Mittwoch, 28. Februar 2007

Killerspielespieler

Der Panoramabeitrag letzthin zum Thema "Killerspiele" hat die Gemüter ob des Schmarrns, der darin verzapft wurde, schwer bewegt. Nun steht bei Telepolis ein äußerst interessanter Artikel zum Hintergrund. Eigentlich wollte ich mich ja gar nicht so sehr mit Thema beschäftigen, aber wie so oft: je tiefer man gräbt, desto mehr Leichen findet man.
Interessant ist nämlich, dass über die Hälfte des Beitrags von einer privaten Firma stammt, mit der der Chef der Panorama-Redax ungesund eng verbandelt ist. Diese Firma hat jedoch nicht nur Kontakte zu ARD. Sie hat auch ausgesprochen gute Beziehungen in die Spitzenämter der Politik. Auf ihrer Website bezieht sie äußerst aggressiv Stellung gegen Killerspiele, Terroristen und Bombenbauer im Netz. Laut der Website sind alles drei im Internet grassierende und hochgefährliche Phänomene. Ja und?, werden jetzt vielleicht manche fragen. Oder: Wo liegt das Problem?
Nun, die Firma stellt Netzfilter her. Diese sollen angeblich das Internet vor diesen Gefahren schützen. Deutschlandweit. Man müsste sie nur verkaufen. Klingelt da was bei jemandem? Ergibt die ganze unseriöse Hysterie plötzlich einen mit vielen Euro dotierten Sinn? Dachte ich mir doch.

Und da behaupte mal einer...

...es gäbe keine Gerechtigkeit mehr. In Wien wurde Henryk M. Broder beinahe verhaftet, weil er versucht hatte, den antizionistischen Moische Arie Friedman (der Kerl, der auf der Teheraner Holocaustkonferenz Ehrengast war) zu fotographieren - wie üblich reichlich aggressiv - und ihn dabei beschimpft hatte. Der rief die Polizei, und wie durch einen Zufall tauchte auch noch der ultrakonservative Salzburger Bischof Laun auf, so dass sich bis zum Abtransport durch die Polizei eine muntere Diskussion entwickelte. Leider behielt man die drei nicht gleich da.
Übrigens hat Broder auf die Geschichte reagiert. Leider ist er nicht besonders unterhaltsam und verwendet in Bezug auf Misik Worte, die einfach nicht passen, was man wüsste, wenn man Misik gelesen hätte, anstatt nur über ihn zu schreiben, als ob man hätte - wie Karl May, nur weniger unterhaltsam.

Steuerdumping auf Kosten der Steuerzahler

Robin Hood war eine Sagengestalt, die den Reichen nahm und es den Armen gab. Scheinbar haben die Reichen dieses Trauma nie überwunden und deswegen immer Steuersysteme geschaffen, die es den Armen nehmen und den Reichen geben. Merkel und Müntefering spielen nun "Robin Hood: reloaded" in teurem Nerzmantel und geben gleich einen extragroßen Schluck aus der Pulle aus - zum Ärger einiger Bandenmitglieder, den ebenfalls teuer gekleideten EU-Nachbarn.
Übersetzen wir dieses kleine Märchen. Die Große Koalition plant, zum 1. Januar 2008 die Körperschaftssteuern von derzeit lächerlichen 25% auf gerade einmal 15% zu senken. Aber das allein reicht den bunten Rächern nicht; einige weitere Steuergeschenke liegen noch oben drauf, so dass sich der Jahreshaushalt der BRD um satte 10 bis 30 Milliarden (!) Euro verschieben wird. Begründet wird diese wohl einmalige Schenkungsaktion damit, dass der Druck der anderen EU-Länder und des Standorts Deutschland das erforderlich mache. Aber das ist Bullshit. Deutschland ist der absolute Vorreiter im Fall Steuersenkungen für Unternehmen, alle EU-Nachbarn rechtfertigen ihre Senkungen mit Deutschlands Beispiel. Nicht zu Unrecht, denn die deutsche "beggar your neighbour policy" hat in den letzten Jahren zu einem dramatischen Abfall der Körperschaftssteuern in der EU geführt: im Durchschnitt um beinahe 11 Prozentpunkte, im Fall Deutschlands sogar annähernd 19.
Mit dem Stolz eines Kleinkinds, das seinen Lolly gefunden hat, stellt Steinbrück sich vor die Presse und verkündet, man sei "in keiner Weise beratungsresistent" und nehme Beratung der Wirtschaft gerne an. Auf deren Mist ist die Chose letztlich gewachsen, genauer: auf dem riesigen, stinkenden Misthaufen der Banken und ihrer Ackermänner. Denn selbstverständlich hat Steinbrück auch "fundierte" Ideen zur Gegenfinanzierung. So sollen dreeinhalb Milliarden dadurch hereinkommen, dass die Unternehmen ab sofort mehr ihrer Steuern hier in Deutschland bezahlen. Etwas fundierter sind die Vorschläge für eine Reduzierung der Abschreibungsmöglichkeiten, aber: da man "in keiner Weise beratungsresistent" ist, lässt man hier großzügig die Banken mit hinein reden. Diese sind damit von den Gegenfinanzierungsmaßnahmen ÜBERHAUPT NICHT betroffen und können ihre Gewinne um rund sechs Prozent steigern! Ackermann und seine Spießgesellen feiern das wahrscheinlich bald mit einigen weiteren Entlassungen, denn dadurch erreicht der Gewinn ja erst die noch locker steigerbare 32%-Marke. Diese Steinbrück'sche Traumtänzerei wird zur "fundierten Grundlage". Der Rest der Gegenfinanzierung findet, wie üblich, mit höheren Steuern auf die immobilen Teile der BRD statt. Da Kapital und die dazugehörigen Großverdiener, die eifrig im großen Misthaufen herumstochern und sich gegenseitig zum Fund der stinkendsten Stücke beglückwünschen, reichlich mobil Steuerflucht begehen, schenkt ihnen der Staat das Geld einfach und nimmt denen, die nicht einfach fliehen können und bei einer Steuerhinterziehung sofort im Knast landen, statt mit zehn Milliarden beschenkt zu werden: dem Volk. Den unglücklichen Hartz-IVern wird im Ürbigen im Raum Coburg nun auch noch die Freizügigkeit eingeschränkt, die eigentlich ein verfassungsmäßig garantiertes Grundrecht ist.
Da Deutschland sein gewaltiges Gewicht in der EU außerdem nutzt, um jede Koordinierung der Steuern zu verhindern, ist diese Abwärtsspirale im Steuerwettlauf, in dem Deutschland seinen "Standortfaktor" rücksichtslos zuungunsten seiner Nachbarn und seiner Bürger zu verbessern sucht, noch lange nicht an seinem Ende angelangt. Solange wir von einer derart offensichtlich korrupten und unfähigen Elite regiert werden, wird sich daran jedoch leider wohl nur wenig ändern.

Dienstag, 27. Februar 2007

Der mörderische Einfluss der Computerspiele auf Gewaltverbrechen

Gerade via Fefe's Blog gefunden: eine erschütternde Darstellung.

Suchergebnis

Das nenn ich mal ne lustige Art, auf das Blog zu kommen ^^

Raum Coburg: Hartz-IVer bestenfalls Gefängnisinsassen mit Freigang

Wie Wut! unter Berufung auf Telepolis berichtet, werden im Raum Coburg derzeit auf reichlich illegale Weise die Freiheit sowie die im Grundgesetz garantierten Grundrechte für Hartz-IVer außer Kraft gesetzt. Die werden quasi unter vorgehaltener Waffe gezwungen, einen Wisch zu unterschreiben, mit dem sie im Endeffekt jeden ihrer Schritte vorher zur Genehmigung bei der Arge vorlegen müssen.
Abgesehen davon, dass dies einen weiteren der vielen unzulässigen Eingriffe in die Freiheit des Bürgers darstellt wird SO gewiss kein einziger Arbeitsplatz geschaffen.

Tchibo voll im Bildungsdumpinggeschäft und andere Probleme

Nach dem peinlichen Nationalhymnenheftchen meldet sich die GEW zaghaft wieder zu Wort, dieses Mal gegen Tchibo: Neben Duschbrausen und Kaffee verkauft die Kette nun auch Nachhilfe. 50 Euro im Monat, für 24 Stunden, gedacht als Sonderangebot zum Reinschnuppern. Eigentlicher Preis sind über 200 Euro, und selbst das ist noch ziemliches Dumping.
Doch das Problem liegt nicht nur darin, dass hier Nachhilfe zulasten der Nachhilfelehrer verramscht wird. Viele Eltern von Kindern, die es aufgrund der sozialen Segregation nicht schaffen, auf das Gymnasium zu kommen, können sich die Nachhilfe gar nicht leisten, die andere Eltern noch irgendwie aufbringen zu können. Zum Zweiklassensystem an den Schulen kommt die Nachhilfe als verstärkendes Element hinzu, ohne die im Zeitalter überfüllter Klassen und überforderter Lehrer inzwischen immer weniger geht. Das erinnert an Bildungssysteme anderer Länder, die mit Studiengebühren und anderen Mitteln sozialer Segregation ihre Bildungsstandards extrem verschieben.

Fundstücke

Die SZ widmet sich dem Thema Videoüberwachung in einer Pro- und Contra-Gegenüberstellung.
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Ebenfalls SZ: lesenswerter Kommentar von Heribert Prandtl zum Cicero-Urteil.
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Die Zeit berichtet, dass die derzeitige Wirtschaftseuphorie einmal mehr die Unfähigkeit der herrschenden Klasse enthüllt.
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Nochmal SZ: Gute Argumente gegen Mehdorn.
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Venezuela verstaatlicht seine Ölindustrie.
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Bei der Welt: passable Gegenrede zum Rauchverbot.
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Die Telekom hat ihre Mitarbeiter massiv belogen und beutet sie nun aus: niedrigere Stundenlöhne und sechs Wochenstunden mehr Arbeitszeit.
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Es gibt inzwischen eine Killerspielinfoseite. Nett.

Zum Grußwort Christian Klars

Es ist unzweifelhaft, dass es nicht Klars bester Einfall war, dieses Grußwort VOR der Entscheidung des Präsidenten aus seiner Zelle zu schicken. Für den reichlich rechten Rand des Parteienspektrums war das wieder ein willkommener Anlass, richtig draufzubolzen auf den Rechtsstaat und die eigenen verquerten politischen Ansichten herauszuposaunen und dabei auf den durch mediales Dauerfeuer geweckten niederen Racheinstinkten des Volkes zu surfen (mit wenigen Ausnahmen). Dabei lohnt es sich, sich eingehender mit dem Problem zu befassen.
Zum einen das Gnadengesuch selbst. Klar muss noch mindestens zwei Jahre in Haft verbringen, was eine Haftstrafe von satten 27 Jahren ergibt. Das ist so ziemlich das größte Strafmaß, dass die BRD zu vergeben hat. Freikommen kann er nur noch durch ein Gnadengesuch an den Bundespräsidenten, der darüber mit einigen Fachleuten zu beraten und objektiv zu entscheiden hat. So weit der rechtsstaatliche Unterbau. Es gibt gute Argumente auf beiden Seiten, Klar zu begnadigen. Auf der Gegenseite liegt immer noch die besondere Schwere der Schuld; denn kaltblütig ausgeführte Morde sind nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Außerdem ist an der fehlenden Reue schon etwas dran, wenn jemand auf Gnade hofft. Andererseits hat seine Begnadigung auch Vorteile: Abgesehen davon, dass Klar als nicht mehr gefährlich eingestuft ist, wäre die ganze RAF-Geschichte mit einem Schlag vom Tisch und endlich erledigt. Mohnhaupt und Klar würden sich mehr schlecht als recht integrieren, vielleicht einige Gastauftritte als Redner bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz haben, ansonsten aber ein unauffälliges Leben führen. Das Geschichtsbuch "RAF" wäre geschlossen und müsste nicht in zwei Jahren bei anstehender Haftentlassung Klars erneut von der Springerpresse durch den Schmutz gezogen werden. Eine zwingende moralische Begründung für seine Begnadigung besteht jedoch definitiv NICHT.
Erhellend jedoch sind die Reaktionen auf sein Grußwort. Denn sie zeigen den blinden Reflex zum Draufdreschen, der in der konservativen Presse wie Politik offensichtlich noch blendend funktioniert. Obwohl die wichtigen Passagen der Rede ständig zitiert werden, scheint sie kaum jemand richtig gelesen zu haben. Denn was er sagt, würde von jedem marxistisch orientierten Quertreiber mit einem je nach Veranlagung akzeptiert oder mit einem Kopfschütteln ignoriert werden. Die Aufmerksamkeit, die dem Text zuteil wird, ist jedoch vollkommen überzogen. Klars politische Ansichten waren schon in den 1970er Jahren hoffnungslos verdreht, und 30 Jahre später sind sie deswegen nicht richtiger geworden. Sehen wir uns einmal an, was er eigentlich genau sagt. Leider habe ich die Rede nicht im Wortlaut gefunden, deswegen nur die Auszüge, die auch die Leitmedien wiedergeben:
Klar würdigte zudem die sozialistischen Bestrebungen in einigen Ländern Südamerikas. Anders als in Europa werde dort "nach zwei Jahrzehnten sozial vernichtender Rezepte der internationalen Besitzerklasse - endlich den Rechten der Massen wieder Geltung gegeben und darüber hinaus an einer Perspektive gearbeitet." (Quelle)
Gut, soweit nichts besonderes. Abgesehen vom marxistischen Vokabular, das überholt ist, erzählt er nur, was jeder Fan von Hugo Chavez von sich geben könnte und was durchaus eine gewisse Berechtigung hat.

