Donnerstag, 30. November 2006

Studiengebühren schrecken ab

Um hier einmal eine etwas unverdächtigere Quelle zum Thema zu haben: die Zeit hat in NRW und Niedersachsen, die dieses Wintersemester erstmals Studiengebühren einführten, die Immatrikulationszahlen analysiert, die einen starken Abfall zu verzeichnen haben. Und kommt zu dem nicht anfechtbaren Schluss: Studiengebühren schrecken die Studenten ab.
Zwar schiebt sie es eher auf den psychologischen Effekt und bringt auch gleich einige Gegenbeispiele, aber immerhin demontiert sie ohne wenn und aber die ideologisch sakrosankte "Sozialverträglichkeit" und Problemlosigkeit des Bezahlstudiums, wie es FDP und CDU so gerne propagieren.

Eva Herman vs. Thea Dorn

Gestern lief im ZDF Nachtstudio der Beitrag "Brauchen wir einen anderen Feminismus?" Während Arne Hoffmann das "Gespräch" sehr kurz zusammenfasst, werde ich mich dem etwas länger widmen.
Die Wahl der Gesprächspartner, die vor prasselnden digitalen Kaminfeuer einen gemütlichen Plausch halten sollten, legte die Fronten bereits fest: Eva Herman gegen Thea Dorn, auch durch die Sitzordnung klar gemacht. Jede hatte eine Verbündete dabei: Eva Herman ihre Ko-Autorin, Thea Dorn einen ihrer Interviewpartner und FDP-Europa-Abgeordnete. Mittendrin saß, gleichsam als vermittelnde Instanz, Professor der Soziolgie Burkard.
Wurde in der ersten Hälfte der Sendung noch wenigstens ansatzweise der Versuch gemacht, Argumente auszutauschen (die informierten Menschen ohnehin bereits bekannt waren) und Thea Dorn bereits gleich zu Anfang die Nazi-Keule schwang, wurde spätestens in der zweiten Hälfte eine Schlammschlacht untersten Niveaus geschlagen. Während Thea Dorn, stets mit der Attitüde eines Raubvogels auf Beutefang in Wartestellung sitzend, kaum mehr als ihre Interviewpartner vorzuweisen und gelegentlich die Nazikeule zu schwingen wusste, brillierte Eva Herman neben der durchaus berechtigten Forderung der Selbstverwirklichung als Mutter mit bemerkenswertet fehlendem Sachverstand durch die Behauptungen, dass Männer immer noch viel mehr verdienen würden und schwang ansonsten das braune Diskussionsbeendergerät fleißig mit. Dazwischen saß ein Professor Burkard, dem Moderator Panzer zwar immer wieder das Wort zu erteilen versuchte, der jedoch durch den Catfight der beiden Moderatorinnen effektiv am Reden gehindert wurde. Endgültig abgeschossen wurde der Niveauvogel jedoch von Thea Dorn, als diese haarsträubend versuchte, Eva Herman Rassismus anzudichten.
Beim Inhaltlichen fällt besonders die Einfallslosigkeit der vorgebrachten Positionen auf. Leute, die etwas von Interesse zu sagen gehabt hätten wurden wohlweislich erst gar nicht eingeladen und wären vermutlich auch nicht gekommen. Ansonsten konnte Herman mit ihrer Forderung nach einem Hausfrauenentgeld ebenso ihre naiv-ideoloogieverbrämte Weltsicht beweisen wie Thea Dorn, die außer ihren Musterkarrierefrauen nur die Standardantworten des neoliberalen Vokabulars zu bedienen wusste: "Wer soll denn das bezahlen?" und "Eigenverantwortung stärken". Wenn das ein anderer Feminismus ist, wird es wirklich Zeit, ihn endgültig als tot zu erklären und zu Grabe zu tragen.

Nachtrag: Inzwischen hat auch der Spiegel analysiert.
Nachtrag 2: Inzwischen hat mich Leserpost zur Spiegelanalyse erreicht:
"Der Spiegel-Artikel ist ja doof. Das stimmt doch gar nicht so. Ich fand die Dorn fast noch schlimmer als die Hermann. Warum macht der nur Eva runter und zieht nicht ein paar Zitate von der Dorn heraus? Und das soll objektiv sein?"
Nein, natürlich soll das nicht objektiv sein. Schließlich verdankt Dorn einen Gutteil ihrer Prominenz ja der regelmäßigen Veröffentlichung von Artikeln und Schleichwerbung Spiegel und SpiegelOnline.

Mittwoch, 29. November 2006

Zum Ackermann-Deal

Nachdem das Verfahren gegen Ackermann und Konsorten nun offiziell eingestellt wurde und diese sich für Peanuts freikaufen konnten, kochen die Emotionen wieder hoch. Besonders jene, die sich am besten beschämt in die Ecke stellen sollten, in der sich bereits die Vertreter der Wirtschaft auffallend still verhalten, schreien nun besonders laut: die Politiker. Dabei haben die eigentlich gar keinen Grund dazu. Schließlich haben sie die Grundlage für die Schweinerein geschaffen, die Ackermann und Kollegen mit der Bratgans Mannesmann veranstaltet haben.
Reich rechtlich ist die Sache klar: was die Ackermänner getan haben, ist vollkommen legal. Es passiert jährlich 120.000 Mal in Deutschland. Seine besondere Brisanz erhält der Fall eigentlich nur durch die unglaubliche Medienaufmerksamkeit, die der Fall auf sich gezogen hat - und die Konsequenzen, die er mit sich brachte, für Verbraucher, für Angestellte. Und für Manager.
Zur Erinnerung: um die Jahrtausendwende waren Mannesmann und Vodafone die größten europäischen Telekommunikationshändler. Beide hatten zahlreiche Konkurrenten aufgekauft und wetzten die Messer zum Endkampf. Wer übernimmt wen, lautete die Frage, und im Jahr 2000 war sie entschieden: Vodafone kaufte Mannesmann. Dabei ereignete es sich, dass die scheidenden "Topp"-Manager, die ihr Unternehmen nicbt hatten retten können und damit zahlreichen Angestellten den Arbeitsplatz und zahlreichen Anlegern das Vermögen gekostet hatten, mit rund 58 Millionen Euro abgefunden wurden - nicht mitgerechnet die Millionenbeträge, die sie selbst in der Übernahmeschlacht verdient haben, in deren Verlauf der Mannesmann-Kurs von 122 auf 350 Euro stieg - vollkommen überbewertet und eine poison pill, an der Vodafone noch heute krebst. Fehlen in unserer Bilanz eigentlich nur noch die Kunden, die von den Telefonkonzernen die Kosten für deren Fehlspekulationen aufgedrückt bekommen haben und pro Jahr rund drei Milliarden Euro zusätzlich bezahlen müssen.
Kritik an dem nun eingestellten Prozess bewegt sich auf einem schmalen Grat: rein rechtlich ist die Sache lupenrein, die Zahlungen angemessen (Ackermann zahlt 3,2 Millionen, Maximalstrafe wären 3,6 Millionen gewesen). Wer deswegen, wie die Politiker, vollmundig ein Versagen des Rechtsstaates herbeiproletet, will eben diesen wieder einmal weiter unterhöhlen. Zu gerne vergessen sie dabei, dass sie es waren, die einen entsprechendenn Strafbestand, der eine Verurteilung ermöglicht hätte nicht ermöglichten. Dasselbe Phänomen konnte und kann man bei den Verteufelungstiraden im Falle Counter-Strike beobachten. Aber ich schweife ab.
Die Leitmedien sind sich darin einig, dass das Urteil eine vollkommene Peinlichkeit für Staatsanwaltschaft und Politik und ein Schlag ins Gesicht für die breite Masse des ausgenutzten Volkes war, während Ackermann statt Victory-Zeichen eben überheblich grinst. Die Manager haben aus dem Skandal gelernt, dass sie tatsächlich ins Kreuzfeuer der Kritik geraten können; ob sie dadurch ihr Handeln in Frage stellen werden, sie dahingestellt. Die Verlierer sind wie üblich wir, die einfachen Leute. Ohne die Millionen, die sie verdienten und verdienen, sind wir ihren Fehlern ebenso hilflos ausgeliefert wie ihrer feixenden Mimik. Und das ist die wirkliche Schande, an der sich auch die Neoliberalen echauffieren sollten: denn hier funktioniert der Markt nicht, hier zeigt er, gleichsam mit krachendem Getöse, seine Grenzen auf.

