Von Jürgen Voß
Zum Beispiel ein bemerkenswertes
Interview mit Meinhard Miegel
Wer wie ich die ersten Fernsehjahre
seines Lebens mit einem einzigen Programm auskommen musste, hat zum viel geschmähten
Zappen ein fast libidonöses Verhältnis. Einerseits also verführerisch, andererseits
natürlich blödsinnig, weil man nichts so richtig mitbekommt. Manchmal klappt es
aber und man bleibt dran.
So zum Beispiel bei „Peter Vossfragt… Meinhard Miegel“ am Montagabend auf 3sat.
Zunächst habe ich gedacht: Was soll
dabei rauskommen, wenn ein konservativer CDU Mann (muss kein Pleonasmus sein)
einen bekannten neoliberalen Propagandisten nach seiner Meinung zu „Wachstum,
Wachstum über alles“ befragt.
Das wäre ja so, als wenn Roland
Pofalla Angela Merkel interviewt.
Und in der Tat: Am Anfang wurde
ich nicht enttäuscht. Jeder kennt die Litanei, die uns seit Jahren vorgebetet
wird: Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt, der Wohlstand ist nicht
aufrechtzuerhalten, der demographische Wandel überfordert unsere sozialen
Sicherungssysteme und hier – wer hätte das gedacht – vor allem unser Rentensystem.
Weil immer weniger für immer mehr einzahlen müssen und das noch auf der Basis sinkender
Löhne. Summa summarum also neoliberaler Bullshit as usual, so bekannt wie das
Adventsgedicht mit den brennenden Lichtern und dem Christkind vor der Tür.
Doch dann raffte sich meine
Namensvetter zu einer bravourösen Energieleistung auf und wies daraufhin, dass
die viel gepriesene Privatvorsorge nun auch diskreditiert sei, da sie zum einen
sich als sehr unsicher erwiesen habe und zum zweiten ihre pompösen
Renditeversprechen nicht habe einhalten können.
Was dann von Miegel kam, der ja
angeblich heute schon weiß, welche Renten wir 2040 bekommen werden (das
Runterziehen einer Exceltabelle mit der Maus muss für alte Menschen sehr
verführerisch sein!), hat mich dann allerdings trotz der späten Stunde
vollkommen aus dem Sessel gehauen.
Seine Antwort (sinngemäß): Ja, das sei so. Die Privatvorsorge könne nunmehr
auch nicht mehr wachsende Beträge garantieren, da der Zinseffekt zu niedrig
sei. Immerhin böte sie noch einen Inflationsschutz.
Da zieht einer dreißig Jahre durch
die Lande und preist die Renditevorteile der privaten Vorsorge – wobei er sich
diese Lobpreisung von interessierten Kapitalanbietern hervorragend honorieren
lässt – redet die sozialen Sicherungssysteme auftragsgemäß in Grund und Boden und muss schließlich als
73jähriger mehr oder weniger direkt zugeben, dass er jahrzehntelang nur dummes Zeug
geredet hat. Welch eine persönliche Tragik! Da ist verständlich – so mitfühlend wollen wir dann doch sein –dass er sich mit
einem kabarettreifen Argument aus dieser Zwickmühle noch zu befreien versucht.
Die Privatvorsorgeindustrie muss
nun ihre gesamte Werbung umstellen: Von den lachenden sportiven Rentner(innen),
die ihre dritten Zähne fröhlich blecken, weil sie so klug waren bei Axa, Allianz
und Co rechtzeitig vorzusorgen, geht es jetzt um die armen Rentner(innen), die im
Alter genau den Betrag bekommen, den sie über Jahrzehnte selbst eingezahlt
haben, allerdings mit einem geringen Inflationsaufschlag, natürlich minus der Verwaltungskosten
des Anbieters, so schlappe 15 – 20 Prozent. Die Mehmet Gökers wollen ja
schließlich Lamborghini fahren.
Der liebe Meinhard, der lange Zeit die Produktivitätsentwicklung aus den Betrachtungen zur Bezahlbarkeit der Renten ausgeblendet hat. Nun kommt doch noch die Altersweiheit.
AntwortenLöschen"Der liebe Meinhard, der lange Zeit die Produktivitätsentwicklung aus den Betrachtungen zur Bezahlbarkeit der Renten ausgeblendet hat. Nun kommt doch noch die Altersweiheit."
AntwortenLöschenUnd woher kommt das Produktivitätswachstum? Dazu bedarf es Investitionen. Wie sorgt man dafür, das Arbeitnehmer an diese Zuwächsen beteiligt werden? Indem man sie Investieren lässt.
Gibt es absolute Sicherheit? Nein. Wer will kann ja in Staatsanleihen. Da hat er dann de-facto sein Umlagesystem und jeder Steuerzahler von Morgen bürgt dafür, auch diejenigen, der Vorfahren keine Staatsanleihen erworben haben.
Aber sind nicht gerade die privaten Lebensversicherungen mit PIIGS-Anleihen, insbesondere Griechenlandanleihen, und Bankzertifikaten von Banken die viele Griechenlandanleihen halten in die Kriese geraten? Ja, und dass soll nun ein Beweis für die Überlegenheit staatliche Schuldversprechungen sein.
damit ist der Miegel aber erst auf dem halben Weg. Jetzt kann er entweder schlussfolgern, dass ein Umlagesystem doch zuverlässiger ist weil jeglicher Sozialaufwand immer aus dem laufend Erwirtschafteten zu leisten ist ( Mackenrothsches Gesetz) oder - was besser zum neoliberalen Weltbild passen würde, dass Altersversorgung einfach gar nicht möglich ist. Letzteres darf als empirisch widerlegt gelten. Man müsste ihn mal fragen.
AntwortenLöschenPpp
Das "Mackenrothsches Gesetz" blendet einen wesentlichen Faktor aus: Die wirtschaftliche Leistung von Morgen, ist nicht unabhängig davon, wofür wir heute die Wirtschaftsleistung verwenden. Wenn wir diese zum Konsumieren umverteilen, dann haben wir in Zukunft keine so hohe Wirtschaftsleistung, wie wenn wir einen größeren Teild avon investieren. Natürlich nicht nach dem Bauchgefühl in gefühlt "nachhaltige" Projekte, die mehr der Gewissenberuhigung dienen, auch nicht in ideologische Projekte, sondern ökonomisch rentable Investitionen. DIe sind natürlich im einzelnen mit Risiko behaftet, aber unterm Strich für die Wirtschaft gut und vor allem für die Leistungsfähigkeit von Morgen.
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