Freitag, 27. September 2019

Die Tea Party im Taxi auf dem Weg nach Frankreich gründet einen grünen Investitionsfond - Vermischtes 27.09.2019

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) How the Republican Majority Emerged

Phillips was not interested in a partnership between estranged Democrats in the South and Republicans in the North, which Gabrielson had imagined 20 years earlier. The old Republican establishment of the Northeast, Phillips argued, was crumbling as a result of its acquiescence to liberalism. Rather than including the Northeast in an electoral coalition, Phillips argued the region was most useful as a “provocateur of resentment elsewhere.” Instead, Phillips called for uniting the South and West, as Goldwater had hoped, while also appealing to another group: the growing suburban electorate. The key to wooing white voters in the Sun Belt, according to Phillips, was taking advantage of “group animosities” and exploiting racial tensions—once again, knowing “who hates who” and acting on it. “Ethnic and cultural animosities and divisions exceed all other factors in explaining party choice and identification,” Phillips observed. Phillips’s research landed him a role in Richard Nixon’s 1968 presidential campaign. Leonard Garment, one of Nixon’s liberal-leaning advisers, recalled hiring the young man “after scanning a manuscript Phillips had handed me in lieu of a resume. Something called ‘The Emerging Republican Majority.’” Phillips used his research to frame a Goldwater-like strategy that indirectly appealed to racial resentment through criticism of the federal government and an emphasis on law-and-order politics. “The fulcrum of re-alignment is the law and order/Negro socioeconomic syndrome,” Phillips wrote in one 1968 campaign-strategy memo. “[Nixon] should continue to emphasize crime, decentralization of federal social programming, and law and order.” (Dov Grohsgal/Kevin Kruse, The Atlantic)
Wie ich in meiner eigenen Serie zum Thema ja auch aufgearbeitet habe, dauerte die Entwicklung der republikanischen Partei hin zu einer rechtsextremen, demokratiefeindlichen und zutiefst rassistischen Partei eine lange Zeit - war aber, und das muss betont werden, das Resultat von bewussten strategischen Entscheidungen. Die "Emerging Republican Majority" war für mehrere Jahrzehnte ein Erfolgsrezept für die Partei und schob das Land im Zeitraum zwischen 1970 und 2010 deutlich nach rechts. Bereits seit gut anderthalb Dekaden prognostizieren Demographen und Demoskopen das Auftreten einer "Emerging Democratic Majority". Es ist möglich, dass sich das gerade, mit Trump als Brandbeschleuniger, Bahn bricht. Aber man möchte nicht zu optimistisch werden; die Hoffnung wurde schließlich schon öfter enttäuscht. 2020 wird aber eine erste Wasserscheide werden, an der man das absehen kann.

If the Republican Party wants to succeed in the future, it has to start dropping off conservatives and start picking up a different kind of passenger. The Democrats have faced the same challenge. It’s in the nature of the two-party system that each party will perform one side of a two-sided dance. But the Democrats have a few advantages at the moment. The kids at the train station prefer the look of their vehicle to the beat up jalopy the Republicans are using as a taxi. Immigrants that gain citizenship prefer to ride with the Democrats, too. Suburban voters, particularly women, are repelled by the GOP. A lot fewer of the Democrats’ passengers die each year. And, there are a ton of people idling around looking for a lift whose only option right to now is to hop in with the Democrats. Finishing up with this analogy, there will probably not be a point at which the conservatives willingly hand over the keys to the Republican Party’s car. As we’ve seen in California and New England, they’d rather get no fares than change their ideology and rhetoric to attract the wrong kind of passengers. It looks like Texas is the next state on the list, and if it falls to the Democrats it will signal the end of the conservative movement’s viability as a taxi company. But, remember, the conservatives in the Republican Party had enough influence even in the wilderness years between the 1932 election of FDR and the 1994 Gingrich Revolution to keep the GOP in a near-permanent congressional minority. The party does not adapt easily. What’s different about Texas is its impact on the Electoral College. During the wilderness years, the Republicans still manage to elect Eisenhower, Nixon, Reagan, and Poppy Bush. The party’s congressional misery was thus offset to a considerable degree by their potential to own the White House. If Texas goes blue, it will end that hope for conservatives of the future. (Martin Longman, Washington Monthly)
Gewissermaßen als Ergänzung von Fundstück 1 dient dieser Text; ich würde die beiden auch als Einheit kommentiert sehen wollen. Denn wenn tatsächlich eine dauerhafte demokratische Mehrheit entstehen sollte (Konjunktiv), wird die republikanische Partei nicht umhin kommen, sich anzupassen. Die Democrats taten ja dasselbe, um mit dem Rechtsrutsch ab 1980 umzugehen. Wie Longman aber zurecht anmerkt, kann eine Partei natürlich ziemlich lang in einer strukturellen Oppositionsrolle verharren, ehe sie Änderungen durchführt. Sollte Texas tatsächlich blau werden (Konjunktiv), haben die Republicans ein Problem, so viel steht fest.