Montag, 27. November 2006

"Linksruck" der Union?, Nachtrag V

Nun ist der CDU-Parteitag vorbei. Neben der obligatorischen Bestätigung Merkels gab es erstmals seit langem auf einem "Volks"parteitag wieder echte Emotionen und Richtungsstreit zu sehen. Rüttgers verlor bei der Abstimmung zum Vize beinahe 20 Prozentpunkte, aber man sollte das nicht überbewerten - den anderen Landesfürsten ging es in den Abstimmungen nicht besser. Dabei handelt es sich wohl um eine Stärkung Merkels, die einen Kronprätendanten absolut nicht dulden kann. Überhaupt profilierte sie sich, wenn überhaupt, als Schlichterin: es scheint, als ob sie in der Tat zu nicht mehr berufen sei als das ewige Austarieren von Positionen.
Insgesamt zeigt der Parteitag jedoch etwas anderes in viel deutlicherer Klarheit: die Erosion der demokratischen Werte wird auch hier kaum gestoppt. Wie Franz Walter richtig anmerkt, zeigt sich in der ideenlosen Abwicklung der Parteitagsreden und -ausschüsse der ganze Skandal der Entfernung der Eliten nicht nur der "Volks"parteien eben vom Volk. Insofern konnte der CDU-Parteitag zwar mit einem echten Richtungsstreit aufwarten, doch die beiden gegensätzlichen Antgräge eines Oettinger (wie immer auf marktradikalem Kurs gegen die Arbeitnehmer und gen Berlin) und eines Rüttgers (auf populistischem Kurs gen Berlin) haben keine Durchsetzungschance in Berlin - deswegen ist ihre Annahme oder Diskussion eigentlich nicht wirklich von pragmatischem Belang. Das Ziel der CDU ist klar formuliert, 40%+x. Ob sie es erreichen wird, ist mehr als fraglich. Schon längst hat der Abkopplungsprozess der Politik vom Volk dramatische Ausmaße angenommen, und die einzige der Bundestagsparteien, die noch tatsächlich rhetorische Lippenbekenntisse zum Volk abgibt - die Linkspartei - schafft dies auch nur mit teils extremem Populismus. Diesem Thema, zu dem ich an dieser Stelle nur einen weiterführenden Link bieten will, werde ich mich in näherer Zukunft widmen.

Unterschicht oder nicht Unterschicht, eigentlich keine Frage

Hans-Ulrich Wehler, den meisten Zeitgenossen sicherlich durch die von ihm formulierte These des "deutschen Sonderwegs" bekannt, hat in der Zeit einen Artikel verfasst, in dem er auf die Unterschichtenthematik und die aktuell daraus erwachsene Kritik eingeht. In diesem bringt er sein Unverständnis über die deutsche "Vogel-Strauß-Taktik" zum Ausdruck, die, im Gegensatz zu allen anderen Ländern, die Existenz von Klassen zu verschweigen sucht und stellt die rhetorische Frage nach ihrem Sinn. Außer den Abgeordneten der Linkspartei, die er aus irgendeinem Grund als Steinzeitmarxisten diffamiert, hat bisher niemand Kritik an den Zuständen angemeldet.
Dabei verweist Wehler natürlich darauf, dass die Klassenunterschiede nicht mehr so schmerzhaft zutage treten wie im 19. Jahrhundert - das tägliche Leben ist heute gottlob keine Frage mehr. Er verweist auch auf den Einkommensdrift hin zu den neuen oberen Bürgerklassen, bringt jedoch ein verblüffendes Faktum in die Diskussion ein:
"Die Verteilung des Geldvermögens ist in den ersten vier Jahrzehnten der Bundesrepublik auffallend stabil geblieben. Bereits in den sechziger Jahren hatte der Ökonom Wilhelm Krelle in einer sorgfältigen Analyse ermittelt, dass die winzige Minderheit von 1,7 Prozent aller Haushalte über 74 Prozent des Produktivvermögens und 35 Prozent des Gesamtvermögens verfügte. Dreißig Jahre später ergab seine Kontrolluntersuchung einen nahezu identischen Befund." Daraus resultiert, dass die Sozialpolitik keine Veränderungen bei der Einkommensverteilung in Hinblick auf eine Nivellierung der Unterschiede erreicht hat. Was Wehler dabei nicht beachtet ist aber, dass es auch keine Vergrößerung der Unterschiede gab - und das trotz Thatcher, Reagan und Schröder/Merkel. Und die Reichen werden immer Reicher, nur hat die Sozialpolitik dafür gesorgt, dass das Verhältnis gleichbleibt und auch die unteren Schichten profitieren. Genau dieses Konstrukt gerät nun jedoch ins Wanken.
Zurück zum Artikel. Wehler stellt weiterhin fest, dass die Bindungen zwischen Menschen weiterhin zu 60-80% innerhalb des eigenen Milieus geschlossen werden und damit eine starke Undurchlässigkeit des sozialen Systems geschaffen ist. Lösungsansätze oder weitergehende Folgerungen weiß er allerdings nicht zu bieten.
Er endet mit einem sehr realistischen wie ehrlichen Ausblick:
"Offene Diskussionen, auch über Reichtum, sind notwendig: Völlig verfehlt ist in diesem Zusammenhang der immer wieder auftauchende Vorwurf des Sozialneids, wenn nüchterne Daten zur sozialen Ungleichheit angeführt werden. Ebenso kurzatmig ist freilich die Anklage aus der SPD-Linken, dass die Wurzel allen Übels in Schröders Agenda 2010 liege: Die hat die »Unterschicht«, über die endlich gesprochen werden muss, nun wirklich nicht geschaffen. Besaß die Linke bisher eine honorige Tradition der Sozialkritik, ignoriert sie jetzt vollständig die historische Tiefendimension der Probleme, welche in der Sozialstruktur der Bundesrepublik gespeichert sind."
Man sollte dabei nicht übersehen, dass "die Linke" für Wehler dabei immer noch - zu Unrecht - die SPD ist, denn wie er zu Anfang des Artikels bemerkte, trifft seine Kritik für die Linkspartei nicht zu.

Fundstücke

Wer schon immer mal wissen wollte, wie die Deutsche Bahn eigentlich aufgebaut ist, der wird hier fündig.

Die Zeit hat einen wunderbaren Artikel über den Iran und seine Rolle im Nahen Osten veröffentlicht, der sich wohltuend von der Hysterie der anderen Leitmedien oder der bedinungslosen Unterstützung der Linken abhebt.

Amokläufe mit und ohne Selbstmord

Unter diesem Topos hat Gerhard Wisnewski seinen Senf zum Amoklauf abgegeben:
"Die öffentliche Diskussion über die Schulattentate ist an Verlogenheit und Heuchelei nicht mehr zu überbieten. Wie man das von der Politik nun mal gewöhnt ist, stellt sie die Realität völlig auf den Kopf. Dieses Land leidet ohnehin unter einem derart galoppierenden Realitätsverlust, daß es über kurz oder lang nicht mehr funktionsfähig sein dürfte. Mit der gewohnten Wichtigtuerei prügeln die Politker auf Computerspiele ein und verdächtigen sie als Ursache der Schulmassaker. Dabei sind sie nicht Ursache, sondern Ausdruck und Ventil für Aggressionen. Woher kommen denn die enormen Aggressionen auf die Schule, die Erwachsenen und das Leben allgemein? Ausdruck dieser Aggressionen sind ja nicht allein die Schulattentate; sie sind ja nur die spektakuläre und auch fragwürdige Spitze des Eisbergs."
Gut, die Aussage, dass Computerspiele NICHT die Schuldigen sind, findet man bei jedem halbwegs klar denkenden Menschen. Doch Wisnewski wäre nicht Wisnewski, würde er nicht gleich einige unangenehme und wie üblich brutal offen benannte Erklärungen bieten, die nicht einmal so abwegig klingen wie die meisten seiner Thesen:
"Ursache der Gewalt sind weniger die Computerspiele als vielmehr diejenigen, die so nachdrücklich mit dem Finger auf sie zeigen. Haltet den Dieb!, schreien Politiker, die die Gesellschaft und ihre Kinder täglich um ihre Zukunft betrügen - dieselben Politiker, die dafür sorgen, daß der Dampfdruck in der Gesellschaft und in der Schule kontinuierlich steigt:
  • durch eine verkürzte Schulzeit, die den Druck zusätzlich erhöht,
  • durch den ständig steigenden Kostendruck durch Büchergeld u.a. in der Schule,
  • durch eine goteske Rechtschreibreform einschließlich dauernder Änderungen, die Schüler zwangsläufig verwirren und frustrieren muß, die um Lesen und Schreiben kämpfen,
  • durch die ständige Botschaft an die Kinder, daß sie sowieso niemand brauchen kann, wenn sie aus dem Tollhaus Schule herauskommen,
  • durch fehlenden Kontakt und fehlende Ansprechpartner zuhause,
  • durch die Botschaft, daß sich immer weniger Schüler ihr Studium werden leisten können,
  • durch das tägliche Erlebnis, daß schon die Eltern niemand mehr brauchen kann,
  • durch vom Existenzkampf bedrohte Eltern, die ihre Kinder nach der Schule in den Hort abschieben müssen,
  • durch ständige Angstkampagnen in Bezug auf Terrorismus, BSE, Vogelgrippe, mit denen Politiker die Gesellschaft kontrollieren wollen,
  • und natürlich durch die Gewalt, die Politiker weltweit ständig selber ausüben und vor der Welt in Friedensmissionen umlügen.

