Freitag, 12. Juni 2015

Warum 2016 ein Duell Clinton vs. Bush wird

Die Gerüchteküche läuft heiß dieser Tage. In den USA bringen sich die Kandidaten für den Präsidentschaftswahlkampf 2016 in Stellung, was Journalisten aller Couleur ermöglicht, Spekulationen anzustellen, Erklärungsmuster zu kreieren und Erzählungen zu spinnen. Der Eindruck, der dabei durchaus gezielt erweckt wird, ist, dass es ein Rennen mit vielen Kandidaten und Unsicherheiten ist, das in jede Richtung gehen kann. Es ist verständlich, dass dieser Spin angewendet wird, denn er garantiert viele atemlose Klicks. Besonders realistisch ist es nicht, denn die riesige Vorwahlshow, die sich über die nächsten 12 Monate ziehen wird, ist hinter den Kulissen bereits so gut wie entschieden. Das mag angesichts fast 20 republikanischer Kandidaten, von denen keiner über einstellige Umfrageergebnisse hinauskommt, etwas verwundern. Um das zu verstehen, muss man hinter die Kulissen blicken. 

Zuerst eine kurze Auffrischung über das amerikanische Vorwahlsystem: in den so genannten "Primaries" (und in manchen Staaten "Caucasses") stellen sich Kandidaten für die offizielle Nominierung entweder der Democrats oder der Republicans zur Wahl (dritte Parteien und Unabhängige spielen zumindest dieses Mal keine Rolle) und versuchen, die meisten Stimmen der Delegierten zu gewinnen, die dann auf dem offiziellen Parteitag im Sommer 2016 den Kandidaten bestimmen. Manche Bundesstaaten verteilen diese Delegierten proportional auf alle Teilnehmer, andere nach dem Mehrheitswahlrecht. Zusätzlich zu diesen gewählten Delegierten haben außerdem diverse Parteioffizielle eine Stimme, die so genannten superdelegates. Gewinnt im ersten Wahlgang auf dem Parteitag niemand eine Mehrheit, beginnt das große Taktieren, denn es wird im Zweifel solange gewählt, bis ein Sieger feststeht. Das ist aber eher selten der Fall.

Warum bin ich mir nun trotz des zumindest bei den Republicans großen Kandidatenfeld so sicher, dass es auf Clinton vs. Bush hinauslaufen wird? Weil, wie so oft in Demokratien, der Kampf um die Stimmen nur die halbe Miete ist. Mindestens ebenso wichtig sind Geld und Unterstützung durch die Parteinetzwerke. Und hier haben Clinton und Bush klar die Nase vorn. Um das zu verdeutlichen möchte ich kurz im Sauseschritt die wichtigsten Kandidaten vorstellen.

Democrats:

Hillary Clinton. Sie wird gewinnen, darüber diskutiert niemand. Es bräuchte schon einen wirklich ernsthaften Skandal, um sie noch aufzuhalten.

Bernie Sanders. Sanders ist kein Demokrat, sondern bezeichnet sich selbst als Sozialist. Er greift Clinton von links an und versucht, sie zu einer progressiveren Politik zu zwingen. Er wird niemals gewinnen.

Patrick O'Malley. Gourverneur von Maryland. Spätestens seit den Unruhen von Baltimore sind seine Chancen gleich null; bereits vorher hatte er keine große Aussicht, gegen Clinton bestehen zu können.

Alle anderen Kandidaten werden nicht einmal wahrgenommen.

Republicans:

Jeb Bush. Jüngerer Bruder George W. Bushs. Ehemaliger Gouverneur von Florida, seit fast zehn Jahren aus der aktiven Politik ausgeschieden. Hat eine hinpanische Ehefrau.

Scott Walker. Gouverneur von Wisconsin. Starke konservative credentials, baut seine Reputation vor allem auf seine effektive Zerstörung der Gewerkschaften in Wisconsin.

Marco Rubio. Senator aus Florida. Jung, kubanischer Migrationshintergrund. Versucht sich vor allem als außenpolitischer Falke zu gerieren.

