Freitag, 4. Juli 2008

Fundstücke 04.07.2008

Es geht nicht um Ypsilanti
Süddeutsche Zeitung - Andrea Ypsilanti ist nicht das größte Problem der SPD in den Verwerfungen um den Umgang mit der Linkspartei. Das ist die Partei selber. Was ist ein SPD-Beschluss zur Linkspartei wert? Nicht viel, wie sich dieser Tage zeigt. Ende Februar hatte der Parteivorstand Andrea Ypsilanti de facto freie Hand für eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit der Linkspartei in Hessen gegeben. Gerade einmal drei Monate später versucht die Spitze der Bundes-SPD in überraschender Eintracht und mit all ihren Kräften, Ypsilanti von einem solchen rot-roten Experiment vor der Bundestagswahl 2009 abzuhalten.
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Wenn Brüssel schon mal sozial wird
Frankfurter Rundschau - Und sie haben recht: Vor lauter Sorge um die Freiheit des Marktes haben die EU-Akteure das soziale Europa auf der Strecke gelassen. Darauf reagiert die EU-Kommission und tut endlich etwas. Genau das stößt ausgerechnet in der "sozialen Marktwirtschaft" Deutschlands auf schärfsten Widerstand. Wenn Brüssel Benachteiligten und gesellschaftlich Diskriminierten Chancen geben will, mosern deutsche Unternehmer und ihre Freunde von den Unionsparteien über bürokratischen Aufwand. Wenn die Kommission die Mitbestimmungsrechte Europäischer Betriebsräte stärken will, ereifern sich die Funktionäre in den Berliner Wirtschaftszentralen über "neue Bürokratie in den Betrieben". Der Bürokratie-Vorwurf ist die Waffe, die vor allem deutsche Kritiker auf die Brüsseler Initiative gerichtet haben. So als hätte nicht jedes sozialpolitische Gesetz seit Bismarck den Unternehmern Aufwand beschert.
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Warum die Europäer immer wieder NEIN zur EU sagen
NachDenkSeiten - Jedes Mal, wenn man die Europäer fragt, ob sie Europa zusätzliche Kompetenzen geben wollen, ist die Antwort dieselbe: nein! Und jedes Mal erklären unsere Eliten dies mit einem Mangel an inhaltlicher Auseinandersetzung, an Pädagogik. Anders gesagt, sie glauben zu wissen, dass dieses „Nein“ daraus resultiert, dass die Bürger nicht verstanden hätten. Jenseits von Partikularinteressen und lokalen Eigenheiten kann man einen anderen Erklärungsvorschlag wagen.
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Zwischen echten Feinden und falschen Freunden
Frankfurter Rundschau - Was also bedeutet Soziale Marktwirtschaft? Die berühmt gewordene Kurzformel, die Müller-Armack in den 50er Jahren entworfen hat, ist eben so prägnant wie einprägsam: "Sinn der Sozialen Marktwirtschaft ist es, das Prinzip der Freiheit des Marktes mit dem des sozialen Ausgleichs zu verbinden." Die einfache Aussage ist alles andere als trivial, denn dahinter steht die Empfehlung eines wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Programms, das in seiner Ausgestaltung weder beliebig noch unproblematisch ist. Müller-Armack fasste Freiheit und soziale Gerechtigkeit als zwei sich ergänzende Seiten eines wirtschaftspolitisch zu realisierenden Verhältnisses auf, dessen Spannung aufrechtzuerhalten sei.
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Trübes in der deutschen Mitte
Telepolis - Die rassistische, antidemokratische und autoritäre Gesinnung in einem Großteil der deutschen Bevölkerung ist gewachsen. Diese These wurde nicht im Flugblatt einer linken Antifagruppe vertreten, sondern ist das vieldiskutierte Ergebnis einer von der SPD nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Auftrag gegebenen Studie mit dem vielsagenden Titel "Ein Blick in die Mitte".
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Verhandlungssache Meinungsfreiheit
Telepolis - Nachdem ein Wasserbettenhersteller gegen einen missgünstigen Kommentar in einem Onlineforum geklagt hat, sollte in zweiter Instanz vor dem OLG Hamm darüber prozessiert werden, was Meinung ist und was nicht.
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Söhne, denkt selbst!
Stern - Wer hält die Macht in modernen Gesellschaften in Händen? Frauen. Wer entscheidet, wie Söhne über ihre Väter denken? Auch Frauen, sagt Geschlechterforscher Gerhard Amendt. Im stern.de-Interview fordert er eine neue, männliche Perspektive auf die Rolle von Vätern ein - und eine radikale Kritik an der Rolle der Frauen.
Anmerkung: Für Arne Hoffmann ist dieses Interview einer der Beweise, dass sich die Geschlechterdebatte langsam dreht. Steht zu hoffen.