Sind letzteres vielleicht die Beispiele, die die Kinder von solchen Gewaltexzessen abhalten sollen? Kinder und Jugendliche sind sehr sensibel für Lügen; sie durchschauen sie oft bereits, wenn die Eltern noch an das Geschwätz von Bush und Merkel glauben.
Nun, ich weiß nicht, wie sensibel Kinder tatsächlich für Politikerlügen sind - aber an dem gestiegenen Druck ist tatsächlich was dran, und Wisnewski hat noch nicht einmal den alltäglichen Druck durch Geschlechter-, Status- und Positionskämpfe erwähnt. Am Ende des Artikels gleitet Wisnewski wieder in eine Polemik gegen die letzten Kriege ab, die er ebenfalls als Amokläufe bezeichnet - nur eben der verantwortlichen Politiker, die "am Ende nicht so viel Stil haben, Selbstmord zu begehen."

"Linksruck" der Union?, Nachtrag IV

Die Zeit hat einen Artikel gebracht, der noch einmal gut die aktuelle Lage analysiert - wenn er auch ungemein stark wertet.

Sonntag, 26. November 2006

Frankreich auf Macho-Kurs

Manchmal glaubt man, für die Franzosen sie die Zeit wirklich stehen geblieben. So anno 1805, kurz nach Jena/Auerstedt, als man die Grande Nation unter dem Führer Napoleon war und die beherrschende Weltmacht. Aber auch, wenn es das Nationalgefühl unserer geliebten Nachbarn sicherlich hart ankommt: diese Zeiten sind lange vorbei, spätestens seit dem (verlorenen) Zweiten Weltkrieg. Einen kleinen Teil hat man sich mit dem Atomarsenal erhalten, doch auch das, so sollte man denken, ist seit dem Ende des Kalten Kriegs nicht mehr länger von Bedeutung. Immerhin ist man ja Anfang der 90er auch wieder in die Nato eingetreten. Aber nun rüstet Frankreich ganz massiv sein Atomwaffenarsenal auf. Milliarden im höheren zweistelligen Bereich werden in neue Atom-U-Boote und Langstreckenraketen gesteckt. Wozu?
Trotz massiver Kritik aus Opposition und Bevölkerung spielt Jacques Chirac wieder Weltmacht. Der Weltsicherheit tut es sicher nicht gut, denn es handelt sich um einen klaren Verstoß gegen diverse Abrüstungs- und Atomteststoppverträge. Und dieser Präzedenzfall wird Wasser auf den Mühlen eines Iran oder Nordkorea sein. Wer will ihnen auch ernsthaft unter Verweis auf diese Verträge Atomwaffen verbieten, wenn andere sie so offenkundig brechen?

Hysterie oder Rassenhass?

In den USA ist wieder einmal ein Schwarzer von der Polizei mit Kugeln durchsiebt worden. Nach einem Junggesellenabschied in der Stripbar wurde das Auto der fünf Männer regelrecht mit Kugeln durch die Polizei gespickt, obwohl alle unbewaffnet waren. Soweit die Artikelüberschriften. Liest man weiter, erfährt man, dass die Bar wegen krimineller Aktivitäten unter Beobachtung lag. Also nur ein dummer Zufall? Liest man noch ein wenig weiter erfährt man, dass die fünf Männer, nachdem sie in ihr Auto gestiegen waren, ausversehen ein Observierungsfahrzeug rammten. Sie setzten zurück, überfuhren beinahe einen weiteren Polizisten und rammten den Wagen erneut. Da eröffneten die Polizisten das Feuer.
Den Vorwurf des Rassismus, den Bürgerrechtler sofort reflexartig erhoben, weist die Polizei zurück, mit einer guten Begründung: von den fünf Schützen seien zwei Weiße, einer Latino und zwei Schwarz gewesen. Das Einzige, was man den Männern anlasten kann ist, gleich geballert zu haben, anstatt die Männer festzunehmen. Ihre Reaktion ist vor dem Hintergrund der angespannten Situation und volltrunkener Männer, die sie augenscheinlich angreifen, gut zu verstehen, so tragisch das Endergebnis auch ist. Wieder einmal sollten sich die USA die Frage stellen, ob ihre Waffengesetze tatsächlich so vernünftig sind - denn in Deutschland hätte sicherlich nicht die Gefahr bestanden, dass sie, abgesehen von ihrer Rammattacke, vielleicht noch einige halbautomatische Gewehre unter dem Sitz gehabt hätten.

Samstag, 25. November 2006

Verbraucherschutz im Alltag

Inzwischen stehen auch prominentere Vertreter der Branche im Kreuzfeuer: offenbar betrügt Premiere in großem Maßstab Kunden.

Freitag, 24. November 2006

Verbot, Verbot, Verbot! Was eigentlich? Egal!

Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich die Politik wie weiland 2002 wieder auf die "Killerspiele" stürzen würde. Dieses Mal mischt sich jedoch nicht mit höchstinstanzlichem Basta ein Kanzler ein, der nachher einsehen muss, dass er der BPjM nicht reinzureden hat, sondern vielmehr ein gestandener Bayer im Verbund mit einem Niedersachsen. Und die versuchen sogar, mit Argumenten anzukommen, die selbstverständlich genauso angestaubt sind wie die Diskussion selbst. Während Wulff altklug höhere Altersbeschränkungen fordert - weil es ja praktisch keine Möglichkeit gibt, an so etwas heranzukommen -, macht Stoiber keine halben Sachen. Verbieten, alle! Seinen Sachverstand beweist er im Gegensatz zu Wulff ("Es kann ja sein, dass das ganze Gewaltpotenzial sich erst zeigt, wenn mehrere Level durchlaufen sind") mit Phrasen wie:
"SPIEGEL ONLINE: Es gibt viele Wissenschaftler, die bezweifeln einen direkten Zusammenhang zwischen Computerspielen und direkter Gewaltausübung.
Stoiber: Jene, die meinen, es handele sich um einen unzulässigen Eingriff in die Freiheit, sollen bitte schön einmal mit Pädagogen und Lehrern reden, die tagtäglich mit Kindern konfrontiert sind, die stundenlang mit solchen Spielen spielen. Ich höre oft bei Schulbesuchen: Selbst Kinder aus intakten Familien, die damit in Berührung kommen, sind die ganze Woche für den Unterricht nicht mehr zu gebrauchen. Die Lehrer haben eine ungeheure Mühe, diese Kinder wieder einigermaßen zu festigen und für den Unterricht zu gewinnen. Wir dürfen das Engagement unserer Eltern und der Erzieher nicht so erschweren, wenn Kinder unsere Zukunft sein sollen.
SPIEGEL ONLINE: Wie sollen Einschränkungen denn konkret aussehen?
Stoiber: Es müssen solche Spiele verboten werden, in denen Mord und Totschlag propagiert und dazu angeleitet wird. Schon die Hersteller müssen prüfen, ob sie nicht bei der Produktion solcher Spiele gegen bestimmte Grundsätze verstoßen.
SPIEGEL ONLINE: Wandern solche Hersteller dann nicht einfach ins Ausland ab?
Stoiber: Das ändert ja nichts daran, dass solche Spiele eine gemeinschaftsschädliche Wirkung haben. Wir in Deutschland müssen dann eben formulieren, dass wir so etwas nicht wollen. Und wir müssen dann auch alle Hebel in Bewegung setzen, um solche, im Ausland hergestellten Spiele hier zu verhindern. Der Kampf gegen Kinderpornografie hat gezeigt, dass bei einem Verbot auch die Verbreitung über das Internet zurückgedrängt werden kann."
Neben diesen hanebüchenen Argumentationen fehlt natürlich der Verweis auf diffuse Werte ebenfalls nicht. Lest ruhig das komplette Interview. Auch interessant ist, dass in dieser hochbrisanten Angelegenheit Eingriffe des Staates ins Wirtschaftsleben selbstverständlich vollkommen in Ordnung und die Abwanderung von Firmen eben in Kauf genommen werden muss, während reale Gefahren für Leib und Gesundheit wie der Verkauf genmanipulierter Ware selbstverständlich erlaubt werden müssen, um den Freien Markt nicht zu gefährden.
Aber ich weiche ab. Dass diese ganze Debatte eigentlich nur dazu dient, wie 2002 eben nichts unternehmen zu müssen, dürfte jedem halbwegs wachen Beobachtet klar sein. Und das zeigt nichts besser als dieser Gamestar-Artikel, den ich euch wärmstens empfehlen möchte.

