Dienstag, 30. April 2013

Kurze Sätze, ernst gucken, nix verstehen

 Man fragt sich immer wieder, wie es eigentlich möglich ist, eine so unsinnige Politik wie Kürzungsmaßnahmen bei gleichzeitiger Erwartung von Wachstum zu vetreten. Oder wie es möglich ist, dass jemand, der völlig unreflektierte Kürzungen ankündigt, dafür gefeiert wird, ganz besonders wenn er von Vernunft, Maß, Mitte, Realismus und ähnlichem quatscht. Etwa so, wie es Winfried Kretschmann und Boris Palmer im Umfeld des Grünen-Parteitags getan haben. Die beiden stehen in Baden-Württemberg für eine Finanzpolitik, die sich von der der CDU und FDP darin unterscheidet, dass SPD und Grüne sie machen. Sie lieben die Schuldenbremse, sie wollen Kürzungen in allen Bereichen (“unangenehm”, “unbequem”, nur um weitere Buzzwords einzuwerfen, die ständig auftauchen), weil das irgendwie gute Politik auszeichnet. Für die meisten professionellen Beobachter der politischen Szene gilt noch immer der große Konsens, dass alles, was Budgets kürzt, gut sein muss – es sei denn, es betrifft die eigene Klientel, aber das tut es glücklicherweise selten. Es gibt einen Grund dafür, dass beide Seiten mit diesem Unsinn durchkommen, und der liegt in der Kommunikationsstrategie: kurze Sätze, ernst gucken, nix verstehen.

Montag, 29. April 2013

Es geht nicht um den Excel-Fehler – das Problem ist die Realität

Der Wirtschaftswurm hat auf meine zugegebenermaßen reichlich sarkastische Kritik reagiert:
Reinhard, Rogoff und viele andere, darunter auch ich, sind nun der Meinung, dass das nicht alles sein kann, zumindest dann nicht, wenn man auch die mittlere und lange Frist betrachtet. Unter bestimmten Bedingungen bringt Neuverschuldung nicht nur keinen positiven Effekt, sondern ist sogar schädlich für die Wirtschaft. Wie könnte es sonst überhaupt zu Staatsbankrotten kommen?
Damit habe ich das wissenschaftliche Paradigma formuliert, das ich meine. Auf diesem Paradigma aufbauend ist es weiterhin sinnvoll, wenn Ökonomen sich auf die Suche nach den Bedingungen machen, unter denen Neuverschuldung mittel- und langfristig schädlich ist. (Quelle)
Ok, das ergibt mehr Sinn. Zu der Frage
“Unter bestimmten Bedingungen bringt Neuverschuldung nicht nur keinen positiven Effekt, sondern ist sogar schädlich für die Wirtschaft. Wie könnte es sonst überhaupt zu Staatsbankrotten kommen?”

Sonntag, 28. April 2013

Höhere Steuern um jeden Preis? - Warum die Steuerpläne von SPD und Grünen Unsinn sind

Der Furor läuft durch die Leitartikel der großen Zeitungen: sowohl SPD als auch Grüne (die LINKE sowieso) gehen mit Steuererhöhungs-Plänen in den Wahlkampf. Neue Progressionsstufen für Gutverdiener sollen eingezogen werden, die Vermögenssteuer wieder eingeführt und die Abgeltungssteuer auf 32% (SPD) erhöht beziehungsweise Einkommen gleichgestellt (Grüne) werden, die Erbschaftssteuer grundsätzlich reformiert und erhöht werden. Die Leitmedien hassen die Pläne überwiegend, was wenig wundert, denn zum Anwalt der Betroffenen haben sich die Zeitungen längst gemacht. Aber tatsächlich sind einige der erbrachten Vorschläge nicht besonders sinnvoll, wenn nicht wirtschaftlich, so doch politisch.

Freitag, 26. April 2013

Zurückhaltung als richterliche Tugend

Von Stefan Sasse

Andreas Voßkuhle ist ein ungewöhnlicher Präsident des Bundesverfassungsgerichts, besonders was die Menge der öffentlich geäußerten Kritik über ihn angeht. In den letzten zwei, drei Jahren ist die Politik immer schärfer zum Angriff auf das BVerfG übergegangen und kreidet nicht nur dessen Entscheidungen an, sondern stellt grundsätzlich die Legitimität mancher Entscheidungen in Frage - genauer, die Legitimität des Gerichts, diese Entscheidungen überhaupt zu fällen. Besonders Regierungskritiker sehen darin gerne autoritäre Tendenzen, aber was, wenn die Politiker Recht haben?

