Obwohl sich meine politische Sympathie für die AfD in engen Grenzen hält, komme ich manchmal nicht umhin, die Partei zu bedauern. Sie befindet sich gerade in derselben Situation, in der sich die LINKE von etwa 2005 bis 2009 befand - Berichte über die Partei, ihr Personal und ihre Forderungen in den Leitmedien sind oftmals tendenziös und von kaum verhehlter Feindseligkeit geprägt. Konventionen, die den etablierten Parteien problemlos und unhinterfragt zugestanden werden - etwa das Ignorieren von stupiden Forderungen ihrer Jugendorganisationen oder irgendwelchen Randplattformen - gelten hier nicht, sondern werden als Ausweis des bösartigen Parteiextremismus gebraucht.
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Ich hatte bereits geschrieben, dass die AfD sehr an die seit den 1960er Jahren ausgestorbene Politikrichtung der Nationalliberalen erinnert. Noch einmal: keine Richtung, der ich nahestehen würde, aber auch keine, die den Untergang der freiheitlich-demokratischen Grundordnung herbeiruft. Und darin ist sie für die Konservativen genau das, was die LINKE für die Linken ist: Fleisch vom eigenen Fleische, und zudem noch ein beständiger Stachel im selben. Die Muster, mit denen die Partei im öffentlichen Diskurs vorkommt, sind auf geradezu unheimliche Weise denen der LINKEn ähnlich.
Da gibt es zum einen eine Diskrepanz zwischen der Radikalität der Basis (beziehungsweise Teilen der Basis) und der Parteispitze, die sich von dieser Radikalität distanziert, sie aber gleichzeitig nicht verdammt und als Ausdruck innerparteilicher Demokratie zu integrieren sucht. Was bei der AfD irrlichternde Rechtspopulisten sind, denen Sarrazin zu gemäßigt ist, ist bei der LINKEn die Kommunistische Plattform. Solche Irrlichter gibt es auch in anderen Parteien, man denke nur an Erika Steinbach in der CDU. Dort aber ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie als repräsentativ für die Partei genommen werden deutlich kleiner als bei AfD und LINKEn.
Gleiches gilt für ihr Spitzenpersonal. Obwohl sich Bernd Lucke weit weniger für eine Dämonisierung eignet als Oskar Lafontaine, wird auch er überwiegend negativ dargestellt, als jemand, der absichtlich Stimmen am rechten Rand fischt (ein Vorwurf, der auch gegen Lafontaine erhoben wurde). Beispielhaft mag dafür ein diese Woche im Print-Spiegel erschienenenes Porträt Luckes sein, in dem er als biederer Brandstifter aus der Provinz charakterisiert wurde.
Die Feindseligkeit, die AfD wie LINKEn entgegenschlägt, scheint für mich auch stark auf dem Orthodoxiebruch zu beruhen, den beide repräsentieren. Wo die LINKE mit dem seinerzeit noch dominanteren, neoliberal angehauchten Mainstream brach (man bedenke, dies war die Zeit in der Münteferings Rente mit 67 als viel zu kleiner Schritt gegeißelt und Kurt Beck über die Frage eines halben Jahres zusätzlichen ALG-I-Bezugs und einer möglichen Tolerierung durch die LINKE gestürzt wurde), stellt die AfD den Euro und die gesamte europäische Integration mindestens seit Maastricht in Frage.
Mit dieser Meinung bringen die beiden Außenseiter nicht nur den direkten politischen Mainstream gegen sich auf, sondern auch die mit ihm verbundenen Leitmedien. Dies erklärt zumindest in Teilen die Feindseligkeit. Ob sie gerechtfertigt ist - das ist nicht mit voller Klarheit zu sagen. Beide Parteien hatten noch keine Regierungsverantwortung im Bund, die Feuerprobe steht noch aus. Welche Strömungen im Ernstfall die Oberhand behalten, welche Parteiführer sich durchsetzen werden können bleibt daher abzuwarten.
So oder so sollten Lucke und Gysi ein Bier zusammen trinken gehen und ihre Erfahrungen austauschen. Das könnte für beide bereichernd sein.
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