"Linksruck" der Union?, Nachtrag III

Inzwischen hat sich der Richtungsstreit der Union eine weitere Eskalationsstufe nach oben geschraubt: zum einen wird er wohl Kernthema des Dresdener Parteitags werden, wo Rüttgers und Stoiber gegen Wulff und Oettinger antreten, während eine blasse Merkel wie üblich bedeppert dabeisitzt. Die SPD schweigt Rüttgers weiterhin aus und versucht ihn nach Kräften zu ignorieren. Wahrscheinlich bezeichnet sie ihn bald im Einklang mit der Springerpresse als "so genannter Herr Rüttgers".
Und zum zweiten hat sich, der eigentlich unabhängig und unparteiisch sein sollte, eingemischt: Horst Köhler. Nachdem er mit seinem "Nein" zur Privatisierung der Flugsicherung einige wenige Pluspunkte holen konnte, rutscht er auf der Beliebtheitsskala sowohl der Politik als auch der Bevölkerung deutlich ab. Nicht nur, dass ihm eine konkrete Einmischung dieser Art nicht zusteht, er vertritt natürlich auch noch die Seite der Heuschrecken und salbadert von Sozialer Gerechtigkeit. Man darf gespannt sein, wie die Sache weitergeht.

Ackermännischer Deal

Aller Voraussicht nach wurde dem Recht in Deutschland heute wieder einmal ein entscheidender Schlag verpasst: Ackermann und Kollegen dürfen sich freikaufen. Schlappe 6 Millionen sollen dabei über den Tisch gehen, 60% für den Staat, der Rest für "gemeinnützige Einrichtungen". Die übrigen 54 Millionen von dem Deal bleiben, wo sie sind - bei den Managern. Und die lächeln bereits zufrieden. Immerhin geben sich die Manager generös und wollen die Strafe aus eigener Tasche zahlen, anstatt einfach ein paar hundert Leute zu entlassen. Na, das ist doch was.

Abschied vom ewig männlichen Täter?

Arne Hoffmann hat einen interessanten Artikel verfasst, den ich euch natürlich nicht vorenthalten will. Konkret geht es um eine neue "Studie", die einmal mehr das Bild vom ewig männlichen Gewalttäter und dem ewig weiblichen Opfer untermauert - mit Analysemethoden, die wie üblich mehr als fragwürdig sind. Während die ach so aufgekärt-kritische linke Presse die Studie in ihrer Intention aufnimmt, demontiert ein Bremer Professor (dass es keine Professorin ist, wird dem Feminismus wahrscheinlich Beweis genug sein, das ganze für null und nichtig zu erklären) ausgerechnet in der Springerpresse dieses Bild. So sehr ich auch normalerweise versuche, um Springerblätter einen großen Bogen zu machen - diesen Welt-Artikel kann man der Öffentlichkeit nicht vorenthalten.

Mittwoch, 22. November 2006

Die Kirche öffnet sich!

Mit einer Verspätung von nur rund 150 Jahren hat die katholische Kirche eine Kondomstudie in Auftrag gegeben, die derzeit unter Verschluss gehalten wird. Darin geht es besonders um das Nutzen von Kondomen, um eine Ansteckung mit AIDS zu verhindern. Berichten aus dem Vatikan zufolge wird derzeit erwogen, AIDS-Infizierten das Nutzen eines Kondoms zu gestatten, um eine Ansteckung zu verhindern - entschieden ist aber noch nichts. In keinem Fall jedoch dürfte sexuelle Freizügigkeit das Ziel sein. Na, so viel Liberalismus wollen wir den hohen Kirchenvätern in ihrem Alter auch nicht mehr zumuten, wo immerhin die Ansteckung mit Geschlechtskrankheiten durch Gebrauch des hochheiligen Genitals keine Gefahr mehr darstellt.

"Linksruck" der Union?, Nachtrag II

Die Zeit hat sich wieder dem aktuellen Richtungsstreit der Union angenommen. Ich übereinstimme noch immer mit Franz Walters Einschätzung, es handle sich hauptsächlich um ein wahltaktisches Manöver. Spinnt man diese These weiter, so zeigt sich besonders der aktuelle neoliberale "Rollback" in anderem Licht: der wird nämlich von Günther Oettinger angeführt, seines Zeichens allgemein unbeliebter Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Dieser versucht bereits seit einigen Monaten sich auf Bundesebene zu profilieren. Nachdem er in den Medien für Stuttgart 21 viel Hohn und Spott erntete, gibt ihm die aktuelle Debatte nun die Möglichkeit, sich als knallharter Reformer und Führer des wirtschaftsliberalen Flügels darzustellen, eine Pose, die ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit als Sprungbrett nach Berlin dienen kann. So profitieren letztlich alle Seiten davon: Rüttgers und seine NRW-CDU profilieren sich als Volksvertreter der alten Schule und konsolidieren die noch unsichere Position, während die CDU gleichzeitig ihr durch die Reformpolitik stark ramponiertes Volksparteiimage aufbessern kann. Oettinger gleichzeitig räumt für die Wirtschaft und andere Liberale jeden Verdacht aus, dass es sich um einen ernsthaften Gesinnungswandel handeln könnte. Und beide Ministerpräsidenten, vorher reichlich farblose Gesichter in den Leitmedien, kommen ganz groß raus.

Fundstücke

Gerhard Wisnewski hat ein Ressümee des neuesten "Sicherheitswahnsinns" an deutschen Flughäfen verfasst, das wie üblich gnadenlos überdreht ist (besonders in den Schlussfolgerungen), jedoch, wenn man diese überließt tatsächlich einige Fragen übrig lässt, was die Sicherheitsprozeduren an deutschen Flughäfen angeht.

Arne Hoffmann hat ein Essay verfasst, in dem er sich mit Einwanderungspolitik beschäftigt. Es lohnt sich zu lesen und selbst einmal darüber zu reflektieren.

Montag, 20. November 2006

Mal was wirklich witziges

Nach Berichten von Spiegel und N.TV steckt der BDI in Finanznot. Warum? Weil die Mitgliedsunternehmen ihren Mitgliedsbeitrag teilweise um Jahre im Verzug sind. Ist das nicht zum Kringeln?

Fundstück

Eine Abhandlung über die furchtbare Minijob-Situation und die Beziehung zu den Gewerkschaften von SpiegelOnline.

Die Front der Asozialen marschiert erneut

Hinter dem netten Kürzel BDA verbirgt sich die Bundesvereinigung der Arbeitgeber. Und diese hat, passend zum Rüttgers-Vorstoß (vgl. hier und hier), einen eigenen Vorschlag in die Diskussion eingebracht. Der sieht - trotz der von der Großen Koalition im Angesichts der Milliardenüberschüsse der BA gewährten Sozialsteuersenkung auf 4,2% - vor, die Bezugsdauer des ALG I strikt für alle auf ein Jahr zu begrenzen, da dieses bisher im Einzelfall bis zu 18 Monate ausbezahlt werden kann. Im Artikel findet sich dabei folgerichtig der Zusatz "bis der Übergang zum aus Steuergeldern finanzierten ALG II geschaffen ist". Denn darum geht es, um eine erneute Kostenreduktion für die Unternehmen auf Kosten der Angestellten. Selbstverständlich bleibt es nicht bei diesem vergleichsweise milden Vorschlag, denn wenn sich die Vereinigung der Überbezahlten schon einmal regt, dann muss es sich auch richtig lohnen. So fordert man noch zusätzlich gleich eine Sperrfrist für Arbeitslose, die nach den BDA-Plänen die ersten vier Wochen einfach mal gar kein Geld bekommen sollen, als "Anreiz", sich schnell eine neue Arbeit zu suchen. Von was Miete, Essen und ähnliches in dieser Zeit bezahlt werden sollen (von den Aktienoptionen vielleicht?), darüber schweigt sich der BDA aus. Dazu passt die Aussage von Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Austermann (natürlich CDU): "Zudem stünden die Pläne den Grundgedanken der Bundesregierung entgegen, monierte der Landesminister: Gemäß dem Prinzip Fordern und Fördern gehe es darum Arbeitslose zu «aktivieren», damit sie wieder eine Tätigkeit aufnehmen."
Es gibt selbst dieser Tage nur wenig, was den Zynismus dieser Aussagen überbieten kann. Im vollen Bewusstsein der Unmöglichkeit einer Vollbeschäftigung wird weiter so getan, als ob die Jobs auf der Straße liegen und man sich nur bücken müsste. Die Stigmatisierung der Arbeitslosen als faule Säcke wurde damit wieder ein Stück vorangetrieben. Wann endlich beginnen diese Leute, konstruktiv nach Lösungen zu fahnden? Natürlich nie, denn wenn sie ihren Job verlieren, kriegen sie eine Millionenabfindung.

Israellobby?

