Mittwoch, 31. August 2011

Griff in die Mottenkiste

Von Stefan Sasse

Es muss frustrierend sein, wenn man sich an seine Scheuklappen gewöhnt hat. Ständig diese eingeschränkte Sicht! Wie soll man sehen, was links und rechts ist? Es ist praktisch unmöglich. Eine Lösung ist nicht in Sicht, denn, nun ja, man trägt ja Scheuklappen. Dieses Dilemma, das eigentlich nur Kopfschütteln auslösen kann, plagt Thomas Schmoll, der in der FTD unter der Überschrift "Deutschland ist kein AAA-Musterknabe" erklärt, dass wir an einem riesigen Schuldenproblem leiden und endlich sparen müssen, um das Problem in den Griff zu kriegen. Dabei fasst er sehr, sehr tief in die Mottenkoste: Hans Eichel dient als Narrativ, um den "mangelnden Willen der Politik" zu belegen, vor jeder Wahl würden "die Wohltätigkeitsschleusen geöffnet", und "harte Einschnitte, besonders im Sozialbereich" traue sich niemand. Ja, das ist schon ein Drama. Denn bekanntlich hat Deutschland ja seine Schulden in den letzten zehn Jahren veranderthalbfacht, weil die Hartz-IV-Empfänger so über unsere Verhältnisse leben (oder ihre, das ist beim inflationären Gebrauch dieser Phrase nicht wirklich klar).

Dienstag, 30. August 2011

Der übersehene Trend: Videospiele und die Mitte der Gesellschaft

Von Stefan Sasse

RTL hat ein unschönes Erkenntnis-Erlebnis. Anlässlich der Gamescom, einer Videospielmesse in Köln, erstellte das RTL-Magazin "Explosiv", das stets mit relevanten Nachrichten und guter Recherche aufzuwarten weiß, einen Beitrag. In der üblichen tendenziösen Machtart gedachte man, ein bisschen auf Minderheiten herumzutrampeln und gemeinsam mit den Zuschauern Hohn und Spott über eine Randgruppe auszuschütten. Man fröhnte also in anderen Worten dem üblichen Geschäftsmodell. Dumm nur, dass man sich fundamental verschätzt hatte: die Gamer, die man mit Bildern der absurdesten Exemplare ins Lächerliche zu ziehen hoffte, sind nämlich keine Randgruppe mehr. Noch zu Beginn der 2000er Jahre konnte Gerhard Schröder ungestraft Punkte sammeln, indem er die Indizierung und am besten gleich Verbot und Beschlagnahmung für das Spiel "Counter-Strike" forderte, bei dem es nach einhelliger Presserecherche etwa der FAZ hauptsächlich darum ging, Punkte durch das Erschießen von Großmüttern und Kinderwägen zu erzielen.

Montag, 29. August 2011

Die Ratten verlassen das sinkende Schiff

Von Stefan Sasse

In der neulich zum Linksradikalismus konvertierten FAZ darf Michael Naumann in einem Gastkommentar erklären, dass die Linken (die er mit der Agenda-SPD gleichsetzt) die Finanzkrise auch nicht hätte kommen sehen. Zum Beweis listet er ausschweifend die Untaten der Schröderregierung auf. Nichts Neues soweit was die Fakten anbelangt, interessant ist eigentlich nur, dass Naumann diese plötzlich mit der Verve heiliger Empörung vorträgt und zum Beweis dafür nimmt, dass niemand das Ganze hätte kommen sehen. Außer ihm, vermutlich, denn kritische Worte zu seiner eigenen Rolle als Poster-Boy des Agendaflügels 2008 finden sich erwartungsgemäß nicht. Wahrscheinlich würde Naumann den Gedanken empört von sich weisen. Man kann sich darüber ärgern, wie Fefe das tut, aber eigentlich ist es ein gutes Zeichen, wie eilig die Ratten es haben das sinkende Schiff zu verlassen und wie sie ihre früheren Glaubenssätze fallen lassen als wären es heiße Kartoffeln. Es ist ein bisschen eklig, sie dabei zu beobachten, zugegeben, aber das muss man eben in Kauf nehmen. 

Sonntag, 28. August 2011

Jenseits der neoliberalen Ideologie

Von Jürgen Voß

Warum Neoliberale die Krise nicht erklären können

In einem Essay der Süddeutschen formuliert Catherine Hoffman am letzten Mittwoch den entscheidenden Nachteil des Euros: „Das Grundübel des gemeinsamen Währungsraums ist nicht gelöst: Die deutsche Konjunktur kann boomen, während Spanien in die Rezession rutscht. Doch die Euro-Mitglieder haben keine Möglichkeit, darauf mit einer geeigneten Geld- und Währungspolitik zu reagieren. Ihnen bleibt nur die Fiskalpolitik als Mittel oder die Anpassung von Preisen und Löhnen. Das stellt nicht nur die nationalen Regierungen auf eine Zerreißprobe sondern die Währungsunion als Ganzes“.

Ein kluger Satz, der die Probleme auf den Punkt bringt. Leider 10 Jahre zu spät. Hat nicht die gleiche Zeitung – wie ein Blick ins Archiv sehr schnell zeigen würde - die nicht wenigen Kritiker der Währungsunion zu Beginn des Jahrtausends wie dumme Außenseiter vorgeführt, sie als uninformierte „antieuropäische“ Kritikaster fortlaufend diffamiert und ihre Bedenken als hanebüchenen Blödsinn pauschal beiseite geschoben?