„Von hier aus (Europa) rollt weiter dieses imperiale Bündnis, das sich ermächtigt, jedes Land der Erde, das sich seiner Zurichtung für die aktuelle Neuverteilung der Profite widersetzt, aus dem Himmel herab zu züchtigen und seine ganze gesellschaftliche Daseinsform in einen Trümmerhaufen zu verwandeln.“ (Quelle)
Jeder Henryk M. Broder klingt schlimmer.

In Europa müssten die „ökonomisch gerade abstürzenden großen Gesellschaftsbereiche den chauvinistischen ’Rettern’ entrissen werden. Sonst wird es nicht möglich sein, die Niederlage der Pläne des Kapitals zu vollenden und die Tür für eine andere Zukunft aufzumachen.“ Die Welt sei reif, „dafür, dass die zukünftigen Neugeborenen in ein Leben treten können, das die volle Förderung aller ihrer menschlichen Potenziale bereithalten kann und das die Gespenster der Entfremdung von des Menschen gesellschaftlicher Bestimmung vertreiben wird“, heißt es an anderer Stelle. (Quelle)
Dito.

Wirklich entlarvend jedoch sind die Aussagen der CSU-Funktionäre. Lassen wir die obigen Aussagen Klars noch einmal Revue passieren. Was nun sagt Stoiber? "Nach diesem Aufruf zum Kampf gegen unsere Grundwerte stellt sich grundsätzlich die Frage, ob lebenslange Freiheitsstrafe gegen Christian Klar nicht bedeuten muss, dass er auf Dauer hinter Schloss und Riegel gehört.". "Verblendete Aggression gegen unseren Rechtsstaat" will er erkennen. Kann ich verstehen, jeden Tag sieht er sie im Spiegel.
"Die Aussagen Klars sind ein Angriff auf unsere Grundwerte."
Wenn das, was Klar anprangert, unsere Grundwerte sind, dann gute Nacht.

Nachtrag: Inzwischen bekennen sich immer mehr Politiker zu diesen "Grundwerten".
Nachtrag2: Ein guter Artikel der jungenWelt zum Thema.
Nachtrag3: Selbiges die taz.
Nachtrag4: Noch einmal taz.
Nachtrag5: Sehr dezidiert äußert sich Robert Misik.
Nachtrag6: Unser Lokalschmierblatt, die Fellbacher Zeitung, spricht sich ebenfalls mit dem üblich dumpfen Ton gegen die Freilassung aus - und zudem auf Linie mit Stoiber für eine tatsächlich lebenslange Haft. Armes Deutschland.

Montag, 26. Februar 2007

Fundstück

Gerade bei der Süddeutschen entdeckt:

Eine Frau in einem Heißluftballon hat die Orientierung verloren. Sie geht tiefer und sichtet einen Mann am Boden. Sie sinkt noch weiter ab und ruft:

„Entschuldigung, können Sie mir helfen? Ich habe einem Freund versprochen, ihn vor einer Stunde zu treffen; und ich weiß nicht wo ich bin.“

Der Mann am Boden antwortet:
„Sie sind in einem Heißluftballon in ungefähr 10 m Höhe über Grund. Sie befinden sich auf dem 49. Grad, 28 Minuten und 11 Sekunden nördlicher Breite und 8 Grad, 28 Minuten und 58 Sekunden östlicher Länge“

„Sie müssen Ingenieur sein“ sagt die Ballonfahrerin.

„Bin ich,“ antwortet der Mann, „woher wissen Sie das?“

„Nun“ sagt die Ballonfahrerin, „alles was sie mir sagten ist technisch korrekt, aber ich habe keine Ahnung, was ich mit Ihren Informationen anfangen soll, und Fakt ist, dass ich immer noch nicht weiß, wo ich bin. Offen gesagt, waren Sie keine große Hilfe. Sie haben höchstens meine Reise noch weiter verzögert,“

Der Mann antwortet:

„Sie müssen im Management tätig sein.“

„Ja,“ antwortet die Ballonfahrerin, „aber woher wissen Sie das?“

„Nun,“ sagt der Mann, „Sie wissen weder wo Sie sind, noch wohin Sie fahren. Sie sind aufgrund einer großen Menge Luft in Ihre jetzige Position gekommen. Sie haben ein Versprechen gemacht, von dem Sie keine Ahnung haben, wie Sie es einhalten können und erwarten von Leuten unter Ihnen, dass sie Ihre Probleme lösen. Tatsache ist, dass Sie nun in der gleichen Lage sind, wie vor unserem Treffen, aber merkwürdigerweise bin ich jetzt irgendwie schuld!“

Missratene Privatisierung, heute: DB

Unter den vielen Beispielen, warum die Privatisierung nichts als Schaden verursacht, bietet derzeit die Deutsche Bahn. Laut einem Bericht des Bundesrechnungshofs gibt sie viel zu wenig für die Instandhaltung der Strecken aus. Mit hanebüchenen Argumenten weist die Bahn das zurück. Dabei hat es System: während Mehdorn versucht, die Bahn zu einem Logistikkonzern ohne Schiene zu machen und den ganzen Laden an die Börse zu bringen, um im Namen des Shareholder Value endgültig lebensgefährliche und reduzierte Strecken fahren zu lassen, bezahlt alle Ausfälle durch Entgleisungen und ähnlich unschöne Zwischenfälle der Bund. Dann ist ja alles in Butter, nicht wahr?

Fundstücke

Ein sehr guter Kommentar zum aktuellen von der Leyen-Streit.
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Die Verwendung der Studiengebühren zeigt bereits jetzt Konfliktpotenzial und viele Skandale. Das wird noch heiter.
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Israel forderte Überflugrechte für einen Angriff auf Iran. Welche Ziele es damit verfolgt, sind unklar.
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Wut! erklärt das Weltbild eines Markus Söder.
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Politblog.net wundert sich über die ungebrochene Begeisterung der US-Bürger an Israel.
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Der Nachtwächter denkt über Religion nach.
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cc:Welt vergleicht die aktuelle Entwicklung in der Politik treffend mit Mikado.
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Der Morgen erklärt, warum Osama bin Laden längst tot sein muss.
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Impressum

Da die Bundesregierung liebenswerter Weise sich vollständig auf die Seite der Lobbyisten in der Anwaltsbranche geschlagen hat und die neuen Gesetze jeder freien Meinungsäußerung feindlich gegenüberstehen, soll an dieser Stelle ein Impressum gegeben werden. Ich habe es gegen Datenkraken auf dem Niveau derjenigen erstellt, die solche Gesetze fordern und machen: in krakeliger Kinderschrift in Paint.


Ende des Briefmonopols?

Nach einigen seit den 1990er Jahren durchgeführten und allesamt reichlich erfolglosen Teilprivatisierungen der Bundespost soll nun nach dem Willen der Politik Ende 2007 auch deren Briefmonopol zugunsten privater Anbieter fallen. Zu welchen Problemen das führt, konnte bereits in diversen Bundesstaaten wie Berlin anhand der Privatisierung der behördlichen Post erkannt werden: steigende Kosten für die Kommunen wie für den Kunden. Für erstere, weil die privaten Anbieter zwar weniger verlangen, aber auch so wenig Lohn zahlen, dass staatliche Hilfen für die Beschäftigten nötig werden und ein erklecklicher Teil schon gar nicht übernommen wird und damit arbeitslos wird, für zweitere, weil der Kosten- und Gewinndruck der Privatwirtschaft die Preise IMMER nach oben schießen lässt, schon allein aufgrund der ineffektiven privatwirtschaftlichen Bürokratie.
Ausgerechnet der Problembär Beck wirft sich nun in die Bresche und warnt vor den sozialen Problemen, die er im Kabinett hevorzurufen gedenkt: neben den sinkenden Löhnen, der steigenden Arbeitslosigkeit und natürlich der Ineffizienz privater Betreiber wenden sich diese gezielt der Kinderarbeit zu, indem sie 13jährige die Post austragen lassen und damit für ein Lohndumping der ganz eigenen Art sorgen. Für diese Praxis fällt mir im besten Fall das Wort "heuchlerisch" ein.

Xenophobie in Berlin

In der Regierung und besonders der CDU werden mal wieder die Messer gegen alles gewetzt, was fremd ist. Drastische Verschärfungen der Auflagen für die Erteilung des Bleiberechts sind praktisch beschlossene Sache. So müssen Ausländer nicht nur beweisen, dass sie "dem Sozialstaat nicht zur Last fallen", indem sie Arbeit finden - unbefristet natürlich, ein Kunststück, dass derzeit nur einer Minderheit der deutschen Arbeitnehmer gelingt -, was den CDU-Innenministern noch immer nicht genug ist, die auch noch fröhlich auf jede Art menschenrechtlicher Konvention pfeifen. Nein, außerdem soll eine sofortige Abschiebung möglich sein, wenn sich der Ausländer "integrationsfeindlich" verhält. Wer hier einen Gummiparagraphen riecht, liegt richtig. Theoretisch könnte bereits die Teilnahme an Demonstrationen als "integrationsfeindlich" gewertet werden. Außerdem ist Nicht-Erscheinen bei Integrationskursen mit Strafen von bis zu 1000 Euro bewehrt, was im Einzelfall praktisch unbezahlbar sein dürfte und damit das erste Kriterium verhindert.
Ich möchte nicht falsch verstanden werden. Integration ist ein elementarer Bestandteil der Einwanderungspolitik. Aber Politik, die auf bestehende Konventionen pfeift und Menschenrechte mal eben beiseite lässt, um ihre aus dem vorletzten Jahrhundert stammenden und am rechten Rand verwurzelten Ressentiments zu bedienen ist das Allerletzte, was zu einer Verbesserung der Lage beiträgt.