Marcia Pally hat in der Frankfurter Rundschau einen Artikel veröffentlicht, in dem sie sich der Frage nach einer Israellobby in den Vereinigten Staaten stellt, wie zuletzt von Tony Judt behauptet (vgl. hier). Sie vertritt dabei die These, die Juden hätten mir ihren zweieinhalb Prozent Bevölkerungsanteil gar nicht die Macht, die ihnen allgemein zugesprochen würde; im Nahen Osten befriedigte Bush (den die überwältigende Mehrheit der Juden ablehne) die Interessen seiner evangelischen, konservativen Stammwähler. Ich kann ihr in sofern zustimmen, als dass die Idee einer übermächtigen, die US-Politik dominierenden Israellobby in der Tat Hirnschiss ist. Allerdings geht Frau Pally auch zu einfach vor, wenn sie die Frage allein mit Verweis auf die Bevölkerungsanteile zu klären versucht, denn Einfluss rechnet nicht aus dem numerischen Anteil der Bevölkerung, wie die neoliberale Politik Tag zu Tag zeigt.
Ein weiterer großer Kritikpunkt an dem Artikel ist dabei ihr Einwand, Israel werde teils "etwas jenseits aller vernünftigen politischen Kritik" kritisiert, da man schließlich auch die Menschenrechtsverletzungen Russlands, Burmas und des Sudans nicht mit dieser Vehemenz kritisiere, denn er geht in die Irre. Russland, Burma und der Sudan reklamieren für sich nämlich nicht die moralischen Ansprüche, die Israel erhebt, und an denen es sich konsequenterweise messen lassen muss - das gleiche Argument bringt Chomsky für die USA vor (ich mache in letzter Zeit irgendwie oft Werbung für ihn).
Wahrscheinlich liegt die Wahrheit, wie so oft, irgendwo in der Mitte.

Fundstück

Das Vater-Unser der Kapitalisten

Unser Vater Kapital,
der Du bist von dieser Welt,
allmächtiger Gott,
der Du den Lauf der Flüsse veränderst und Berge durchstichst,
der Du Erdteile von einander trennst und Nationen zusammenkettest,
Schöpfer der Waren und Quelle des Lebens,
der Du Königen und Untertanen, Arbeitern und Unternehmern befiehlst, Dein Reich werde errichtet auf Erden .
Gib uns Käufer in Menge, die unsere Waren abnehmen, die guten wie die schlechten,
Gib uns notleidende Arbeiter, die ohne Murren die härteste Arbeit und den niedrigsten Lohn annehmen.
Gib uns Gimpel, die auf den Leim unserer Prospekte gehen .
Gib uns, dass unsere Schuldner ihre Schulden völlig an uns abzahlen .
Führe uns nicht in das Zuchthaus , sondern befreie uns von dem Bankrott und verleihe uns ewige Renten .
Amen.

Quelle

"Studiengebühren" für Unternehmen

Manchmal ist einfach ein Labsal zu sehen, wie Unternehmen und andere reiche Leute sich winden, wenn sie ihre eigene Medizin zu schmecken bekommen. Mit dem geänderten Steuerrecht 2007 kommt ein Passus hinzu, der verbindliche, schriftliche Auskünfte beim Finanzamt kostenpflichtig macht - nach Sachwert. Den Otto Normalbürger berührt das nur im Ausnahmefall, da kleine und mündliche Auskünfte weiter kostenfrei bleiben. Die Unternehmen jedoch bezahlen bis zu einer Million Euro im Jahr mehr. Selbstverständlich haben sie sich bereits in Position gebracht und feuern mit aller Munition. Eine absolute Unverschämtheit sei das und, besonders interessant, "das könne ja nicht sein, da die Steuer ja noch obendrauf kommt" - so BDI-Steuerchef Welling.
Komisch, dass im Endeffekt die gleiche Argumentation immer und besonders von denen, die nun schimpfen wie die Rohrspatzen, immer für die Studiengebühren vorgebracht wurde. Aber man redet immer gleich ganz anders, wenn es an den eigenen Geldbeutel geht.

"Linksruck" der Union? Nachtrag

Kaum wankt der Riese, kommen sofort neue Feinde auf. Die aktuelle Debatte um den "Linksruck" der Union scheint sich zum generellen Richtungsstreit auszuweiten. Norbert Blüm, Arbeitsminister von 1982 bis 1998, hat ein neues Buch mit dem einprägsamen Titel "Gerechtigkeit" vorgestellt, in dem er, unterstützt durch das politische Gewicht Horst Seehofers, eine gnadenlose Abrechnung mit den Neoliberalen darstellt und eine Rückbesinnung auf die Soziale Marktwirtschaft fordert. Es scheint, als ob die Debatte in der Union sich langsam, aber sicher zum generellen Richtungsstreit auszuweiten beginnt. Noch ist die Zahl der Unterstützer der Sozialen Marktwirtschaft vergleichbar gering, aber da die Aussichten derzeit deutlich besser werden Gehör zu finden ist es durchaus wahrscheinlich, dass auch andere Bereiche der CDU - gerade an der Basis - in die Kritik einsteigen. Man darf gespannt sein; das rechte Horrorszenario, die CDU überhole die SPD links wird immer realistischer. Wann kommt die erste Koalition zwischen Linkspartei und CDU auf Länderebene?

Hartz-IV vor Gericht

Nächste Woche entscheidet das Bundessozialgericht über die Verfassungsmäßigkeit von Hartz-IV. Juristische Bedenken gibt es zuhauf, und noch viel mehr sozialpolitische. Im Zeit-Interview äußert sich Richter Berlit zum Thema. Er findet, kurz zusammengefasst, dass der Hartz-Regelsatz zu niedrig sei (wobei er die Position noch für verhandelbar hält - er prangert in dem Zusammenhang auch die mangelnde Legitimation dieses 345 Euro Betrags durch die Politiker an), dass keine öffnungsklausel für atypische Fälle besteht, dass Hartz-IV im allgemeinen eine viel zu große Typisierung betreibt und dass es Leute eben in die Ecke stellt. Interessant zu lesen in jedem Fall.

Sonntag, 19. November 2006

"Linksruck" der Union?

Dieser Tage hat die Linkspartei als Feindbild ausgedient. Nichts kann so schlimm sein wie die Verfechter der Sozialen Gerechtigkeit in rot, wenn der Feind von innen kommt. Dass man beim Kampf gegen einen Feind von innen sowohl gerne mal mehr deutlich mehr feuert als angemessen wäre und dass, nachdem sich der Rauch verzogen hat, oft kein Feind mehr zu sehen ist, hat die Terrorismusdebatte in letzter Zeit oft genug gezeigt. Nun aber gibt es einen neuen Feind, der an den Grundfesten der Freiheit rüttelt: Jürgen Rüttgers! Der CDU-Abgeordnete wagt doch tatsächlich, kleine Schönheitskorrekturen an Hartz-IV zu fordern, die, kämen sie von der Linkspartei, sofort als populistisch abgetan würden. Doch Rüttgers ist CDU-Mann, und dass die CDU etwas für's Volk tut, den Eindruck wollen wir doch gar nicht erst entstehen lassen.
Nun, genug der Polemik, um was geht es eigentlich? Rüttgers Vorschlag läuft darauf hinaus, Arbeitslosengeld I für Leute, die 40 Jahre lang (!) einbezahlt haben um vier Monate zu verlängern. Kaum mehr als eine milde Geste, die an und für sich ob ihrer Frechheit mit einem Entrüstungssturm bedacht werden sollte. Wird sie auch, allerdings mit einem anderen als erwartet. Nicht die Bevölkerung schreit gegen diese Ungerechtigkeit auf, nein, natürlich die neoliberalen "Reformer". Der "Linksruck" muss unbedingt vermieden werden, Oettinger geht als guter Baden-Württemberger natürlich gleich so weit die Freiheit in elementarer Bedrohung zu sehen und verfasst, passend zu seinen Berliner Ambitionen, gleich ein Gegenprogramm. Nicht, dass von dem Neues zu erwarten wäre. Aber ich schweife ab. Wie nämlich der profilierte Parteienforscher Franz Walter richtig erkennt, ist der Aufruhr derzeit auf eine geradezu akute politische Blindheit der Akteure zurückzuführen. Dass die SPD sich ärgert, ist verständlich, schließlich will man trotz der Adelung durch die CSU (wir erinnern uns: sie warf der SPD vor, neoliberale Politik zu betreiben) nicht ganz auf das ehemalige Stammklientel verzichten. Warum aber die anderen CDU-Oberen derart blind auf den Mann, der ihren Volksparteistatus mit einer so vergleichsweise lächerlichen Geste retten könnte, eindreschen, bleibt komplett unverständlich.

