Freitag, 16. Januar 2009

Dämliche Artikel

Wer wieder einmal Beispiele für den heutigen "Qualitätsjournalismus" sehen will, dem stelle ich hier kurz zwei Beispielartikel vor. Wer sich den Schmerz lieber ersparen möchte, darf jetzt gerne mit dem Lesen aufhören.

Der erste Beispielartikel erschien heute im Stern: "Auf roten Socken". Gemeint ist nicht die SPD oder die LINKE, sondern die CDU. Denn die lässt sich derzeit ja kaum mehr von der KPdSU unterscheiden, so energisch verstaatlicht sie, schenkt man Peter Ehrlich und Claudia Klade Glauben (und natürlich dem unvermeidlichen Hans-Ulrich Jörges). Michael Eilfort wird in dem Artikel zitiert, die Union verliere wegen dem Bedeutungsverlust des Wirtschaftsflügels ihren "Markenkern". Und das hat bereits einmal eine Volkspartei geschafft:
Der SPD-Vergleich macht auch Angela Merkels Gefolgsleute nachdenklich. "Der Unterschied ist, dass Schröder damals gegen die Bevölkerungsmehrheit seine Agenda durchsetzte", sagt ein Vertrauter der Kanzlerin. "Der heutige CDU-Kurs läuft aber nicht gegen die Bevölkerungsmehrheit. Das ist verführerisch. Und deshalb noch gefährlicher."

Wo genau die Gefahr liegt, sagt der düster orakelnde "Vertraute" aber nicht. Seit wann ist denn bitte auch die Freie Marktwirtschaft, als Neoliberalismus in Reinform, der "Markenkern" der CDU? Das ist der "Markenkern" der FDP, von sonst niemandem. Die CDU findet gerade eher wieder zu ihrem Markenkern zurück, nämlich eine Volkspartei zu sein - und damit zumindest den Anschein zu erwecken, Politik für alle zu machen, was eine gewisse andere ehemalige Volkspartei ja längst aufgegeben hat.
In dem Tenor des Artikels, der zwar die starke Rolle des Staats im Augenblick in Bausch und Bogen verdammt, gleichzeitig aber auch keine Alternative zu nennen weiß, gilt Jürgen Rüttgers natürlich auch als "Linker". Klar, und Wolfgang Clement ist sozialliberal.
"Wir gehen zurück zum Ahlener Programm, aber die SPD geht nicht hinter Godesberg zurück", sagt ein führender Wirtschaftspolitiker der Partei. Im Ahlener Programm von 1947 hatte sich die CDU noch für Verstaatlichungen ausgesprochen: "Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden." In Godesberg arrangierte sich die SPD 1959 mit dem Kapitalismus. Die Folgen könnte die CDU-Chefin schon bei der Bundestagswahl zu spüren bekommen. "Ein Teil der von der Wirtschaftspolitik Enttäuschten könnte zur FDP gehen, viele werden aber gar nicht mehr wählen gehen", vermutet Eilfort von der Stiftung Marktwirtschaft.
Soll ich eine Prognose wagen? Was Eilfort hier vermutet, wird in keinem messbaren Rahmen stattfinden. Wer nämlich allein von der Wirtschaftspolitik seine Wahlentscheidung abhängig macht, der wird ohnehin schon immer FDP wählen (allenfalls aus wahltaktischen Gründen CDU). Die CDU könnte durch diese Rückkehr in die vielbeschworene Mitte, von der sie sich im Verbund mit der SPD eher entfernt hat, was eigentlich nur dank einer massiven Medienkampagne nicht bemerkt wurde, eher neue Wählerschichten erschließen. Aber dazu wäre eine Umkehr nötig, die das aktuelle Partei-Establishment sicherlich nicht gehen wird.

Der zweite Beispielartikel erschien heute in der SZ. In diesem geht es um die Rolle und die Reputation Steinbrücks, des GröFiaz (Größter Finanzminister aller Zeiten). Darin wird Peer Steinbrück vorgeworfen, nein, nicht dass er durch seine rigide Sparpolitik alles nur schlimmer gemacht hätte, sondern dass er nicht genug gespart hätte! Claus Hulverscheidt, der schon öfter durch solche brillanten Artikel aufgefallen ist, gelingt hier die Quadratur des Kreises. Steinbrück ist gescheitert und eigentlich total unfähig, aber nur, weil weil er nicht einfach nur "Nein" gesagt, sondern auch noch mit seinen Kabinettskollegen geredet hat! Wie kann das auch angehen, redet der Kerl einfach mit seinen Kabinettskollegen! Aber nicht nur das, er macht auch noch Kompromisse. Kompromisse! So ein Trottel. Sind wir etwa eine Demokratie, wo ein Politiker Kompromisse machen muss? So ein Unfug.

5 Kommentare:

  1. "Der heutige CDU-Kurs läuft aber nicht gegen die Bevölkerungsmehrheit. Das ist verführerisch. Und deshalb noch gefährlicher."

    Davon mal abgesehen, dass die "Verstaatlichungen" dem Staat(also dem Steuerzahler) nur Kosten und keinen Gegenwert bringen, finde ich es fast schon erschreckend, dass eine Politik die der Bevölkerungsmehrheit folgt "gefährlich" und "verführerisch" sei. Das hieße ja im Umkehrschluss, dass Politik prinzipiell gegen den Mehrheitswillen gemacht werden sollte, wohl weil das Volk zu blöd ist um zu wissen, was gut für es selbst ist...

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  2. Ich hatte ursprünglich einen Artikel geplant, der sich um ads Zitat dreht, aber irgendwie die Lust verloren ;) Aber wie du schon so richtig sagst, das ist ziemlich gefährlicher Bullshit, was die da von sich geben.

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  3. wenn eine regierung politik macht, nennen wir das demokratie?
    gegen die mehrheit etwas durchzusetzen, war doch das kennzeichen der ulbricht-honnecker-regierung. oder sehe ich das falsch?

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  4. Antwort an Klaus Baum: Ja, das sehen Sie falsch. Und ich bin überzeugt, dass man Politik nicht mit Demokratie gleichsetzen darf. Aber dass diese Regierung Politik gegen die deutsche Bevölkerung macht - braucht man dazu noch eines Beweises?

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  5. Mir ist eine Studie im Gedächtnis haften geblieben (weil mir danach zum Kotzen zumute war), nach der Regierungen danach bewertet werden, ob sie "den Mut" haben, am Volk vorbeizuregieren, d.h. "unbequeme Entscheidungen" durchzudrücken. Sprich: Politik gegen den Mehrheitswillen als Qualitätsmerkmal.

    Ist mir zwar neu, daß "Viel Feind - viel Ehr" als Messlatte für Qualität dienen kann, aber ok, man lernt nie aus.

    Wer übrigens wirklichen Qualitätsjournalismus lesen will, der greife zu C. C. Mahlzahns Artikel bei Spargel Online zum Wahlergebnis in Hessen. Ich hab's bei feynsinn aufgeschnappt. Mir reichte die Zusammenfassung. Wer einen empfindlichen Magen hat, sollte sich eventuell auch mit feynsinn begnügen.

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