Diese drei Kandidaten sind die einzigen, die ernsthafte Chancen haben. Dazu kommen noch zwei weitere, die öffentlichkeitswirksam auftreten können:

Ted Cruz. Senator aus Texas. Mehr oder weniger der offizielle Posterboy der Tea-Party-Bewegung. Immer eins mehr als du in allen konservativen Politikfeldern.

Rand Paul. Senator aus Kentucky. Paul ist ein Libertärer, spricht sich für mehr Bürgerrechte, gegen die NSA und für weniger Militärinterventionen aus.

Was also braucht ein Kandidat, um die Vorwahlen gewinnen zu können? Drei Dinge. Geld, Verbindungen und Bekanntheit. Geld wird benötigt, um effektiven Wahlkampf betreiben zu können, was bei der Bekanntheit extrem hilfreich ist und es ermöglicht, Attacken der Gegner abzuwehren sowie eigene zu fahren und somit das eigene Image positiv und das der Gegner negativ zu beeinflussen. Verbindungen werden benötigt, um auf die Ressourcen der Partei zurückgreifen zu können. Dazu gehören Wahlempfehlungen durch bekannte Parteigrößen, die Erlaubnis auf die Ressourcen in einem Bundesstaat zurückzugreifen und vieles mehr. Bekanntheit letztlich ist absolute Grundvoraussetzung. Die meisten Menschen interessieren sich nur sehr peripher für Politik, und ein Kandidat, der nicht permanent zu sehen ist, wird niemals gewählt werden.

Von allen oben genannten Kandidaten besitzen nur Clinton, Bush, Walker und Rubio alle drei Aspekte. Sanders hat kein Geld und keine Verbindungen, O'Malley keine Bekanntheit. Cruz und Paul haben beide keine Verbindungen. Das allein ist Grund genug, ihre Chancen als extrem gering anzusehen.

Von allen genannten hat Rubio die schlechtesten Chancen. In der Theorie kann er auf ein Netzwerk von Unterstützern in seinem Heimatstaat Florida zurückgreifen, aber da Bush ebenfalls aus Florida kommt muss er hier gegen einen exzellent vernetzten Veteranen konkurrieren. Vermutlich hofft Rubio auf einen späteren Posten oder zumindest Bekanntheit, ernste Chancen hat er kaum. Walker ist dagegen besser aufgestellt, weil seine Unterschiede zu Bush größer sind und beide völlig andere Netzwerke innerhalb der Republicans nutzen. Bushs Netzwerke sind aber wesentlich größer, reicher und mächtiger, weswegen er der Frontrunner ist - trotz der vergleichsweise wenig beeindruckenden Umfragewerte.

Bei den Democrats ist dieses Missverhältnis noch viel größer. Clintons Verbindungen und Netzwerke sind im Vergleich zu O'Malleys so groß, dass überhaupt keine Frage darüber entstehen muss, ob sie die Kandidatin der Partei wird. Die einzige Frage die sie sich stellen muss ist, ob sie die eigentliche Wahl gewinnen wird. Und in der kann sie sich schon darauf einstellen, gegen Bush antreten zu müssen.

Aus dem Gesagten geht hervor, dass Bush vor allem eines tun muss: nichts falsch machen und es aussitzen. Bushs Kriegskasse ist deutlich größer als die seiner Rivalen (er hat in 100 Tagen seit Erklärung seiner Kandidatur bereits 100 Millionen Dollar an Spenden eingesammelt), und er kann auf die Unterstützung der Parteikader zählen, wenn er nicht in den Vorwahlen deklassiert wird. Macht er sich in den konservativen Staaten ordentlich und gewinnt den Rest, ist ihm die Nominierung sicher. Er könnte sich genausogut hinstellen und sagen "Habt Spaß mit den anderen Kandidaten. Wenn ihr dann in fünf Monaten eine ernsthafte Wahl braucht, bin ich da." Und wer jetzt denkt: "Hm, das klingt irgendwie nach Mitt Romney 2012..." - Exakt. Genau das tut es. Und genauso wird es auch wieder laufen. Der große Unterschied zu 2012 ist, dass Bush mit Walker einen ernsthaften Gegner hat, wo Romney keinen hatte. Gewinnen wird er trotzdem.