Doch die kommunikativ geformte Idee der „schwarzen Null“ ist in Politik und Medien zum Selbstläufer – zur Ikone der Rechtgläubigen – geworden, so dass schon die Nutzung der in der Schuldenbremse vorgesehenen Spielräume der Rechtfertigung bedarf. Das ökonomische Irrlicht des jährlichen Haushaltsausgleichs ohne Neuverschuldung spiegelt sich in der ebenso eigenartigen Negierung von Steuerentlastungen für Haushalte und Unternehmen. Wenn man in einem Entscheidungssystem eine Variable fixiert – wie durch die Schuldenbremse, dann verändert dies natürlich die Handlungsstrategien. Anders gewendet: Die Einschränkung der öffentlichen Kreditaufnahme mag zwar dem Gedanken folgen, eine langfristig rationale Finanzpolitik zu betreiben. Doch unterstellt dies, dass alle Anpassungsversuche an die neue Regel für sich genommen auch diesem Ziel folgen und rational sind. Die Erfahrung zeigt, dass das Gegenteil richtig ist. [...] Was folgt aus alledem? Die Finanzpolitik sollte zu einer nüchternen, nicht emotionalen Betrachtung ihrer Ausgabenbedarfe und der dazu passenden Finanzierungswege finden. Denkblockaden hier – bei der Frage der Kreditfinanzierung – und dort – bei der Steuerfinanzierung – verhindern eine sachgemäße Politik. Diese kann unter den gegebenen Umständen darin bestehen, einen auf zehn Jahre angelegten föderalen Investitionsfonds (Sondervermögen) aufzulegen, der mit einem Volumen von 450 Milliarden Euro sowohl die aufgestauten Bedarfe (kommunale Infrastruktur, Verkehr, Energie) als auch die neu fixierten Herausforderungen (Digitalisierung, Klimawandel) adressieren kann. Mit der zehnjährigen Ausrichtung verbindet sich die Chance, dass die Bauwirtschaft anders als bei der Kurzatmigkeit jährlicher Budgets ihrerseits die Kapazitäten ausweitet. Ist das ohne Risiken zu haben? Freilich nicht. Polit-ökonomisch besteht das Risiko, dass die Finanzpolitiker versuchen, konsumtive Aufgaben über diesen Fonds zu finanzieren. Dem kann entgegenwirken, wenn analog dem Stabilitätsrat ein Investitionsrat die prinzipielle Eignung für den Fonds testiert und damit dem Parlament für die Öffentlichkeit transparent eine Orientierung an die Hand gibt. Solide Finanzpolitik würde so neu definiert: Den künftigen Generationen wird ein moderner staatlicher Kapitalstock zu verantwortbaren Finanzierungskonditionen übereignet. Kritisch wird eingewandt, dass Schulden immer Schulden bleiben und zurückgezahlt werden müssten. Hier wird das Haushaltsbuch der schwäbischen Hausfrau an die Stelle volkswirtschaftlicher Logik gesetzt, die nach der Tragfähigkeit der Staatsschulden fragt. Diese findet sich in den Marktkonditionen für den deutschen Staat testiert. Bei einer Neuverschuldung von 45 Milliarden Euro jährlich würden die Maastricht-Kriterien jederzeit mindestens gewahrt. (Michael Hüther, Salonkolumnisten)
Mir fehlen die wirtschaftlichen Kenntnisse, um die Validität eines solchen Investitionsfonds angemessen bewerten zu können. Er klingt grundsätzlich sinnig, aber das muss natürlich nur wenig heißen. Vielleicht können an der Stelle einschlägig gebildetere Kommentatoren aushelfen. Ich teile mit Hüther in jedem Fall die Ablehnung eines ideologisch motivierten Verbots von Neuverschuldung, das notwendige, rationale und sinnvolle Politik blockiert. Ich habe nie viel davon gehalten, sich in starre Fesseln zu legen, anstatt selbst nachzudenken und die Verantwortung zu übernehmen. Den Haushalt aufzustellen ist das Königsrecht des Parlaments. Es hat ordentlich darüber nachzudenken und zu beraten, wie und zu welchem Zweck es Geld ausgeben und eintreiben will, und es hat sich dafür zu verantworten - und nicht hinter irgendwelche ideologischen Potemkinschen Dörferfassaden zurückzuziehen.