Samstag, 27. August 2011

Höhere Entschädigungen für Soldaten

Von Stefan Sasse

Die Bundesregierung hat angekündigt, dass die Entschädigungen für Soldaten, deren Erwerbsfähigkeit durch Verwundungen oder andere im Einsatz erlittene Beeinträchtigungen dauerhaft beeinträchtigt ist, knapp verdoppelt werden sollen. Das ist eine gute und überfällige Entscheidung, auch wenn es in Details noch Streitfragen gibt - so soll die Erwerbsunfähigkeit für diese Erhöhungen mindestens 50% betragen, was aber die meisten Stresssyndrome, die die häufigste Problematik darstellen, nicht abdeckt. Da die Versorgung von geschädigten Veteranen in den letzten Jahren immer wieder in der Kritik war (wenngleich meist auf den hinteren Seiten der Zeitungen und Zeitschriften) ist ein solcher Schritt mehr als überfällig. Und das hat mit den Auslandseinsätzen selbst erst einmal nur peripher zu tun.

Und wieder einer

Von Stefan Sasse

Wie oft habe ich schon gesagt, dass als Person des öffentlichen Lebens der Nazi-Vergleich absolut und unter allem Umständen tabu ist, weil er immer, immer, immer nach hinten losgeht? BildBlog hat einen aktuellen Fall besprochen. Ein CDU-Mitglied, das versucht hat auf die Islamophobie eines anderen aufmerksam zu machen. Und dann erwischt es auch noch den falschen. Hauptakteure: Medien, die Zitate falsch verbreiten. Erinnert an Martin Hohmann.

Freitag, 26. August 2011

Aussicht auf politische Integration?

Von Stefan Sasse

Die Diskussion um Euro-Bonds und die Richtung Europas zeigt vor allem eines: dass eine Grundsatzentscheidung darüber ansteht, ob die europäische Integration weiter getrieben wird, oder ob das derzeitige Europa als glorifizierte Freihandelszone mit einem "Kern-Europa", das auch noch eine gemeinsame Währung teilt, erhalten bleibt und sich irgendwie durchwurschtelt. Finanzminister Schäuble, als der clevere Fuchs der er ist, hat Eurobonds ausgeschlossen solange keine europäische Wirtschaftsregierung existiert. Die Forderung nach einer solchen ist alt; sie wurde bereits zu Maastricht-Zeiten erhoben und dann wieder bei der Euro-Einführung. Die aktuelle Krise zeigt deutlich, dass die Vorstellung von vergleichsweise unabhängig wurschtelnden Staaten, die eine gemeinsame Währung teilen, nicht wirklich funktioniert.

Eine gemeinsame Wirtschaftsregierung, das wirft derzeit mehr Fragen auf als es beantwortet. Sicher, irgendwie könnte man dann koordinieren und für mehr Stabilität sorgen, aber wie soll das funktionieren? Werden alle Staaten auf die deutsche Austeritätspolitik zum Wohle des Exports verpflichtet? Dann stellt sich die Frage wer die ganzen Waren eigentlich kaufen soll. Die USA, deren erklärtes Ziel gerade ist, die Importe zu reduzieren? China, das ebenfalls Exportland ist? Abseits dieser beiden Riesen wird die Luft schon dünn; derzeit gehen über 60% der deutschen Exporte in die EU. Eine deutsche Dominanz in einer solchen Wirtschaftsregierung und damit eine orthodoxe, rein auf Geldwertstabilität bedachte Finanzpolitik aber sind nichts, was man sich für eine gesamteuropäische Wirtschaftspolitik wünschen würde. Hier wäre eher eine europäische Variante des Wachstums- und Stabilitätsgesetzes angebracht, an das man sich dann vielleicht sogar halten könnte.

Donnerstag, 25. August 2011

Erfolgsbasierte Ignoranz – Jetzt auch in der Sportberichterstattung

von Jens Voeller

Gleich zu Beginn eine Warnung: der folgende Beitrag hat mit der eigentlichen Ausrichtung dieses Blogs nichts zu tun. Es geht um ... Fußball! Der Text handelt nicht von Politik (und ist vielleicht trotzdem schief). Vielleicht verschafft er aber dem einen oder anderen trotzdem etwas Zerstreuung. Also los.

Boris Herrmann, offenbar Sportredakteur bei sueddeutsche.de, ist ein Zeitgeist-Surfer. Eigentlich benutze ich dieses Wort nicht, denn es ist besudelt durch den Versuch von (vermeintlichen) Konservativen, es zur Diskreditierung eines nachhaltigen Wertewandels zu missbrauchen. Aber für Herrn Herrmann mache ich eine Ausnahme, einfach weil es genau ins Schwarze trifft. Mit seinem Artikel „Leitwölfe im modernen Fußball – So zeitgemäß wie ein Stummfilm“ hat er ein besonders schlechtes (und daher auch wieder gutes, weil lehrreiches) Beispiel für einen Debatten-Beitrag abgeliefert.