Donnerstag, 25. April 2013

Die direkte Konsequenz aus dem Rogoff-Reinhard-Desaster – eine Welt der Unsicherheit

Von Stefan Sasse

Dass Rogoff und Reinhards Studie einen vergleichsweise unbedeutenden Excel-Fehler und einen extrem bedeutenden Gewichtungsfehler enthält, dürfte inzwischen bekannt sein. Nicht ganz so klar ist, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Freunde der Austerität dürften nicht plötzlich zum Licht des Keynsianismus finden, genausowenig wie sich vorher Keynesianer von der scheinbaren Richtigkeit der Rogoff-Reinhard'schen Annahmen haben beeindrucken lassen. Der Wirtschaftswurm etwa geht in dieselbe Verteidigungsstellung, in die auch die Studienautoren gehen: Studie Blödsinn, aber Hypothese immer noch valide. Lassen wir den Wirtschaftswurm direkt sprechen:

Montag, 22. April 2013

Grenzen des Wettbewerbs – Die Telekom macht ernst

Die Telekom macht ernst. In der neuesten Firmenankündigung wurde verkündet, dass künftig Volumentarife verkauft werden sollen, wie sie im Mobilfunkmarkt bereits üblich sind. Ab einer bestimmten Datenvolumenmenge soll die Leitung auf 384Kbits/s reduziert werden. Für all diejenigen, die auf einen nostalgischen Ausflug in die Zeiten des 56k-Modems gerne verzichten können, ist das eine mehr als schlechte Nachricht, und sie zeigt uns gleichzeitig ein riesiges Problem mit Wettbewerb auf: der Telekommunikationssektor galt lange als Musterbeispiel der Privatisierung, mit massiv fallenden Preisen für Kunden. Jetzt schlägt das Pendel in die entgegengesetzte Richtung, ohne dass es dafür einen Grund etwa in einer Ressourcenverknappung gäbe. Was passiert? 

Donnerstag, 18. April 2013

Deliberation Daily ist gestartet

Von Stefan Sasse

 Was lange währt, wird endlich gut - Deliberation Daily ist gestartet! 

Deliberation, die: beratschlagen, abreden,
in Bedenken ziehen, Aufschub nehmen

Offener Diskurs ist wichtig für demokratische Gesellschaft, Blogs können dazu einen hervorragenden Beitrag leisten. Sie bieten Möglichkeiten, offen miteinander zu diskutieren und bieten Experten und interessierten Bürgern eigene Öffentlichkeit abseits traditioneller Medien. Sie können deshalb traditionelle Medien ergänzen und hinterfragen. Sie bieten auch Freiraum, Hintergründe zu veröffentlichen, die in Zeitungen keinen Platz finden können.

Aber viele deutsche Politikblogs nutzen diese Möglichkeiten zu wenig. Mit wenigen Ausnahmen begnügen sie sich damit, selbsternannte Gegenöffentlichkeiten gegen einen vermeintlichen Mainstream sein zu wollen. Aus vielen dieser Netz-Communities sind Meinungsblasen geworden, die sich nur noch selber bestätigen. Andere Meinungen werden reflexhaft abgewertet, eine Auseinandersetzung mit ihnen wird oft gar nicht mehr in Betracht gezogen.

Deliberation Daily soll sich nicht nur an Leser richten, die mit uns von vornherein einer Meinung sind. Wir möchten auf diesem Blog nicht unsere eigenen Vorurteile bestätigen. Wir wollen versuchen, die Dinge nicht nur Schwarz und Weiß zu sehen. Zu oft wird “Kompromiss” als Verrat, die Diskussion als überflüssig, das Aufgeben von unhaltbaren Positionen als Schwäche empfunden.

Echte Deliberation funktioniert nur, wenn man Differenzierungen zulässt und Ideologien immer wieder hinterfragt. Wenn man dem Anderen gute Absichten unterstellt und seinen Ansichten ein Mindestmaß an Verständnis entgegenbringt. Das wollen wir hier mit einem kleinen Team täglich versuchen.