4) Tweet
Mir bleibt weiterhin unklar, weswegen so viele (ehemals) bürgerliche Medien es als notwendig ansehen, Extremismus zu verharmlosen oder zu relativieren. In FAZ, ZEIT oder NZZ finden sich schließlich auch keine Artikel, in denen der Schwarze Block "ein Zeichen gegen Ungleichheit setzt", wenn er Autos abfackelt und Steine auf Polizisten wirft. Da werden Verbrecher als das benannt, was sie sind. Es scheint mir die gleiche instinktive Abwehrreaktion zu sein, die wir in den Kommentaren des letzten Vermischten auch gesehen haben. Dieses merkwürdige Gemeinmachen mit dem extremistischen Rand kenne ich noch zu gut aus meiner linkeren Zeit, wo auch gerne Venezuela oder der Schwarze Block verteidigt wurden, die zwar vielleicht ein bisschen in der Ausführung, aber sicherlich nicht in der Sache falsch liegen. Es ist Zeichen einer Radikalisierung, und es ist mehr als besorgniserregend.

5) The Tea Party Is Alive and Well
Peters does mention in passing that Obama allies believed the tea party gave “cover and a voice to those who wanted to attack the first black president — people who in some cases showed up at rallies waving signs with racist caricatures and references.” Not only is that conclusion obviously right; it’s central to any sensible understanding of the tea party. Racism was its animating force. The movement was revanchist to its core. Its “bare-knuckle, brawling style,” as a source described matters to Peters, was a reaction to Obama’s blackness as much as it was to his perceived socialism. Peters does not mention birtherism in his piece, but the claim — which combined anti-black racism, xenophobia, and Islamophobia into one Franken-theory about Obama’s ineligibility to be president — was popular among tea party activists. Further, though Peters refers to it as a “mass uprising,” it was not a spontaneous, organic populist movement, at least not entirely. It was Astroturf, too, funded by libertarian donors like the late and little-lamented David Koch. [...] Years after Santelli screamed “This is America!” into the stale air of the Chicago Mercantile Exchange, Trump promised to make a threatened homeland great again. In this way, he is Santelli’s president. He is the president of birthers and small-government hysterics. He might not be a tea party purist, but he’s clearly a believer. The tea party is not dead, and neither are its ideas. We look not at its defeat but at its victory — incomplete, but real all the same. (Jonathan Chait, New York Magazine)
Gerade in den eher zentristischen Medien (CNN und Konsorten) hält sich immer noch beharrlich der Mythos, dass die Tea Party auf der einen Seite eine Bewegung gewesen sei, der es um niedrigere Steuern und eine Einhegung des Staates gegangen sei, und auf der anderen Seite dass sie mittlerweile keine Rolle mehr spiele, weil die Republicans sich von dieser Idee offensichtlich verabschiedet haben. Beides ist Quatsch. Der zentrale Animus der Tea Party war ein rassistisch motivierter backlash gegen den ersten schwarzen Präsidenten. Die Tea Party hatte nie ein Problem mit gigantischen staatlichen Ausgaben und Einmischungen in das Leben der Bürger. Sie wollte immer nur, dass es IHRE Ausgaben und Einmischungen für IHRE Themen waren. Der ganze Rest sind Nebelkerzen.