Mittwoch, 24. August 2011

Kampf um die Seele der CDU

Von Stefan Sasse

Als Annette Schavan noch Kultusministerin von Baden-Württemberg war, ging ich noch zur Schule. Entsprechend gehörte sie in den Fundus jugendlicher Feindbilder fest verankert. Sie hat die Streichung der Studienfahrten zu verantworten, die neuen Lehrpläne und - vor allem - das neue Abitur, dass das alte Leistungskurssystem abgeschafft hat. Die Eltern hat sie spätestens mit der Einführung des G8 gegen sich aufgebracht. Niemand war deswegen übermäßig traurig, als sie Landespolitik in den relativ einflusslosen Posten der Bildungsministerin im Bund verließ. Als langjährige politische Alliierte Merkels war dieser Schritt, besonders nach der Niederlage im Landes-CDU-Machtkampf gegen Oettinger, nur konsequent. Inzwischen, so informiert uns ein Artikel in der FAZ, ist Schavan in der CDU unbeliebter denn je. Man macht sie, so das konservative Blatt, das Erwin Teufels Plädoyer gegen die "neue" CDU prominent gefeautered hat, mit für die "Profillosigkeit" der CDU verantwortlich. Es ist derzeit ein beliebtes Topic der Kritik an der CDU, auf ihren vermeintlichen Verlust guter alter Werte hinzuweisen. Allein, gut sind diese Werte selten, dafür aber alt. Nirgendwo ist das besser zu sehen als an Schavans Leib- und Magenthema, der Bildungspolitik.

Montag, 22. August 2011

Warum Jan Fleischhauer irrt

Von Stefan Sasse

Jan Fleischhauer hat in seiner Kolumne im Spiegel eine Abrechnung mit Moore und Schirrmacher geschrieben, die gleichsam "auf ihre alten Tage" (O-Ton Fleischhauer) entdeckt hätten, dass die Linke doch Recht hatte. Sein mit "Warum Frank Schirrmacher irrt" überschriebener Artikel ist ein bemerkenswertes Dokument, denn es zeigt Fleischhauer unfreiwillig als Don Qiojote der Konservativen. Er legt die Lanze an, klappt das Visier herunter und nutzt die Vorteile der solcherart eingeschränkten Sicht, um die Windmühlenflügel voll zu treffen. Das Problem seiner Kritik ist nämlich nicht, dass er prinzipiell falsch liegt. Wenn er sagt, dass eine Aufblähung der öffentlichen Beschäftigung kein dauerhaftes Lösungsmittel der Wirtschaftspolitik sein kann, dann liegt er damit sicher richtig. Auch die Erkenntnis, dass der Mensch nicht per se gut ist und dass ein blindes Vertrauen in die Moralfestigkeit keine Gesetze ersetzen kann, ist keine große Neuigkeit. Nur - wo sind denn "die Linken", die so abstruse Ideen vertreten? Es sind Windmühlenflügel, gegen die Fleischhauer anrennt.

Tatsächlich gehört das Grundvertrauen in die selbstständige Regulierung und Moral der Individuen eigentlich eher zum marktliberalen und konservativen Wertekorsett seit Thatcher (die Fleischhauer absurderweise als Vorbild empfiehlt). Es sind die Linken, die stärkere Regulierung wollen, weil sie sich nicht blindlings auf das Gute im Menschen verlassen, wie die Konservativen und Liberalen das getan haben. Fleischhauer macht hier den Bock zum Gärtner. Sein Lieblingsfeindbild von "den Linken" hat überhaupt keine reale Entsprechung. Es findet schwachen Widerhall in den Randregionen der Partei DIE LINKE, allenfalls, aber hauptsächlich in den K-Gruppen der 1970er und 1980er Jahre, die Fleischhauer ein wahres Kindheitstrauma zu sein scheinen. DIESE Linke ist es sicher nicht, von der Moore und Fleischhauer jetzt sagen, dass sie Recht hatte. Die beiden sprechen von "Linken" (korrekterweise müsste man eigentlich "Linksliberale" sagen) wie Heiner Flassbeck oder Oskar Lafontaine. Fleischhauer aber wirft sie alle in einen Topf, stülpt sein eigenes Weltbild drüber und kann dann die Linke dafür schelten, an das Gute im Menschen zu glauben und gleichzeitig Thatcher zur Lösung der Wirtschaftskrise zu empfehlen - weil ja Großbritannien gerade mit mustergültigen Wachstumsraten und ausgeglichenem Haushalt der Stabilitätsanker Europas ist. Oder so.


Reise in die Überflüssigkeit

Von Stefan Sasse

Wir erleben derzeit den Absturz zweier Parteien, die für die Konstituierung des Fünf-Parteien-Systems seit 2005 entscheidende Konstanten waren: der FDP und der LINKEn. Beide machen sich selbst derzeit in einem Ausmaß überflüssig, das kaum für möglich gehalten wurde. Die eine Partei wird dabei von den Ereignissen überrollt, die andere dagegen hat sich von den Ereignissen ohnehin schon seit der Bundestagswahl abgekoppelt. FDP wie LINKE leiden an der Altlast ihrer eigenen Ideologien. Sie wirkten anziehend, als der Überdruss mit den ehemaligen Volksparteien CDU und besonders SPD in der Zeit der Großen Koalition eine Spitze erreichte, und als dieser Überdruss sich in der Wahl des jeweils konzentrierten Kondensats einiger Kernpunkte der beiden Großen - der LINKE für die SPD, der FDP für die CDU - manifestierte. Auf die aktuelle Krise aber kennen beide keine Antworten. Ihre gewaltigen Verluste in der Wählergunst sind deshalb nur konsequent.

