Montag, 30. Juni 2008

Vorsicht beim Sprachgebrauch

Die Braunschweiger Zeitung steht gerade massiv in der Kritik. Warum? Weil die Auflösung eines Kreuzworträtsels das Wort "Negerkuss" ergab. Mann, wissen die denn nicht, dass "Neger", auch in Kombination mit anderen Worten in gänzlich unverdächtigen Zusammenhängen extrem rassistisch ist? Hallo, McFly! Heute Negerküsse, morgen Auschwitz! Dass irgendwelche Pappnasen das echt immer noch nicht verstehen, wo sogar die Industrie die Dinger inzwischen Schokoküsse nennt! Wie viele unschuldige Seelen von maximal pigmentierten Mitbürgern mit Migrationshintergrund das wohl zerstört hat! Man kann sich nur an den Kopf fassen. Ein Glück gibt es die Sittenwächter der political correctness, nicht auszudenken, wenn die hier einen Moment an Wachsamkeit nachgelassen hätten...

Anmerkung: Das war Satire.

Fundstücke 30.06.2008

Das Märchen von Nürnberg
Jungle World - Champagnerlaune in der Politik! Seit über einem Jahr ist ein Rückgang bei den Arbeitslosenzahlen zu verzeichnen. In den ersten Monaten dieses Jahres war er besonders stark. Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck und sein Vize, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, sehen auf einmal gute Chancen für Vollbeschäftigung in Deutschland ab dem Jahr 2010. In einem gemeinsamen Aufsatz für die Süddeutsche Zeitung schreiben die beiden potenziellen Kanzlerkandidaten: »Wir wollen die Arbeits­losigkeit (…) besiegen. Unser Ziel für das nächste Jahrzehnt ist: Vollbeschäftigung zu guten Löhnen und fairen Arbeitsbedingungen.« Auch ihr Parteigenosse Arbeitsminister Olaf Scholz verbreitet Zuversicht. »Vollbeschäftigung ist kein Traum, sondern ein realistisches Ziel«, sagte er im April der Bild-Zeitung.
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Ich!
Süddeutsche Zeitung - Das neoliberale Denken, das alle für faul oder doof erklärt, die im Kampf um Arbeit unterliegen, hat jahrelang das öffentliche Gespräch bestimmt. Wie es aber mit extremen Ideen geht: Werden sie nur oft genug wiederholt, findet sich auch eine Opposition, die das Gegenteil verkündet. So hat das neoliberale Denken herbeigeführt, dass »Sozialismus« neuerdings kein Schimpfwort mehr ist. Nach der Wende schrieben alle den Sozialismus ganz klein. Das Wort erinnerte an die DDR, und mit der wollte – mit Ausnahme der Angehörigen der PDS – kein Politiker etwas zu tun haben. 1990 ergab eine Meinungsumfrage, dass lediglich dreißig Prozent der Deutschen glaubten, der Sozialismus sei »eine gute Idee, die nur schlecht ausgeführt wurde«. Heute sind es 45 Prozent.
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USA: Wird Barack Obama der erste feministische Präsident?
eigentümlich frei -
Von einem "Waterloo für den US-amerikanischen Feminismus" sprach die "taz" vor einer Woche, weil Hillary Clinton gegen Barack Obama den Kürzeren gezogen hatte. Während Clinton zu Beginn ihres Wahlkampfes noch sorgfältig vermieden hatte, als feministische Kandidatin aufzutreten, habe sie, je mehr ihr die Felle davonschwammen, um so mehr um die Frauenstimmen gebuhlt – auch indem sie sich immer wieder als Opfer sexistischer Angriffe darstellte. Auf ihrer Website prangte eine "Rechenmaschine", mit der angeblich jede Frau ausrechnen konnte, um wieviel sie bei ihrem Gehalt angeblich betrogen werde.
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Schaut unter YouTube nach "Volker Pispers". Lohnt sich!
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Wir stehen vor Ihrer Tür. Wo sind Sie?
Telepolis - Ein zentrales Melderegister wäre laut Innenminister Dr. Wolfgang Schäuble dringend notwendig. Nur so sei ein [extern] effizienterer und wirtschaftlicher Vollzug möglich. Dass nunmehr der Bund für die Meldeangelegenheiten zuständig ist, hat die Föderalismusreform I ermöglicht. Wenn es nach dem Innenminister geht, so sollen mindestens 27 Daten über jede Person gespeichert werden, darunter das Geschlecht, die Religionszugehörigkeit, der Familienstand sowie die [local] Steueridentifikationsnummer die jeder Steuerpflichtige sein Leben lang behält, Pass- und Ausweisdaten (allerdings ohne biometrische Merkmale). Vorbeugend wird schon darauf hingewiesen, dass es zu einem Anwachsen auf ca. 60 Daten kommen kann. Die Liste dieser "möglicherweise auch aufzunehmenden Daten" ist schon jetzt umfangreich. So sollen neben der elektronischen Bürgeradresse auch Hochzeitstag- und Ort, die gesetzlichen Vertreter samt Doktorgrad, Anschrift, Geburtstag, Geschlecht und Todestag erfasst werden, gleiches gilt für die entsprechenden Daten von Ehegatten, Lebenspartnern (!) und minderjährigen Kindern. Zusätzlich sollen noch Daten für "besondere Zwecke" Eingang in das Register finden, hier werden exemplarisch das passive und aktive Wahlrecht, abgeleisteter oder noch abzuleistender Wehrdienst, sprengstoffrechtliche Erlaubnisse sowie die Waffenerlaubnis genannt.
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Amerikanische Verhältnisse?
Wenn Deutsche das Bild einer marktradikalen, unsolidarischen Gesellschaft heraufbeschwören wollen, bemühen sie gerne den Ausdruck "amerikanische Verhältnisse". Nicht immer zu Recht, wie sich am Beispiel der Rentenversicherung zeigt. [...]
Doch warum wird dieses Zerrbild von der Rentnerhölle USA gepflegt? Wie bei allen Vorurteilen lohnt es sich, die Frage zu stellen, wem sie nutzen. Im Fall der Rentenversicherung setzen Versicherungskonzerne, Politiker und Professoren Märchen in die Welt, um den Deutschen einzuhämmern, wie eine "fortschrittliche" Gesellschaft funktioniert.

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Samstag, 28. Juni 2008

Zitat des Tages

"Bei Gerhard Schröder bin ich mir sicher, dass er die Macht will. Nur wofür er sie dann jeweils nutzen will ist nicht so sicher."
- Hans-Hochen Vogel, 1996

Fundstücke 28.06.2008

Ein kluger Egoist kooperiert
Neues Deutschland - In seinem klassischen Werk »Der Wohlstand der Nationen« (1776) machte der schottische Ökonom und Moralphilosoph Adam Smith eine folgenreiche Bemerkung: Wenn jeder Wirtschaftsakteur nur seine eigenen Interessen verfolge, wirke der Mechanismus des Marktes so, dass wie von »unsichtbarer Hand« gesteuert auch die Gemeinschaft davon profitiere. Also nicht Altruismus, sondern Egoismus sei die wahre Triebfeder des wirtschaftlichen Wohlstandes und der Effizienz. Ähnlich sehen das heute auch die hartgesottenen Verfechter des Neoliberalismus, obwohl sich leicht zeigen lässt, dass das Bestreben Einzelner, Vorteile für sich zu ergattern, der Gemeinschaft häufig zum Schaden gereicht. Würden zum Beispiel alle Autofahrer, um möglichst rasch an ihr Ziel zu gelangen, die Autobahn benutzen, käme es dort über kurz oder lang zu Staus und damit zu einer Beeinträchtigung der Interessen aller. Wären einige Autofahrer hingegen von Anfang an bereit, gegebenenfalls auf Nebenstraßen auszuweichen, liefe der Verkehr im Idealfall reibungslos.
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Der Politiker als Beute
Berliner Zeitung - Die Jagd der Medien auf Kurt Beck ist zu Ende. Einer der Anführer der Meute hat sie abgeblasen. "Es reicht. Es ist Zeit innezuhalten. Nachzudenken. Kritisch und selbstkritisch", schreibt Hans-Ulrich Jörges, einer der profiliertesten, brutalsten und einflussreichsten Hauptstadtjournalisten im neuen "Stern". Er hat ja recht. Selbstkritisches Nachdenken ist gewiss eine Tugend für jeden Journalisten. Würden sie mehr aus unserer Zunft pflegen, gäbe es weniger von dem politischen Kampagnenjournalismus, der besonders seit dem Umzug von Parlament, Regierung und Hauptstadtmedien nach Berlin dann und wann die Oberhand gewinnt. Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck war in den vergangenen Monaten ein Objekt dieser abartigen Form der Berichterstattung, die manche auch Rudeljournalismus nennen.
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Hotline as Hell
Telepolis - Die Telefonhotline ist mittlerweile das Hauptsymbol für bürokratisches Nichtfunktionieren geworden. In seinem zum Klassiker gewordenen Aufsatz "We don't support that" zeigt der ehemalige Call-Center-Mitarbeiter Kyle Killen eindrucksvoll, wie Auslesemechanismen dort so funktionieren, dass nur Mitarbeiter erfolgreich sein können, die Kunden nicht wirklich helfen. Wer das tut, verbraucht zu viel Zeit und wird erst ermahnt und dann entlassen. Die Strategien, die Call-Center-Mitarbeiter erlernen, um einen Anruf möglichst schnell abzuwimmeln, reichen von der Suggestion, der Kunde sei an dem Problem selbst schuld (Betriebssystem, Netzwerkkarte, etc.) über die Behauptung, jemand anders wäre "zuständig" (andere T-Tochterfirmen, Lizenznehmer, Weiterverkäufer), bis hin zum Vertrösten auf einen Rückruf, der dann natürlich nie erfolgt.
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Berlusconis Justizreform
Telepolis - Unbeeindruckt von der Kritik hat die rechte Mehrheit im italienischen Senat mit großer Mehrheit der umstrittenen Justizreform zugestimmt. Ende Juli soll sie auch in der zweiten Kammer des Parlaments, in dem die Rechte ebenfalls die Mehrheit hat, endgültig verabschiedet werden. In den Medien wird sie immer als Akt der Selbstamnestierung des ewigen Ministerpräsidenten Berlusconi interpretiert. Eine zentrale Bestimmung des Gesetzes sieht ein einjähriges Moratorium für Prozesse für Vergehen vor, die vor Mitte 2002 begangen worden sind. Ausgenommen sind Verfahren wegen Gewaltverbrechen, organisierter Kriminalität, Arbeitsunfälle und andere Straftaten, auf die mehr als zehn Jahre Haft stehen.
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Struck hält Union für autoritär
Stern - SPD-Fraktionschef Peter Struck hat den Abgeordneten der CDU vorgeworfen, sie würden sich vom Kanzleramt steuern lassen, die Strukturen der Union seien "autoritär".
Mann, Wahnsinn. Autoritär, die CDU? Kaum zu glauben. Neuheitswert hat der Mann.

