Sonntag, 24. Juni 2007

Reaktion Gabriels auf die Kanzlerofferte

Lafontaine hat, sicherlich nicht wirklich ernst gemeint, Kurt Beck die Kanzlerschaft vorgeschlagen, so sich dieser von Hartz-IV und Afghanistan verabschiedet und den Mindestlohn durchbringt. Dass es dabei nur wieder darum geht, die SPD als prinzipienlos dastehen zu lassen ist klar, das Manöver ingesamt so durchsichtig, dass ich es nicht weiter besprechen will, sondern vielmehr die Reaktion von Sigmar Gabriel (Umweltminister) im SZ-Interview.
Neben den üblichen Unterstellungen (Lafontaine will nur Macht, nur Inszenierung) finden sich interessante Aussagen:

SZ: Lafontaine stellt drei Bedingungen. Erstens: Weg mit Hartz IV.

Gabriel: Die SPD lässt sich von Lafontaine keine Bedingungen stellen. Die SPD ist die Partei der linken Mitte, die ökonomische, ökologische und soziale Perspektiven miteinander verbindet. Das ist die Differenz zur Linkspartei.

SZ: Zweitens: Zurück zur alten Rentenformel.

Gabriel: Hier wird besonders deutlich, dass Lafontaine in eine Zeit zurück will, die es nicht mehr gibt. Das ist Ideologie, aber nicht verantwortungsvolle Politik. Die alte Rentenformel ist nicht wiederherstellbar in einer Gesellschaft, in der die Menschen Gott sei Dank länger leben, andererseits die Lebensarbeitszeit relativ kürzer ist und weniger Kinder geboren werden.

SZ: Drittens: Raus aus Afghanistan.

Gabriel: Die SPD ist die Partei des Völkerrechts, historisch und aktuell. Wir brauchen da keine Nachhilfe. Die Durchsetzung des Völkerrechts aber ist genau, was in Afghanistan geschieht. Die Grundlage ist ein UN-Beschluss. Man kann nicht das Völkerrecht einfordern und sich verdrücken, wenn es schwierig wird.
Auf die erste Bedingung antwortet Gabriel gar nicht. Für mich ist das ein Ausdruck davon, welch schwärende Wunde Hartz-IV im Gewebe der SPD noch immer ist. Stattdessen schwadroniert er Allgemeinplätze, die eine Differenz nur dadurch schaffen, dass die Linke Programmpunkte hinter den (gleichen) Behauptungen wie die SPD hat, diese aber nicht.
Für die zweite Forderung wird wieder der berühmte Demographiefaktor bemüht. Mit dem Wissen einer akzeptierten Breitenmeinung und Riesenpropaganda im Hintergrund fällt gar nicht auf, dass Gabriel überhaupt kein sachliches Argument dagegen anbringt. Stattdessen fallen die berühmten Worte von Ideologie und verantwortungslos - ebenfalls ohne Beleg.
Für die dritte Bedingung steht immerhin etwas überprüfbares im Raum, über das man sich tatsächlich streiten kann. Alles vorherige waren einfach nur Behauptungen, die weder überprüfbar waren (mangels Argumenten) noch belegbar (ebenfalls mangels Fakten).
Und genau da ist das Problem der SPD: außer größtenteils haltlosen Vorwürfen hat sie kaum etwas gegen die Linke in der Hand. Deswegen wird sie von ihr im Wahlkampfbetrieb auch beständig weggeputzt; Lafontaine versteht sich darauf glänzend. Rafiniert wird Gabriel allerdings in seiner letzten Aussage:

SZ: Noch einmal zum Koalitionsangebot: Sie arbeiten also lieber mit Frau Merkel als unter Kurt Beck mit Lafontaine?

Gabriel: Ich arbeite am liebsten mit Sozialdemokraten. Lafontaine ist geschichtsblind. Sonst wüsste er, dass in Deutschland die Spaltung der Sozialdemokratie immer weniger Freiheit, weniger Gerechtigkeit, weniger Solidarität bedeutet hat und dass nur eine starke Sozialdemokratie in der Lage ist, verantwortungsvolle Politik auch dort zu machen, wo es mal schwierig wird und man nicht immer nur den erstbesten Meinungsumfragen hinterherlaufen kann. Eine geschwächte Sozialdemokratie hat historisch immer der Demokratie geschadet und den Rechten genutzt.
Denn damit hat Gabriel vordergründig Recht. Sowohl im ersten Weltkrieg, in der Weimarer Republik als auch 1933 war die schwache Sozialdemokratie nicht in der Lage, den Fluss der Dinge aufzuhalten. Vor allem lag dies an der Sektiererei (USPD und MSPD 1917) und, natürlich, dem Zerwürfnis mit den Kommunisten ab 1922. Und genau dieses Zerwürfnis (nicht die Abspaltung der USPD, mit der man sich wiedervereinigte) bestimmt bis heute das Herz und die Seele der Partei. Denn nicht nur der Weggang Lafontaines ist es, der die SPD so rumoren lässt - es ist die Tatsache, dass er ausgerechnet zur PDS wechselte, die Nachfolgerin der SED, die wiederum aus der Zwangsvereinigung von KPD und SPD im Osten entstand. Es würde zu weit führen, dieses Thema nun genauer auszubreiten - vielleicht tue ich das später noch -, aber hier ist definitiv eine große Wurzel der Animositäten gegenüber der Linkspartei.