Enthüllungsjournalist Hersh: Keine Beweise für Atombombenprogramm des Iran

Wie SpiegelOnline berichtet, hat der US-Enthüllungsjournalist Hersh ein als geheim eingestuftes CIA-Papier aufgedeckt, demzufolge die USA keine Beweise für ein über das gemeldete zivile Atomprogramm hinausgehende Bestrebungen bezüglich des Irans haben. Trotz dieses Berichts und des Wahlsiegs der Demokraten hält die Regierung Bush "militärische Optionen offen".
Es scheint offensichtlich, dass die Bush-Junta wie weiland im Irak die Vorwürfe nutzt, um einen macht- und wirtschaftspolitisch motivierten Militärschlag durchzuführen.

Interview mit Lafontaine

Ein interessantes Interview mit Lafontaine durch die Cicero.

In eigener Sache

Da ich eine Funktion entdeckt habe, die seit dem letzten Update in der Software ist wollte ich euch diese nicht vorenthalten und habe in einer Nachtschicht alle Artikel in Label einsortiert, so dass ihr sie nun geordnet aufrufen könnt, wenn euch der Sinn danach steht.

Samstag, 18. November 2006

Auf der Suche nach der Moral

Nicht erst seit der Wiederaufnahme der Mannesmann-Prozesse steht die Frage erneut im Raum, welcher Moral sich die Wirtschaft und besonders die Manager zu unterwerfen haben – und ob sie sich überhaupt einer solchen stellen müssen. Die Antwort der Wirtschaft und ihrer Vertreter ist dabei denkbar einfach und läuft auf das ewig junge und doch ebenso überholte Bild vom homo oeconomicus hinaus. Zur Erinnerung: die Idee des homo oeconomicus beinhaltet, dass ein jeder Mensch stets mit allen ihm zur Verfügung stehenden Informationen abwäge und somit die für ihn individuell beste Entscheidung treffe. Handle jeder Mensch so, käme dies letzten Endes der gesamten Menschheit zugute, da keine schädlichen Entscheidungen getroffen würden.
Daraus ergibt sich ganz von selbst die Raffermentalität der Neoliberalen. Jeder schaut, dass er so viel Geld wie nur irgend möglich zusammenbekommt, und der Rest muss sehen, wo er bleibt. Doch leider ist diese Schlussfolgerung so falsch wie die Theorie vom homo oeconomicus an sich. Zuerst zu ersterem:
Es ist eine seltsam verquerte Logik, die an Unternehmen einen moralischen Maßstab anlegt, der jedem Menschen mindestens die soziale Ächtung, wahrscheinlich aber schon eher das Gefängnis einbringen würde. Während Menschen im allgemeinen angehalten sind, sich so zu verhalten, dass sie Gutes tun oder wenigstens ihren Mitmenschen keinen Schaden zufügen – sprich, nicht egoistisch zu handeln -, was Kant in seinem Kategorischen Imperativ mit der allseits bekannten Formel „Handle stets so, dass dein Handeln zur allgemeinen Maxime gemacht werden kann“ umschreibt, tut die Wirtschaft genau das Gegenteil, wie bereits Chomsky richtig erkannt hat: wer hier nicht egoistisch handelt, ist nicht nur ein Idiot oder Bankrotteur, er ist der Antichrist. Nur die Wirtschaft hält sich quasi weltexklusiv vollkommen offen die Moral, sich nur um den Profit zu sorgen. Nur in der Wirtschaft ist es möglich, mit dem vollbringen guter Werke gegen die Moral zu verstoßen. Dieses kranke Selbstbild und die ihm inhärente verquerte Logik hat sich mittlerweile so sehr in den Köpfen der Profiteure dieses Systems festgesetzt, dass diese gar nicht mehr erkennen (wollen?), dass ihr System schändlich ist. Hieraus ergibt sich auch, dass die Wirtschaft eben nicht nach dem Leitbild des homo oeconomicus handelt, sondern diesem genau entgegengesetzt, quasi dem homo egocentricus. Würde nach dem Leitbild des homo oeconomicus gehandelt werden, so würde eine objektive Sammlung der verfügbaren Informationen schnell einige Tatsachen ergeben: die Umwelt wird in immer rapideren Maße zerstört, die natürlichen Ressourcen aufgebraucht, die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer, es gibt immer mehr Kriege. Diese Folgen lassen sich ebenso eindeutig auf die neoliberale Philosophie zurückverfolgen, der zufolge nichts so sehr zählt wie der Profit – und dem hat sich alles unterzuordnen.
Nun zurück zum Leitbild des homo oeconomicus. Ich erwähnte, dass dieser ebenfalls ein falsches Bild sei. Ich beziehe mich im Nachfolgenden auf den renommierten Wirtschaftswissenschaftler Uwe Heuser und sein Buch „Das Unbehagen im Kapitalismus“.
Demzufolge – einer Argumentation, der auch Chomsky folgt – funktioniert das Leitbild des homo oeconomicus hauptsächlich aus zwei Gründen nicht. Der eine Grund ist schnell erklärt und rezipiert wiederum das oben gesagte: da einzig und allein der Profit das bestimmende Merkmal der aktuell herrschenden Moral ist, besteht kein Interesse, objektive Informationen zur Verfügung zu stellen. Die Konsequenz aus dem eben gesagten nennen wir gemeinhin „Werbung“. In der Werbung wird dem Konsumenten alles erzählt, nur nicht die Wahrheit. Wer also nicht mit extremen Aufwand – der selten genug zum erwünschten Ergebnis führt – die Hintergründe recherchiert, wird mit falschen Informationen seine Entscheidung treffen. Soweit Chomsky. Wesentlich tief greifender ist dabei Heuser. Der geht auf die menschlichen Ursachen ein, denn der Mensch will eigentlich gar nicht aus vielen verschiedenen Produkten aussuchen und Informationen objektiv abgleichen. In Wirklichkeit vereinfachen die Menschen soweit wie nur irgend möglich. Sie versuchen, allgemein gültige Regeln aufzustellen (ein anschauliches Beispiel aus der direkten Anwendung der Konsequenz des Gesagten findet sich im Übrigen in dem Buch „Die Billig-Lüge“ von Franz Kotteder, auf den ich hier im Blog bereits hingewiesen habe). Gerade aus diesem Grund funktioniert ja auch Werbung.
Was also sind die Konsequenzen, die man aus dem Gesagten schließen muss? Die derzeit herrschende Moral besonders der Wirtschaft basiert auf falschen Prämissen, die zudem noch wiederum falsch ausgelegt werden. Das Produkt dieses doppelten Fehlers aber ist die katastrophale Entwicklung der Menschheit zu einem Moloch der Effizienz. Dem Primat des Profits wird alles untergeordnet, das Leben selbst dem Primat der Marktwirtschaft untergeordnet (das Wort „Partnermarkt“ ist nur eines von vielen grausamen Beispielen dafür). Die Konsequenzen sind bekannt und bereits oben aufgeführt. Eine Umkehr ist möglich, langsam, langwierig und, wenn auch besonders für die herrschenden Eliten schwer vorstellbar, von unten kommend – basisdemokratisch und vom Volk getragen.

Wie man Druck ausübt und die Demokratie umgeht

Derzeit ist die Debatte, die Bundeswehr auch in den Süden Afghanistans zu schicken, wieder einmal am Überkochen. Darum soll es jedoch gar nicht gehen, sondern um die Methodik, mit der die Briten, Kanadier und besonders die Amerikaner derzeit versuchen, eine Intervention der Bundeswehr über das geltende Mandat hinaus zu erreichen. Unter billigen Vorwänden, anonymen Zitaten und endlosen Konferenzen soll Druck aufgebaut werden. Druck auf Deutschland und andere Länder, die ihre Truppen nicht in die Todeszonen schicken wollen. Die Instrumentalisierung des Todes der Kanadier ist mehr als nur ekelhaft, und man kann sich derzeit noch darüber freuen, dass Jung eine Ausweitung des Mandats kategorisch ablehnt und Berlin den Vorwurf auf das Heftigste dementiert. Man sollte nicht zu optimistisch sein, aber ich schätze die Chancen nicht schlecht ein, dass die Abwehrhaltung echt ist. Eine Umfrage unter den Deutschen hat im Übrigen ergeben, dass 81% gegen eine Ausweitung des Mandats und Einsätze im Süden sind und gerade einmal 17% dafür.