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Das letzte Gefecht der Volksparteien
Süddeutsche Zeitung - Mit der Verwandlung des Vierparteienlandes in ein Fünfparteienland findet zugleich die strukturelle Krise der bisherigen Volksparteien ihren Höhepunkt. Noch fühlt sich die CDU neben der SPD zwar vergleichsweise stark, doch ist sie allenfalls halbstark.
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Schäuble wieder auf dem Vormarsch

Nach einem neuen Gesetzesentwurf von Schäuble sollen alle Bürger in einer zentralen Datei erfasst werden. Dabei sollen alle möglichen Daten, von Name und Geschlecht über Steuernummer und Religionszugehörigkeit hin zu Waffenscheinen u.ä. zentral gespeichert sein. Begründet wird das damit, dass "bis zu" sechs Prozent der Daten fehlerhaft seien und die Verantwortung seit der letzten Föderalismusreform beim Bund liegen. Polizei und Feuerwehr (!) müssten sich bei ihren Einsätzen aber auf solche Daten verlassen können.
Hallo? In den USA gibt es überhaupt keine Daten, ohne dass sich Feuerwehr und Polizei dort großartig beschweren würden. Ein noch dämlicheres Argument ist ihnen wohl nicht eingefallen. "Sorry, wir können nicht löschen, wir wissen nicht, ob der Mieter Christ ist."

Immerhin ist die SPD "noch nicht überzeugt". Das beruhigt. Ganz ungemein. Noch.

Israel und die Linken

Die Beziehung zwischen der deutschen Linken und Israel ist eine komplizierte wie zwiespältige Sache. Auf der einen Seite steht man aufgrund der großen Distanz zur nationalsozialistischen Vergangenheit den Juden an und für sich freundlich gegenüber und müsste für sämtliche ihnen zugute kommenden Handlungen Unterstützung offerieren. Gleichzeitig jedoch geriert sich der Staat Israel auf eine Art und Weise, die eine Unterstützung schwierig macht – zuzüglich weiter, historisch verankerter Probleme.

Zuerst möchte ich auf letzte eingehen. Zeit seiner Gründung war Israel ein enger Verbündeter der USA (und umgekehrt), weswegen es sich zwangsläufig nach der Logik des Kalten Krieges in Antagonie zur Sowjetunion begab. Dieser Logik folgend, wurden die arabischen Staaten zu Verbündeten der Sowjetunion – trotz der starken Differenzen, die ein solches Bündnis eigentlich unmöglich machten (der ausgeprägte Atheismus des Sowjetsystems beispielsweise, der ja auch im Afghanistankrieg Niederschlag fand). Der Nahe Osten gehörte zur inneren Peripherie des Kalten Krieges, und entsprechend wurden auch die Interessen in der Region wahrgenommen.

Kehren wir zurück zum Ausgang des Zweiten Weltkriegs. Während sich die deutsche Linke als im Großen und Ganzen „sauber“ präsentieren konnte – wurde sie doch unter dem Nationalsozialismus ebenso verfolgt wie die Juden - , hatten insbesondere die konservativen Kräfte (und in eingeschränktem Maße die damals noch nationalliberal geprägte FDP) starke Kontinuitäten zur NS-Zeit aufzuweisen, waren eher revanchistisch angelegt und integrierten NSDAP-Mitglieder großzügig in ihren Reihen (was hier auch nicht verurteilt werden soll; vermutlich war dieser Schritt absolut notwendig). In der generellen „Don’t mention the war“-Stimmung, die damals herrschte, war ein Engagement für Israel eher unwahrscheinlich, allein schon wegen der faktischen Schuldanerkennung und der Möglichkeit von Reparationen. Aus Gründen der Logik des Kalten Krieges engagierten sich auch die Linken nicht übermäßig für den neuen jüdischen Staat, dem „Zionismus“ und „Imperialismus“ vorgeworfen wurden.

Später gelang es den Konservativen dann, sich die Unterstützung für Israel auf die Fahnen zu schreiben – ein Coup, der Deutschlands Ansehen in der Welt deutlich erhöhte und die oppositionelle wie sowjetbeeinflusste Linke in eine fast automatische Gegnerschaft brachte.

Soweit der historische Exkurs. Welche Konsequenzen aber hat das heute? Zum einen wird immer wieder der Vorwurf erhoben, unter den Linken herrsche ein „linker Antisemitismus“, der sich in einer generalisierten und pauschalisierten Kritik an Israel manifestiere; die Linken erkannten mithin das Existenzrecht Israels – ein Eckpfeiler deutscher Außenpolitik – nicht an. Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen und unter Berücksichtung der oben aufgeführten historischen Prämissen auch nicht unnachvollziehbar.

Hier liegt jedoch auch gleichzeitig ein Problem. Zwar bekennt sich beispielsweise die LINKE reflexhaft zum Existenzrecht Israels und der deutschen Schuld, ist jedoch in Fragen der Israelpolitik noch immer janusköpfig. Zu gerne verfällt man in alte Muster und kritisiert den „Imperialismus“ Israels. Dies stellt eine beständige Achillesferse der deutschen Linken dar, die von ihren Gegnern auch gerne ausgenutzt wird. Es bedarf hier einer eindeutigeren Positionierung. Ich behaupte nicht, dass Israel kritikunwürdig wäre. Tatsächlich finde ich gute Teile seiner Politik extrem verwerflich, sei es das äußerst aggressive Vorgehen gegen die Palästinenser und den Libanon, sei es die Diskriminierung von Homosexuellen oder Pazifisten oder der starke Einfluss der Orthodoxen auf die Gesetzgebung. Allerdings braucht es auch ein klares Bekenntnis zum Existenzrecht Israels, das über ein entsprechendes Lippenbekenntnis hinausgeht. Deutschland hat eine besondere Verantwortung gegenüber Israel, und es ist selbstverständlich falsch, dies mit blinder Gefolgschaft und kritklosem Abnicken gleichzusetzen. Aber bisweilen würde man sich klarere Täne für Israel und gegen den arabischen Terrorismus wünschen, als das bisher der Fall ist. Die Araber sind keine Heiligen, und viel von ihrer aktuellen Situation ist ihnen selbst geschuldet.

Donnerstag, 26. Juni 2008

Schläft die LINKE?

Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, hat sich die LINKE jetzt entschlossen, beim BVerfG gegen den Vertrag von Lissabon zu klagen. Warum jetzt erst? Peter Gauweiler hat das schon seit Ewigkeiten angekündigt, und die LINKE blieb zu dem Thema ewig stumm. Ist das in ihren Reihen kein Thema? Abgesehen von dem Enthaltungsvotum Berlins hat sich wenig gezeigt. Immerhin ist das ein Riesenthema, und die LINKE ist die einzige der fünf Parteien, die dem oppositionell gegenübersteht.

Zum Fußball-Patriotismus

Dieser Tage ist wieder großes Flaggenschwingen und "'schland"-Schreien angesagt, denn "wir" sind im Finale. "Wir", das ist mitnichten Deutschland, das ist die deutsche Nationalmannschaft. Nun wurde bereits im Vorfeld, Nachfeld und während der WM2006 viel über den "neuen Patriotismus" debattiert, wurde geargwöhnt, dass die Deutschen nach dem Fahnenschwingen noch schnell eine Bratwurst mit Sauerkraut essen, die Pickelhaube aufsetzen und Frankreich überfallen würden. Nichts davon ist eingetroffen, der "Patriotismus" verschwand mit einem Großteil der Fahnen trotz Kampagnen wie "Schwarz-Rot-Geil - wir machen weiter" der BILD wieder in den Kellern. Jetzt wird er zur EM wieder ausgepackt, um eine Wiederholung der Party von 2006 in kleinerem Maßstab darzustellen.
Soweit die Bestandsaufnahme. Ist das nun gut oder schlecht? Fußball hat keinerlei Tendenz zum Weltverbessern in sich, da mögen Anti-Rassismus-Erklärungen eines Ballack noch so schön wirken. Er ist ein Massensport, und ein kommerzialisierter noch dazu. Das muss nichts Schlechtes sein, nur sollte man sich nicht zuviel davon erhoffen, weder in die eine, noch in die andere Richtung. Weder werden "wir" "uns" für einen neuen "Patriotismus" begeistern und wie der Klischee-Amerikaner jeden Morgen die geheiligte Fahne vors Reihenhaus hängen, noch werden "wir" plötzlich wegen ein paar Balltretern plötzlich das Verlangen bekommen, Nachbar Ali zusammenzuschlagen.
Die Menschen identifizieren sich bei WM und EM nicht mit den Nationalstaaten, in deren Namen die Mannschaften antreten. Sie identifizieren sich bestenfalls mit Kunstgebilden wie "Schland", die äußerst kurzlebig geschaffen wurden und eine Art Einheit darstellen, ein Topos, unter dem man sich vereinen kann. Immer wieder für Unwohlsein sorgt dieser "Patriotismus" nur, wenn er zu plötzlichen Aufwallungen von Rassismus führt. Manches davon mag echt sein, aber ich bin überzeugt, dass der Großteil der im Fußballrausch getätigten Aussagen negativer Natur über eine andere Mannschaft ("Scheiß-Türken", beispielsweise) gar nicht wirklich den Türken als solchen gelten, sondern eben der Mannschaft, die im Namen der türkischen Nation antritt - die man aber als Urlaubsziel sehr schätzt.
Deswegen sind auch Forderungen wie "eigentlich müssten die Türken in Deutschland für Deutschland sein" vollkommener Humbug. Die Türken in Deutschland können selbstverständlich für "die Türkei" sein, denn das ist bloß ein Ausdruck geteilter Identität. Das Unwohlsein und das Aufladen der Spiele mit allerlei ideologischem Tand (bis hin zu dem wirklich abschreckenden Schauspiel der auf der ViP-Tribüne jubelnden Kanzlerin) sind es, die sie von "normalen" Spielen abheben. Wenn der VfB gegen den FC Bayern spielt, würde niemand auf die Idee kommen, gegen "Bayern" pöbelnde VfB-Fans würden gleich mordbrennend in den Nachbarstaat einfallen. Warum das immer wieder zur erklärten Tatsache wird, wenn statt Vereinsfarben Nationalflaggen wehen, entzieht sich meiner Kenntnis.