Sonntag, 25. Februar 2007

Faule Profs?, Nachtrag

Laut dem Manager Magazin, einer sicherlich unbestechlich-seriösen Quelle (man beachte die Ironie), arbeitet die Hälfte aller Professoren nur halbtags und 5% so wenig, dass man sie entlassen müsste. Die üblichen Klagen finden ihren Niederschlag: die Profs sind alle faul, verarschen die Studenten in den Seminaren und Vorlesungen und machen generell nix. Soweit findet sich da wenig Neues. Interessant ist vielmehr, dass die meisten ihnen angebotene (leider nicht näher spezifizierte) lukrative Nebenjobs annehmen, die zwei bis drei Tage pro Woche im Semester und vollen Einsatz während der Vorlesungsfreien Zeit (natürlich als "Semesterferien" bezeichnet) erfordern.
Das immerhin entlastet die Geisteswissenschaften. Denn die laut MM mit Forderungen der Profs von bis zu 2000 Euro pro Tag dotierten Jobs, mit denen sich jährliche Zusatzeinnahmen von 1,5 Millionen erzielen lassen, können nur in den WiWis und den Natur- und Mathematikwissenschaften (und da nur eingeschränkt) vorkommen. Das deckt sich auch mit meiner persönlichen Erfahrung an der Uni Tübingen. Dazu kommt, dass hier mit Sicherheit wieder der übliche mediale Kardinalsfehler begangen wurde, die Anwesenheit in Uni und Schule mit Arbeitszeit gleichzusetzen. Als ob Professoren, Lehrer und anderes Bildungspersonal nicht auch zuhause arbeiten würden!

Politischer Aschermittwoch der CDU-BW in Fellbach

Eigentlich hatte ich vorgehabt, den Aschermittwoch selbst zu besuchen, wenn sich die BW-CDU-Halbprominenz schon mal in meiner Heimatstaft trifft. Aber dafür war es dann doch zu voll. Außerdem hatte ich nicht wie Gabriele Pauli Polizeischutz beantragt, und man weiß nie, wozu CDUler in bierseliger Stimmung fähig sind. Deswegen kann ich mich hier nur auf Aussagen unseres Lokalschmierblatts, der Fellbacher Zeitung, berufen.
Aber demzufolge habe ich kaum allzuviel verpasst. Drei Stargäste wusste die CDU aufzubieten, Ministerpräsident Günter "Rafferlächeln" Oettinger, Verteidigungsminister Franz Josef "Kriegseinsatz" Jung und Bürgermeister Christoph "Landtagswannabe" Palm. Den MdB Pfeiffer brauche ich als kleines Licht nicht mehr gesondert zu erwähnen.
Das Niveau war der Besetzung entsprechend. Während Jung nicht verstanden hatte, was die Veranstaltung von ihm erwartete (nämlich Plattitüden und dumpfe Parolen) und deswegen einen ernstgemeinten Vortrag zur Rolle der Bundeswehr hielt, bei dem die meisten Pressevertreter einzupacken und zu gehen begannen, konnte Oettinger immerhin kraftlose Angriffe auf die SPD starten, die in Baden-Württemberg ja nichts bewegt habe - wie auch, mit 2x% der Wahlstimmen in einer schwarz-gelben Dauerdiktatur? Den Vogel schoss er jedoch mit dem Verweis auf die aktuelle Umweltdebatte ab, als er japanische Autos fahrende Abgeordnete spontan zu Landesverrätern abstempelte: "Wer japanisch fährt, verrät Baden-Württemberg." Deutsche, kauft nicht bei Japanern! Wäre es nicht ein so elendiger Fall von Lobbyismus gegenüber der Autolobby, in BW traditionell besonders stark, könnte man es glatt dem traditionell rechtsgerichteten Wannabekonservatismus der CDU zuschreiben. So aber kann man nur wie die anwesenden Journalisten kopfschüttelnd einpacken und gehen. Tapfer hielten allein die Korrespondenten der Fellbacher Zeitung aus, um die Rede von Palm zu hören, die ihnen zufolge ganz besonders wertvoll war. Exemplarisch zitiert das Blatt einen Spruch vom Angorakätzchen und einen, dass die Idealbesetzung für "Les Misérables" die SPD wäre. Na dann.

Hotel statt Klinik!

Eine neue Reformidee für den Gesundheitssektor kommt - wie könnte es bei vernünftigen Ideen anders sein - aus Skandinavien. Anstatt beständig zu kürzen und ähnlichen Unfug zu veranstalten, sollte man die stationären Kranken in Hotels unterbringen. Was auf den ersten Blick komisch wirkt, spart in Wahrheit Kosten und hat sich in Skandinavien deutlich bewährt. Wer nicht ständig medizinisch umsorgt werden muss, wird in der üblichen Krankenhausstationären Umgebung eher krank bleiben oder noch kränker. Schlechtes Essen, überlastetes Personal und der typische Klinikcharme lassen die Idee attraktiv erscheinen. Mal sehen, ob sich die Politik dessen annimmt.

Und morgen: die Quadratur des Kreises

Laut der Welt bereiten sich in Großbritannien derzeit rund 2000 Al-Qaida-Agenten auf den Einsatz mit Selbstmordattentat vor. Aha. Al-Qaida, die Agentur für Globalterrorismus, medienwirksam und stets präsent, wo es unpopuläre Politiker zu stützen gilt, hat sage und schreibe 2000 (!) Terroristen in Großbritannien bereit. Der Realitätsverlust der Springerpresse scheint immer bedrohlichere Formen anzunehmen.

Nachtrag: Etwas kritischer meldet sich die SZ.

Fundstücke

Die NachDenkSeiten zeigen die erschreckende Inkompetenz von Wirtschaftsminister Glos.
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Die FAZ schreibt von der sozialen Ungleichheit der Löhne. Wenn selbst solche reaktionären Blätter das langsam erkennen...
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Die NRW-Regierung versucht gerade mit Australien einen Deal auszuhandeln, 22.000 Tonnen Giftmüll zu übernehmen. Protestieren kann man hier.
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Feynsinn verlinkt eine Propaganda-, äh, Panorama-Sendung, in der - wieder einmal - in tendenziöser Weise über angebliche Killerspiele berichtet wird.
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Die Zeit berichtet von den Reaktionen auf den "Reforminfarkt" an den deutschen Schulen.
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Eine interessante Diskussion in der Zeit, dass Armut nicht allein vom Geld herkommt - und wieder einmal ein Plädyoer für den Mindestlohn. Es scheint langsam, als könnten nur Betonköpfe noch dagegen sein.
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Noch ein wenig genauer erklärt bei der LinkenZeitung: Wachstum schafft keine Arbeitsplätze.
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Gegen die Laissez-faire-Politik gegenüber den Heuschrecken regt sich immer mehr Kritik.
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Die Zeit problematisiert die SPD und von der Leyen.
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Arne Hoffmann verlinkt eine wirklich krasse Zitatliste der Leute um Henryk M. Broder und Politically Incorrect.

Schulen als Propagandagebiet

In letzter Zeit haben diverse Propagandaoffensiven, vorläufig nur im Experimentierstadium, die Schulen Deutschlands heimgesucht. Die offizielle Zielsetzung war jeweils die Implementierung wirtschaftlicher Zusammenhänge in den Unterricht, die in diesem sträflich vernachlässigt werden, um so den Schülern etwas mehr praktisch verwertbares Wissen auf den Weg zu geben.
Die Grundanalyse ist richtig: ein Fach "Wirtschaft" gehört in der Schule tatsächlich eingerichtet. Es kann nicht sein, dass von Schule wegen her die Schüler keinen blassen Dunst von Wirtschaft und den herrschenden Theorien haben, von einer kurzen Einführung in Keynes in Geschichte einmal abgesehen. Andererseits lassen die ausnahmslos von privaten Interessensvertretungen gestarteten Initiativen eher Bauchschmerzen entstehen, als dass sie ernsthafte Lösungsansätze bieten würden. Da war zum Beispiel eine Initiative der FOCUS Money, die selbstverständlich überholte neoliberale Credos weiterverbreitete. Oder da wäre aktuell die Offensive "Oeconomix", gestartet von der Citigroup. Und massiv unterstützt, wie könnte es anders sein, von der INSM.
Auf diese Art und Weise werden offensichtlich falsche und zudem von starken Privatinteressen beeinflusste Thesen in den offiziellen Bildungskanon integriert. Und genau hier liegt auch die Crux der gesamten Operation, so gut die angegebene Grundintention (die wahre ist natürlich hemmungsloser Lobbyismus) auch wäre und weshalb sie auf das Schärfste zu verurteilen und abzulehnen ist. Es muss endliche in Umdenken stattfinden gegen offensichtliche Lobbyisten, die ihre Werbung verbreiten und von Medien und Politik wie neutrale Fachleute gehandelt werden - ein Musterbeispiel unter deutlich zu vielen ist Bernd Rürup.

Mittwoch, 21. Februar 2007

Fundstücke

Gute Argumente gegen ein EU-weites Holocaustleugnungsgesetz bietet die Zeit an.
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In der jungenWelt findet sich in einem Interview, warum Privatunis kein Zukunftsmodell sind.
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Noch einmal die Zeit: eine Analyse des derzeit beliebten Anti-Politikers.

Ausholen zum Gegenschlag

Wissenschaftsminister Frankenberg, im beschaulich-konservativen BaWü u.a. für die Universitäten und damit diese echt nervigen Formen demokratischer Willensbildung dort verantwortlich, sammelt derzeit unter munterem Ignorieren der Gesetzeslage fröhlich Daten der Studenten, die an der Sammelklage gegen Studiengebühren teilnehmen und selbige boykottieren sammeln. Ich stelle gar nicht in Frage, dass von diesen Studenten sicherlich eine immanente Gefahr für den Rechtsstaat, die Demokratie und die Freheit ausgeht. Und dass man den Regierenden sämtliche Machtmittel unkontrolliert in die Hand geben sollte, um mit dieser gewaltigen Bedrohung unserer Zeit fertig zu werden. Trotzdem, irgendwo tief unten, wo bei den meisten Bürgern jegliches (Un-)rechtsbefinden längst begraben liegt, rührt sich etwas und schreit schmerzlich um Aufmerksamkeit.

Zitat des Tages

Das größte Problem derer, die politisch nicht interessiert sind ist, dass sie von solchen regiert werden, die politisch interessiert sind.

Bürgerliche Konservative in einer Zeit ohne bürgerliche Konservative

Die CDU/CSU ist eine der ältesten Parteien Deutschlands. Auch wenn sie nicht eine Historie wie die SPD vorzeigen kann – rechnet man die Zeit des Zentrums mit, kommt sie auf ein stattliches Alter, und ihre Wurzeln reichen bis in die Zeit der Französischen Revolution, in der der Konservatismus überhaupt entstand. Gegründet wurde die Partei an mehreren Orten gleichzeitig im Juni 1945, als Parteien eigentlich noch verboten waren und vereinigte sich bis Ende der 1940er Jahre.

Im Laufe ihrer Geschichte machte sie programmatische Sprünge, die man immer wieder zu vergessen suchen macht. 1947 wurde das Ahlener Programm verabschiedet, das einen christlichen Sozialismus (!) propagierte, bereits zwei Jahre später bekannte man sich in den Düsseldorfer Leitsätzen zur Sozialen Markwirtschaft. Deren Konstrukteur wurde Ludwig Erhard, dem die Geschichte hinreichend Recht vor den planwirtschaftlichen Gegenvorschlägen der SPD gegeben hat, die selbige erst 1957 in Godesberg überwand. Seit dem ersten, denkbar knappen Wahlsieg der bürgerlichen Koalition, der damals noch deutlich mehr Parteien angehörten vor der SPD etablierte sich die CDU als „die“ Regierungspartei der BRD und schluckte bis in die späten 1950er Jahre alle anderen bürgerlichen Parteien mit Ausnahme der FDP. Triumphe wie 1953 und 1957 schienen die Rolle der CDU dauerhaft zu bekräftigen, und anhaltender Erfolg macht träge. Der SPD gelang es aufzuholen und sich als Partei der Jungen und der Intellektuellen zu profilieren. Die Große Koalition wurde von der CDU immer noch angeführt, und die Erwartungen gingen Ende 1969 alle in Richtung Ausbau des Vorsprungs vor der SPD und Fortsetzung der Großen Koalition. Umso überraschender kam der Schlag, dass es mit denkbar knapper Mehrheit (drei Stimmen) zu einer rot-gelben Koalition kam. In den Folgejahren gelang es der CDU nicht, ihren Platz als Oppositionspartei zu finden, sie gebährdete sich, als wäre sie immer noch an der Regierung und versuchte mit aller Macht, Brandt zu stürzen und gleichzeitig konstruktive Regierungsarbeit zu leisten. Das gegenseitige Hochschaukeln der beiden Volksparteien zum Wahlkampf 1972 nach dem Misstrauensvotum gegen Brandt im Bereich der Rentenreform kann als hervorragendes Lehrstück hierzu dienen.