Bleibt nur die Frage, wer Präsident wird. Aber das ist ein Thema für einen anderen Post.

Montag, 8. Juni 2015

Die linke Gretchenfrage

Mein bleibender Eindruck vom Parteitag der LINKEn ist, dass mit dem Abschied Gregor Gysis für die LINKE erneut die große Gretchenfrage der Partei auf dem Tableau steht: Sag, wie hältst du's mit der SPD? Sahra Wagenknecht hat vor und während des Parteitags ziemlich deutlich gemacht, dass sie die Idee einer Rot-Rot-Grünen Koalition 2017 ablehnt. Die SPD und die Grünen gleichermaßen sind für sie Feinde, in guter linker Tradition sogar die größeren Feinde vor dem eigentlichen ideologischen Gegner von CDU und FDP (und neuerdings, vielleicht, AfD). Da sie wohl ihren Hut in die Nachfolgedebatte werfen wird - noch im März hatte sie verkündet, nicht für den Fraktionsvorsitz zu kandidieren, nun überlegt sie es sich anders - steht in der LINKEn wohl eine Richtungsentscheidung an: möchte sie weiterhin eine reine Oppositionspartei sein, was ihr einen sicheren Platz in der Öffentlichkeit und gleichzeitig großen Bewegungsspielraum lässt, weil niemand die Partei an ihren Taten messen kann? Oder will sie Kompromisse eingehen, um an die Regierung zu kommen? In welche Richtung auch immer die Partei gehen will, an Wagenknecht kommt sie nicht vorbei.

Sahra Wagenknecht ist eine der profiliertesten Politikerinnen der Partei. Unbestreitbar intelligent und belesen attackiert sie scharfzüngig schon seit Jahren die vorherrschenden Paradigmen der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Gleichzeitig ist sie aber auch kompromisslos und eine der lautstarksten Gegnerinnen von Regierungsbeteiligungen. Ihre Überzeugung ist, dass die LINKE aus der Opposition heraus mehr erreichen kann als im Rahmen einer Koalition, gewissermaßen als ein Korrektiv zum von ihr perzipierten herrschenden Mainstream. Ihr Gegenstück damals wie heute ist Dietmar Bartsch, der gewissermaßen das andere Extrem verkörpert. Ich hatte anlässlich der letzten Debatte in diese Richtung anno 2012 bereits geschrieben, dass eine Doppelspitze aus Bartsch und Wagenknecht keine allzu schlechte Idee wäre, weil sie beide Lager der Partei vereint und in die Verantwortung nimmt, anstatt sie immer wieder auszugrenzen und so das gleiche Spiel, das die LINKE in der Bundespolitik spielt, auch in der Partei selbst spielen zu lassen.

Ich bin mir inzwischen aber nicht mehr so sicher, wie gut die Idee ist. Der Unwille größerer Teile der Partei, eine realistische Machtoption mit Grünen und SPD zu ergreifen (die zwangsläufig große Zugeständnisse der LINKEn im Bereich der Außenpolitik und der Wirtschafts- und Steuerpolitik erfordern würde), ist ja schließlich real, und es bleibt eher nebulös, ob Wagenknecht überhaupt bereit wäre, irgendwelche Kompromisse einzugehen, die im Zweifel dazugehörn. Will die LINKE irgendwann mit der SPD koalieren, muss sie sich die Gretchenfrage stellen. Und das bedeutet auch, von liebgewonnen Feindbildern und Positionen abzurücken. Das gilt natürlich auch für SPD und Grüne, aber denen wird das im Zweifel wesentlich einfacher fallen als den LINKEn. Es bleibt daher spannend zu sehen, wie Wagenknecht bei einer Kandidatur im September ihre zukünftige Rolle zu gestalten gedenkt. Denn davon wird zu einem guten Teil abhängen, ob Rot-Rot-Grün überhaupt vorstellbar ist oder nicht.