Der Beitrag versteht sich auch als Erwiderung auf ad sinistrams "Fußball, Schach oder Halma? - Egal, Hauptsache national".

Tipp

Unbedingt wichtiger Artikel zur Misere des deutschen Journalismus:
Klick.
Und gleich noch einer, weil ich in Stimmung bin:
Klick.

Mittwoch, 25. Juni 2008

Gute Nachricht

Die CDU liegt erstmals unter dem Wert der Oppositionsparteien (die zusammen auf mehr Prozent Stimmen kommen als die CDU). Zusammen mit der aktuellen Schwäche der SPD erreicht Schwarz-Rot damit keine Zwei-Drittel-Mehrheit mehr. Das einzige Bündnis abseits von Schwarz-Rot, das überhaupt auf eine Mehrheit kommt ist Jamaika. Wenn das mal keine guten Nachrichten sind.

Quelle: FTD

Fundstücke 25.06.2008

Die wunderbare Welt des Herrn Stark
Financial Times Deutschland - Wenn Notenbanker in "Spiegel" oder "Bild" reden, ist meistens Gefahr im Verzug. Diesmal geht es, klar, um das mutige EZB-Vorhaben, mitten im latenten Abschwung die Zinsen anzuheben, weil es vielleicht doch noch irgendwie zu so etwas wie möglichen Zweitrundeneffekten als Folge der (bislang ohne Zweitrundeneffekte) gestiegenen Energiepreise kommen könnte.
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Für Gott und die Marktwirtschaft
Telepolis - Fast schon alarmistisch klang der Einstieg in einen [extern] Aufruf zur Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft, der zum 60ten Jubiläum von wirtschaftsnahen Wissenschaftern und Mitarbeitern von marktliberalen Instituten veröffentlicht wurde. Unterschrieben haben u.a. ein Vertreter der [extern] Konrad-Adenauer-Stiftung, des [extern] Walter Eucken Institut, der [extern] Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft und des [extern] Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut/Wilhelm-Röpke-Institut. Das Who is Who der Marktradikalen ist also an Bord. "Das Fundament der Sozialen Marktwirtschaft ist bedroht. Die sozialpolitische Bevormundung nimmt den Bürgern Freiheit und schwächt das wirtschaftliche und soziale Potential unseres Landes. Der Jenaer Aufruf will Mut machen, den Weg aus der sozialen Unmündigkeit zu wagen und unser Gemeinwesen wieder freiheitlich, sozial und gerecht zu gestalten", lautet das Anliegen.
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Hochschulen unter dem Einfluss von Unternehmen

Heise - Matthias Holland-Letz, freier Print- und Hörfunkautor, der den Report für die GEW recherchiert und verfasst hat, zeigt, wie Firmenwerbung und Steuermechanismen der Privatwirtschaft an den Hochschulen Einzug gehalten haben und gibt zahlreiche Belege. Discounter ALDI habe der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt zum Beispiel eine fünfstellige Summe zukommen lassen: Studenten säßen nun im „Aldi-Süd-Hörsaal“. An der Uni Erlangen-Nürnberg habe die Nürnberger TeamBank 130.000 Euro für einen „easyCredit“-Hörsaal gesponsert. Gar 24 Millionen Euro habe die Pharmaunternehmung Schwarz-Schütte der Universität Düsseldorf für ein neues „Institut zur Förderung des Wettbewerbs in Wirtschaft und Gesellschaft“ gestiftet. Einer Schätzung zufolge lehren in Deutschland rund 500 Stiftungsprofessoren.
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"Unangemessene" Ehrlichkeit

Telepolis - Ein Vorzug der Neocons war, dass sie auf eine paradoxe Weise ehrlich waren: In ihren theoretischen Schriften gaben sie nur allzu gerne zu, dass man das einfache Volk belügen müsse, um die (ihrer Ansicht nach) gute Sache auch verwirklichen zu können. Und auf ebenso paradoxe Weise trugen sie damit auch zur Verbesserung der politischen Kultur bei: Der Mythos der Wahrhaftigkeit, der die amerikanische Politik so lange geprägt und so viel Schaden angerichtet hatte, schien zumindest einen kleinen Knacks bekommen zu haben. Und auch Amerikaner sahen Politik mit weniger Ehrlichkeitsanspruch, "zynischer" - aber auch realistischer.

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Nicht ohne meine Mama
Süddeutsche Zeitung - Eltern haften auch für die Straftaten ihrer Kinder im Internet; sie müssen die Kinder permanent beaufsichtigen, auch wenn sie davon keine Ahnung haben. Urteil mit Bullshitfaktor 10.
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En büyük Türkiye!
Süddeutsche Zeitung - Toller Artikel zum Thema, warum die Türkei heute gewinnt. :)
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Warden Message
Die US-Botschaft warnt Amerikaner in Deutschland vor dem heutigen Spiel.
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Dienstag, 17. Juni 2008

What are your chances of surving a Zombie Apocalypse?

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Fundstücke 17.06.2008

Spinner, Träumer, Bürokraten
Tagesspiegel - "Aber es stimmt auch, dass manche Stimmbürger in Irland, genau wie ihre Vettern in Frankreich und den Niederlanden, die gegen den Verfassungsvertrag stimmten, sich ernsthaft um das demokratische Defizit in Europa sorgen. Das Fehlen von Rechenschaftspflicht und Transparenz bei der Entscheidungsfindung weckt tiefes Misstrauen gegenüber einem stärker zentralisierten Europa. Es ist plausibel, dass dieser Vertrag in vielen europäischen Ländern verworfen worden wäre, wenn er einer Volksabstimmung ausgesetzt worden wäre."

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PPP - Private Public Partnership oder Privat macht Public Pleite?
Telepolis - "Korruptionsexperte Werner Rügemer deckte in seiner Bilanz "Privatisierung in Deutschland" zahlreiche fragwürdige Praktiken auf - eine vierte, aktualisierte Auflage brachte es jüngst hinsichtlich der Machenschaften von Bahn- und Treuhand auf den neuesten Stand. Sein neues Buch widmet er dem aktuell letzten Schrei der Privatisierer: den "Heuschrecken" im öffentlichen Raum. Thomas Barth sprach für Telepolis mit Werner Rügemer über die "Anatomie" des globalen Finanzinstruments Public Private Partnership."
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Einer floppt immer - Silvio Borner und die 35-Stunden-Woche
Blick - "In seiner Kolumne in der “Weltwoche” behauptet Professor Silvio Borner wieder einmal, die 35-Stundenwoche in Frankreich sei ein “Flop”. Anlass für den Verriss ist dieses Mal das zehnjährige Jubiläum seit der Einführung 1998. Auf der sachlichen Ebene bringt Borner nur zwei Argumente vor. Erstens behauptet er, die 35-Stundenwoche habe das erklärte Ziel, 700′000 zusätzliche Jobs zu schaffen nicht erreich. Zweitens bemüht ereine Umfrage des “Figaro”, wonach sich 63 Prozent der Franzosen im Zweifelsfall lieber für mehr Lohn und Arbeit als für noch mehr Freizeit entscheiden würden."
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Vor dem Endspiel in Hessen
Süddeutsche Zeitung - "Im zweiten Anlauf haben sich SPD, Grüne und die Linke in Hessen durchgesetzt: Das Land schafft die Studiengebühren ab. Damit ist Schluss mit der Symbolpolitik, nach der Sommerpause wird es ernst."
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Irland raus aus der EU!

Feynsinn - "Wozu hat die Europäische Union aus der EU-Verfassung den “Vertrag von Lissabon” gemacht? Die Iren haben es nicht verstanden: Die EU ist Regierungsangelegenheit. Nicht zufällig werden die relevanten EU-Behörden und die Heillige Kommission nicht von den Bürgern gewählt. Die dürfen das nahezu einflußlose EU-Parlament wählen, und selbst das sollte man sich noch überlegen. Es geht doch alles schief, wenn man den in den Staatsverfassungen so genannten “Souverän” mitbestimmen läßt."
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Ein Lob den Iren
Süddeutsche Zeitung - Jürgen Habermas: "Über die Motive des irischen Neins lässt sich nur spekulieren. Dagegen sind die ersten Reaktionen von offizieller Seite eindeutig. Die aufgescheuchten Regierungen wollen nicht ratlos erscheinen, sie suchen nach einer technischen Lösung. Diese läuft auf eine Wiederholung des irischen Referendums hinaus."
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My first cavity search
Ein Kinderbuch ist erschienen, mit dem viel sagenden Untertitel: "Helping your child understand why he may pose a threat to National Security". Wie weit soll das eigentlich noch gehen?
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Einbrecher entblößten Gesäß
Abendblatt - "Die Einbrecher zerstörten nichts, klauten nichts, hinterließen aber ungewöhnliche Spuren - in Form ihres Allerwertesten in zigfacher Ausführung. Die Polizei: "Mit entblößtem Hintern" hätten sich die Täter auf dem Kopiergerät in einer Schule in Münster ablichten lassen. Man prüfe einen "Massen-Gesäßtest"." - Warum frage ich eigentlich erst?
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Verkauf der Bundesdruckerei geht in die heiße Phase
Heise - "Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung steht der Verkauf der Bundesdruckerei unmittelbar bevor. Bis zum 18. Juni sollen Investoren noch Zeit haben, ein Gebot für die Firma abzugeben, deren Wert auf eine Milliarde Euro geschätzt wird. Während der Elektronikkonzern Bosch nach Angaben einer Konzernsprecherin nicht mehr mitbieten will, sollen die Firmen Giesecke & Devrient sowie der TÜV Nord noch im Rennen sein. Auch ausländische Firmen wie die US-amerikanische 3M haben Interesse an der Firma geäußert, doch soll die Druckerei in deutscher Hand bleiben, weil sie die Reisepässe deutscher Bürger druckt."
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Fünf Euro Stundenlohn sind sittenwidrig
Frankfurter Rundschau - "Fünf Euro Stundenlohn für Auspackhilfen in Supermärkten in Bremen sind nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen sittenwidrig. Die Richter bestätigten am Dienstag eine Entscheidung des Arbeitsgerichts. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig, da die Kammer eine Revision beim Bundesarbeitsgericht zuließ (Az: 1 Sa 29/08)."
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Krach im Parlament
Stern - "SPD, Grüne und Linke haben in Hessen im zweiten Anlauf die Studiengebühren gegen den Willen von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) abgeschafft. Die Debatte am Nachmittag zeigte eindrucksvoll, wie tief die Gräben im hessischen Parlament sind."
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Sonderhinweis:
Ich weiße noch einmal auf das Blog "USA erklärt" hin, dessen fünf wichtigste Einträge wirklich absolut zu empfehlen sind.