6) Die Macht des Individuums
Angesichts weltumspannender Probleme wie Klimawandel und Artensterben fragen sich viele, was das einzelne Individuum wohl verändern kann. Was nützt es, wenn der eine im Supermarkt am Rindersteak aus Brasilien vorbeiläuft, es am Ende des Tages aber vom anderen gekauft wird? Was bringt es, sich Sonnenkollektoren aufs Dach zu schrauben, wenn im Kraftwerk um die Ecke gigantische Mengen Kohle verfeuert werden und in Indien und China sogar neue Kraftwerke entstehen? Warum aufs Fliegen verzichten, wenn die Nachbarn über die Feiertage nach Bali jetten? Angesichts solcher Gedanken ist es leicht, die Hoffnung zu verlieren. Sich machtlos zu fühlen. Oder sogar lächerlich. Es ist allerdings zu einfach, die eigene Kleinheit als Entschuldigung fürs Nichtstun gelten zu lassen und sich auf diesen Gedanken auszuruhen. Dem Gefühl der Machtlosigkeit liegt nämlich ein Denkfehler zu Grunde: Der Einzelne ist ja nicht bloß Konsument. Er oder sie kann ja auch zum Erfinder werden, zur Unternehmerin, zum Aktivisten oder zur Politikerin. [...] Und es sind nicht allein die großen Beispiele, die zählen. Die vielen kleinen machen den Unterschied. Der Bürgermeister, der ein nachhaltiges Stadtviertel schafft. Die Kleinstädterin, die zusammen mit anderen ihr Stromnetz zurückkauft. Die Studentin, die sich über eine Plastiktüte im Meer aufregt. Es sind Menschen, von denen die wenigsten sich selbst als Helden beschreiben würden. Sie sind bloß Bürger, die dem Untergang der Natur nicht länger zuschauen wollen und die die Dinge selbst in die Hand nehmen. In einer Welt mit sieben Milliarden Menschen sind sie es, die den berühmten Schmetterlingseffekt auslösen können: jenen Flügelschlag, der einen Wirbelsturm erzeugt. (Laura Cwiertnia/Petra Pinzler, Zeit)
Ich bleibe der Überzeugung, dass wir die Klimakrise nur dadurch lösen werden, dass eine Umgestaltung auf breiter Ebene notwendig ist, die zwangsläufig nur durch staatliche Maßnahmen ermöglicht werden kann. Ich halte aber gleichzeitig individuelle, freiwillige Verhaltensänderungen, wie sie hier im Artikel beschrieben werden, für einen zentralen Baustein. Die angesprochene Umgestaltung nämlich kann ja schlecht autoritär oder gar diktatorisch verschrieben werden, sie braucht Akzeptanz. Wir haben genug Beispiele aus den realsozialistischen Ländern, die uns zeigen, wie sehr von oben verordnete Verhaltensänderungen wirken: gar nicht. Es ist daher entscheidend, dass eine Stimmung entsteht, in der solche Umgestaltungen Konsens sind. Und dazu braucht es diese individuellen Schritte. Je mehr Menschen ihr Verhalten Stück für Stück ändern und anpassen, desto normaler wird, desto mehr nehmen sie mit und desto mehr entsteht ein entsprechendes Bewusstsein. Ich habe das auch an mir selbst gemerkt. Und das ist auch im besten Sinne der progressive und demokratische Weg, so etwas zu erreichen.

7) Die Angst der GroKo vor dem Wähler
Die Koalition will aber nicht nur einen Maximaldeckel einziehen. Eingeführt wird auch noch ein Mindestpreis: Unter 35 Euro soll der Preis bitte nicht sinken. Damit ziehen Union und SPD einen Sicherungsmechanismus ein, um ihr Versagen zu kaschieren. Denn im Zertifikatehandel kann es nur einen Grund für zu niedrige Preise geben: Wenn die Politik die Firmen mit einer zu großen Menge Emissionszertifikate verwöhnt. Das war auch bei der Einführung des europäischen Emissionshandels 2005 das Problem. Absurd ist auch, wie die Koalition ihre eigenen Regelungen beim Verkehr aushebelt. Die CO2-Preise werden dazu führen, dass die Literpreise von Diesel und Benzin steigen, erst um etwa drei Cent, ab 2026 weiter auf neun bis 15 Cent. Autofahren wird teurer, ist das Signal. Aber die GroKo wäre nicht sie selbst, würde sie ihre eigene Maßnahme nicht umgehend wieder konterkarieren: Die Pendlerpauschale wird um fünf Cent pro Kilometer erhöht. Union und SPD geben also erst Geld aus, um mit dem Emissionshandel einen Mechanismus einzuführen, der Autofahren teurer macht. Dann nehmen sie noch mehr Geld in die Hand, um Autofahren wieder billiger zu machen. Wenn man hier überhaupt noch von Lenkungswirkung sprechen will, dann gleicht sie dem eines Betrunkenen, der das Steuer seines Wagens erst nach rechts und dann nach links reißt. Wer noch einen Grund gesucht hat, warum Deutschlands Emissionen im Verkehr seit Jahrzehnten nicht sinken: Hier ist er. (Benjamin Bidder, SpiegelOnline)
Die Rolle des Automobils in Deutschland ist wahrlich eine Crux. Es ist ziemlich offensichtlich, dass es in Deutschland zu billig ist, beziehungsweise dass seine Kosten externalisiert werden. Das sieht man dann an solchen Kompromissen. Um aber die Stelle zu nutzen, generell mal Stellung zum Klimapaket zu beziehen: Ja, selbstverständlich ist das unzureichend. Jedes solche Paket musste zwangsläufig unzureichend sein. Wer erwartet hat, dass Schwarz-Rot mal eben die Klimakrise löst, dem ist eh nicht zu helfen. Der Wert des Klimapakets liegt darin, einen ersten Schritt gemacht zu haben. Der CO2-Preis ist zu niedrig? Keine Frage, aber den kann man anpassen. Vielleicht - da kenne ich mich zu wenig aus - macht sogar eine paritätisch besetzte Kommission analog zum Mindestlohn für so was Sinn. Die Verteuerungen von Benzin sind zu gering? Auch hier geht leicht mehr, wenn einmal das Signal in die entsprechende Richtung gesetzt ist. Und so weiter. Ähnlich wie die großen Klimakonferenzen und deren Ergebnisse gilt für solche legislativen Pakete, dass die Vorgabe der Marschrichtung, das Signal, der entscheidende Punkt ist. Das signalisiert nämlich der Bevölkerung eine Zielrichtung, an der diese dann ihr Verhalten ausrichten kann. Und das haben wir bereits ein Fundstück vorher diskutiert.