Aggressive Rhetorik war dieser Tage wieder salonfähig, besonders personifiziert durch den Vorsitzenden der Schwesterpartei CSU, Franz Josef Strauß. Niederste Instinkte sollten bedient werden, und die gesamte Klaviatur der Konservativen wurde gespielt, um gegen „die Roten“ mobil zu machen. In jenen Tagen zeigte sich deutlich was mit dem CDU-Leitsatz gemeint war, man wolle rechts von der CDU keine demokratischen Parteien dulden. Völlig offen wurde am rechten Rand nach Stimmen gefischt. Es reichte trotzdem nicht. Erst der Verrat der FDP verhalf der CDU wieder an die Regierung, wo Strauß indessen von Kohl als Heilsbringer abgelöst worden war, der pfälzische Gemütlichkeit mit scharfem politischem Instinkt paarte. 1990 gelang ihm nur aufgrund der Wiedervereinigung die Wiederwahl, und bis 1998 wollten die deutschen Wähler den dicken Mann nicht mehr sehen – er langweilte, und er klebte am Sessel – wie so viele vor ihm. Sein prädestinierter Nachfolger war Wolfgang Schäuble, ein Hardliner und Scharfmacher, der seit einem Attentat querschnittgelähmt ist. Doch wie große Teile der CDU-Riege stolperte dieser über die Spendenaffäre, und in deren Windschatten gelangte Angela Merkel an die Macht – eine grandios unterschätzte Newcomerin aus dem Osten, kaum Erfahrung, aber mit herausragendem politischen Instinkt und einer Skrupellosigkeit gesegnet, wie man sie braucht, um es nach ganz oben zu schaffen. Sie trimmte der CDU das Konservative aus, in dem sie nie heimisch geworden war und schmiedete die Partei zur neoliberalen Reformwaffe um. Seit den überraschenden Landtagssiegen (wo besonders Roland Kochs Unterschriftensammlung gegen die Ausländer eine unrühmliche Rolle spielte) wurde Deutschland wie noch nie von einer informellen Großen Koalition regiert, da die CDU den Bundesrat blockieren konnte. 2002 entging ihr der Sieg nur wegen Oderflut, Irakkrieg und dem Westerwelle’schen Spaßmobil.

Während Merkel konsequent ihre Machtbasis ausbaute und die CDU die Regierung teils blockierte, teils im Verbund mit ihr Reformen durchzwängte, bereitete die politische Stimmung im Land den Boden für die zweite Große Koalition. Im Wahlkampf 2005 zeigte Merkel erneut, dass sie keine echte Politikerin war – der Instinkt war da, aber die Präsentation ging ihr vollkommen ab. Eine Reihe desaströser Fehler rettete der SPD die Wahl. Leider, denn das mutige Konzept der Ehrlichkeit wird damit wohl begraben werden.

Heute steht die CDU vor der Zerreißprobe, die die SPD bereits hinter sich hat. Da mag Merkel von Auftrieb gebenden Flügeln schwadronieren, wie sie will: die Basis murrt. Und die Basis sind die Landesverbände, und die sind konservativ und von der neoliberalen Reformpolitik einer Merkel weiter entfernt als die Erde vom Mond, zusammengehalten nur von den Lippenbekenntnissen und dem gemeinsamen Label „CDU“. Die heilige Kuh der CDU, das christlich fundamentierte Familienbild, schickt sich gerade an von einer kinderlosen, protestantischen Ostfrau und einem Karriereweibchen geschlachtet zu werden. Der Begriff der Sozialen Gerechtigkeit und der Sozialen Marktwirtschaft wurden bis zur Unkenntlichkeit verformt, und vor der EU vertritt Merkel offen eine Verfassung, die sich nicht auf Gott beruft.

Die Geschehnisse um die „Königsmörderin“ Gabriele Pauli, die Stoiber stürzte und nun Polizeischutzes bedarf, weisen auf viele ungelöste Konflikte und das unheilvolle Potenzial markiger Stammtischreden hin. Während die Führungsspitze der CDU sich bereits mit dem einen Fuß in der Zukunft befindet und die Ministerpräsidenten mehr aus Tradition und Küngelei denn aus echter Überzeugung die Bremser und Mahner spielen, verharren große Teile des Basis in einer Zeit christlich unterfütterten Konservatismus, in dem „drüben“ noch der Kommunismus zu bekämpfen und vor der eigenen Haustür die Unruhen der Studenten die heile gutbürgerliche Welt, korrumpiert bis in ihre Grundfesten in ihrer eigenen Verlogenheit bedrohten. Dies lässt sich auch an den sprunghaft-demagogischen Artikeln des CDU-Hausblatts, der „BILD“ ablesen, die auf der einen Seite die neoliberale Reformpolitik mit vollem Einsatz unterstütz und auf der anderen Seite geradezu anachronistisch an konservativen Positionen festhält.

Der innere Widerspalt der CDU ist unübersehbar geworden. Für die wirtschaftlich orientierten Leistungseliten von heute ist die CDU mit ihrer regional verhafteten Funktionärsstruktur trotz aller Reformrhetorik kein Ort. Stammwähler werden durch die neoliberale Reformpolitik vergrätzt und sterben aus, einer alle drei Sekunden. Denn die CDU ist, unübersehbar, eine Partei der Alten, der Nachkriegsgeneration. Der Katholiken. Und der Süddeutschen. Nirgendwo ist das Erfolgsrezept der CDU so offensichtlich zu sehen wie in Baden-Württemberg und Bayern, wo die Kartoffelsackregel greift: hier würde sogar ein Kartoffelsack gewählt werden, so er nur für die CDU antritt.
Dass gerade Baden-Württemberg Vorreiter der neoliberalen Reformpolitik und der Erosion der Werte ist, für die ihre Stammwähler besonders auf dem Land sie unverdrossen wählen, ist dabei kein Widerspruch. Es zeigt auch etwas auf, das tief im Herzen der CDU und ihrer Wähler verborgen ist, dieses latent antidemokratische Element, das sich vor Verantwortung und Wahl, vor dem Nachdenken und Reflektieren fürchtet wie der Teufel das Weihwasser. Ein großer Teil der Anhängerschaft der CDU schätzt unterbewusst jene autoritäre Ausrichtung der Partei, die ihnen aufzeigt, was sie zu tun haben, ihnen verbindliche Leitlinien für ihr Leben setzt und ihnen die Verantwortung abnimmt. Der Aufstieg in der CDU ist extrem berechenbar und hängt von Verbindungen auf Regionalebene ab; Angela Merkel ist der Widerspruch, der in der Feindschaft aller CDU-Oberen Tag für Tag die Regel bestätigt.

Ob die Partei an diesen inneren Widersprüchen zerbrechen wird ist ungewiss. Vermutlich reicht es, sie auszusitzen. Wenn die Reformer auch bei den Wählern gegenüber den traditionellen Konservativen in der Mehrheit sind, löst sich dieser Widerspruch auf biologische Weise. Die Tage als 40%+ Volkspartei sind jedoch gezählt.

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Happy Lehrer Slapping

Ich habe mich bereits oft genug über Menschen vom Schlage einer Lotte Kühn, die vollkommen unverzagt und gerlinde gesagt polemisch über Lehrer herzieht, aufgeregt. Ein Artikel bei Telepolis lässt jedoch vermuten, dass das Ganze Methode hat, denn die Beschwerden von Eltern nehmen trotz des Nachweises, dass die Qualität der Lehrer ungebrochen hoch ist, besorgniserregende Formen an, besonders in dem von Telepolis als "grüner Speckgürtel" bezeichnetem Gebiet, in dem viele Mittelständler mit Rechtsschutzversicherung und nur ein oder zwei Kindern wohnen, auf die alle Erwartungen und Zukunftswünsche projiziert werden. Versagt das Kind in der Schule, liegt das sofort am Lehrer, der dann häufig - im Kopf ohnehin bereits als Feindbild abgespeichert - nicht einmal gesprochen wird. Man nutzt gleich Kontakte in der Kommunal- und Landespolitik, beschwert sich bei übergeordneten Dienststellen oder geht zum Anwalt. Dass in einer solchen Atmosphäre sicherlich weder guter Unterricht noch gute Leistungen entstehen können ist klar - und besser wird die Sache dadurch, dass sich Direktorate und Behörden reflexartig hinter Beschwerden stellen und die Lehrer alleine im Kreuzfeuer lassen sicher nicht.

Donnerstag, 15. Februar 2007

Kampf gegen Väter, heute: RTL-II

Wer kennt die RTL-II-Serie "Frauentausch"? Strecken. Für alle, die es nicht kennen kurz das Konzept: zwei möglichst gegensätzliche Familien tauschen die Mütter, in der (Sender-)hoffnung auf zünftig Streit. Den gibt es auch meistens, entgegen aller Gerüchte, Frauen wären irgendwie sensibel oder emotional besonders kompetent. Daneben gehört es zum Sendungskonzept, Väter fertig zu machen.
In der heutigen Folge wurde das besonders deutlich: die eine Mutter war eine typische Hausfrau und ziemlich reinlich, der Mann ein Archetyp aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts: cholerisch und absolut "der Mann im Haus". Auf der anderen Seite eine etwas jüngere Mutter, die ihre Hausarbeit nicht erledigt, ihren Mann nach eigener Aussage unter anderem mit dessen Zwillingsbruder mehrfach betrogen hat und ständig ihrem Mann vorwirft, dass dieser nicht genug Zeit mit ihr verbringt. Das liegt daran, dass der zwei Jobs hat, um das Geld zu erwirtschaften, dass die Frau verprasst, die den ganzen Tag hauptsächlich nichts tut. Trotzdem bleibt für die Kommentatoren klar: seine Schlaraffenlandstellung ist vorbei, er muss beim Putzen auch helfen. Auf der anderen Seite wird der konsequent (teils zu Recht) als "Tyrann" bezeichnete Vater zum vorbildlichen Weichei umfunktioniert, zumindest gibt man sein Bestes.
Auffällig besonders beim Fall des Mannes mit den zwei Jobs: nicht nur, dass er arbeitet wie verrückt und die Familie kaum sieht, seine Frau wirft ihn aus dem Haus, um mit einem Freund einen Videoabend machen zu können und das Geld verprasst - Anerkennung erhält er dafür nicht, die Sendung macht ihn trotzdem madig. Das hat Prinzip. Dazu passt die Aussage der Frau: "Ich seh nicht ein, dass er den ganzen Tag arbeitet und nicht da ist und ich auch noch putzen soll!" Angedroht wird die Scheidung, bei der sie die Kindern natürlich mitnehmen will.