Schröder im Juristenkrieg

Nicht, dass die Überschrift falsch verstanden wird: Schröder hat diesen Juristenkrieg selbst entfacht. Es geht dabei um das Buch "Der Deutschland-Clan" von Jürgen Roth, das ich für den Roten Dorn hier rezensiert habe. Schröder wird in dem Buch unvorteilhaft mit den Arabischen Emiraten und Gazprom in Verbindung gebracht; ersteres konnte Jürgen Roth wohl nicht belegen, weswegen es in späteren Ausgaben des Buchs gestrichen wurde. Nun versuchte Schröder mit seltsamen juristischen Spielchen, das Buch ganz aus dem Handel zu bringen, wie die SZ berichtet. Dass das ziemlich lächerlich ist, steht auf der einen Seite. Dass es das bemerkenswerte Verständnis von Pressefreiheit und Meinungsfreiheit (ihr wisst schon, das Zeug, das die fiesen Chinesen immer wieder von uns "Weltverbesseren" angemahnt kriegen) Schröders zeigt, steht auf der anderen Seite.

Merkel und ihre Positionen

Merkel ist ein Phänomen. Sie steht für nichts und ist beliebt wie nie. Bei Kurt Beck ist das genauso, nur dass er unbeliebt wie nie ist. Man kann das wie die SZ darauf schieben, dass Kurt Beck etwas falsch macht, das Merkel richtig macht. Zum Teil ist das sicher auch richtig, denn Beck war PR-technisch ein ziemlicher Trampel.
Aber hauptsächlich liegt es daran, dass die Medien eine vollkommene Pro-Merkel-Front eingenommen haben (und die, die es nicht tun sind so weit links, dass sie auch Beck nicht mögen). Die NDS haben analysiert, welche Widersprüche Merkel sich leistet, ohne dass die Medien auch nur im Geringsten darauf reagieren (siehe hier). Merkels hohle Phrasen werden nie thematisiert, während anderweitig jede Bemerkung eines Beck oder, noch schlimmer, Lafontaine vollständig auseinandergenommen wird. Es herrscht eine furchtbare Schieflage in diesem Land, und Merkel personifiziert diese Schieflage. Sie ist beliebt, und wenn es so weitergeht, wird sie es auch bleiben.

Kurt Tucholsky - Die freie Wirtschaft

"Ihr sollt die verfluchten Tarife abbauen.
Ihr sollt auf euern Direktor vertrauen.
Ihr sollt die Schlichtungsausschüsse verlassen.
Ihr sollt alles Weitere dem Chef überlassen.
Kein Betriebsrat quatsche uns mehr herein,
wir wollen freie Wirtschaftler sein!
Fort die Gruppen – sei unser Panier!
Na, ihr nicht.
Aber wir.
Ihr braucht keine Heime für eure Lungen,
keine Renten und keine Versicherungen.
Ihr solltet euch allesamt was schämen,
von dem armen Staat noch Geld zu nehmen!
Ihr sollt nicht mehr zusammenstehn -
wollt ihr wohl auseinandergehn!
Keine Kartelle in unserm Revier!
Ihr nicht.
Aber wir.
Wir bilden bis in die weiteste Ferne
Trusts, Kartelle, Verbände, Konzerne.
Wir stehen neben den Hochofenflammen
in Interessengemeinschaften fest zusammen.
Wir diktieren die Preise und die Verträge -
kein Schutzgesetz sei uns im Wege.
Gut organisiert sitzen wir hier …
Ihr nicht.
Aber wir.
Was ihr macht, ist Marxismus. Nieder damit!
Wir erobern die Macht, Schritt für Schritt.
Niemand stört uns. In guter Ruh
sehn Regierungssozialisten zu.
Wir wollen euch einzeln. An die Gewehre!
Das ist die neuste Wirtschaftslehre.
Die Forderung ist noch nicht verkündet,
die ein deutscher Professor uns nicht begründet.
In Betrieben wirken für unsere Idee
die Offiziere der alten Armee,
die Stahlhelmleute, Hitlergarden …
Ihr, in Kellern und in Mansarden,
merkt ihr nicht, was mit euch gespielt wird?
mit wessen Schweiß der Gewinn erzielt wird?
Komme, was da kommen mag.
Es kommt der Tag,
da ruft der Arbeitspionier:
“Ihr nicht.
Aber Wir. Wir. Wir.”
Quelle: NDS

Es köhlert wieder

"Unser" (das BILD-Zeitungs-Wir) Bundespräsident Horst Köhler hat eine Rede gehalten. Seine dritte Berliner Grundsatzrede, um genau zu sein. Wer jetzt sagt "ja und?" liegt richtig, denn inhaltlich bietet Köhler praktisch nichts. Die SZ hat dieses Nichts dankenswerterweise dokumentiert, so dass wir uns hier damit auseinandersetzen können.
"Inzwischen müssen schon Facharbeiterfamilien sehr schnell Steuersätze zahlen, die früher nur für Reiche galten." All dies drücke auf die Steuermoral und den Leistungswillen. Köhler prangerte insbesondere die Folgen der sogenannten kalten Progression an: "Schon für Durchschnittsverdiener bedeutet eine Gehaltserhöhung rasch einen höheren Steuertarif und entsprechend weniger Netto vom Brutto" , sagte er. (Quelle)
Das ist die typische Argumentationslinie der Neoliberalen. Erst senken sie die Steuern der Spitzenverdiener so weit ab, dass die kaum mehr was bezahlen, und dann wird dieser Zustand lauthals angeprangert - um die Steuern weiter zu senken.

Dies müsse sich ändern. Nötig sei außerdem eine Vereinfachung des Steuerrechts, das inzwischen völlig undurchschaubar sei. Dies führe zu den unsinnigsten Geldanlagen, nur um Steuern zu sparen. Damit stellte sich Köhler indirekt an die Seite der CSU. Diese hatte Anfang Mai als erste Koalitionspartei ein Steuerkonzept vorgestellt, das die Steuerzahler um 28 Milliarden Euro entlasten soll. Während die Forderungen von Teilen der CDU unterstützt werden, pochen Bundeskanzlerin Angela Merkel und die SPD darauf, dass die Haushaltskonsolidierung absoluten Vorrang haben müsste. (Quelle)

Das ultimative Wahlkampfziel, die Vereinfachung des Steuerrechts. Gleichzeitig aber sollen bestimmte Gruppen entlastet werden (Wählergruppen), indem das Steuerrecht wieder verkompliziert.
Köhler plädierte zugleich dafür, die sozialen Sicherungssysteme künftig stärker durch Steuern zu finanzieren. Deutschland habe ein Jahrhundert lang die Kosten der sozialen Sicherheit vor allem den Arbeitern, Angestellten und privaten Arbeitgebern auferlegt. Dies hemme inzwischen das Entstehen neuer Arbeitsplätze. Durch eine stärkere Streuerfinanzierung könnten alle Bürger entsprechend ihrer Leistungskraft zur sozialen Sicherheit beitragen. (Quelle)
Neben dem alten Märchen, dass die Sozialabgaben das Hemmnis der Arbeitsplätze wären, spricht Köhler wahrscheinlich ein wahres Wort aus.

Köhler forderte in seiner Rede auch eine "anständige Grundabsicherung" für alle. Er bezeichnete Arbeit, Bildung und Integration als zentrale Ziele für Deutschland. Die Chancen für mehr Arbeit seien auch dank der Globalisierung "grandios".

"Vollbeschäftigung ist möglich, wenn wir ihre Voraussetzungen und unsere Chancen verstehen und entsprechend handeln." Der Bundespräsident lobte insbesondere die Erfolge auf dem Arbeitsmarkt. In den vergangenen drei Jahren hätten mehr als 1,6 Millionen Menschen in Deutschland zusätzlich einen Arbeitsplatz gefunden, sagte Köhler. "Diese Fortschritte tun dem Land unendlich gut." Köhler forderte eine "anständige Grundabsicherung", die Bürger müssten "durch eigene Erwerbstätigkeit mindestens dazu beitragen können."

Zugleich müsse sichergestellt werden, dass aus dem Niedriglohnbereich viele Wege nach oben führten. Ausdrücklich hob Köhler die Chancen der Globalisierung hervor. Die internationalen Voraussetzungen für mehr Beschäftigung in Deutschland seien bestens, betonte er. Es sei falsch, das Wachstum der Weltwirtschaft als bedrohlich und zerstörerisch anzusehen. (Quelle)

Was ist eine "anständige Grundabsicherung"? Laut "Sozialdemokraten" wie Sarrazin sind das 347 Euro im Monat. Wo setzt Köhler die Grenze an? Die Antwort bleibt er schuldig. Dazu kommt die Gleichsetzung von Arbeitsplätzen mit menschenwürdigen Zuständen; viele der geschaffenen Arbeitsplätze sind Zeitarbeitsplätze und zudem äußerst schlecht bezahlt. Und das diffuse Gerede von "Wegen, die nach oben führen" hilft den Niedriglohnern nicht weiter. "Wege, die nach oben führen" heißt, dass ein Großteil des Niedriglohnsektors bleiben soll, wie er ist. Und das ist ein Skandal.

Die dringend nötige politische Gestaltung der Weltmärkte habe längst begonnen. Dabei seien Klimaschutz und die Ordnung der Weltfinanzmärkte vorrangig. "Zweitens bleibt weltweites Wachstum das wirksamste Mittel gegen Hunger und Armut. Drittens macht alles in allem Wachstum die Welt heiler, als sie heute ist."

Zum Beweis verwies Köhler auf die Chancen, die die Modernisierung eines Landes wie China oder Brasilien berge. "Und dabei sind als Weltverbesserer gerade auch wir Deutsche gefragt und können gute Geschäfte machen", sagte Köhler. (Quelle)

Jetzt kommt noch ein bisschen Weichspüler drüber, mit Gerede von Klimaschutz, Kontrolle und Weltverbessern. Was soll das? Köhler redet nur davon, irgendwelche konkreten Maßnahmen hat man von ihm noch nie gehört. So bleibt das alles nur Wahlkampfgewäsch.