Stefan Sasse bloggt bisher als Oeffinger Freidenker, auf The Nerdstream Era und beim Geschichtsblog. Die Beiträge des Geschichtsblogs werden in überarbeiter und editerter Form als eBooks verkauft. Auf Twitter ist er unter @StefanSasse aktiv. Er schreibt regelmäßig Beiträge über Game of Thrones für Tower of the Hand und unterhält einen regelmäßigen Podcast (BLAH) zum gleichen Thema mit Sean T. Collins. Er hat Deutsch, Geschichte und Politikwissenschaften auf Lehramt studiert. Zur Zeit lebt und arbeitet er in Oeffingen.

Theophil bloggt bisher unter Theophils Blog und twittert als @stheophil. Er studierte Informatik und Politikwissenschaft in Berlin und Toulouse. Derzeit lebt und arbeitet er in Berlin.

Jan Falk twittert unter @FalkJan. Er hat Kommunikations-, Politik-, Literatur- und Sprachwissenschaft in Münster studiert und arbeitet als freier Journalist. Privat mag er diversen Nerdkram.

Droht eine Rückkehr der Nationalliberalen? - Die ideologischen Wurzeln der AfD

Von Stefan Sasse

Ich weiß nicht was es soll, dass ich so traurig bin
Das Märchen von Weimar, es geht mir nicht aus dem Sinn.

Führende Politiker der nationalliberalen Partei. (Holzschnitt um 1878)Oder so ähnlich. Dass neben dem von den Leitmedien mit einiger Penetranz als "braver Professor" titulierten AfD-Gründer Lucke auch eine ganze Menge Rechtspopulisten von der neuen Partei angezogen ist, dürfte Beobachter des politischen Prozesses kaum überraschen. Das Gesindel hängt sich an jede neue Protestbewegung. Sie vergifteten 2005 den Aufstieg der LINKEn, sie mischten bei den Piraten mit und tummeln sich jetzt in der AfD. Der Partei das zum jetztigen Zeitpunkt vorzuwerfen ist intellektuell unehrlich, denn die hat gerade andere Probleme als ihre innere Kommunikationsdisziplin. Das wird, vorausgesetzt es gibt die Partei überhaupt so lange, Jahre dauern.

Weiter geht es auf Deliberation Daily. 

Mittwoch, 17. April 2013

Video: Neuseeländisches Parlament verabschiedet Homo-Ehe und singt

Durchsage an die AfD-Fans

Von Stefan Sasse

"Darf man in Deutschland seine Meinung zu allen Themen äußern?" fragte eine Umfrage AfD-Anhänger, die von einem "vorgefertigten Meinungsklima" ausgehen und, in einer interessanten Parallele  zu ihren Gegnern auf der Linken, die beherrschende Rolle von "Systemmedien" feststellen. Kurz zum Mitschreiben:

"Seine Meinung nicht frei äußern dürfen" heißt, mit schwerwiegenden Konsequenzen bei Äußerung einer bestimmten Meinung konfrontiert zu sein - Haft, Verlust der körperlichen Unversehrtheit, Verlust sozialer Stellung, etc. Das ist in Deutschland nur bei Holocaustleugnung oder sonstiger Volksverhetzung der Fall.

Was ihr meint ist "die meisten Leute finden unsere Meinung doof". Das ist eben die Kehrseite der Meinungsfreiheit. Du kannst sagen was du willst, aber du hast kein Anrecht darauf, dass jemand deine Meinung gut findet oder gar weiterverbreitet. Und das ist doch ein gewisser Unterschied, Freunde.

How internet fighting works

Bild nach dem Break. 

Sonntag, 14. April 2013

Obamas "Long Game": Ist nachhaltiger Wandel möglich?

Von Stefan Sasse und Jan Falk

white house / flickr
Politische Beobachter in Washington wie Jonathan Chait haben darauf hingewiesen, dass Obamas Strategie, politische Initiativen durchzusetzen, deutlich langfristiger angelegt sei als die seiner Konkurrenten und generell als die der meisten Politiker ("Long Game"). Er sieht den langen, kohärenten Kampf für den Affordable Healthcare Act ("Obamacare") als Paradebeispiel. Der sich aktuell bereits seit Monaten hinziehende Kampf um den US-Haushalt könnte ein weiteres Beispiel für eine solche Langzeitplanung sein. Wir wollen einmal darüber reden, ob und wie Obamas Strategie langfristig aufgehen könnte und wie wirksam diese Maßnahmen sind. 