Nutzlose Bildungspolitik

Da der Lehrerberuf ja keine echte auf die Praxis hin orientierte Ausbildung hat, entschloss man sich anno 2001 im Kultusministerium, das Praxissemester einzuführen und dafür das Referendariat auf anderthalb Jahre um 25% zu kürzen. Damit schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe, denn das Praxissemester ist unbezahlt. Eine Schweinerei, besonders weil man den ganzen Tag gebiunden ist (morgens Schule, nachmittags Seminare) und so kein Geld mehr für den Unterhalt des Studiums verdienen kann; einmal ganz davon abgesehen, dass es Arbeit ist und bezahlt gehört wie jede andere Ausbildung auch. Außerdem zählt das Praxissemester als ganz normales Semester in die Regelstudienzeit, als ob man dort studieren könnte.
Doch damit nicht genug. Es wird von universitärer wie schulischer Seite empfohlen (dringend empfohlen), die Fachdidaktik und Pädagogik des Grundstudiums vor dem Praxissemester zu absolvieren, vorgeschrieben ist dies jedoch nicht. An und für sich ja keine dumme Idee - wäre da nicht in Fachdidaktik Deutsch die lästige Einschränkung, dass man mindestens im vierten Semester sein und die Zwischenprüfung abgeschlossen haben muss - eine Bedingung, die kaum jemand vor dem Praxissemester erfüllt hat. Auf diesen Widerspruch aufmerksam gemacht, wusste die Dozentin immerhin hilfreich zu antworten, dass die Fachdidaktik ja keine Voraussetzung für das Praxissemester sei und deshalb ja kein Problem bestehe. Schon, aber das ist ja irgendwie nicht der Sinn der Übung, oder?

Mittwoch, 14. Februar 2007

BILD auf Kreuzzug, Teil IX

Hurra, hurra, die rechten Schmierblätter sind auch wieder da! Der BILD-Kolumnist Wagner, der hier im Blog ja auch schon einige Male negativ erwähnt wurde, hat seinen geistigen Dünnschiss Druckerschwärze werden lassen. Wie Bildblog berichtet, gelingt es dem guten Mann nämlich nicht nur, schlichtweg faktischen Blödsinn zu erzählen - Mohnhaupt wurde angeblich begnadigt -, nein, wie hier weiter gezeigt werden soll hetzt der Kerl auch wieder einmal wild in der Gegend herum.
Nachdem er suggestiv klar gemacht hat, welches Schlaraffenleben Mohnhaupt jetzt angeblich erwartet (geradezu poetisch, der Neuanfang im Frühling), fährt er fort:

Ihre Opfer liegen unter Grabplatten aus grauem Granit. Sie sind für immer tot. Nur Gott, beim Jüngsten Gericht, kann sie befreien.

Die deutsche Justiz hat Sie, vielfache Mörderin, Brigitte Mohnhaupt, begnadigt. Sie dürfen in Freiheit Wind, Wolken, Regen und die Sonne sehen, während Ihre Ermordeten tief unter der Erde liegen. Der Triumph der Mörderin über die Toten behagt mir nicht. Es behagt mir nicht, dass Brigitte Mohnhaupt mit einer Sonnenbrille den Frühling genießt.

Es ist eigentlich ein widerwärtiges Wühlen in ekelerregendstem Schmutz, sich mit so etwas auseinander zu setzen, aber der Kampf gegen Springer verlangt bisweilen solche Opfer. Pathos Ende. Wie hier geltendes Recht mit Füßen getreten und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen (die Begnadigung ist ungleich der juristisch-formal korrekten Freilassung; im Gegensatz zu Bildblog glaube ich, dass das mit voller Absicht falsch gemacht wurde) ein Rache- und Hassgefühl beim Leser erzeugt werden soll, lässt unangenehme Erinnerungen an die Schlagzeilen der späten 1960er Jahre aufkommen, in denen ähnliche Gefühle gegen die protestierenden Studenten ("Krawallstudenten") geweckt wurden, die letztlich im Mord an Benno Ohnesorg endeten.

Dienstag, 13. Februar 2007

Fundstücke

Die NachDenkSeiten haben hervorragende Beweise der Ineffizienz neoliberaler Prinzipreformen gebracht, sogar mit Erweiterung.
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Erdrückende Beweise - oder auch nicht, zumindest bei Wut!.
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Politblog stellt eine Liste auf, wie Journalisten nicht Komplizen bei zukünftigen Kriegen werden.
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Der Spindoktor lästert über den unwissenden Bush.
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Mein Parteibuch redet über die angeblichen Beweise für eine iranische Komplizenschaft.
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Florian Klenk findet den Flag Guy.
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Gryanzen weiß, wie man neue Medien an der Schule einführt.
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Telefonitis

Gerade eben rief eine Werbetante an und versuchte mir eine Tele-2-Flatrate zu verramschen. Da dachte ich mir, meine aktuelle Erkältung mal auszunutzen:
"Ja, hier [Name] von Tele 2. Sind Sie Kunde bei der Deutschen Telekom?"
"Nein, bin ich nicht."
"Aber Sie haben doch einen Computer?"
"Nein, nein, so etwas habe ich nicht."
"Oh, gut, in dem Fall ist das, was ich Ihnen verkaufen will für sie nicht interessant. Es ging um eine Flatrate von Tele2, damit können sie rund um die Uhr kostenlos surfen und telefonieren."
"Nein, nein, danke, davon verstehe ich nichts."
"Kein Problem, auf Wiederhören!"
"Danke, danke, auf Wiederhören!"

Ich hatte kurz überlegt, mir erklären zu lassen was denn eine Flatrate ist. Habe den Gedanken aber dann verworfen. Spaß gemacht hat es trotzdem; ist nur zu empfehlen.

Montag, 12. Februar 2007

Zur Freilassung von Brigitte Mohnhaupt

Es gibt viele Gründe, die für eine Freilassung von Mohnhaupt sprechen. Sie sind rechtlicher wie moralischer Natur. Homo homini lupus, der Mensch ist des Menschen Wolf. Heribert Prandtl schreibt in der SZ hervorragend, warum die Entlassung ein Segen für den Rechtsstaat ist:
Es geht heute Vormittag nicht um einen Gnadenerweis für Brigitte Mohnhaupt, es geht nicht um eine Sonder-Wohltat für eine Ex-Terroristin - es geht um die Anwendung des geltenden Strafrechts: Die Strafvollstreckungskammer des Oberlandesgerichts Stuttgart entscheidet darüber, ob Brigitte Mohnhaupt nach 24 Jahren Haft auf Bewährung entlassen wird.
[...]
Das besondere Unrecht der Taten war Gegenstand des Strafurteils; es kann bei der Bewährungsentscheidung nicht noch einmal besonders gewichtet werden. Das Gesetz setzt nicht voraus, dass sich ein Täter in der Haft in einen Heiligen verwandelt hat; der Lebenslängliche soll, das gebietet die Menschenwürde, wenn er ausreichend lang gebüßt hat und nicht mehr gefährlich ist, die Chance auf ein Rest-Leben in Freiheit haben. Nur darum geht es. Lebenslange Haft wäre ansonsten nur die Variante des Todesurteils. Der Täter würde zwar nicht gehenkt, stattdessen aber gebrochen.

Eine Frist läuft ab; ein Gericht prüft, was zu prüfen ist. Die Aufregung über diesen normalen Vorgang zeigt: Allen anderslautenden Beteuerungen zum Trotz werden die letzten noch inhaftierten Terroristen doch nicht als normale Gefangene betrachtet. Ein Zweites kommt hinzu: Es gibt in Teilen der Öffentlichkeit ein lauernd exzessives Strafbedürfnis, das über Recht und Gesetz weit hinausgeht. Ein aufgeklärtes Strafrecht muss daher mit der Aufklärung immer wieder neu anfangen.
Die von Prandtl beschworene "Sucht nach Strafe" zeigt sich am Besten, wen wundert es, bei der Springerpresse. Das muss an dieser Stelle gar nicht weiter kommentiert werden; der Irak zeigt derzeit, warum man einen Rechtsstaat braucht - und warum er so nicht lange bestehen kann.

Unmut bei der Aristokratie

Wie die Welt berichtet, zeigt sich besonders Gräfin Bruges von Pfuel sehr engagiert, wenn es um den Kampf gegen das neue Erbschaftssteuerrecht geht. Kein Wunder, schließlich ist sie Alleinerbin von rund 1100 Hektar Forstfläche mit angehängtem Schloss im Mecklenburgischen. Sie will das später an ihre sechs Kinder vererben, die nun nach ihrem Horrorszenario vor dem Hungertod stehen. Selbstverständlich sei das alles eine "Neiddebatte", wie sie Oskar Lafontaine an den Kopf warf. Doch der hatte ungewöhnliche Verbündete: SPD-Innenminister Stegner, Gastronom Käfer und Elitenforscher Hartmann. Alle bestätigten, dass die Erbschaftssteuer ohnehin nur bereits privilegierte Schichten träfe. Lafontaine erwähnte lakonisch, dass er selbst auch von der Neuregelung betroffen sei (und spielte damit auf seine Villa im Saarland an). Generell erschien der Gräfin vollkommen unverständlich, was da vor sich geht. Sie sieht nur zwei Möglichkeiten: alles versilbern und ins Ausland (was Stegner mehr zum Lachen reizte) oder eben alles verjubeln. Dass es dann ihre Kinder auch nicht bekommen - egal, solange es nur nicht sozial gerecht verteilt wird.
Denn das ist das Crux an der ganzen Debatte: die Frau Gräfin steht für viele ihrer Art, die mit ererbtem Vermögen ohne Arbeit in eine privilegierte Stellung geboren werden. Die Erbschaftssteuer soll eine solche Kapitalakkumulation ja eben verhindern - auf dass die sechs Kinder einmal tatsächlich etwas leisten müssen und nicht genauso wie die Frau Gräfin sich von der Gesellschaft aushalten lassen. Wären sie Hartz-IV-Empfänger, würde man sie Sozialschmarotzer nennen. So natürlich geht es um die Rettung des Privateigentums vor dem Sozialismus. Zum Glück beginnen die alten Feindbilder langsam ihre Wirkung zu verlieren. Ob die FDP mit ihrem neuen alten Slogan auch nur einen Blumentopf mehr als das Guidomobil gewinnen wird, ist fraglich.

Paradies der Konservativen

Nicht nur, dass die WM endlich wieder Patriotismus, Ordensverleihungen und Fahnenschwenken salonfähig gemacht hat, nein, nun wird auch bekannt, dass endlich der lang geforderte Babyboom Wirklichkeit wird, und das nur wegen der durch die WM-Euphorie freigesetzten Gefühle. Na dann wohl bekomm's.

Sonntag, 11. Februar 2007

Alle Macht der Beharrung!

In einem Interview mit Cicero spricht sich Friedrich Merz für ein Mehrheitswahlrecht und eine Verkleinerung des Bundestags aus:
[...] Außerdem müssen wir unser Wahlrecht auf den Prüfstand stellen. Der Bundestag ist immer noch zu groß und die Einwirkungsmöglichkeiten der Wählerinnen und Wähler auf die Zusammensetzung des Parlaments sind zu klein. Da würde zum Beispiel das Mehrheitswahlrecht Verbesserungen bringen.

Damit würde die Politik noch stärker als jetzt Personalpolitik …
Die Aufmerksamkeit würde sich auch bei den Parlamenten wieder mehr auf Personen und ihre Qualifizierung konzentrieren – und dagegen spricht nun absolut gar nichts. Wir brauchen mehr persönliche Verantwortung in der Politik und weniger Gremien. Das Mehrheitswahlrecht unterstützt das übrigens. Es führt zu einem viel stärkeren Selbstbewusstsein der Parlamente gegenüber den Regierungen …

In Ihrem Buch mit der These, nur wer sich ändere, werde bestehen, sagen Sie selbst, dass die Parlamentarier Einflussverlust zugelassen haben.
Wir haben bislang selbst viel zu wenig gegen den Bedeutungsverlust des Deutschen Bundestages unternommen. Warum lassen wir zu, dass immer mehr Entscheidungen in Kommissionen getroffen werden anstatt im Parlament? Warum besteht die Parlamentsmehrheit nicht darauf, dass die Regierung nach ihrer Beschlussfassung zuerst das Parlament informiert, anstatt sofort in die Bundespressekonferenz zu gehen? Warum lassen wir zu, dass die Regierungsbefragung zu einer Farce degradiert ist? Warum gehen wir mit aktuellen Themen erst in die Talkshows und dann – wie mit einem Abklatsch – ins Parlament?
Damit würde endgültig die Erosion der "Volks"parteien gestoppt - einfach per Gesetz. Was nicht passt, wird passend gemacht. Das wäre der endgültige Sieg der Mittelmäßigkeit; die kleinen Parteien würden fehlen, Alternativkonzepte kaum mehr bestehen. Dass einem CDUler das gefällt darf nicht verwundern.