Köhler hat auch längere Wahlperioden und eine Reform des Wahlrechts vorgeschlagen, um Politik effektiver zu machen und Politikverdrossenheit zu bekämpfen. "Gegen den hierzulande meist herrschenden Dauerwahlkampf ließe sich die Legislaturperiode des Deutschen Bundestags auf fünf Jahre verlängern". Zudem könnten öfter als bisher mehrere Landtags- und Kommunalwahlen auf einen Tag gelegt werden. Die Bürger könnten stärker beteiligt werden, wenn sie auf den Wahllisten der Parteien für einzelne Kandidaten stimmen könnten. Diese Möglichkeit gibt es auf Bundesebene bisher nicht, dort gilt die Zweitstimme für die gesamte Wahlliste einer Partei. (Quelle)

Jetzt noch etwas, das in keiner Ruck-Rede dieser Tage fehlen darf: Parteien-Bashing! Was genau es helfen soll, die Periode auf fünf Jahre zu verlängern weiß Köhler allein. Auch die Landtagswahlen auf einen Tag zu konzentrieren kann nur Symptombekämpfung sein, weil in der Föderalismusstruktur ja der eigentliche Hund begraben liegt, den man mit der neuesten Reform zum Thema nur noch tiefer verbuddelt hat.

So bleibt Köhlers Rede belanglos bis entlarvend oberflächlich. Nichts Neues aus dem Köhlerland, und es wird Zeit, dass der Mann ab gewählt wird. Daran ändert auch die Lobhudelei von Nico Fried nichts. Immerhin wird Köhlers Rede im Stern verrissen, das ist wenigstens was.

Samstag, 14. Juni 2008

Fundstücke 14.06.2008

Thema Unsinn

UN-Kindergarten: Die EM
Leider lässt sich dieses YouTube-Video nicht einbetten, deswegen so als Link.
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Thema Politik

Die große Enttäuschung
Die Iren haben im Reverendum den EU-Vertrag abgelehnt. Jetzt sinniert man darüber nach, ob man die Iren einfach draußen lassen will. Es steht zu hoffen, dass der doofe Vertrag endlich in der Versenkung verschwindet und endlich ein vernünftiger gemacht wird.
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Iren lehnen EU-Vertrag ab
Michael Schöfer mit interessanten Fakten.
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Europa blickt auf Irland
Der Spiegelfechter mit noch mehr Fakten.
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Unaufhaltsamer Aufstieg
Die LINKE ist ein Jahr alt.
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In der FDP gibt es schlimmere Extremisten als in der Partei der LINKEn
Gleichzeitig, von den Medien weitgehend unbemerkt, hat der derzeitige Vorsitzende der FDP, Westerwelle auf dem letzten Parteitag der FDP eine Rede gehalten, die in Teilen überaus radikal und extremistisch war und den kaum verhohlenen Wunsch formuliert hat, endlich in eine andere Republik marschieren zu können. Die ideologische Orientierung, die von beachtlich vielen FDP-Parteianhängern eingenommen wird, ist zutiefst verfassungsfeindlich. Sie beinhaltlich im Wesentlichen eine Idee von "Republik", die auf der Herrschaft des Geldes über die Normalbürger beruht.
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Becks Stellvertreter sind Becks Problem
Alle Welt drischt auf Kurt Beck ein, er ist der Buhmann der SPD, er soll die schlechten Umfragewerte verantworten. Was aber ist mit seinen Stellvertretern Steimeier, Steinbück und Nahles? Sie tun viel - aber so gut wie nichts für Beck. [...] Beck hat sich seine Stellvertreter natürlich selbst ausgesucht, er verantwortet die Personalentscheidung. Vielleicht jedoch sollte er sich mal folgende Frage stellen: Weshalb kann eigentlich kaum jemand auf Abruf sagen, wer die Stellvertreter der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel sind?
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Thema Bildung

Die Verwendung von Studiengebühren in NRW - eine Studie ohne Wert

Eine wunderschön ausgewogene Studie über die „Verwendung von Studienbeiträgen an Hochschulen in Nordrhein-Westfalen“ [PDF 2,6 MB] hatte „Innovationsminister“ Andreas Pinkwart in Auftrag gegeben. Auftragnehmer waren das „Deutsche Studentenwerk“, das sich um soziale Anliegen der Studierenden kümmert, und der „Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft“, der verlängerte Arm der Unternehmerverbände in Hochschule und Wissenschaft. Die Auftragnehmer der Studie mögen ausgewogen sein, allerdings ist ihre Studie ohne Wert.
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Seid umschlungen, Millionen
Ausgerechnet bei SpOn findet sich ein studiengebührenkritischer Text.
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Platz da, die Privatschul-Kette kommt!
Noch mal SpOn: die Phorms-Schulen offenbaren die ganze soziale Schieflage der Debatte um Privatschulen in Deutschland.
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Bildung schützt vor Armut nicht!
Professor Butterwegge widerlegt das Dummgerede dieser Tage von Bildung als Patentrezept gegen Armut.
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Studiengebührenurteil des Hessischen Strafgerichtshof: Chancengleichheit durch Verschuldung
Mit Wortverdreherei und juristischer Rabulistik gelingt es der Mehrheit der Richter am hessischen Verfassungsgerichtshof, den eindeutigen Wortlaut des Artikels 59 der Hessischen Landesverfassung in sein Gegenteil zu wenden. Aus der Unentgeltlichkeit des Studiums wird die Zulässigkeit des Bezahlstudiums für alle. Wer kein Geld hat, muss sich eben verschulden, dann hat er genauso viel, wie derjenige, der Geld hat. Ein klassischer Fall von Oberschichten-Justiz.
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Thema Wirtschaft

Wider Gruselmärchen über den Mindestlohn
Mit Gruselgeschichten versuchen Unternehmerlobbyisten und ihre Freunde in der Politik, Mindestlöhne zu dämonisieren. Wer eine einheitliche gesetzliche Untergrenze verlangt, wird als Feind der Tarifautonomie gebrandmarkt. Auch ein Branchenmindestlohn für Leiharbeiter gilt ihnen als Teufelszeug. Davon müssen wir die Finger lassen, rufen die Arbeitgeberverbände BDA und Gesamtmetall im Chor mit CDU-Politikern wie Ronald Pofalla und Volker Kauder.
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Julian Nida-Rümelin zum BGE: Kritik der Kritik
Unter der Überschrift: "Integration statt Ausstieg - ein bedingungsloses Grundeinkommen würde unsere Gesellschaft noch weiter spalten" veröffentlichte die Frankfurter Rundschau am 12. Juni 2008 einen kritischen Aufsatz von Julian Nida-Rümelin zum Bedingungslosen Grundeinkommen. Hier nun meine Kritik der Kritik.
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Thema Medien

Die Ärzte im Axel-Springer-Remix
Antenne Bayern hat das Lied "Lasse redn" der Ärzte um folgende Zeile gekürzt:
Lass die Leute reden und lächle einfach mild
Die meisten Leute haben ihre Bildung aus der Bild
Und die besteht nun mal, wer wüsste das nicht
Aus Angst, Hass, Titten und dem Wetterbericht.
Antenne Bayern gehört zu 16% dem Axel-Springer-Verlag. Wahrscheinlich nur ein dummer Zufall.

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Mittwoch, 11. Juni 2008

Fundstücke 11.06.2008

Thema Datenschutzgefährdungen

"Das Grundgesetz ist dazu da, in Aktion zu treten"
SZ-Interview mit Winfried Hassemer, Verfassungsrichter. Lesenswert!
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Berliner Feilschen

Seit irgendjemand die glorreiche Idee hatte, die Bundesdruckerei zu privatisieren, besteht die Gefahr, dass irgendjemand zusammen mit der maroden Druckerei mal eben die Passdaten aller Deutschen mit aufkauft. Giesecke will das jetzt tun.
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Die neuen Gesetze der Inneren Sicherheit - von 1986
Ein alter Spiegelartikel, der erschreckend aktuell ist.
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Police Blotters: Öffentliche Polizeiprotokolle
Eine völlig andere Vorstellung von Öffentlichkeit im Verhältnis von Bürger und Polizei herrscht in den USA.

Thema Politik

Der Gegensouverän

Die SZ ätzt gegen Roland Koch und dessen unfreiwillige Schützenhilfe für die linke Mehrheit - sowie sein äußerst fragwürdiges Demokratieverständnis.
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Schlaraffenland, dank FDP
Guido Heyn nimmt die Wahlkampfforderungen der FDP auseinander, die in etwa so fundiert und finanzierbar sind wie die der LINKEn, was aber natürlich nirgendwo in den Medien zum Thema gemacht wird.
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"Sachsens CDU soll den rechten Rand säubern"
Der Tagesspiegel sieht die Verantwortung für das Erstarken der NPD bei der CDU.
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Desaster-Werte für die SPD
Sie erreicht jetzt 20%.
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Thema Wirtschaft

Lasst hohe Energiepreise zu!
Ein etwas anderes Plädoyer der FR.
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Graphik
Diese Graphik zeigt die Anzahl Dollar, die sich die Banken seit 1925 bei der FED geliehen haben. Gruselig. Absolut gruselig. Danke Fefe!
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Dienstag, 10. Juni 2008

Alimentierungswahn

Ob kostenloses Schulmittagessen für arme Kinder oder Sozialtarif für Energie: die Politiker von CDU und SPD überschlagen sich dieser Tage in Vorschlägen, wie man die Not der Armen lindern könnte, was spätestens seit der Veröffentlichung des Armutsberichts ein Thema ist, aber eher auf die Gefahr durch die LINKE zurückgeht. Nichts könnte falscher sein.
Jahrelang wird verkündet, der Sozialstaat sei ein bürokratisches Monster, alimentiere zu viel. Nun wird ein Vorschlag nach dem anderen durch die Medien gejagt, der das Ganze NOCH bürokratischer macht. Klasse Idee. Nichts wird getan gegen die Ursachen der Armut und nur wenig wird zu ihrer Linderung getan. Die negativen Folgen der Armut werden sogar mutwillig noch weiter verstärkt, wie in den beiden eingangs erwähnten Fällen. Armut in Deutschland, das ist nicht Hungern. Das hat sogar Guido Westerwelle mit seiner "Man hat mir den Lolly geklaut"-Schmollstimme bei Anne Will verkünden dürfen. Nein, das Problem ist die soziale Stigmatisierung, und diese zu beseitigen tut man nichts, man verschärft sie nur.
Man stelle sich für einen Moment das flächendeckende Netz Ganztagsschulen vor, in dem Mittagessen serviert wird. Die "armen" Kinder kriegen den Sozialtarif, den sie natürlich nachweisen müssen. Klasse. Oder wenn im Mietshaus mal wieder der Stromzähler abgelesen wird: "Ach, beziehen Sie Sozialtarif?"
Vernünftig wäre hier, anstatt der vielen, vielen Sonderfälle, Alimentierungen und Ausnahmen einfach einen Satz in vernünftiger Höhe auszuzahlen, der an keine bescheuerten Bedingungen wie die Größe der Wohnung o.ä. gebunden ist. Dann könnten die Arbeitslosen eigenverantwortlich mit dem Geld umgehen, was genau das wäre, was man ja eigentlich rhetorisch zu erreichen sucht. Stattdessen zwängen die aktuellen Hartz-Gesetze den Empfänger in einen Status der Unmündigkeit, und mit jeder neuen Initiative wird dieser von den verantwortlichen Politikern weiter zementiert.
Die Ursache für zu hohe Energiepreise sind die Konzerne, deren Entflechtung die deutsche Regierung gerade gegen den Widerstand der Rest-EU verhindert hat (herzlichen Dank nochmal). Da noch einen Sozialtarif draufzusatteln, ist Augenwischerei. Es gelte Monopole zu entflechten und echten Wettbewerb zu ermöglichen, das zu tun, für das man gewählt wurde, sprich: Politik machen. Stattdessen gibt es das übliche Schaulaufen der ewig hässlichen Entlein, während die Wahlbeteiligungen kontinuierlich sinken.