Samstag, 20. August 2011

Ich erkläre euch die Welt, widdewiddewitt, wie sie mir gefällt

Von Stefan Sasse

Welche Wirtschaftsredaktion hat einen renommierteren Ruf als die der SZ? Wer sonst kann mit solchem Meinungspluralismus aufwarten und hat scharfsinnige Analysen bereits vor der Krise verfasst? Scherz beiseite, die SZ zeigt heute wieder einmal zur Gänze ihr Janusgesicht mit einer katastrophalen Wirtschaftsredaktion gegen einen guten Politikteil. Gezeigt wird heute die Wirtschaftsredaktion, denn die erklärt die Welt: die "Schuldensucht" der Staaten hat nämlich in die aktuelle Krise geführt. Das war gar nicht die Finanzkrise, nein! Das hat nichts mit dem Versagen der Banken und Ratingagenturen zu tun, die sich spektakulär verzockt haben und von den Staaten mit Schuldenfinanzierung gerettet werden mussten! Die Staaten sind süchtig nach Schulden. So einfach ist das.

Freitag, 19. August 2011

Was für ein Rechtsverständnis!

Von Stefan Sasse

Die Decke der Zivilisation, sie ist wahrlich dünn. Die absurd harten Strafen, die britische Gerichte derzeit für teilweise Bagatellfälle während der Plünderungen vergeben (gestohlene Wasserflaschen, entgegengenommene Shorts), und die völlige Willkürlichkeit derselben sind absolut beängstigend. SpOn berichtet:
Die Richter verteidigen ihre ungewöhnliche Härte damit, ein Exempel statuieren zu müssen. Richter Andrew Gilbart aus Manchester etwa schrieb in einem Urteil, die Vergehen in der Nacht des 9. August seien "außerhalb des normalen Kontextes von Kriminalität" erfolgt. Die Gerichte müssten zeigen, dass kriminelles Verhalten unter solchen Umständen längere Strafen nach sich zieht, als wenn es isoliert stattgefunden hätte. Konservative Blätter applaudieren diesem Rechtsverständnis. "Dies sind keine normalen Zeiten", kommentierte der "Daily Telegraph" in einem Leitartikel. Tausende Bürger hätten in jenen Nächten voller Angst in ihren Betten gelegen. Dies müssten die Gerichte bei ihrer Urteilsfindung berücksichtigen.
Bitte was?

Donnerstag, 18. August 2011

Buchempfehlung: Roberto de Lapuente - Auf die faule Haut

Von Stefan Sasse

Nachdem Roberto de Lapuente, vielen Lesern sicherlich vom Blog "ad sinistram" bekannt, 2009 mit "Unzugehörig" bereits einen Sammelband von Essays und Skizzen vorlegen konnte (Besprechung hier), wurde nun sein zweites Buch veröffentlicht: "Auf die faule Haut" enthält, wie bereits "Unzugehörig", leicht überarbeitete Versionen seiner Blogeinträge sowie bisher unveröffentlichte Texte. Der unverwechselbare Stil des Autors mit seiner fast poetischen Wortwahl und seinen oft philosophisch angehauchten Zugängen zur Thematik bietet eine interessante Abwechslung zu den eher von Analysen, Meinungskommentaren und Rants geprägten Beiträgen der meisten anderen Blogger. Ob man das Buch nun in einem Rutsch durchlesen oder als Lesebuch verwenden will, aus dem man sich allabendlich ein Kapitel gönnt - so oder so ist es eine Empfehlung wert.

Fundstück

Von Stefan Sasse

Artikel mit absoluter Leseempfehlung aus der FAZ über die Unruhen in England.

Mittwoch, 17. August 2011

Es ist Politik, Dummkopf!

Von Stefan Sasse

Die Schuldenkrisen, die wir derzeit in den USA und in Europa erleben, sind - darin sind sich die Beobachter überraschend einig - zu einem guten Teil künstlich produziert. Tatsächlich scheint das grundlegende Problem zu sein, dass nicht genügend Geld vorhanden ist, um die Schulden in dem Ausmaß zu bedienen, wie es die Schuldtitel vorsehen, und gleichzeitig noch ein wenigstens stagnierendes Wirtschaftswachstum aufrecht zu erhalten. Hier enden die Gemeinsamkeiten jedoch. Der Grundtenor der gesamten Debatte unterliegt einer Schieflage, weil nur eine Seite des Problems beleuchtet und die andere komplett ausgeblendet wird. Die Dominanz der ausgeleuchteten Seite - der staatlichen Ausgaben - und die Ausblendung der anderen Seite - die Einnahmen - sind Produkt einer hervorragenden Pressearbeit seitens derer, die entweder von liebgewonnen Ansichten nicht lassen wollen oder aber davon profitieren.

Dass die Finanzmärkte nicht die effizienten, neutralen und gnadenlos objektiven Instanzen sind, als die sie 20 Jahre lang in den Himmel gelobt wurden, hat sich inzwischen selbst in den größten Betonköpfen der neoliberalen Reformära herumgesprochen. Hartnäckig hält sich jedoch die Ansicht, dass der einzig gute Staat ein Staat ist, der nach Möglichkeit wenig Handlungsspielraum durch restriktive fiskalische Schranken besitzt und seine Aufgabe hauptsächlich in einer größtmöglichen Annäherung an das Ideal des Nachtwächterstaats sieht. Betrachtet man die Reaktionen des derzeit völlig aus der Bahn schlagenden britischen Staatsapparats, würde man sich bisweilen ein bisschen mehr Zurückhaltung wünschen. Jedoch wird die Beschneidung staatlicher Ausgaben alleine keinen Erfolg mit sich bringen, schon gar nicht in einer laufenden Rezession, die derzeit an Fahrt aufnimmt.