Blödsinnige Studien

Wieder einmal hat eine Studie mit zweifelhaften Methoden ergeben, wie böse rechts die Deutschen doch sind.
40 Prozent aller Deutschen finden, dass der Nationalsozialismus sowohl positive als auch negative Seiten gehabt hat. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh. Vor allem Ältere und Personen mit geringer Schulbildung können dem NS-Unrechtsregime auch positive Aspekte abgewinnen. Insgesamt 55 Prozent der Befragten stimmten hingegen der Aussage zu, der Nationalsozialismus habe „nur schlechte“ oder „mehr schlechte Seiten“ gehabt.
Jedem klar denkenden Menschen müsste eigentlich bewusst sein, dass Hitler nicht Satan persönlich war und deswegen irgendetwas positives bei der Bewegung ja rumgekommen sein muss - ein rein negatives Regiment hätte sicherlich keine zwölf Jahre bestanden, schon gar nicht sechs davon in einem solchen Krieg. Auch die anderen Ergebnisse der Studie sind zum Teil haarsträubenden Fragestellungen zu verdanken, mit denen ich mich im Detail jetzt nicht auseinandersetzen will.

Rufer in der Wüste

Überall hört man, dass Europa dringend positiver in den Köpfen der Menschen verhaftet sein und werden muss. Ob man dazu Kohl bemüht, Köhler oder andere Prominente, ob man Schultage abhält, ob man Serien über das segensreiche Europa bringt oder Brüsseler Regierungsfernsehen installiert: überall weht der Tenor "Europa ist toll". Kritik wird geradezu erbarmungslos niedergehalten, nicht nur an den Universitäten, wo ebenfalls eine "EU ist gut" Grundstimmung gelehrt wird, sondern auch in der Öffentlichkeit.
Wer Gegenstimmen hören will, sieht sich in der Schweizer Presse oder kleinen Monatsheften um. Lustigerweise ist die Springerpresse beinahe die Einzige, die über Roman Herzogs Kritik hierzulande berichtet. Dabei hat diese es in sich:

Einer, den man wenigstens hierzulande noch halbwegs verstehen kann, ist der ehemalige Bundespräsident Prof. Dr. Roman Herzog. Er hat sich Mitte Januar, zu Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, mit einem Grundsatzbeitrag in der "Welt" zu Wort gemeldet. Darin findet sich der zwar nicht neue, aber gern verdrängte Hinweis, daß mittlerweile schon 84 Prozent der "deutschen" Gesetzgebung von der Europäischen Kommission besorgt werden. Der Bundestag ist nur noch Vollzugsorgan. "Das Grundgesetz sieht jedoch das Parlament als den zentralen Akteur der Gestaltung des politischen Gemeinwesens vor", rügt Herzog. "Es stellt sich daher die Frage, ob man die Bundesrepublik Deutschland überhaupt noch uneingeschränkt als parlamentarische Demokratie bezeichnen kann."

Politisch sind die Deutschen in eine Babylonische Gefangenschaft geraten. Sie werden fremdbestimmt. Allerdings darf nicht jeder die Dinge beim Namen nennen. Wer es wagt, der Bundesrepublik den demokratischen Charakter abzusprechen, sollte schon sehr hoch im Establishment angesiedelt sein, um nicht wegen "Verunglimpfung des Staates" vor dem Kadi zu landen. Herzog wurde einfach durch Mißachtung bestraft. Keine Meldung in den Hauptnachrichten, keine Schlagzeile, keine Diskussion. Zur Rettung der Demokratie wird immer nur dann geblasen, wenn sich "rechts" etwas regt. Alles andere wird ignoriert.

Zum Beispiel auch die "Vereinbarung", die Bundestag und Bundesregierung im September 2006 zur EU-Politik geschlossen haben. Erst Herzog machte jetzt darauf aufmerksam. Wörtlich: "Delikat ist der Teil der Vereinbarung, welcher der Bundesregierung ausdrücklich das Recht zubilligt, ‚in Kenntnis der Voten des Deutschen Bundestages... aus wichtigen außen- oder integrationspolitischen Gründen abweichende Entscheidungen zu treffen'. Im Klartext: Die Bundesregierung kann und darf auch gegen ausdrückliche Beschlüsse des Bundestages handeln."

Wer fühlt sich da nicht an das Ermächtigungsgesetz vom 23. März 1933 erinnert? Mit ihm räumten die Abgeordneten der Reichsregierung das Recht ein, ohne parlamentarische Zustimmung Gesetze zu erlassen und internationale Verträge zu schließen. So öffnete sich der Weg in die Diktatur. Damals gab es freilich eine heftige öffentliche Debatte, und das Rededuell zwischen Kanzler Hitler und Oppositionsführer Wels wurde im Rundfunk übertragen. Heutzutage vollzieht sich die demokratische Selbstaufgabe schleichend und klammheimlich. Nicht einmal die Wortmeldung eines ehemaligen Bundespräsidenten vermochte die Nachrichtenblockade aufzulockern.

Statt dessen durfte Merkel auf sämtlichen Kanälen über "Freiheit und Toleranz" in der EU schwafeln und im Turm zu Straßburg einen Verfassungs-"Fahrplan" ankündigen. Das in Volksabstimmungen bekundete Nein der Franzosen und Holländer soll ausgehebelt werden - durch "vertrauliche Sondierungsgespräche auf Regierungsebene". Zugleich drängt die deutsche Ratspräsidentschaft auf europaweite Beschneidungen der Meinungsfreiheit. Roman Herzog - welch Glück! - bleibt einstweilen noch auf freiem Fuß.

Schlachtfeld Schule

Ein wirklich aufwühlender Artikel ist in der Schulleben-Serie der Zeit erschienen, der sich mit dem Tod einer 51-jährigen Grundschullehrerin beschäftigt. Ich möchte empfehlen, den Artikel unbedingt zu lesen, deswegen nur eine kurze Zusammenfassung: eine Lehrerin im Problembezirk leistete an sich gute Arbeit, bevor sie von zwei (!) Schulräten getestet und für schlecht befunden wurde, weil die vielen Reformen der letzten Jahre kaum mehr umsetzbar waren.
Über diese Geschichte hat sie auch ein Märchen geschrieben, das ebenfalls zu Tränen rührt.

Wohin des Wegs, Wolfgang?

Vor drei Tagen hatte die taz ein Interview mit Wolfgang Schäuble, seines Zeichens Innenminister, Gesetzesbrecher und Scharfmacher, in dem es um die Frage der Onlinedurchsuchungen und anderer Rechtsbrüche ging. Hier einige kommentierte Auszüge:

taz: Herr Schäuble, sind Sie der ranghöchste Hacker Deutschlands?

Wolfgang Schäuble: Nein, ich komme in keinen Computer rein, ich weiß auch kaum, wie die Polizei das macht. Ich weiß gerade mal so, was ein Trojaner ist.

Haben Sie Angst vor den sogenannten Trojanern, also vor Spionagesoftware?

Nein, ich öffne grundsätzlich keine Anhänge von E-Mails, die ich nicht genau einschätzen kann. Außerdem bin ich anständig, mir muss das BKA keine Trojaner schicken.

Abgesehen davon, dass das BKA allen Grund hätte, Verfassungsfeinde wie Schäuble zu überwachen, ist die offen zur Schau gestellte Inkompetenz erschreckend. Schäuble fordert beständig scharfe Maßnahmen, ohne überhaupt zu wissen, was sich dahinter verbirgt. Das wäre, als ob er den Einsatz einer Atombombe fordern würde, im Glauben, es handele sich um einen Knallfrosch.

Warum wollen Sie Computer unbedingt heimlich überwachen? Genügt es nicht, den Rechner bei einer Hausdurchsuchung zu beschlagnahmen und dann auszuwerten?

Nein, es gibt Fälle, da würden die Ermittlungen vorschnell gestört, wenn die Polizei eine Hausdurchsuchung macht. Dann würden Hintermänner und Komplizen gewarnt und könnten ausweichen. Außerdem ist ein Laptop ja auch leicht zu verstecken, vielleicht wird er bei einer Durchsuchung gar nicht gefunden. Ans Internet muss er aber immer wieder.

Moment: die Polizei findet bei Hausdurchsuchungen normalerweise alles - von libanesischem Backpulver bishin zu belastenden Kontoauszügen. Aber einen verdammten LAPTOP sollen sie übersehen? Der mal eben versteckt wird, wenn es draußen heißt "Polizei! Aufmachen!"?

Auf der Computerfestplatte findet man auch sehr persönliche Details zu Liebe, Gesundheit und Steuererklärung. Wie wollen Sie den "Kernbereich privater Lebensführung", dessen Schutz das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe besonders angemahnt hat, beachten?

Ich kenne und respektiere die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz der Privatsphäre. Aber wir müssen auch sehen, dass dieser Schutz in der Alltagswirklichkeit praktikabel bleibt. Verbrecher und Terroristen sind klug genug, so etwas auszunutzen. Die tarnen ihre Informationen dann zum Beispiel als Tagebucheintrag. So leicht dürfen wir es denen nicht machen.

Das hat der Jurastudent bereits so gut kommentiert, dass man da nichts mehr zu sagen muss.

Verstehen Sie, wenn die Menschen beunruhigt sind, weil die Sicherheitsbehörden immer neue Befugnisse bekommen?

Die meisten Menschen sind über Terrorismus und Kriminalität beunruhigt, nicht über polizeiliche Schutzmaßnahmen. Sie wollen, dass der Staat ihre Sicherheit garantiert. Dazu muss er auch neue Technologien nutzen. Wir können nicht stehenbleiben, wenn das Verbrechen und der Terrorismus immer neue Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung haben.

Gut, das ist jetzt mal eine Behauptung, die im Raum steht. Ich persönlich muss sagen: nein.

Gegen die ebenfalls geplante Vorratsspeicherung aller Telefon-, E-Mail- und Internetverbindungsdaten wollen 10.000 Menschen Verfassungsbeschwerde einlegen. Stimmt Sie das nicht nachdenklich?

So etwas regt mich nicht mehr auf.

Warum sollte es auch? Ist ja nur demokratische Meinungsäußerung, und die ist ohnehin bald abgeschafft. Also was soll's?

Und was sagen Sie zum Vorwurf, dass der Staat bei der Vorratsspeicherung ins Blaue hinein gewaltige Datenmengen über das Kommunikationsverhalten der ganzen Bevölkerung sammelt?

Letztlich geht es immer um die Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit. Die Datenschützer sind ja nicht moralisch höherwertig, weil sie mehr Gewicht auf die Freiheit legen. Und ich bin kein schlechterer Mensch, weil ich mehr Gewicht auf den Schutz vor Verbrechern lege.

Doch, sind sie. Wer Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu erlangen, wird am Ende beides verlieren.

Ist das nicht eine Salamitaktik? Bei der Einführung neuer Technologien wird beteuert, die Sicherheitsbehörden bekämen keinen Zugriff auf die anfallenden Daten. Und kaum ist die Technologie durchgesetzt, nutzt man das nächstbeste Verbrechen, um der Polizei doch alle Zugänge zu öffnen.

Das wäre vielleicht bedenklich, wenn es eine absichtliche Taktik wäre. Aber beim Mautgesetz gab es sicher keinen derartigen Hintergedanken. Heute bin ich ja auch viel vorsichtiger. Von mir hören Sie keine Versprechungen mehr, dass alles so bleibt, wie es ist. Das wäre auch undemokratisch.

Warum?

Ich kann doch nicht den Gesetzgeber auf Jahre hinaus festlegen. Da würde ich mich ja außerhalb des Rechtsstaats stellen. Nein, wenn es um die Einführung neuer Ermittlungsmethoden geht, wird öffentlich diskutiert, das ist ganz transparent in der Demokratie, und am Ende entscheidet die Mehrheit.