Fundstücke 10.06.2008

Die Rückkehr der Nervensägen
Die FTD äußerst sich beißend zu der vermehrten Aufmerksamkeit, die INSM, Hans-Werner Sinn, Meinhard Miegel, Bernd Raffelhüschen und Co derzeit wiederkommen und konstatiert hart: sie leben von der Krise.
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Die LINKE fordert mehr Transparenz beim Sachverständigenrat
Längst überfällig. Ständig beglückt dieser durch wenig legitimierte Rat die deutsche Öffentlichkeit mit neuen Zahlen und Prognosen, ohne dass die Frage nach dem cui bono gestellt würde. Es steht zu hoffen, dass die Initiative der LINKEn etwas bewirkt.
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Von der Langlebigkeit guter gesellschaftlicher Regeln, so genannter social techniques
"Gestern traute ich meinen Ohren nicht: der Generalsekretär der SPD Heil und dann auch der Vorsitzende Beck forderten öffentlich, jedes Kind müsse dem Staat gleich viel wert sein. Daraus folgt die Forderung nach einem gleichen Kindergeld für alle oder nach einer gleichen steuerlichen Entlastung - unabhängig vom Einkommen. Die Formulierung „jedes Kind muss dem Staat gleich viel wert sein“ steht nahezu wörtlich im Steuerreformprogramm der SPD vom November 1971. Beginnen unsere Politiker zu lernen, dass gesellschaftliche Regelungen keine Eintagsfliegen sein dürfen und dass man damit nicht spielen darf? Albrecht Müller."
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Ich bin jetzt bewusst mal ein bisschen naiv
Angesichts der gestiegenen Rüstungsausgaben rechnet Michael Schöfer einmal vor, was man damit hätte vernünftigeres tun können.
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Die Biokraftstoffe sind nicht die Banditen
Die Ernährungskrise hat andere Ursachen, erklärt Telepolis.
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Wie viel Populismus darf's denn sein?
Die Telepolis zum Thema Wahlkampf der Union. Siehe auch hier zum gleichen Thema.
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EU-Richtlinien zu Arbeitszeit und Leiharbeit
Ausgerechnet die schlechten deutschen Gesetze wurden nun zum allgemeingültigen EU-Standard erklärt. Dabei ist die sich immer weiter ausbreitende Leiharbeit das Gift des Arbeitsmarkts. In Maßen kann sie durchaus stimulierend wirken, aber so, wie sie derzeit gesetzlich subventioniert wird (Clement und andere Korrupte lassen grüßen), vernichtet sie lediglich regukäre Arbeitsplätze und verschlimmert die Krise weiter.
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Sachsen, Nazis und andere Demokraten
Feynsinn setzt sich mit den Kommunalwahlen von Sachsen auseinander.
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Montag, 9. Juni 2008

Im Senkungswahn

Jetzt hat auch die SPD unter dem wahlstrategischen Druck ihr Ziel vom ausgeglichenen Haushalt 2011 über Bord geworfen und hüpft zur CDU/CSU ins Karussel. Wie bei der SPD inzwischen so üblich, macht man es auf die dümmstmögliche Weise: zum einen mit einem offensichtlich dämlichen Vorschlag, zum anderen mit einem, den auch noch die CDU gemacht hat und dem man nun zustimmt - nachdem man monatelang hart opponiert hat.
Es geht um die Beiträgesenkung zur Arbeitslosenversicherung. Nachdem die SPD tatsächlich einmal auf einem Feld von der CDU zu unterscheiden war, versucht sie sich nun hier billig zu profilieren. Von 3,3% auf 3,0% soll es runtergehen mit den Beiträgen. Insgesamt 2,1 Milliarden Entlastung soll dies Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam bringen. Wenn man sehr positiv gestimmt ist, teilt sich das Hälfte-Hälfte auf. Die Firmen sparen also 1,05 Milliarden, die Arbeitnehmer auch. Die Arbeitnehmer sind insgesamt etwa 55 Millionen, von denen nur etwa 45 Millionen überhaupt sozialversicherungspflichtige Jobs haben. Das macht eine Entlastung von 23,34€ - jährlich. Dem Staat dagegen fehlen wieder einmal über zwei Milliarden in der Kasse. Dieser Betrag, der hier für nichts und wieder nichts aus dem Fenster geworfen würde, ist das Soll des deutschen Bildungssystems - sein jährliches Soll. Dieses Geld in Bildung investiert, die, wie Thorsten Denkler bei der SZ wieder einmal betont hat, ja unser wichtigstes Gut ist - Deutschland hätte zahlreiche Probleme weniger. Nicht einmal ich, der pro Monat kein steuerpflichtiges Einkommen hat, würde 23,34€ jährlich bemerken, geschweige denn ein Arbeitnehmer mit sozialversicherungspflichtigem Job.

Der Zahlen Wesen, wer kann`'s lesen?

Spiegel Online offensichtlich nicht. Denn der schockt den treuen Leser mit einer reißerischen Überschrift: Deutsche zweifeln an sozialer Marktwirtschaft! Oh Graus, oh Weh! 38% der Deutschen hätten demnach "keine gute Meinung", nur mehr 31% eine "gute Meinung" von der deutschen Wirtschaftsordnung. Dazu findet sich ein Bild von Ludwig Erhard, dem scheinbar die Jünger davonlaufen.
Aber das ist Unsinn. "Die Deutschen" halten sehr viel von der Sozialen Marktwirtschaft. Sie haben nur erkannt - deutlich klüger als ihnen das die SpOn-Redaktion zutraut -, dass unsere aktuelle Wirtschaftsordnung (nach der in der Umfrage ja auch gefragt wurde) eben KEINE soziale Marktwirtschaft mehr ist. Und das wollen die Deutschen nicht.
Ob SpOn aus Dummheit oder Berechnung die Zahlen hier so falsch interpretiert, ist mir nicht bekannt. Möglich wäre beides.

Fundstücke 09.06.2008

Anne Will hat sich noch immer nicht entschuldigt!
Um was es geht, stellt ad sinistram dar.
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Familien sollen mehr Geld bekommen
CDU und SPD überschlagen sich in Versprechungen. Hinter dem Ganzen steckt viel heise Luft, die Konzepte sind vollkommen unausgegoren. Sie sollten mal mehr auf Experten statt nur Lobbyisten hören.
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Die Zukunft ist postamerikanisch
In der Telepolis geht es um das Ende des PNAC und ähnliche Träume und welche Konsequenzen das für die Sicherheit der Welt hat.
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Bedingungsloses Grundeinkommen
"nebenbei bemerkt..." hat einen sehr ausführlichen Text über das BGE geschrieben, den zu lesen sich lohnt.
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Springer und der Fußballkrieg, oder: Wie der Springer-Verlag die Deutschen und die Polen aufeinander hetzt
Ein neues Kapitel der widerlichen Konzerngeschichte von Axel Springer.
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Maybrit Illner und das ZDF - eine Schande für den Journalismus
Die mit Telekom-Chef Obermann liierte Illner hat diesen in ihrer Sendung richtig hübsch reingewaschen.
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Wer hat Angst vor dem kleinen Mann?
In der SZ wird gegen die Iren polemisiert, die doch glatt demokratisch über die neue EU-Verfassung abstimmen wollen. Weil sich das nicht verhindern lässt, machen fünf der sechs Parlamentsparteien Werbung für die Annahme, aber es sieht düster aus. Dieser Missstand ist für die SZ aber nicht kritikwürdig, stattdessen werden alle Gegner in die Ecke von Extremisten gestellt oder als von Washingtons NeoCons finanziert dargestellt.
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Wer schlau ist, spielt mit
Relativ guter SZ-Artikel zum Thema Feminismus heute.
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"Du dumme Sau!"
Die Zeit erklärt, warum uns heutzutage die Choleriker fehlen.
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Die Rückkehr der prüden 50er
Anhand der Mosley-Affäre analyisert Michael Schöfer einen bedenklichen Verfall des Werts "Privatsphäre" und das zugehörige Medienversagen.
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Die strategische Bedeutung des Bedauerns von Anne Will für den Einfluss der Rechtskonservativen auf die Medien
Schmerzvoll wahr.
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Österreichisches Parlament: FPÖ prangert "Genderwahn" an - drei Ordnungsrufe
Genderama berichtet.
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In Deutschland verdienen Frauen viel weniger
Was, wie die Welt hier im Artikel konträr zur Einleitung schreibt, nichts mit Diskriminierung zu tun hat, sondern mit der unterschiedlichen Berufswahl der Frauen.
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Samstag, 7. Juni 2008

BILD informiert!

