgs, der vor 30 Jahren bei Ausübung seiner Grundrechte erschossen wurde, der vielen namenlosen Studenten von einst, die dabei von der repressiven Staatsmacht geprügelt wurden und diese zum Teil heute kommandieren und denkt an die, die heute für unsere Freiheit und ein menschenwürdiges Leben im äußersten Nordosten Deutschlands gegen alle Widrigkeiten auf die Straße gehen.