11 Kommentare:

  1. Ach komm, immer wieder das alte Lied. Ich kenn genügend Studenten, die mit einem Einkommen auf Hartz4-Niveau zurechtkommen. Also bitte, wenn schon daherlabern, dann etwas wirklich interessantes, ansonsten ist das wieder nur Verschwendung meiner kostbaren Zeit

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  2. Es zwingt dich niemand hier zui lesen, oder, schmidener neoliberaler?

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  3. lol, dich doch auch nicht!? Soll mich das Wort neoliberal jetzt beleidigen? Fühlt sich da gleich jemand angegriffen wenn ich sag wie es ist? Und schreib doch bitte nen Namen dazu, sonst diskutier ich nachher mit 5 "Anonym" von denen einer dümmer daherlabert als der andere. Das wäre dann auch im Sinne des Verfassers (der im übrigen auch studiert und mit relativ wenig Geld irgendwie über die Runden kommt ;-))

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  4. jan pass auf, nachher is das eine von diesen die dich mit der mao bibel verprügeln...

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  5. Als Student ist es auch was anderes, als wenn man Frau und 2 Kinder durchbringen muss. Dieses ewige "als Student kommt man auch klar" ist doch Augenwischerei.

    Und zum Artikel:

    Die SPD zerlegt sich selbst. Sie ist es, die neoliberales Gewäsch unkritisch nachplappert und eines der größten volkswirtschaftlichen Experimente ohne Sinn und Verstand durchzieht. Und statt einzusehen, dass sie sich von Propagandisten wie der INSM auf's Glatteis führen lassen, werden sie immer mehr zu etwas, was keinerlei Ähnlichkeit mehr mit Sozialdemokratie hat.

    Es tut mir leid für die SPD, ich habe seit ich wählen darf immer die SPD gewählt - aber das ist vorbei. Ihr Wahlkampfgerede können sie sich ebenfalls sparen - wozu soll ich eine SPD wählen, die agiert wie ein billiger CDU-Abklatsch?

    Nein, Danke. Ich kündige der SPD die Freundschaft und wähle statt dessen links. Also "Die Linke".

    Lara

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  6. Als Verheiratetes Paar mit 2 Kindern bekommt man aber nicht nur Hartz4. Immer schön sachlich bleiben und nicht Tatsachen durcheinander mischen. Das wäre Augenwischerei. Was du wählst ist mir im Übrigen relativ egal. Mit unserem Land gehts zwangsweise den Bach runter, egal wer regiert.

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  7. Nein? Was kriegt man denn sonst noch? Und wie kommst du zu dieser pessimistischen Lageeinschätzung?

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  8. Musst ja nicht gleich so zickig sein - ich bin nicht der andere "Anonym", habe aber auch keine Website, die ich da reinschreiben kann. Um es zu unterscheiden, habe ich meinen Nick druntergesetzt. Mensch. Und der Kommentar zum Text inklusive meiner Wahlentscheidung war nicht an Sie gerichtet, sondern war ein Kommentar zum Text... Steht da auch deutlich.

    Normalerweise würde ich ja auch fragen, was die denn sonst noch kriegen und ob das so üppig ist, aber so wie Sie drauf sind, spare ich mir das.

    Und selbst wenn: Es ist ebenfalls was anderes, ob man ein junger Mensch am Anfang seines Lebens ist, der kein Problem damit hat, nachts in der Kneipe zu jobben oder im Callcenter und zusätzlich Bafög bekommt, oder ob ein 50-jähriger mit Rückenschaden von dem gleichen Geld leben muss, wobei ihm jeder Zusatzverdienst abgenommen wird.

    Ihr Argument bleibt Augenwischerei.

    Lara

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  9. Da wäre zunächste mal das Kindergeld - 154€ pro Kind pro Monat, bei bis zu drei Kindern, aber dem vierten 179€. Darüber hinaus gibt es Zuschläge für z.B. Behinderungen usw... Wohngeld, Geld für Heizkosten und weitere Nebenkosten werden vom Staat getragen. Ist nachweislich etwas im Haushalt von Nöten kann das beantragt werden und es wird geprüft. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen warum der Staat ein Leben über Existenzminimum finanzieren sollte. Mal abgesehen davon bekommt man ja nicht gleich Hartz4. Man sollte sich schon etwas mehr in die Problematik einlesen um mit möchtegern-reißerischen Thesen um sich zu werfen. Welches Land mit ähnlichen Strukturen hat ein besseres soziales Netz? Für so eine Leistung hat man gefälligst dankbar zu sein.

    @Stefan
    In Deutschland gäbe es so viele Löcher zu stopfen, aber da traut sich keiner hin. Unsere "Volksvertreter" sonnen sich trotz Wahlbeteiligungen von 58% immer noch im Glanz der politischen Mehrheit. "Wir haben gewonnen". Irgendwann verlassen nicht mehr bloß die Ärzte das Land, aber was solls? Ich geh halt auch. Die deutsche Mentalität find ich manchmal eifach nur zum kotzen.

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  10. Hmmm... was willst du denn machen. Klar macht die "Flucht" die Sache nicht besser, aber solande ich nichtmal die geringste Bereitschaft bei den Politikern erkennen kann Probleme anzupacken, versteh ich das vollkommen.

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  11. Hallo Lara,
    ich hoffe, dass dich das nicht vom weiteren Lesen hier auf dem Blog abhält ;)

    @Jan: Ich würde nicht so weit gehen, das als "deutsche Mentalität" zu bezeichnen; selbige erschöpft sich vor allem darin, nichts dagegen zu tun und allenfalls zu meckern.

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