Montag, 15. August 2011

Warum die Frauenquote ein Fehler ist und warum sie trotzdem kommen wird

Von Stefan Sasse

Die Frauenquote gehört zu den meist debattierten Reformen, die massiv in die Freiheit von Unternehmen einschneiden. Während aber jede noch so kleine Abgabenerhöhung oder Subventionsstreichung als Sozialismus gegeißelt wird, ist die Festsetzung, dass 40% der Unternehmensführung nicht ausschließlich unter den geeignetsten Kandidaten ausgewählt werden sollen, bislang auf heftigsten Widerstand direkt aus dem Kabinett gestoßen: Christina Schröder, die Familienministerin, hat sich am schärfsten dagegen verwahrt, während Ursula von der Leyen als Arbeitsministerin, die irgendwie nie so ganz mit ihrem alten Aufgabenbereich abgeschlossen hat und schon in ihrer Zeit als Familienministerin gerne mal ihre Kompetenzen kreativ erweitert hat (Stichwort Stopschild im Internet), die aktivste Befürworterin dieser Reform ist. Diejenigen, die davon betroffen wären - die großen DAX-Konzerne - sind in ein fast merkwürdiges Schweigen verfallen. Dieses Schweigen rührt sicherlich daher, dass die Frauenquote ein politisch extrem vermintes Terrain ist. Sich gegen sie auszusprechen kommt als Mann einem politischen Todesurteil gleich, und selbst als Frau ist der shitstorm, der unweigerlich losbricht immens, wie Christina Schröder bei ihrer Kritik erfahren musste. Trotzdem gibt es gewichtige Gründe, die gegen die Einführung einer Frauenquote sprechen.

Freitag, 12. August 2011

Bitte keine Verklärung der Wehrpflicht

Von Jens Voeller

Die Wehrpflicht war schon in den 1990er Jahren, als ich meinen obligatorischen Grundwehrdienst bei der Bundesmarine ableistete, ein Anachronismus. Dabei habe ich den Wehrdienst nicht einmal zähneknirschend angetreten – es war eine Mischung aus Vorstellungen von Seefahrer-Romantik und politischer Überzeugung von der Notwendigkeit und Vorteilhaftigkeit einer Wehrpflichtigenarmee, die mich mit einigem Enthusiasmus „zum Bund“ gehen ließ.

Dieser idealistische Zahn wurde mir (und meinen Kameraden, soweit sie ihn besaßen) recht schnell gezogen. Nach ein paar Wochen war auch dem letzten klar, dass schon damals auch der Soldatenberuf in den meisten Verwendungsreihen ein Maß an Ausbildung und Spezialisierung erforderte, das man als Wehrpflichtiger nicht annähernd erreichen konnte. Der allgemein-militärische Teil unserer Ausbildung war zugunsten von Fach-Lehrgängen – ich war Funker, also im „Fernmeldebetriebsdienst“ – so stark zurechtgestutzt worden, dass wir Wehrpflichtigen in Kampfhandlungen nur als Kanonenfutter getaugt hätten (was uns von unseren resignierten Ausbildern auch ganz offen gesagt wurde). Berücksichtigt man zudem die von Wehrpflichtigen gebundenen Kapazitäten (Ausrüstung, Transport-Fahrzeuge, Führungs-Personal etc.) wäre der militärische Nutzen von Wehrpflichtigen in Kampfhandlungen vielerorts wohl negativ, die Wehrpflichtigen also nur „Ballast“ gewesen.

In eigener Sache

Von Stefan Sasse

Ab sofort ist auf dem Oeffinger Freidenker Google AdSense aktiviert. Ich habe mich nach sehr langem Überlegen zu diesem Schritt entschlossen. Wen die Anzeigen zu sehr stören, der kann ja problemlos einen Adblocker in seinen Browser einfügen - falls er es nicht ohnehin schon getan hat. Ich hoffe, niemand wird durch die Anzeigen von seinem Lesevergnügen abgehalten.Das Ganze läuft erst einmal als Test, also gebt Feedback!

Filmbesprechung: "Planet der Affen - Prevolution"

Von Stefan Sasse

Es gibt kein intelligentes Mainstreamkino? Von wegen! Ausgerechnet der neue "Planet der Affen" - und Hand aufs Herz, wer hätte bei dem Titel nach Tim Burtons künsterlischem Debakel von 2001 noch irgendetwas erwartet? - ist ein überaus intelligenter, spannender und mitreißender Film geworden. Die Geschichte lässt sich in wenigen Halbsätzen umreißen: Medikament gegen Alzheimer wird an Affen getestet - Affen entwickeln überdurchschnittliche Intelligenz - Affen starten Aufstand gegen die sie unterdrückenden Menschen. Die Storyline selbst kann es kaum sein, die den Zuschauer in ihren Bann schlägt. Schauwerte in Form von Panorama-Shots gewaltiger Schauplätze, riesiger Explosionen oder Ähnlichem hat der Film auch nicht zu bieten; die komplett CGI-animierten Affen sind geradezu im Underatement unauffällig eingebaut. Große Schauspieler-Namen gibt es auch nicht.