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Meet the Cashtrati
Telegraph - With all the headlines about the credit crisis, collapsing house prices, job losses and the soaring cost of oil and food, it is easy to forget the stratum of society that seems to be the worst-affected - bachelors. The fiscal squeeze is hitting them where it hurts most - in the wallet. "He seemed like a normal guy," she recalls. "We met through friends, went out for a meal; he paid, and it was all very nice, but there was no real spark between us. So, when he called up the next day to ask me out again, I said no. The next day he sent me an invoice for my half of the meal."
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Frauen sind schwächer in Age of Conan
Golem.de - Wer in Age of Conan mit einem weiblichen Spielecharakter antritt, wird systematisch benachteiligt: Heldinnen verursachen bei Angriffen weniger Schaden als Helden. Hersteller Funcom räumt das Problem ein und verspricht eine Lösung - in drei bis vier Wochen.
Anmerkung: Irgendwie spricht es doch sehr für den Erfolg der Emanzipationsbewegung, dass man für "systematische Benachteiligungen" inzwischen in Fantasy-Computerspielen suchen muss...

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Hartz-IV kostet den Staat immer weniger
Neues Deutschland - Die Höhe der Einsparungen überrascht, denn die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist in den letzten drei Jahren keineswegs zurückgegangen. Im Gegenteil: Bei den über 55-Jährigen wurde eine starke Zunahme an Hartz IV-Empfängern registriert. Besonders rasant ist der Anstieg in Ostdeutschland ausgefallen. Wie das BIAJ-Institut bereits im Mai dieses Jahres meldete, seien vor allem Sachsen-Anhalt, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern betroffen. In den drei Bundesländern nahm die Zahl der Betroffenen um mehr als 12 Prozent zu. Wie also kommt es zu den Einsparungen bei der »Grundsicherung für Arbeitssuchende«? Ganz einfach: Seit dem 1. Januar 2007 erwerben Langzeitarbeitslose kaum noch Rentenanwartschaften, denn der Bund kürzte einfach die Rentenzuschüsse.
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Die sieben atomaren Mythen
Die Welt -
Viel stärker als nostalgische Erinnerungen an die Zeit der aufgeregten Parteitagsdebatten übers Atom, an die Demo-Busfahrten und Bauzaunkämpfe wirkt jedoch das Jahr 1986 nach. Keine Kultur wurde vom Tschernobyl-Trauma heftiger erfasst als die deutschsprachigen Länder. Eine ganze Generation las im Deutschunterricht Gudrun Pausewangs Horrorvision "Die Wolke". Dagegen kamen die Physiklehrer nicht an. Dagegen halfen auch keine Hochglanzbroschüren der Atomlobby, der bis heute fast niemand glaubt. Das Wort "Tschernobyl" genügt nach wie vor, um jeden Hinweis auf mögliche Vorteile der Atomkraft sofort zu unterbinden. Um Tschernobyl und andere verstrahlte Reizworte rankt sich ein Mythenreich. Atomkraft erscheint darin als der apokalyptische Schrecken schlechthin, die extremste Form großtechnologischen Wahnsinns. Die mit einem Stichwort in vielen Köpfen abrufbaren Bilder sind das Haupthindernis für eine rationale Debatte, die das Für und Wider dieser Energieform erneut abwägt. Sieben Mythen blockieren das Weiterdenken.