Niemand hat die Absicht, Daten anders zu verwenden als vorgesehen. So oder ähnlich schon mal bei Walter Ulbricht gehört.

Das Interview zeigt wieder einmal, wie bedenklich diese rollende Ein-Mann-Parallelgesellschaft (Wut!) eigentlich ist. Warum werden diese Leute nicht aufgehalten?


Fundstück

Wer sehen will, wie grausam Menschen sein können und einen starken Magen hat....

Angriff auf die Meinungsfreiheit

Wie die Meinungsfreiheit derzeit im Unrechtsstaat BRD behandelt wird, kann man anhand des Blogs "Media-Blöd" nachempfinden. Der hat nämlich eine teure einstweilige Verfügung ins Haus bekommen, dass er Media-Markt-Satire nicht mehr bringen darf:

Ich kann nur sagen, es ist erschreckend! Ich habe die Sache mit 5 verschiedenen Rechtsanwälten ausführlichst besprochen, (ich möchte mich hier noch einmal für die Zeit und die Geduld bedanken die sie mir geschenkt haben), alle haben sich die beanstandeten Grafiken und die Webseite angesehen und übereinstimmend erklärt daß diese, selbst die mit Saddam Hussein, eindeutig als Parodien zu sehen seien und nicht verunglimpfend oder unternehmenspersönlichkeitsverletzend wie es der Mediamarkt behauptet.

Jeder von ihnen meint daß ich den Prozess mit fast 100% Sicherheit über alle Instanzen führen kann und gewinnen werde.

Es scheint also ganz offensichtlich so zu sein daß ich im Recht bin, und im Recht war als ich die Parodien veröffentlicht habe.

Das ist gut zu wissen, aber die Realität sieht auch so aus, daß es keine 100% Garantie für den Sieg in dem Prozess gibt.

Es bleibt das Risiko, auf den gesamten oder einem Teil der Prozesskosten sitzen zu bleiben, und die liegen schon in der ersten Instanz bei ca. 5000,- Euro und können sich über mehrere Instanzen auf 30.000,- Euro und mehr summieren.

Und genau darin liegt die große Gemeinheit, während der Mediamarkt, der Jahr für Jahr hunderte Millionen Euro für Werbung ausgibt, diese Summe aus der Portokasse bezahlt, wäre ich bankrott und hätte für den Rest meines Lebens einen riesigen Schuldenberg abzutragen.

Man ist im Recht und es nützt nichts, weil der Gegner ein skrupelloser Konzern mit unbegrenzten finanziellen Mitteln ist, dessen eiskaltes Kalkül es ist diese Situation für seinen Vorteil auszunutzen.

Eine Schande! Und obwohl es legal nicht zu beanstanden ist, ist das in meinen Augen Rechtsmißbrauch.

Es ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, denn die Konsequenz daraus ist, daß man gegenüber einem Konzern wie dem Mediamarkt keine öffentliche Kritik, und sei sie noch so berechtigt, mehr äußern kann ohne daß man Gefahr läuft finanziell ruiniert zu werden.

Das ist das faktische Ende der Meinungsfreiheit in diesem Lande, denn obwohl es keine strafbewehrte Zensur gibt, haben wir auf diese Weise eine Zensur durch die Hintertür, mit dem finanziellen Ruin zwar nicht als Strafe, sondern als Konsequenz.

Es ist wahrlich erschreckend, wie sehr das Land vor die Hunde geht. Der Mann hat hundert Prozent Recht, und dennoch wird er kaum Chancen haben, es durchzusetzen, weil Recht in Deutschland Geld kostet - und das hat Otto Normalbürger nicht. Aus diesem Grund ist es auch wichtig, diesem Aufruf zu folgen:

Ich würde diesen Prozess zwar gern führen um gegen diese Ungerechtigkeit vorzugehen, schon allein um das an die Öffentlich zu zerren, aber mir ist in dieser Woche klar geworden, ich schaffe das nicht allein, ich brauche die Unterstützung einer Gemeinschaft, EURE Unterstützung.

Darum möchte ich Euch, die ihr dies lest, fragen: Soll ich weitermachen oder aufgeben? Wäret ihr bereit diesen Kampf zu unterstützen, zu Sponsorn (ich habe jetzt einen PayPal-Sponsor-Button), aber vor allem auch mit Taten, mit Eurer Kreativität, Eurer Solidarität?

Na dann los! Leider hört die Angst vor den Schergen der Feinde der Freiheit auch hier nicht auf, wie ein Nachtrag des Autors zeigt:

P.S.
Bitte veröffentlicht hier keine Aufrufe zum Boykott oder Sabotage, Beleidigungen oder ähnliches! Wenn ich das stehenlasse setze ich mich der Gefahr aus, erneut eine kostenpflichtige Abmahnung zu bekommen! Ihr könnt selbstverständlich bedenkenlos davon schreiben wie ihr selbst euch gegen diese Dinge wehrt, solange das nicht gegen Gesetze verstößt natürlich!. Denkt dran, auch die Anwälte lesen hier mit! Ach ja, und es kann manchmal vorkommen daß es etwas dauert nachdem man den "Submit" Button geklickt hat. Die Kommentare werden aber gespeichert.
Hurra.

Samstag, 10. Februar 2007

Gleich noch mal Bayern

Vor einer Woche hat Eddi im Bundesrat seine Gesetzesinitiative gegen "Killerspiele" vorgelegt. Sehen wir uns das doch mal genauer an.
A. Problem und Ziel
Wenige Jahre nach den Bluttaten in Bad Reichenhall 1999 und in Erfurt 2002 sind die Bürgerinnen und Bürger angesichts der neuen Gewalttat in Emsdetten 2006 aufs Neue zutiefst erschüttert. Der Amokläufer war im Besitz zahlreicher jugendgefährdender Medien. Wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass insbesondere sog. Killerspiele, die menschenverachtende Gewalttätigkeiten zum Gegenstand haben, eine gewaltabstumpfende und für bestimmte labile Charaktere auch eine stimulierende Wirkung haben können. Zwar sind einzelne Auswirkungen von Gewaltspielen noch umstritten. Zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse legen aber eine nachteilige Wirkung gerade auf Jugendliche nahe. Nach dem heutigen Forschungsstand bestehen insbesondere keine begründeten Zweifel daran, dass der Kontakt mit derartigen Medien vor allem bei Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden, aber auch bei Erwachsenen, die Gefahr einer Nachahmung und einer Abstumpfung in sich birgt, die sich schädlich auf die Gemeinschaft auswirken kann. Die schrecklichen Vorfälle zeigen, dass Maßnahmen notwendig sind, um insbesondere Kinder und Jugendliche vor Gewaltexzessen in Form menschenverachtender Gewaltspiele zu schützen. In den vergangenen Jahren wurden zwar im Bereich des Jugendmedienschutzes Verbesserungen erzielt, um den wachsenden Gefährdungen auf dem Mediensektor zu begegnen. Dies ist jedoch nicht ausreichend, wie die jüngste schreckliche Gewalttat in Emsdetten zeigt.
Ignoranz kann segensreich sein. Das obige Beispiel zeigt dies deutlich. Da wird von "wissenschaftlich erwiesen" schwadroniert, was immer noch für heftige Kontroversen im gesamten wissenschaftlichen Spektrum sorgt. Da wird fabuliert über einen Zusammenhang von Emsdetten und "Killerspielen", unter deren Definition das Ziel "Counterstrike" nicht einmal zählen würde! Wer den (ungekürzten) Abschiedsbrief gelesen hat, der weiß, warum der Junge ausgetickt ist. Und das war sicher nicht CS, sondern vielmehr seine Verzweiflung an einer unmenschlichen, Profitorientierten Gesellschaft, die Menschen wie Stückwerk behandelt. Schwammig formuliert ist die ganze Sache zudem auch noch.
B. Lösung
Das vorliegende Gesetz sieht deshalb ein Verbot von virtuellen Gewaltspielen vor. Er erfasst Spielprogramme, die grausame oder unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen darstellen und dem Spieler die Beteiligung an dargestellten Gewalttätigkeiten solcher Art ermöglichen. Darüber hinaus sind auch reale Gewaltspiele zu verbieten, die geeignet sind, Mitspieler in ihrer Menschenwürde herabzusetzen. Mit einem solchen Verbot wird den Gefährdungen, die von derartigen Spielgestaltungen ausgehen, effektiv entgegengewirkt. Das Gesetz nimmt neben diesen Änderungen im Strafgesetzbuch sowie dem Ordnungswidrigkeitenrecht auch gesetzestechnische Anpassungen im Jugendschutzgesetz vor, um damit eindeutige Entscheidungen zugunsten des Jugendschutzes zu treffen. Umfasst sind dabei folgende Maßnahmen:
• Verbot offensichtlich schwer jugendgefährdender Trägermedien,
• Verbesserungen bei der Indizierung von Medien,
• Verbesserungen im Bereich der Freiwilligen Selbstkontrolle ,
• Verbesserungen bei Bildschirmgeräten ohne Gewinnmöglichkeit in der
Öffentlichkeit ,
• Erhöhung des Bußgeldrahmens im Jugendschutzgesetz von 50 000 Euro

auf, 500 000 Euro.
Jetzt wird es endgültig fantastisch. Da wird von "Verbesserung" geredet, wo "Verschärfung" gemeint ist, und das Aushebeln bestehender Gesetze. Indiziert wird, was jugendgefährdend ist, und das wird Jugendlichen unter 18 nicht zugänglich (gepriesen, etc.pp.) gemacht. Da ist keine Verschärfung nötig. Und was sind "schwer jugendgefährdende Trägermedien"? Der Musikantenstadl? Und das Bußgeld, bei dessen Kommasetzung der Lektor grotesk versagt hat, wird glatt verzehnfacht. Mit der spielerischen Leichtigkeit, wie hier Existenzen vernichtet werden, sollten die Leute mal das ALG-II verzehnfachen.
C. Alternativen
Keine
Das ist das Beste. Keine Alternativen.

Es war einmal...

...vor gar nicht allzuferner Zeit, in einem beschaulichen Städtchen im Bayrischen. München nannte man es, und es war bekannt für Bier, Brezeln, Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber. Dieser Tage aber geriet es wegen einer anderen Skandalfigur und dem unvermeidlichen Rattenschwanz an Folgeskandalen in die Kritik, zumindest der kritischen Presse.
In jenem München nämlich findet derzeit die so genannte "Sicherheitskonferenz" statt, in der manchmal legitimierte Politiker aller rechten Couleur über so genannte Sicherheitsfragen debattieren, die in Wirklichkeit nichts als eine Umschreibung für weltweite Kriegseinsätze sind. Als ob das nicht Skandal genug wäre, hat man auch noch eine Bundestagsfraktion draußen gehalten - die Linkspartei nämlich. An der Konferenz kann man nur auf Einladung teilnehmen, und obwohl die LiPa rechtzeitig um eine solche ersucht hat, bekam sie keine - im Gegensatz zu den vier Etablierten. Scheint, als würden wirklich riskante Sachen dort geredet werden, wenn die demokratische Kontrolle so offensichtlich unterminiert wird.
Das Schlimmste jedoch kommt noch: wie jede Veranstaltung dieser Art zieht auch die Sicherheitskonferenz (leider zu wenige) Demonstranten an. Derer 3000 waren gekommen, und man hielt sie für so gefährlich, dass man sage und schreibe 3500 schwer gepanzerte Polizisten zur Verteidigung unserer geliebten Volkstreter, äh, -vertreter, aufmarschieren ließ. Und nein, das ist nicht das Schlimmste, sondern nur der Vorbote. Der Organisator des Treffens ist ein gewisser Horst Teltschik, ehemaliger Sicherheitsberater Helmut Kohls (quasi ein Condoleezer Rice, nur dass er nicht Außenminister wurde). Und eben dieser Horst Teltschik gönnte es sich, folgenden Satz loszulassen:
"Es ist die Tragik jeder Demokratie, dass bei uns jeder seine Meinung öffentlich vertreten darf und dass man politisch Verantwortliche in einer Demokratie schützen muss. In Diktaturen würde so etwas nicht passieren.‘‘
Sapperlott noch einmal, nicht einmal anständig durchregieren darf man hier! Ständig muss man sich solchen Faxen wie Wahlen und anderem Schmarrn stellen. Anstatt dass sich da ein gestandener Christdemokrat endlich mal hinstellt und sagt, was Sache ist! So oder ähnlich dürfte der im Hinterstübchen dieses Musterdemokraten, der übrigens nach Kritik schnell zurückruderte, abgelaufene Denkprozess ausgesehen haben. Ist ja auch echt ne Schweinerei, so was. Muss man sich doch glatt demokratisch legitimieren lassen und kann das tumbe Volk nicht einfach zusammenschießen, wie man das noch 1848 mit Erfolg angewendet hat. Immerhin hätte man gleich die entsprechende Ausrede parat:
Podiuk erklärte sich dies mit dem "Druck‘‘, unter dem der Konferenz-Chef stehe, weil er ständig von einer Szene, "die bis in den linksradikalen Bereich hinein‘‘ reiche, und von "Gewalttätern‘‘ angegriffen werde.
Aber klar doch.