Buchtipp: Der gescheiterte Staat

Noam Chomsky hat ein neues Buch herausgebracht: "Der gescheiterte Staat". Gescheiterte Staaten, das sind im Neusprech der selbsternannten „freien, zivilisierten Welt“ solche Staaten, in denen die Demokratie gefährdet bis nicht vorhanden, die Lage der Bevölkerung schlecht oder tendenziell sinkend und die allgemeine Herrschermoral am Tiefpunkt ist, um es grob vereinfacht wieder zu geben. Solche Staaten zurück auf den Weg von Ordnung, Freiheit und Demokratie zu bringen ist prononciert gesagt die Bush-Doktrin. Chomsky stellt nun die radikale These auf, die USA seien selbst ein solcher „failed state“, ein gescheiterter Staat und müssten nach den Richtlinien, welche die USA ihrerseits anwenden bereits längst von der UNO besetzt sein. Eine solche These kennt man bereits von Michael Moore, doch im Gegensatz zu dessen lustvoller Polemik ist Chomsky eher für eine wissenschaftliche Untermauerung des Gesagten bekannt. Und der Leser wird nicht enttäuscht. In sechs Groß- und unzähligen Unterkapiteln präsentiert Chomsky seine Abrechnung mit den Vereinigten Staaten, die sich beileibe nicht auf Bush begrenzt, sondern bis zu den Vätern der Verfassung zurückreicht. [...] Man muss ehrlich mit dem Buch sein: wirklich viel Neues erzählt Chomsky nicht. Aber er wirft sein gesamtes wissenschaftliches Gewicht in die Waagschale, belegt, doziert, bringt Präzedenzfälle und Fallbeispiele und erläutert alles so flüssig und anschaulich, dass sich das Buch in der Bibliothek der populärpolitischen Literatur einen Ehrenplatz verdient hat und rückhaltlos für jeden zu empfehlen, der die Nachrichten nicht ausschaltet – um mit David Lloyd zu reden.

Die gesamte Rezension gibt es beim Roten Dorn.

Freitag, 17. November 2006

Liberal oder nicht liberal?

Mal ein Thema, zu dem mich eine Diskussion hier im Blog wirklich interessieren würde: während Arne Hoffmann in einem Essay die Meinungsfreiheit als höchstes Gut und Ziel eines jenen Libertären darstellt, verfasste Christian Hoffmann ein Gegenessay, in dem er die libertären Prinzipien vollkommen anders auslegt. Die Lektüre lohnt sich - ebenso wie die gedankliche Auseinandersetzung. Ich sehe mich selbst auf Arne Hoffmanns Seite, aber logisch begründet ist durchaus auch Christian Hoffmanns Aufsatz.

Hauptschulen abschaffen?

In letzter Zeit vermehren sich Stimmen, die am dreigliedrigen Schulsystem rütteln. Dieser Mann hier möchte gerne Haupt- und Realschulen zusammenlegen. Ich persönlich wäre vor allem für eine spätere Trennung der Kinder, frühestens in der sechsten Klasse. Mal sehen, wie sich das entwickelt.

Mit Dank an Christian Holler für den Link.

Donnerstag, 16. November 2006

Meinungsfreiheit bei Amazon oder Ihre Kundenrezensionen sind uns wichtig

Arne Hoffmann ist immer wieder für interessante Themen gut, in diesem Fall Amazon: Kritische Rezensionen, am Beispiel Broders aufgezeigt, werden gelöscht - was amazon.de auch noch rotzfrech mit der Entschuldigung bestätigt, sie überhaupt freigeschalten zu haben. Lustigerweise habe ich dieselbe Erfahrung bereits einige Male selbst gemacht, ihr aber keine Bedeutung beigemessen. Im Gegensatz zu Arnes Bericht wurden bei mir jedoch nicht bestehende Rezis gelöscht, sondern kritische erst gar nicht freigeschalten. Es scheint, als ob es sich um eine schon länger grassierende Praxis handelt...

Mittwoch, 15. November 2006

Linkspartei-Analyse

Auf Spiegel-Online ist, in Überschrift und Eingangstext stark verzerrt, eine gewohnt unbestechlich-ehrliche Analyse von Franz Walter zur Linkspartei erschienen.

Montag, 13. November 2006

Sklavenarbeit in Dubai

Einem SpiegelOnline Bericht nach zufolge ähnelt die Situation von Gastarbeitern in Dubai der einer modernen Sklaverei: nicht nur, dass man ihnen Horrorbeträge für die "Arbeitsvermittlung" abknöpft und Hungerlöhne bezahlt - gerade 5% des Dubai-Durschnittsmonatseinkommens - sondern auch noch offen betrügt. Das alles wäre viel leichter zu kritisieren, erinnerte es nicht frappant an die hiesigen Zustände nicht nur bei Gastarbeitern.

Anarchie im Straßenverkehr

Eine neue EU-Feldstudie operiert mit der beinahe vollkommenen Anarchie im Straßenverkehr: nur Rechts vor links gilt, alles weitere wird durch das Verhalten der Verkehrsteilnehmer untereinander geregelt. Bisher wurde es in mittelgroßen Städten mit Riesenerfolg getestet; ich finde es schwierig, mir ein solches System für Stuttgart vorzustellen, wenn auch die Argumente rückhaltlos befürwortet werden können.

Donnerstag, 9. November 2006

Medienfragen, Nachtrag

In einem ausführlicheren Beitrag auf SpiegelOnline wird ausgerechnet Springer als Rettung vor Berlusconi gehandetl - quasi die Wahl zwischen Pest und Cholera. Nun sollen Gesetze kommen, die den Anteil ausländischer Firmen auf 25% begrenzen.

Mittwoch, 8. November 2006

Medienfragen

Sollten die Medien zu einem Gegenstand der nationalen Sicherheit gemacht werden? Ja, meint die Zeit, und sie hat auch einige gute Gründe.

Dienstag, 7. November 2006

Verschwörungstheoretiker im Finanzestablishment?

Hat sich jemand in letzter Zeit gewundert, warum der Benzinpreis trotz anhaltender Krisenlage im Nahen Osten drastisch gesunken ist? Nun, vielleicht spielt es eine Rolle, dass Goldman Sachs die Benzinkomponente von 8% auf 3% gesenkt und damit lawinenartige Verkäufe von Benzin ausgelöst hat? Und dass sich die US Army durch Ausverkauf von Diesel daran beteiligt hat? Diese und andere Theorien kommen ausgerechnet aus dem Finanzestablishment, das einen Zusammenbruch unseres Wirtschaftssystems für 2009-2012 prophezeit und zum Kauf von Edelmetallen rät. Gut, es ist auch auf der Edelmetall- und Rohstoffmesse gesagt worden, von hauptberuflichen Edelmetall- und Rohstoffspekulaten, aber das Szenario klingt zumindest in Teilen trotzdem bedrohend realistisch.

Montag, 6. November 2006

Petitionen

Zwei Kampagnen, die die Unterstützung durchaus verdienen (selbst von unseren Blogneoliberalen):
1) Bundestagspetition für die Abschaffung des Gesetzes, nachdem mit Wahlmaschinen gewählt werden darf. Begründung siehe hier.
2) Aktion gegen die Kriminalisierung von Privatkopien. Begründung siehe hier.

Interessante Studie

Ein britisches Institut hat den Grad der Ehrlichkeit innerhalb der Bevölkerung ermittelt, neben den Engländern und Walisern eben auch den der Deutschen. Das Ergebnis ist, euphemistisch ausgedrückt, ernüchternd. Es wird gelogen und betrogen, so viel nur eben geht, ein "Gesetzzynismus" habe sich breit gemacht. Interessant sind neben dieser seit längerem bekannten Tatsache (hatte doch Ulrich Wickert noch in den 90er Jahren mit seinem provokanten Buchtitel "Der Ehrliche ist der Dumme" diese These aufgestellt) zwei Dinge: zum einen sind die Westdeutschen deutlich unehrlicher als die Ostdeutschen und zum anderen ist der große Schuldige - die Wirtschaft. Und zwar nicht, weil die Wirtschaft eben die Wirtschaft ist, sondern erst seit der Zeit der großen neoliberalen Reformen. Diese haben zu einer Ellenbogengesellschaft geführt, die sich an den asozialen Praktiken der Unternehmen und Unternehmer orientiert - von Ackermann bis zu den Enronchefs, überall gehen schlechte Vorbilder durch die Medien und beweisen, dass man weiter kommt, wenn man betrügt und sich eben asozial verhält. Ebenso beklagt die Studie den zunehmenden Grad an Ökonomisierung des Privatlebens, besonders drastisch durch die Aufnahme von Ökonomievokabular illustriert. Es ist diese Entwicklung, die Land und Gesellschaft vor die Hunde bringt.

Ackermanns Rechtfertigung, Nachtrag

Ohne Worte.

Hartz-IV-Empfänger zur Bundeswehr?

Nachdem Minister Tiefensee mit seinem Vorschlag, Hartz-IV-Empfänger als Ordnungskräfte im öffentlichen Nahverkehr mit nicht näher definiertem Aufgabenbereich einzusetzen stößt nun Jung in dieselbe Kerbe: er schlägt vor, sie zu uniformieren und der Bundeswehr zu unterstellen, um Aufgaben bei der Bewachung von Kasernen, Waffenlagern und öffentlichen Anlässen durchzuführen. Dazu passt das Statement von Nina Leonhard: "Wer berufliche Alternativen hat, geht nicht zur Bundeswehr. […] Wer über ausreichende berufliche Chancen verfügt, zieht die Möglichkeit, Soldat der Bundeswehr zu werden, gar nicht in Betracht."(1)

(1) Leonhard, Nina (2005): Soldat: Beruf oder Berufung?, in: Leonhard, Nina/Werkner, Ines-Jaqueline (Hrsg.): Militärsoziologie - Eine Einführung, Wiesbaden, S.254.