Donnerstag, 11. April 2013

Weiterhin keine belastbaren Informationen in der Familienpolitik

Von Stefan Sasse

Die Familienpolitik ist neben Schuldendienst und Arbeitslosenunterstützung einer der größten Posten im Bundeshaushalt; Kindergeld, Elterngeld, Erziehungsgeld und Witwenrente sorgen dafür. Es ist überraschend, wie wenig Informationen über die Wirksamkeit und Akzeptanz dieser Leistungen es gibt, ein Missstand, dem eltern.de abhelfen wollte und Forsa beauftragt hat, eine Studie (ausführliche Version) anzufertigen. Die Ergebnisse sind zwar teilweise interessant; ihr Nutzen aber wird durch grundlegende methodische Probleme stark verringert. 

Mittwoch, 10. April 2013

Werbespots von 1992/93

Von Stefan Sasse

Werbespots von 1992/93, nach dem Break. Krass nicht nur die Nostalgie, die da geweckt wird (selige Kindheitstage) sondern auch, wie weit weg das schon ist. Nicht nur technisch; was da dargestellt wird ist teilweise so krass sexistisch, das würde heute niemand mehr bringen. Auch die ganzen  Familienidyllen werden so nicht mehr dargestellt. Und der Cornflakes-Spot ist ja schon 1992 aus der Zeit gefallen, der hätte genauso in den 70ern laufen können.

Dienstag, 9. April 2013

Thatcherismus und Linkspopulismus


Von Tobias Fuentes

Hyperinflation in Chile unter Allende, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Niedergang Venezuelas, Dahinsiechen des bankrotten Kubas, Massenarbeitslosigkeit und massive Inflation bei Nachfrageexzessen der 1960er und 70er - alles unschädlich, soweit nur ein linker Führer Besserung und Wohlstand faselt. Das mag der Linkspopulist. Wohlstands-, Beschäftigungsaufbau und Armutsbekämpfung ignoriert und bestreitet er, wenn nur ein Kapitalist dahintersteckt. Die linkspopulistische Kritik am Thatcherismus ist so vage und unsinnig, dass Linke erröten müssten, wären sie ehrlich zu sich selber.

Montag, 8. April 2013

Nachruf auf Thatcher

Von Stefan Sasse

Heute ist Margret Thatcher im Alter von 87 Jahren verstorben. Thatcher war und ist eine Ikone dessen, was erst lange nach ihrer Amtszeit als Premierministerin als "Neoliberalismus" bekannt werden sollte. Wie sie wohl auf Tony Blairs Politik reagiert hat, der nach 18 Jahren der Tory-Dominanz deren Politik wenn nicht nahtlos, so doch im Geiste fortführte, indem er ihre Prämissen anerkannte? Vielleicht hat sie gelächelt.

Freitag, 5. April 2013

Merkel muss "Staatsfernsehen" im Netz machen dürfen

Von Jan Falk

Jörg Wellbrock kritisiert [edit: der Originalartikel ist mittlerweile entfernt worden] beim Spiegelfechter Merkels Pläne, sich in einem Google-Hangout (möglicherweise vorab ausgewählter) Bürgerfragen zu stellen:
Journalisten können nerven. Längst nicht alle, aber es gibt sie eben doch, diejenigen, die unangenehme Fragen stellen, sich nicht mit ausweichenden Antworten zufriedengeben und womöglich sogar peinliche Wahrheiten ans Licht bringen. Wie lässt sich das in aller Ruhe umgehen? Ganz einfach, indem Journalisten gar nicht erst beteiligt werden. Genau das plant Kanzlerin Angela Merkel mit ihrem Hangout auf Google+, das am 19. April 2013 um 17 Uhr starten soll. Bürgernah gibt die Kanzlerin an, dass sie den Bürgern die Möglichkeit einräume, mit ihr zu diskutieren. [...] Letztlich läuft es darauf hinaus, Staatsfernsehen zu betreiben. Merkel wird so antworten, wie es ihr gefällt. Und die einzige Zwischenbemerkung wird die des Regisseurs sein, wenn er „Gut so, weiter Frau Merkel“ ruft.

Störsender TV, Folge 1

Von Stefan Sasse

Video nach dem Break.

Dienstag, 2. April 2013

Rechtschreibung und der dräuende Untergang des Abendlandes


Der allgemeine Verfall, der Niedergang der Bildung und die im Vergleich zur guten alten Zeit generell mangelhaften Fähigkeiten der heutigen Schüler sind beliebte Themen, die zu jeder Zeit schnell hochgekocht werden können. Auch eine aktuelle Studie schein dazu wieder Anlass zu geben - aber die Apologeten des Untergangs irren sich.