Donnerstag, 11. August 2011

Spalten statt Versöhnen

Von Stefan Sasse

Als Reaktion auf die Ausschreitungen hat Premier Cameron dem Mob effektiv den Krieg erklärt. 16.000 Polizisten werden nach London geschickt, mit umfangreichen neuen Befugnissen ausgestattet (etwa das "Entfernen von Gesichtsvermummung", was letztlich auf ein ziemlich aggressives Herunterreißen und wahrscheinliches Verletzen des anderen hinausläuft), Wasserwerfer - bisher noch nie gegen Briten auf der Hauptinsel eingesetzt - sollen stationiert werden, und in bester Law&Order-Tradition wird über den Einsatz des Militärs im Inneren "nachgedacht". Darüber hinaus ist die britische Justiz gewissermaßen in 24-Stunden-Schichten dabei, in Eilverfahren ("Turbo-Verfahren" in Camerons Wortlaut) hunderte von Festgenommenen abzuurteilen, darunter teilweise sogar Kinder. Und in seinem letzten Streich hat Cameron die Kommunen dazu aufgefordert, alle "Kriminellen" (der Sammelbegriff, den er für die Festgenommenen benutzt) gegebenenfalls aus Sozialwohnungen hinauszuwerfen. Zuletzt will er Blackberry- und Twitter-Zugriff für alle Verdächtigen pauschal sperren.

Mittwoch, 10. August 2011

In eigener Sache

Von Stefan Sasse

Ich habe die Beschriftung der Bewertungsbuttons unter den Posts geändert. Sie lautet jetzt statt "Gut, Geht so, schlecht" stattdessen "Stimme zu, keine Meinung, stimme nicht zu". Mir erscheint es sinnvoller, die Begriffe von "gut" und "schlecht" nicht à la Facebook mit Zustimmung oder Ablehnung zu verwechseln. Zu dem Thema siehe eine ausgezeichnete Begründung hier.

Fundstücke [UPDATE]

Von Stefan Sasse

Um den Tag heute zu starten ein paar Fundstücke. Vieles davon wurde bereits bei den NDS verlinkt, aber es ist eine solche Menge echt guter und absolut lesenswerter Artikel, dass noch einmal gesondert verlinkt werden soll. Absoluter Lesebefehl für die folgenden Links!

SZ - Methoden der Castingagenturen
FAZ - Aufstand der Verlierer
Freitag - London Riots
Zeit - Mär vom Gesundsparen
Guardian - Which is the Nr. 1 problem economy in Europe?
CBS - Myths and realities about the long-term deficit
FTD - Zeit für eine Nullzinspolitik der EZB
Zeit - Hungersnot - Kein Mitleid mehr! 

Noch einmal: LESEBEFEHL!

UPDATE:
Zeit - Kampf um Symbole
NY Times - Withholder in chief
Huffington Post - No secrets in America's crisis


Dienstag, 9. August 2011

Kurz kommentiert

Von Stefan Sasse

In der von Innenminister Friedrich angestoßenen Debatte über Anonymität im Netz zeigt sich die Presse überraschend einig in der Einschätzung darüber, was für ein riesiger Unsinn das alles ist. Selbstverständlich ist diese Information noch nicht voll zur Union durchgedrungen - und wird es auch nicht, da man sich bei einer Stammwählerschaft deutlich über 40 gerne mit der Angstmache vor einem nahezu unbekannten und gefährlich wirkenden Medium profiliert. Zu Friedrichs "Argumenten" hat nun der innenpolitische Sprecher eines draufgesetzt, wie SpiegelOnline berichtet:
Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, beklagte hingegen "gravierende Nachteile" der Möglichkeit zu anonymen Äußerungen im Netz. "Erst durch die Anonymität ist die Verbreitung von Kinderpornografie oder extremistischem Gedankengut in einem nie gekannten Ausmaß möglich", betonte Uhl. "Wer in einer Demokratie seine Meinung äußert, sollte dazu stehen." Die von Friedrich angestoßene Diskussion sei zu wichtig, "um sie nur einigen Netzaktivisten zu überlassen".
Atemberaubend, wie Uhl den Bogen von der demokratischen Meinungsfreiheit zur Kinderpornographie schlägt. Es wird nicht mehr lange dauern, und die Bevölkerung zuckt bei der Erwähnung von Kinderpornographie nur noch mit den Schultern, so wie sie es jetzt mit Terrorismus tut - wer ständig "Wolf!" schreit, obwohl keiner da ist, braucht sich nicht darüber zu wundern, das lernen bereits kleine Kinder. Davon einmal abgesehen sind Uhls Argumente auch haarsträubend: Jahrzehnte lang verbreitete sich Kinderpornographie auch völlig ohne Internet, ja ohne Computer, und es ist nicht bekannt dass sich die Kunden und Händler auf irgendwelchen Schmuddelmärkten mit Namensschildern ihre Klarnamen deutlich gemacht hätten. Und extremistisches Gedankengut verbreitet sich besonders dank der Anonymität? Genau, deswegen hat Adolf Hitler "Mein Kampf" ja auch unter einem Pseudonym veröffentlicht…