Missbrauch der Marktmacht

Einem Bericht der faz.net zufolge setzt Media Markt, das Zugpferd der Metro-Gruppe, das derzeit an seine Grenzen gerät, was Ausdehnung und Martkanteile betrifft, einen mehr als zwielichtigen Anwalt ein, um mittelständische Einzelhändler mit Klagen zu überziehen und so in den Ruin zu treiben. Konstruierte Anklagen sorgen für ungemein hohe Prozesskosten, die sich die kleinen Unternehmen oft weder leisten können noch wollen. Dabei bewegt sich der Anwalt durchaus auf dem Boden des Rechts, was gerade das Problem ist, da er auf diese Art das Wettbewerbsrecht, eigentlich gerade zur Verhinderung derartiger Probleme geschrieben, als Waffe einsetzt. Dabei bedient sich Media Markt selbst des gleichen juristischen Tricks wie auch die Discounter von Aldi bis Lidl - jede Filiale gilt als eigene Gmbh mit eigenen Geschäftsführern. Dadurch werden zahlreiche Gesetze ausgehebelt.

Mit Dank an Chris für den Link.

Sonntag, 5. November 2006

Frauenquote beim Bundestverdienstorden

Kaum zu glauben, aber wahr: für den Bundesverdienstorden wurde eine Frauenquote eingeführt: "Die nordrhein-westfälische Regierung empfahl daraufhin den Ministerien, bei Männern einen „restriktiven Maßstab anzulegen“. Anregungen, Frauen mit dem Bundesverdienstorden auszuzeichnen, seien dagegen „großzügig zu befürworten“." Man fragt sich, wie wahnsinnig eine Gesellschaft werden muss.

Mit Dank an Arne Hoffmann für den Link.

Nachtrag: Immerhin ist schon klar, wofür Frauen den Verdienstorden bekommen werden, wenn es nach den Feministinnen geht: für's Löcher in die Wand bohren zum Beispiel. Und zum Dübeln. Ihr glaubt es nicht? Sehr hier nach: ""Frauen wollen nicht nur einen bestimmten Typ Mann. Lieber von allem ein bisschen, je nach Situation. Wir haben einen Job, können Auto fahren und bohren unsere Löcher gern selber in die Wand. Dazu braucht es einen Mann, der sich nicht immer beweisen muss und sich auch mal zurücknehmen kann. Nur haben wir zum Bohren und Dübeln nicht immer Lust. Dann ist der Black&Decker-Ritter gefragt, der anpackt, anschließend alles wieder aufräumt und uns bekocht. Ideal wäre also eine gute Mischung. Von jedem ein bisschen, ganz nach Bedarf.
Zu viel verlangt? Das ist wirklich ein Jammer. Männer sind einfach nicht multitaskfähig. Arme Schweine eben.""

Mit Dank an MannDat e.V.

Nekrophiles Bodenpersonal, Nachtrag II

Der bisher ehrlichste, beste und einfühlsamste Artikel, den es zu dem Thema gibt - zumindest meiner Meinung nach.

Mit Dank an Arne Hoffmann für den Link.

Samstag, 4. November 2006

Groteske Geldverschwendung

Bisher habe ich immer zur Entkräftung des "Kein Geld" Arguments gegen den Sozialstaat auf die Auslandseinsätze der Bundeswehr verwiesen; jetzt kommt auch noch deren Beschaffungsskandal hinzu. Allein 600 Millionen Euro fließen in Raketen zur Abwehr von großen Panzerverbänden. Ja, wessen Panzer denn?! Von den 320 Eurofightern ganz zu schweigen, oder den zwei Milliarden, die in einem Luftabwehrsystem vergraben werden.

Kongo oder Wie man Soldaten im Ausland hält

Spätestens Weihnachten sind die Soldaten zu Hause, alles kein Problem, keinesfalls länger. Vertraute Thesen, zumindest dem historisch Versierten. Vorgebracht wurden sie vor einem halben Jahr, um den Kongoeinsatz möglichst schnell durchzupeitschen. Nun, oh Wunder, wird festgestellt, dass die Lage nach Abzug der Truppen nicht besser wäre als vorher und dass das Ziel, die demokratischen Wahlen zu sichern, nicht erreicht werden wird. Wundert das irgendjemand?

Umfassende Thesen

Der jüdische Historiker Tony Judt hat in einem Zeitinterview einige interessante und wertvolle Thesen abgegeben.
1) Israel dürfe nicht länger seine Bürger in zwei Klassen spalten, da es seinerzeit ein Staatsbürgerschaftsrecht habe, das schärfer ist als das deutsche von 1913. "Wenn deine Mutter nicht Jude war ist es egal, ob deine Familie seit 10 Generationen in dem Land lebt, du bist ein Bürger zweiter Klasse."
2) Israel fühle sich - zu Recht - verantwortlich für den Kurs der Bush-Regierung, die Amerikas Ansehen zerstört und die Welt in einen unsicheren Ort verwandelt hat.
3) Das Gegenmodell zu Amerika - das ohnehin ausgedient hat - ist Europa. Dieses allerdings hat seine Chance vorläufig verpasst, als Blair sich Bush anschloss. Europa ist deswegen den Amerikanen, Chinesen und Indern überlegen, weil: "Viele haben einfach nicht verstanden, warum der Sozialstaat so unverzichtbar ist – weil er ein Versprechen auf Sicherheit darstellt. Sobald dieses Versprechen in einer instabilen Welt aufgekündigt wird, öffnen Sie dem politischen Extremismus Tür und Tor. Deshalb ist für mich Europa das einzige Modell einer möglichen Zukunft für die Welt. Weder China noch Indien werden auf absehbare Zukunft Modellstaaten sein. Allerdings könnten wir versucht sein, ihnen nachzueifern und unsere sozialen Standards abzuschaffen. Falls wir das tun, hätten wir fünf Jahre später wieder den Faschismus."

Lest das komplette Interview, es lohnt sich.

Donnerstag, 2. November 2006

Ackermanns Rechtfertigung

Die Wiederaufnahme des Ackermannprozesses hat begonnen. Die blühende Unschuld in Gestalt eines 58-jährigen Chefs der Deutschen Bank verteidigt sich gegen den Vorwurf, bei der 2000 erfolgten Fusion von Vodafone und Mannesmann rund 57 Millionen Euro an Abfindungen gesetzeswidrig herumgeschleust zu haben. Allein die Behauptung, "keine eigenen Interessen" gehabt zu haben lässt den unbedarften Leser dabei lachen, doch die Behauptung, die exorbitanten Prämien hätten dazu gedient, "eine reibungslose Integration" der Vorstände in das neue Unternehmen zu gewährleisten setzt dem ganzen erst die Krone auf. Der "geschaffene Wert" sollte erhalten bleiben, um eine "Investition in die Zukunft" zu ermöglichen. Oder, um es kurz zu sagen: ethisch nicht zu rechtfertigende Millionenbeträge wurden an der Steuer, dem Unternehmen und den die Soße ausbadenden Angestellten vorbei in die Taschen inkompetenter besserer Buchhalter, genannt Manager, geschleust.

Die fetten Jahre sind wieder mal vorbei

In ungewohnter Heftigkeit hat ver.di Hamburg die Superreichen der Hansestadt attackiert. Sie, die das mehrfache des jährlichen Haushalts der Stadt besitzen und die Steuer um mehrere hundert Millionen (ebenso jährlich) prellen, seien mit- und hauptverantwortlich für die aktuelle soziale Spaltung. Der Plan von ver.di Landeschef Rose: mittels einer neuen Steuer die Reichen schröpfen und so rund 423 Millionen Mehreinnahmen in die Stadtkassen spülen, um diese wiederum in Form von Sozialleistungen an die Bedürftigen zurückzugeben. Man darf auf das Echo der Springer-Presse bekannt sein, die Handelskammer hat bereit die üblichen Geschütze aufgefahren: Populismus, Schüren von Sozialneid, Menschen an den Pranger stellen.

Israel auf dem Weg zur Diktatur?

Uri Avnery, seines Zeichens israelischer Jude, hat diesen Artikel geschrieben, in dem er auf die Bedrohung der israelischen Demokratie durch den kürzlich in die Regierung geholten Avi Liberman hinweist. Er vergleicht Olmert mit Papen und Liberman mit, na, mit wem wohl. Ich selbst kenne mich zu wenig aus, um ein Urteil über den Artikel zu sprechen, aber vielleicht ist einer der Leser ja fundiert genug informiert.