Seit geraumer Zeit wirbt die BILD-Zeitung damit, leider erst seit 1952 berichten zu dürfen. Gewagt könnte man das nebenstehende Plakat derart interpretieren, dass deshalb der Untergang der Titanic nicht verhindert werden konnte. Doch - ich traue es mich fast nicht zu sagen - die BILD hat 1912 doch davon berichtet! Diesbezüglich liegen mir Unterlagen vor. Wie diese Unmöglichkeit sein kann, weiß ich nicht in vollster Gewißheit zu beantworten. Wohl aber wie mir die Dokumente, d.h. die BILD-Ausgaben jenes Jahres, zugespielt worden sind. So begab es sich, dass ein stark verwirrter Mann sie mir übergab, dabei von Zeitreisen und Axel Springer und allerlei anderen Seltsamkeiten sprach, die gemeinhin keinerlei Zusammenhang zu haben scheinen. Meine Erklärung muß daher spekulativ bleiben. Womöglich handelte es sich um einen zeitreisenden Wissenschaftler des 24. Jahrhunderts, der Axel Springer seiner Zeit entrissen hat, um ihn einige Jahre vorher wieder auszulassen. Somit gründete Springer seine GmbH nicht erst 1946, sondern irgendwann vor 1912. Vielleicht sind die mir zugespielten Dokumente lediglich Relikte aus einer anderen, uns vollkommen unbekannten Zeitlinie, deren Echtheit wir in unserer Linie nie beweisen können. Doch wir wollen uns nicht mit dem Wie und Woher aufhalten, sondern kurz dokumentieren, wie die BILD seinerzeit vom 14. April 1912 - der Tag des Untergangs - berichtete, wie sie die Leserschaft informierte. Aber bevor ich beginne, sollten wir in uns gehen und aufrichtig gegenüber uns selbst sein und zur Sprache bringen, was sich uns im Innersten aufdrängt: Wir haben nie wahrhaft geglaubt, dass es eine Zeit vor BILD gab!

Bereits im Vorfeld berichtete man ausführlich über die Titanic. Einige Tage nach Fertigstellung des Ozeanriesen hieß es in der BILD: "Wir Europäer haben der Welt eine technische Meisterleistung geschenkt. Heute können wir nicht mehr behaupten, dass es die Engländer alleine waren, die dieses Schiff erbaut haben. Es waren alle Europäer, vereint im Fortschritt. Die Völker der Erde ziehen vor uns den Hut!" Und: "Jetzt kann man auf dem Ozean so bequem reisen, wie in einer Eisenbahn. Der Große See ist uns nun Untertan! Wir Menschen sind Ozean!" Am Tag der Jungfernfahrt brachte BILD zwei Doppelseiten zum - Orginalzitat - "einmaligen Weltereignis". Wie recht die BILD mit dieser Einmaligkeit hatte, wußte sie, obwohl sie sonst immer alles weiß, leider noch nicht. Schon Wochen vor dem Großereignis wurde über den enthemmten Luxus an Bord geschwärmt: "Werden Guggenheim und Astor das bordeigene Freudenhaus besuchen?" BILD-Fräuleins in knapper Bekleidung lächelten von der Vorderseite und wußten wochenlang nur zu sagen: "Ich fahre mit und angel' mir einen Millionär!"
Schon einen Tag nach Antritt der Jungfernfahrt, am 11. April 1912 also, trieb die BILD-Zeitung die Titanic - und namentlich Kapitän Smith - an, das Blaue Band für die schnellste Überquerung des Atlantiks zu gewinnen. Im überschwänglichen Artikel heißt es: "Schneller Titanic! Schneller! Wir wären enttäuscht, wenn so ein Luxusschiff nicht mindestens auch noch eine solche Kleinigkeit wie das Blaue Band gewinnt." Dabei wird der Direktor der White Star Line, Bruce Ismay, zitiert: "Ja, wir wollen das Band!" BILD erhob diesen Herrn darauf zum Sieger des Tages: "Soviel Wagemut gefällt uns!"
Ein gewisser Chefkolumnist Freiherr von Wagner romantisierte: "Wenn die Titanic eine Frau wäre, würde sie Erotik ausstrahlen, vor der ich nicht haltmachen könnte. Du, Titanic, wirst auch in hundert Jahren noch die erotischste Dame der Weltmeere sein." Ein anderer Kolumnist, Freiherr Müller von Vogg sah alles etwas politischer und meinte, dass man so eine technische Höchstleistung nur in einem Land entwickeln könne, welches so wie Großbritannien seine Gewerkschaften und sozialistischen Parteien kleinhält. "Der bitterböse Kommunismus im Deutschen Reich läßt Titanicen aller Art und Größen gar nicht zu!" Aber dennoch sei die Titanic eine "europäische Wunderbarkeit" und die Engländer müßten das einsehen, dürften diesen Erfolg gar nicht für sich alleine beanspruchen. "Wir sind doch völkisch verwandt!"

Am 16. April 1912, mit einem Tag Verspätung, berichtete die BILD dann vom großen Unglück. Irrtümlich dachte man, alle Passagiere seien ums Leben gekommen. Der Bericht erzählt minutiös: "Ein dumpfer Schlag! Allen ist schlagartig klar, dies muß ein Eisberg gewesen sein! Panik bricht aus! Das Pack in den unteren Abteilen will sich auf Kosten der Leistungsträger ins Obergeschoß retten. Tumult bricht aus. Schüße! Blut! Innerhalb von zehn Minuten ist der Spuk vorbei. Die Titanic liegt auf dem Grund des Ozeans. Wir alle sind fassungslos." Namhafte Reichstagsabgeordnete erklären in BILD, dass man nun uneingeschränkt Mitleid mit den Engländern haben müsse. Überhaupt: Schon einen Tag später fragt die BILD, ob dieses Unglück geschehen wäre, wenn das Schiff ein deutsches Produkt gewesen wäre. "Made in Germany haben die Briten als Warnplakette erfunden, um unsere deutsche Ware als billigen Ramsch zu kennzeichnen. Vor einigen Tagen wären sie froh gewesen, wenn sie unter dem Schlagwort Made in Germany hätten reisen dürfen!", urteilte Müller von Vogg. Gleichzeitig aber ein Lichtblick. Der Aufmacher am 17. April 1912 lautet: "Ein Wunder! Es gibt Überlebende! Tragödie mit Herz!" BILD-Kommentator Nicolaus von Fest erklärt, dass man die "Eisberg-Story" nicht für bare Münze nehmen sollte. "Man muß davon ausgehen, dass die Sozialisten der Erde eine ganz große Sauerei vertuschen! Der BILD liegen Fakten vor, wonach das Schiff sank, weil Sozialisten an Bord das Steuer übernommen haben." Man müsse nun einsehen, so fuhr er fort, dass wer kein Schiff steuern kann, erst recht kein Staatsschiff zu lenken weiß. "Die Titanic-Tragödie zeigt, dass die Jünger Marxens wahre Verbrecher sind!"

Wiederum einen Tag später wußte die BILD einen Schuldigen zu benennen, wenngleich man noch "vorsichtig" danach fragte. Der Direktor der White Star Line, Bruce Ismay, soll Kapitän Smith gedrängt haben, noch schneller den Atlantik zu überqueren. Das Blaue Band wäre die Krönung der Titanic-Erfolgsgeschichte. BILD meint: "Verantwortungslos!" Zudem wurde der Leserschaft mitgeteilt, dass Ismay ein engstirniger, arroganter und selbstsüchtiger Geschäftsmann ist. "Ein typisch englischer Snob!" Chefkolumnist von Wagner ließ es sich nicht nehmen, über Ismay zu schreiben: "Lieber Bruce Ismay, Sie sahen wie der sichere Sieger aus, wollten schnell sein, obwohl die Öffentlichkeit davon abriet. [...] Sie widern mich an! Das Teuflische an Ihnen ist, dass Sie so unscheinbar aussehen. Wären Sie eine Frau, ich würde auf Sie hereinfallen, aber dann eines Tages bemerken, dass ich neben einer Teufelin erwache." Fazit der BILD: Verlierer des Tages, weil "die unbändige Geltungssucht den Verstand ausgeschaltet hat!"
Ein weiterer Artikel befaßte sich derweilen mit dem englischen Debakel: "Es war niemals ein europäischer Geist, der dieses größenwahnsinnige Projekt beflügelt hat. Wieder einmal typisch britisch, so voller Dekadenz die Ozeane überqueren zu wollen. Zu den aufgedunsenen Gesichtern und der geschmacklosen Kleidung, kommt nun auch noch technische Unfähigkeit und Größenwahn dazu! Das ist typisch britisch. Germany is not amused!" Außerdem erklärte BILD, wie es zu dem tragischen Unglück hat kommen können. "Obwohl die Titanic unsinkbar war, geschah das eigentlich Unmögliche! Experten erklären warum! [...] BILD-Experte Mxxxx (Anmerkung: Name unleserlich): Ganz klar, das Schiff ging unter wie ein Stein. Jene Experten, die vom Auseinanderbrechen des Rumpfes sprechen, haben von Statik keinerlei Wissen." Und weil es schnell wie ein Stein sank: "Rettungsboote hätten auch da nicht genutzt! Es sind nur wieder ganz linke Stimmen, die den Menschen Rettung versprechen wollen, die ja eigentlich geradezu unmöglich war bei dieser Sinkgeschwindigkeit." Auf die Aussage eines deutschen Sozialdemokraten, der kundtat, dass das Titanic-Unglück zeige, wie blind der Fortschrittsglaube mache, urteilt die BILD: "Vaterlandslos waren sie ja schon immer! Und nun auch noch zynisch! Ein Fall für den Staatsanwalt! Hinter Gittern mit solchen Gesellen! Wer stoppt den roten Rxxxx (Anmerkung: Name unleserlich)?"

Nach und nach verging das Interesse am Thema Titanic. Und einige Monate später wurde Ismay rehabilitiert und von der BILD zu "Englands besten Unternehmensdirektor" gekürt. Nun könnte der Leser dieser Zeilen behaupten, dass dies alles schlecht erfunden sei. Erfunden ist so ein Szenario in Anbetracht der BILD-Zeitung aber nie. Wir aber fragen uns: Was hat die Berichterstattung zum Titanic-Unglück seinerzeit den Ertrinkenden und Erfrierenden gebracht? Oder sollte ich fragen, was es gebracht hätte?

Ein Gastbeitrag von Roberto J. De Lapuente.

Fundstücke 07.06.2008

Deutschland am Rande der Depression
Miese Umfragewerte, CDU und SPD kommen nur noch auf 58%! Die Interpretation der ARD für die Zahlen ist trotz allem bisweilen etwas merkwürdig.
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Roland Kochs Störfeuer
Koch demontiert sich selbst und stärkt rot-rot-grün. Aber darin hat er ja langsam Erfahrung.
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Der doppelte Obama
Europäische Politiker würden sich wahrscheinlich eher einen Sieg McCains als Obamas wünschen - Telepolis erklärt, warum.
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Stadtstaaten im Meer
Die Ideen, alternative Staaten im Meer wie Sealand zu gründen geistern gerade besonders unter Reichen immer wieder herum. Besonders die Stoßrichtung dieser Projekte ist interessant, analysiert Telepolis.
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Integration statt Ausstieg
Nida-Rümelin erläutert in der FR einen ganzen Katalog von Gründen gegen ein BGE.
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Ein Demagoge?
Die taz fragt sich, wie die SPD sich im allgemeinen und Gesine Schwan sich im speziellen künftig gegen die LINKE positioneren wollen. Zutreffend!
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Sozialdemokraten in der SPD
In einem anrührenden und aus dem Leben gegriffenen Bericht zeigt Spiegelfechter das Dilemma der SPD-Mitglieder auf.
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EU verzichtet auf Zerschlagung der Stromkonzerne
Und warum? Weil die deutsche Regierung gebremst hat. Ich kann gar nicht so viel fressen wie ich kotzen will. Bezahlte, geschmierte, rückgratlose Drecksbande.
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Deutsche Kanzlerin Merkel ein Stasi-Spitzel?
Jeder kann mal für fünfzehn Minuten Stasi-Spitzel sein, wie es scheint.
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BILD informiert!
ad sinistram hat einfach mal die überall herumhängende BILD-Werbung weitergesponnen. Sehr lesenswert!
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Mittwoch, 4. Juni 2008

Hessen schafft Studiengebühren ab!