Montag, 8. August 2011

Auf dem Weg in den Abgrund

Von Stefan Sasse

Die aktuellen Ereignisse üben eine schaurige Faszination auf den unbeteiligten Zeitgenossen aus. Aktienmärkte auf Talfahrt, die Herabstufung der USA, kalter Bürgerkrieg in den USA inklusive Totalblockade des Kongresses bis eine Sekunde vor Mitternacht. Griechenland vor dem Staatsbankrott, Spanien, Portugal und Irland knapp davor, Italien und Frankreich kriselnd. Jetzt Absturz der asiatischen Börsen. Der Dollar fällt, der Euro ist insgesamt in Gefahr, die japanische Regierung ergreift Gegenmaßnahmen zur Aufwertung des Yen und in China verlieren die staatlichen Investitionen in den Dollar massiv an Wert. Währenddessen geht eine der größten afrikanischen Hungersnöte der Dekade praktisch unbemerkt vorüber, und die dramatischen Geschehnisse in Nordafrika und im Nahen Osten sind fast völlig aus dem Blick geraten. Und das Schlimmste ist: was da gerade eigentlich geschieht versteht praktisch niemand. Es muss bezweifelt werden, ob die Regierenden selbst, die in einem Stadium immer größerer Hilflosigkeit Krisentelefonate führen und Krisengipfel einberufen wissen, was eigentlich geschieht und was man dagegen tun kann. Leider muss auch bezweifelt werden dass die Akteure im Herz der Krise - Spekulanten, Investmentbanker, Vorstandschefs großer Finanzkonglomerate und dergleichen - viel mehr Ahnung haben als die Spitzenpolitiker selbst. Ich weiß, dass ich nicht die geringste Ahnung habe was da eigentlich tatsächlich gerade geschieht. Wann immer ich die aktuellen Nachrichten lese, bildet sich ein großes Fragezeichen auf meinem Gesicht.

Sonntag, 7. August 2011

Lesebefehl

Von Stefan Sasse

Extrem guter Artikel in der SZ zum Thema Friedrichs und seiner Web-2.0-Verbotsorgie.

Weiterführende Schulen

Von Stefan Sasse

Es ist immer wieder schön, wenn eigene Vermutungen durch Studien belegt werden. Den Plan der grün-roten Baden-Württembergischen Regierung, die bisher verpflichtenden Grundschulempfehlungen von Lehrern unverbindlich zu machen und den Eltern freie Schulwahl zu geben halte ich für falsch, und eine in der FAZ besprochene Studie belegt mir das: freie Schulwahl verstärkt den durch Lehrerempfehlungen ohnehin gegebenen Effekt der sozialen Zementierung. Kinder von Hauptschülern landen wahrscheinlicher auf der Hauptschule, auch wenn sie eigentlich für das Gymnasium geeignet wären, und umgekehrt. Überraschend ist das eigentlich nicht: auf der einen Seite steht der Dünkel von höhergebildeten Eltern, für die ein Kind, das "nur" Hauptschule oder Realschule besucht undenkbar ist. Auf der anderen Seite stehen Eltern aus bildungsfernen Schichten, für die Gymnasium elitäres Kokolores ist und die es auch mit ihrem eigenen Selbstbewusstsein nicht vertragen können, dass ihre Kinder "besser" sind als sie. 

Freitag, 5. August 2011

Das bürgerliche Moralempfinden

Von Stefan Sasse

Dass bei der Plagiatsaffäre bereits mehrere bürgerliche Akteure ihr eigenes Moralempfinden deutlich herausgestellt haben ist wahrlich keine Neuigkeit mehr. Guttenberg, Koch-Mehrin, Chatzimarkakis und Pröfrock überboten sich gegenseitig mit lächerlichen und niveaulosen Versuchen, sich aus der Affäre zu ziehen. Ob sie nun die Integrität ihrer Doktorväter in den Dreck zogen oder den Plagiatsjägern sinistre Absichten unterstellten, so oder so waren es die anderen. Chatzimarkakis beweist gerade erneut, welchen Rang Anstand bei ihm als Vertreter des Mittelstandes im Europaparlament einnimmt: folgend auf die Enttarnung des Vroniplag-Gründers Heidingsfelder verkündete er in der BILD, das SPD-Mitglied habe es aus parteitaktischen Gründen auf ihn abgesehen. Soso. 

Donnerstag, 4. August 2011

Demokratie im Stresstest


S21 und kein Ende? Vorgestern wurden offiziell die Ergebnisse des “Stresstests” zum Milliarden-Projekt “Stuttgart 21″ vorgestellt, doch die Debatte um den geplanten neuen Durchgangsbahnhof in der Baden-Württemberger Metropole wird damit nicht etwa ein Ende finden.

Nach Monaten der “Schlichtung”, moderiert von Heiner Geißler, wurden am Freitag die Ergebnisse des sogenannten “Stresstests” einer unabhängigen Schweizer Gutachterfirma präsentiert. Kernpunkt dabei ist die Leistungsfähigkeit des projektierten neuen Bahnhofs. Gemäß Anforderungen der Bahn soll er 30 Prozent leistungsfähiger sein als der alte Kopfbahnhof, also statt 37 Zügen pro Stunde ganze 49 bewältigen. Laut der Gutachterfirma SMA, die den angedachten Betrieb – inklusive etwaiger Störungen – in einem Computermodell simuliert hat, würde der neue Bahnhof dieser Vorgabe gerecht werden. Damit könnten die S21-Gegner es auf sich bewenden lassen und ihre Proteste einstellen, wenn es denn nur darum ginge, einen leistungsfähigeren Bahnhof zu bauen.

Mittwoch, 3. August 2011

Scheiß auf den Deal?