Straubhaar und die Erbschaftssteuer

Ein Gastbeitrag von Peter Schaefer.

Thomas Straubhaar - seines Zeichens Professor für Volkswirtschaftslehre und Chef des HWWI hat für den Spiegel einen Artikel gegen die Erbschaftsteuer verfasst. Nun kann man aus unterschiedlichen Gründen für oder gegen die Erbschaftssteuer sein, solange man das nur vernünftig begründet. Zum Beispiel könnte man anführen, dass die Erbschaftssteuer zur Steuerflucht einlädt, oder weil sie höher ist als beispielsweise die von Österreich, einen Standortnachteil darstellt. Eine solche Darlegung würde dann, sauber mit empirischen Daten belegt, Pro und Contra abwägen und auch auf die ursprünglichen Ideen hinter der Erbschaftssteuer eingehen.

Straubhaar tut genau dies nicht, sondern übt sich in neoliberaler Rhetorik. Er spricht von der “Todessteuer” und gibt ihr die Schuld an der “Vernichtung” von Volksvermögen. Statt dessen schlägt er vor, die Konsumsteuern zu erhöhen, weil diese angeblich gerechter seien.

“Wer eine nachhaltige Politik will, muss den Konsum und nicht Erbschaften besteuern. So wird die Gegenwart verteuert, der Verzehr gedämpft und die Vermögensbildung attraktiver. Die Einnahmen aus der Konsumsteuer sind eine wesentlich bessere Grundlage, um wirtschaftlich Schwache finanziell unterstützen zu können als eine Erbschaftssteuer. Und eine Konsumsteuer hat zudem den Vorteil, dass sie “gerecht” ist und jene, die viel erben und möglicherweise als Folge davon viel ausgeben stärker zu belasten, als jene, die nichts erben und deshalb weniger Kaufkraft haben. Die Erbschaftssteuer sollte nicht reformiert, sondern schlicht und ersatzlos abgeschafft werden.”

Des weiteren unterstellt er, eine Abschaffung der Erbschaftssteuer würde die langfristige Verantwortlichkeit im Umgang mit Kapital erhöhen. Die entsprechende Passage ist recht phantasievoll, die Analogie zum Umweltschutz wirkt aber etwas an den Haaren herbeigezogen:

“Bei beidem, dem Umweltschutz und der Vermögensbildung müssen sich heutige Generationen in ihrem gegenwärtigen Konsum zurückhalten, Maß halten, sparen und zugunsten kommender Generationen auf etwas verzichten. Bei beidem können nicht heutige Generationen die Früchte des Konsumverzichts ernten, sondern erst die Kindeskinder.

Wie sehr beides, Umwelt und Erben zusammengehören, wussten schon die alten Rabbiner zu Jesus’ Zeiten. Sie prägten das später Martin Luther zugeschriebene Zitat: “Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen”. Agrarische Gesellschaften haben trotz Hungersnöten und Versorgungskrisen stets Saatgut zurückgehalten, um kommenden Generationen bessere Überlebenschancen vererben zu können.

Und heute? Wer pflanzt noch Olivenbäume? Wer ist bereit, heute auf Konsum zu verzichten, damit die Generationen von morgen bessere Startchancen haben werden? Paradox: Wer spart, Vermögen aufbaut, um es den Kindeskindern zu vererben, macht exakt das, was alle Nachhaltigkeitspropheten verlangen: Sie konsumieren nicht, sie sparen und sorgen so dafür, dass Saatgut für kommende Generationen bereit steht. Als Dank dafür, dass sie im Laufe des Lebens nicht alles verzehrt haben, was ihnen zur Verfügung stand, werden sie am Ende mit einer Todessteuer entmündigt. Ob das wohl den Anreiz zu nachhaltigem Verhalten fördert?”

Nun was ist dazu sagen? Die Erbschaftsteuer gehört zusammen mit der Einkommenssteuer und der Schenkungssteuer zu den Steuern, welche die Besserverdienenden oder Besitzenden treffen. Damit sind sie die Umsetzung der Idee, dass “Eigentum verpflichtet” und dass wer viel hat, eben auch mehr geben soll. Nicht umsonst hat Peter Sloterdijk einmal in einem Handelsblatt-Interview gesagt:

“Ich bin davon überzeugt, dass die progressive Einkommensteuer die größte moralische Errungenschaft der Menschheit seit den Zehn Geboten darstellt. Es ist für die Reichen eine Ehre, etwas höher zur Kasse gebeten zu werden.”

Kurzum, die Erbschaftsteuer gibt es in allen Ländern mit einer christlichen Sozialethik, also überall in Westeuropa und auch den USA. Deshalb könnte man im frontalen Widerspruch zu Straubhaar formulieren, dass die Erbschaftssteuer eben keinen “Angriff auf den Kern der bürgerlichen Gesellschaft” darstellt, sondern sie zu einer Gesellschaft mit einem gesunden Bürgerverständnis dazugehört.

Straubhaars Unterstellung, dass eine Abschaffung der Erbschaftssteuer die Verantwortlichkeit erhöhe, lässt sich nicht beweisen und zwar aus mehreren Gründen:

Erstens gibt es eine Sonderregelung (nachzulesen bei Wikipedia, Absatz Aktuelle Entwicklungen), wonach die Erbschaftssteuer bei Übernahme von Betriebn durch die Nachfahren zum Teil gar nicht gezahlt werden muss (wenn der Betrieb länger als zehn Jahre von den Erben geführt wird). Verantwortliche Mittelständler sind also gar nicht betroffen.

Zweitens trifft die Erbschaftssteuer eine kleine Schicht sehr reicher Menschen, die in der Regel sehr gute Steuerberater haben und im Gegensatz zur Schweiz auch nicht verpflichtet sind, zu Krankenversicherung und Rente aller beizutragen. Sie würden weiter entlastet werden und sich noch mehr um ihren Beitrag am Steueraufkommen drücken können. Was doppelt bedauerlich ist, denn wir haben keine Spenderkultur wie in den Staaten, wo die großen Vermögenden sich verpflichtet fühlen und - siehe an ihren Kindern eben nur eine Milliarde und nicht 50 Mrd (z.B. Bill Gates) hinterlassen.

Hinzu kommt, dass das Investment der Superreichen in Deutschland eher auf Rendite und nicht auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist, wie z.B. die Erfolge der Deutschen Bank belegen. Heute lohnt sich Investmentbanking im Gegensatz zu standortgebundenen Investitionen.

Im allgemeinen wird die Erbschaftsteuer als weniger abschreckend gesehen, als beispielsweise hohe Einkommenssteuern. Denn wer berücksichtigt schon bei einer Investitionsentscheidung die Erbschaftssteuer? Ein Ersetzen der Erbschaftssteuer durch eine höhere Mehrwertsteuer (Besteuerung des Konsums) würde zudem den Mittelstand weiter belasten, denn während die Unterschichten geradezu gezwungen sind zu konsumieren und der Mittelstand relativ viel konsumiert, haben die Superreichen extrem hohe Sparquoten.

Somit könnten sie noch mehr wirtschaftliche Macht anhäufen, als sie ohnehin schon haben. Gemäß Walter Eucken wäre das dann eine Entwicklung in die verkehrte Richtung - lautet eins seiner berühmten Zitate doch folgendermassen: “Es sind also nicht die sogenannten Missbräuche wirtschaftlicher Macht zu bekämpfen, sondern wirtschaftliche Macht selbst”.

Insgesamt muss man sagen, dass sich Straubhaar mit dem Artikel keinen Gefallen getan hat, denn er benutzt seine Reputation, die er sich auf anderen Spezialgebieten erworben hat, um eine extreme Position zu beziehen, welche einige Wenige begünstigt.

Aber vielleicht muss er eben zu solchen Mitteln greifen, wenn sein Institut weiterhin privat finanziert werden soll - frei nach dem alten Spruch: “Wes Brot ich eß, des Lied ich sing.” Damit hätten wir dann auch in Deutschland die gleichen Phänomene wie in den USA - von privaten Interessen beeinflusste, halb-öffentliche Forschungseinrichtungen. Wohl bekomms!

Peter Schaefer führt den Blog "Sozialliberal" und studiert Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftsingenieurwesen. Er ist 29 Jahre alt und lebt in Trento/Italien.

Mindestlohn III

In Großbritannien wird der Mindestlohn jetzt, wie die Frankfurter Rundschau berichtet, auf neun Euro die Stunde angehoben (von vormals acht Euro/Stunde). Und siehe da, die Wirtschaft bricht nicht zusammen, auch wenn sie das übliche Klagelied anstimmt. Interessante Aussagen aus dem Artikel:

Ganz allgemein haben sich aber Warnungen vor Jobverlusten, wie sie in den neunziger Jahren überall in Britannien zu hören waren, nicht bestätigt. Der von der Regierung mit der jeweiligen Festlegung des Mindestlohnes beauftragte amtliche "Ausschuss für Niedriglöhne" ist im Gegenteil zu dem Schluss gekommen, dass trotz Mindestlöhnen in den hauptsächlich betroffenen Branchen - etwa in der Gastronomie - seit 1999 Zehntausende neuer Arbeitsplätze geschaffen werden konnten. "Der Mindestlohn hat den Lebensstandard vieler Arbeiter erhöht", gesteht man inzwischen auch beim CBI zu. Nur sei eben "eine kräftige Anhebung wie in den letzten Jahren 2007 oder 2008 nicht mehr vertretbar." Der Verband britischer Einzelhändler prophezeite schon nach den früheren Anhebungen Arbeitsplatz-Einbußen in den Läden und Ladenketten der Nation. Doch Gewerkschaftssprecher weisen die Klagen zurück. "Der Mindestlohn hat keine üblen Nebenwirkungen gehabt", urteilt man selbstbewusst beim TUC. "Jedes Jahr beschwört der Einzelhandel drohende Job-Verluste. Und jedes Jahr erweisen sich solche Voraussagen als irrig."

Zufrieden mit der Einführung des Mindestlohns ist auch die Labour-Regierung, die "keine negativen Auswirkungen auf die Beschäftigungslage in den Niedriglohn-Branchen" ausmachen kann. Die konservative Opposition unter David Cameron fordert jedenfalls keine Abschaffung der Mindestlöhne, sollten die Tories an die Macht kommen. Auch Kritik am jüngsten scharfen Durchgreifen der Steuerbehörden gegen "Mindestlohn-Sünder" ist kaum zu hören. Im Grunde ist man auch im Unternehmer-Lager damit einverstanden, dass "unsaubere" Konkurrenten, die keine Mindestlöhne zahlen, mit Kontrollen und hohen Strafen rechnen müssen.