Jetzt ist es durch: Hessen hat die Studiengebühren mit rot-rot-grüner Mehrheit abgeschafft. Nicht nur die für das Erststudium, sondern auch für Zweitstudium und Langzeitstudenten, sprich: alle. Diese weitgehende Freiheit verdankt man der LINKEn, die dafür im Gegenzug auf die Rückzahlung der bereits gezahlten Beträge verzichtete. Der Stern äußert sich auch bereits euphorisch, Koch kotzt.

Fundstücke 04.06.2008

Das wahre China
Betrachtung abseits gewohnter Feindbilder. Rosig ist die Lage da unten trotzdem nicht.
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Obama-Euphorie ist fehl am Platze
Michael Schöfer wagt einen kurzen Einwurf.
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Gelegenheit macht Diebe
Spiegelfechter äußert sich zu den aktuellen Datenskandalen. Lesenswert!
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Reinemachen à la SPD
Die SPD hat endlich erkannt, warum man in den Umfragen so schlecht dasteht. Das ist nämlich gar nicht die Politik oder das schlechte Personal, die absurden Koalitionswünsche oder die Ignoranz gegenüber den Bürgern: es war die Pressestelle im Willy-Brandt-Haus. Deswegen hat die SPD jetzt einen Marketing-Experten eingestellt. Alles wird gut.
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Bund tut Lobbyisten nicht weh
Ich glaube, das muss man nicht weiter kommentieren.
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"Dann ist Mehdorn fällig"
Scheinbar ist der Unsympath von der Bahn tatsächlich auch in die Spitzelaffäre verwickelt. Hermann Scheer fordert seine Ablösung.
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DLF-Kontrovers: Politisches Streitgespräch
Habe es selbst noch nicht hören können, aber ich verlinke es mal für Interessierte.
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Paulines Pech

Ein Rentner erfuhr vom Elend einer Elfjährigen und spendete Geld - das die ARGE promt einkassierte.
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Anne gegen den politischen Willen
Nach der letzten Sendung fordert CDU-Politiker Pflüger die Absetzung von Anne Will, weil sie die LINKE zu positiv dargestellt habe.
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LINKE-Chef Lafontaine schlägt zurück
Gesine Schwan und Oskar Lafontaine fetzen sich gerade publikumswirksam. Wer die hohlen Phrasen lesen möchte, klicke oben.
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Schwarz gegen weiß
Obama gegen McCain: wie beide versuchen, das Image des jeweils anderen zu definieren.
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Datenspeicherung verändert Verhalten
Ach was. Was jedem klar sein müsste, hat nun Forsa bestätigt: "Jeder 13. habe bereits einmal wegen der sogenannten Vorratsdatenspeicherung darauf verzichtet, Telefon, Handy oder Computer zu benutzen, heißt es in einer am Mittwoch veröffentlichten Forsa-Umfrage.
Deutlich mehr als die Hälfte der Befragten würden weder das eigene Telefon noch Computer benutzen, wenn sie Kontakt zu einer Eheberatungsstelle, einem Psychotherapeuten oder einer Drogenberatungsstelle aufnehmen wollten. Fast jeder zweite Bundesbürger hält demnach die Vorratsdatenspeicherung für einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Freiheitsrechte."
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Von Busengrapschern und Wölfen im Schafspelz
Die SZ ätzt gegen die aktuelle Datenschutzdebatte, in der plötzlich jeder Datenschützer ist.
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Montag, 2. Juni 2008

Zum Zustand der Medien [UPDATE]

Sieht man sich die Sendung von "Anne Will" vom 25. Mai an, erkennt man, in welch traurigem Zustand die Medien und der öffentliche Diskurs in Deutschland sind. Thema der Sendung war der neue Armutsbericht, in dem der Anteil der Armen und von Armut signifikant bedrohten Menschen in Deutschland als deutlich höher wie bisher eingeschätzt wurde.
Eingeladen waren zwei Sprecher für Mindestlöhne und gegen Hartz-IV (Christoph Butterwegge und Heiner Geisler), zwei Sprecher dagegen (Guido Westerwelle und Rota Knobel-Ulrich) und ein schleimiges Ding in der Mitte (Hubertus Heil). Der Titel der Sendung war bereits höchst suggestiv: "Hungern muss hier keiner - Ein Land redet sich arm". Schon allein der Titel ist eine Schande, denn er setzt das Ergebnis der Sendung bereits vor der Diskussion fest. Der Skandal jedoch ist ihr Verlauf. Anne Will, die als Moderatorin ja eigentlich vermitteln und objektiv moderieren sollte, schlägt sich in der ganzen Sendung beständig auf die Seite Westerwelles und Knobel-Ulrichs. Wortbeiträge Butterwegges und Geislers werden von ihr unterbrochen, um Knobel-Ulrich und Westerwelle das Wort zu erteilen. Videos werden eingespielt, um die Argumentation von Westerwelle und Knobel-Ulrich zu stützen oder die von Butterwegge und Geisler zu widerlegen. Spitze Bemerkungen macht Anne Will nur gegen Butterwegge und Geisler. Immer wieder "fasst sie zusammen", was Butterwegge gesagt habe - und was dieser so nicht gesagt hat.
Das ist kein Journalismus, und für so etwas braucht man keine Medien (schon gar keine öffentlich-rechtlichen). Das ist einfach nur übelste Propaganda, und es ist eine Schande für alle, die für Meinungsfreiheit stehen.

NACHTRAG: Die neue Folge zum Thema LINKE und SPD ist deutlich besser.

Fundstücke 02.06.2008

Chancenschlacht mit Scheitergarantie
Franz Walter nimmt bei SpOn den Begriff der Chancengesellschaft und der Chancengleichheit auseinander, der vollkommen in die Irre führt.
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Parodie für die Mittelschicht
In der taz wird das Programm vom Zukunftskongress der SPD gnadenlos auseinandergenommen. Bescheuerte, sich widersprechende Annahmen; Luftbuchungen bei der Finanzierung; verworrene Aussagen - die SPD mit einer Realparodie, die sie berechtigt auf die 21% verweist, bei denen sie gerade krebst.
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Von der CSU zur Linkspartei
Die FR verfolgt einige Einzelschicksale nach, die diesen Weg gegangen sind.
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Merkel gegen Freigabe von Foto aus Stasiakte
Merkel ist wohl ebenfalls wie Gisy möglicherweise IM. Nur darf sie als Kanzlerin die Ermittlungen massiv behindern.
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Video zur Bürgerarbeit
Was soll ich sagen?
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Schäuble aus der Asche

In den letzten Wochen und Monaten war es ja erstaunlich ruhig um Schäuble, die rollende Ein-Mann-Parallelgesellschaft, geworden. Man konnte als naiver Beobachter fast den Eindruck gewinnen, er habe etwas gelernt oder sei wenigstens zurückgepfiffen worden. Pustekuchen. Wie ein besonders hässliches Exemplar des Vogels Phönix erhebt er sich aus der nicht ganz so kalten Asche und stellt seine absolute Gefährlichkeit und Untauglichkeit unter Beweis:
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) bezweifelt, dass die in der Bundesrepublik praktizierte Kontrolle der Geheimdienste sinnvoll ist. "Parlamentarische Transparenz ist manchmal der falsche Weg", sagte Schäuble auf einer Tagung der Politischen Akademie Tutzing. Wenn andere Geheimdienste nicht mehr mit den Deutschen zusammenarbeiten wollten, erweise man "der Freiheit einen Bärendienst". (Quelle)
Ich muss schon sagen, hier gehe ich konform. Ich meine, wer will unter dieser ganzen hochgradig effizienten Kontrolle auch vernünftig arbeiten? Schließlich hat ja diese Kontrolle die Skandale der letzten Zeit, als der BND anstandslos mit anderen Geheimdiensten zusammengearbeitet hat - Murat Kurnaz und die Beteiligung am Irakkrieg, nur um Stichworte zu nennen - verhindert. Oder so ähnlich. Niemand hat die Absicht, den Geheimdienst zu kontrollieren.
In einer globalisierten Welt könne ein Staat nicht mehr zwischen innerer und äußerer Sicherheit unterscheiden. Deshalb müsse auch die Bundeswehr Aufgaben im Innern übernehmen, deshalb sei auch ihr Afghanistan-Einsatz gerechtfertigt. (Quelle)
Ah, richtig, an diesem Punkt der Rede muss Schäuble eingefallen sein, dass er noch ein Argument braucht. Die Globalisierung! Dass ich da nicht selbst drauf gekommen bin. Also, noch mal zum Nachprüfen: weil die Wirtschaft immer größere Verflechtungen eingeht und zunehmend auch außerhalb der Nationengrenzen Geschäfte tätigt, brauchen wir die Bundeswehr im Inneren und in Afghanistan. Aha. Wozu? Die Deutsche Bank stürmen und Ackermann verhaften? In Afghanistan die deutsche....die deutsche....tja, welche wirtschaftlichen Zweige haben da unten doch gleich Niederlassungen? Ach ja. Keine.
Zunehmende Schwierigkeiten habe er damit, dass ein Terrorist den gleichen Schutz des Grundgesetzes genießen solle wie jeder Bürger. (Quelle)
Ich muss zugeben, ich habe auch zunehmende Schwierigkeiten damit, Schäuble als demokratischen Volksvertreter, Innenminister und Verteidiger des Grundgesetzes zu sehen.
Aber immerhin wissen wir, dass Schäuble sein Amt Ernst nimmt. Denn seit den Telekombespitzlungsvorkommnissen fordert er ja, die Telekomdaten beim Staat zu lagern, weil sie da sicherer wären.

Zu einem ähnlichen Thema auch Feynsinn und der Lawblog.