Anmerkung: Ein astreiner Propagandaartikel der Welt. Am Anfang mal eben ein bisschen Umweltaktivistenbashing, danach eine reflexionslose Zusammenstellung von Pauschalisierungen und Herunterspielen von Gefährdungen. Wolfgang Clement wird als "SPD-Querulant" vorgestellt, der "schon immer" gegen Atomkraft war. Dass er das war, weil er ein gekauftes, korruptes §"%!"/§& ist, das steht im Welt-Artikel natürlich nicht. Gleiches gilt auch für die korrupte Grünen-Bande um Rezzo Schlauch.
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Alte Freunde
German Foreign Policy - Wie die Bundesregierung bestätigt, hat sie in schriftlichen und mündlichen Stellungnahmen diverse Fragen des japanischen Militärattachés zum Bundeswehr-Inlandseinsatz in Heiligendamm beantwortet. Dort waren im Juni 2007 anlässlich von Protesten gegen den G8-Gipfel 2.450 Soldaten zum Einsatz gekommen - unter Bruch des Grundgesetzes, das solche Einsätze verbietet. Bereits bei der Fußballweltmeisterschaft 2006 und beim Besuch von US-Präsident Bush im selben Jahr waren Bundeswehrsoldaten im Einsatz, jedoch wurden sie nicht mit exekutiven Aufgaben betraut. In Heiligendamm wurde diese Grenze überschritten. Unter anderem waren drei Minenjagdboote, eine Fregatte, zwei Spürpanzer, zehn Spähpanzer, vier Eurofighter, acht Jagdflugzeuge und Aufklärungstornados im Einsatz. Kritiker sprachen damals von einem "Testballon auf dem Weg zu einer militarisierten Gesellschaft".
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Obama verfeinert seine Strategie
Süddeutsche Zeitung - Der demokratische Präsidentschaftsbewerber Barack Obama hat sein Wahlversprechen relativiert, die Kampftruppen aus dem Irak unverzüglich innerhalb von 16 Monaten abzuziehen. Auf einer Wahlveranstaltung in North Dakota kündigte er an, dass er bei einem bevorstehenden Truppenbesuch im Irak mit den "Kommandeuren im Feld" beraten und dann seine Abzugsstrategie "verfeinern" werde. "Mein 16-Monats-Zeitplan hatte immer die Sicherheit unserer Truppen zur Voraussetzung", sagte Obama. Das bleibe Grundlage seiner Pläne. Er fügte allerdings hinzu, dass eine wichtige Voraussetzung für den Truppenabzug auch sei, "dass der Irak stabil ist".
Anmerkung: Obama "verfeinert" also seine Strategie. Man könnte auch sagen, er prostituiert sich für dieses illusionäre Gebilde "Mitte". Aber das ist Ansichtssache. Nicht viel her, der change. Aber das war zu erwarten.

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2 Kommentare:

  1. Ich hoffe ja inständig, daß die SPD-Spitze niemals begreift, daß die Ablehnung einer Koalition mit den Linken für deren Stimmenverlust verantwortlich ist.

    Die Lage ist ja für die linken SPD-Mitlgieder irgendwie pervertiert: Sie können nur durch die Linke sozialdemokratische Politik machen lassen. Sie selbst sind dazu ja nicht mehr fähig.

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  2. Frage: Woher hat der vorher unbekannte Barack Obama seine vielen Spendengelder für den innerparteilichen Vorwahlkampf gegen die hoch favorisierte Hillary Clinton gehabt?

    Antwort: Von denjenigen, die Hillary Clinton als Präsidentschaftsbewerberin der Demokraten verhindern wollten.

    Frage: Wird neue Hoffnungsträger Obama nun auch US-Präsident?

    Antwort: Nicht unbedingt! Denn nachdem Hillarys Kandidatur erfolgreich torpediert wurde, braucht man von der politischen Rechten den "Neger" nicht mehr.

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