Von Stefan Sasse

Josh Barro argumentiert auf dem Blog von Reihan Salam, dass der Kompromiss über die Anhebung der US-Schuldengrenze deutlich schlimmer klingt als er ist. Da Barro Republikaner ist, ist seine Argumentation nicht ganz uninteressant. Er erklärt, dass den automatischen Kürzungen der nächsten Jahre auch automatische Steuererhöhungen entgegenstehen, hauptsächlich durch eine Nicht-Verlängerung von Bushs Steuererleichterungen 2012. Das Argument, dass Obama diese bereits 2010 verlängert hat, lässt er nicht gelten: erstens müsse er 2012 keine Wiederwahlkampagne mehr befürchten, und zweitens - wenn er die Chance erneut nicht nützt, dann braucht er auch keine andere durch neue Steuern, was ehrlich gesagt nicht ganz blöd klingt. Barro erklärt außerdem, dass bereits der neue Kongress 2012 das alles wieder umwerfen könnte. Sollten dagegen die Republikaner 2012 siegen, säßen sie so oder so an den Schalthebeln - die Demokraten haben mit dem Deal also nichts verloren. Diese Argumentation klingt tatsächlich relativ einleuchtend. Die Ausgabenkürzungen werden alle erst ab nächstem Jahr fällig, und selbst da fahren sie nur relativ langsam an, und fallen möglicherweise mit ohnehin anstehenden Kürzungen in den nächsten Jahren zusammen (besonders was den Militäretat angeht).

Sechs Fundstücke

Von Stefan Sasse

Quasi Lesebefehl, zweimal SZ: einmal zu Orban und den ungarischen Entwicklungen, einmal zum Kulturkampf der CDU/CSU gegen das Internet mit richtig klugen Gedanken.
Im Spiegel findet sich zudem etwas über die Perspektiven der US-Militärpolitik wenn die Kürzungen Wirklichkeit werden und den Totaler-Krieg-Vergleich Geißlers, wozu auch Stephan Hebel in der FR was schreibt.
In der FAZ findet sich, ebenfalls Lesebefehl, ein Artikel zu Breivik

Dienstag, 2. August 2011

Ein Kompromiss, ihn zu knechten

Von Stefan Sasse

Der Schuldenstreit in den USA ist beendet. Sieger nach Punkten ist die Tea-Party-Bewegung. Siege nach Punkten sind aber nie so schön wie k.o.-Siege, und deswegen macht der Kompromiss erwartungsgemäß niemanden sonderlich glücklich. Die Tea-Party nicht, weil die Einsparungen sowohl das Militär betreffen als auch nicht in der (absurden) Höhe sind, die vorgeschlagen wurde und die Anhebung über das Jahr 2012 hinaus reicht. Die restlichen Republikaner nicht, weil sie ein weiteres Mal nach rechts gedrängt wurden und, sollten sie die Wahl 2012 tatsächlich gewinnen, vor unlösbaren Problemen mit einer gigantischen Erwartungshaltung stehen, die sie genauso enttäuschen werden müssen wie Obama seine change-Gläubigen. Die Demokraten, weil ihre Klientel herbe Einschnitte verkraften muss, anstatt den versprochenen change zu bekommen und für Klarsehende (die sich in ihrem Klientel am ehesten finden) der Kompromiss die nächste Wirtschaftskrise bereits präjudiziert. Und für Obama, weil der Kompromiss ihn zu einer lame duck gemacht hat. Jeder konnte sehen, dass eine Kongress-Blockade ihn selbst die größten Kröten schlucken lässt - eine denkbar schlechte Voraussetzung für den Start ins Wahljahr, in dem er immerhin seine Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen sollte. Und das ist etwas, das die Republikaner kaum zulassen werden.

Montag, 1. August 2011

Die LINKE und die DDR

Von Stefan Sasse

Im Deutschlandradio lief ein auf den NDS viel kritisierter Beitrag zum neuen Programm der LINKEn, der neben einigen unberechtigten Kritikpunkten auch viel Wahres enthält. Besonders die Einschätzung zur DDR halte ich für zutreffend: 
Nur halbherzig und milder als die an heutigen Verhältnissen fällt die Kritik an der DDR aus. Deren angebliche soziale Dimension wird gelobt, autoritäre Tendenzen werden getadelt. Die DDR gilt hier zwar nicht als Demokratie, aber offenbar auch nicht als Diktatur, jedenfalls wird sie nicht als solche charakterisiert. Auch wenn die Partei mit dem Stalinismus gebrochen habe, sollten DDR und SED nicht auf den Stalinismus verkürzt werden, heißt es. Was waren sie aber dann? Zynisch wird der Entwurf, wenn behauptet wird, in der DDR habe es eine lebendige Sozialismusdiskussion und eine reiche kulturelle und geistige Landschaft gegeben. Das werden diejenigen gerne lesen, die ihren Versuch, den Sozialismus lebendiger zu gestalten, mit Inhaftierung oder Ausbürgerung bezahlen mussten.
Die ständige Relativierung der DDR durch die LINKE ist mittlerweile nicht nur peinlich für die Partei, sondern auch ein echtes Ärgernis, denn sie redet Quatsch. Der Autor im Deutschlandfunk, Karl Schroeder, hat zwar Unrecht wenn er die Überwindung des Stalinismus gänzlich verneint - in den anderen Bereichen aber trifft er den Nagel auf den Kopf, denn das System der DDR war sicherlich nicht offen für Diskussionen über die richtige Richtung des Sozialismus. Auch von der reichen intellektuellen und kulturellen Landschaft ist wenig zu spüren. Sicher, Brecht ging in die DDR und wirkte dort, und sicher, in der BRD war das Intellektuellenklima der 1950er und 1960er Jahre fast noch schlimmer. Aber die Relativierungen, die die LINKE in ihrem Programmentwurf anstellt, sind einfach völlig an der Realität vorbei.