8) Wall Street Democratic donors warn the party: We’ll sit out, or back Trump, if you nominate Elizabeth Warren
Democratic donors on Wall Street and in big business are preparing to sit out the presidential campaign fundraising cycle — or even back President Donald Trump — if Sen. Elizabeth Warren wins the party’s nomination. [...] “You’re in a box because you’re a Democrat and you’re thinking, ‘I want to help the party, but she’s going to hurt me, so I’m going to help President Trump,’” said a senior private equity executive, who spoke on condition of anonymity in fear of retribution by party leaders. [...] During the campaign, Warren has put out multiple plans intended to curb the influence of Wall Street, including a wealth tax. In July, she released a proposal that would make private equity firms responsible for debts and pension obligations of companies they buy. Trump, meanwhile, has given wealthy business leaders a helping hand with a major corporate tax cut and by eliminating regulations. Warren has sworn off taking part in big money fundraisers for the 2020 presidential primary. She has also promised to not take donations from special interest groups. She finished raising at least $19 million in the second quarter mainly through small-dollar donors. [...] Biden, who has courted and garnered the support of various wealthy donors, has started to lag in some polls. The latest Quinnipiac poll has Warren virtually tied with the former vice president. Biden was one of three contenders that saw an influx of contributions from those on Wall Street in the second quarter. (Brian Schwarz. NBC)
Mir ist etwas unklar, warum die Wall Street darauf besteht, Elizabeth Warren kostenlose Wahlgeschenke zu machen, aber die Leute verstehen halt auch nur wenig von Politik. Wenn es in den USA ein Thema gibt, das partei-, schicht-, geschlecht- und rassenübergreifend Zustimmung erwirbt, dann der Hass auf die Wall Street. Warren hat zudem von Beginn an klar gemacht, dass diese ihr Feindbild ist und dass sie kein Geld von ihnen nimmt. Von den wahlkampftaktischen Implikationen abgesehen wäre es eine gute Nachricht, wenn die Democrats sich der Unterstützung der Wall Street entwöhnen würden. Die Expertise von Timothy Geithner und Larry Summers haben nicht eben zu Ruhmesblättern von Obamas Regierungszeit geführt, und auch sonst wäre die Finanzindustrie in letzter Zeit nicht eben durch ihre konstruktive Rolle aufgefallen. Es ist mehr als Zeit, dass deren Macht zurückgestutzt wird. Zuletzt ist es auch sehr bedenklich, mit welcher kruden Leichtigkeit die Wall-Street-CEOs die Abwägung zwischen Demokratie und einem kleinen Anteil an ihrem Vermögen machen. In dem Moment, in dem Rechtsstaat und Demokratie sie Geld und Einfluss kosten könnten, entscheiden sie sich für den Totalitarismus. Und sie haben nicht die geringsten Probleme, das offen auszusprechen.

9) Trump’s $28 Billion Bet That Rural America Will Stick With Him


A couple of years ago, a pep talk from Trump might have drawn raucous applause from one of the president’s key constituencies. This time the crowd was subdued. “The aid package that has come in is a relief, and it softens the landing, but it’s not a solution, it’s a Band-Aid,” says Stan Born, a farmer who attended the event. When asked if the payments make him whole, Born, who grows 500 acres of soybeans near Decatur, responds, “Of course not.” He’d rather have free trade, he says. [...] The bailout funds won’t cover all of farmers’ losses. Producers in Iowa received $973 million in direct payments from the first round of trade aid covering a period in which Iowa State University estimated the trade war cost them $1.7 billion. Even so, there’s been no break in Trump’s support in rural areas, where his poll numbers are consistently about 12 percentage points higher than they are nationally. [...] Farmers became collateral damage in Trump’s tit-for-tat tariff war with China, which is being waged primarily for the benefit of such sectors as manufacturing and tech. Agriculture is actually one of the rare U.S. industries that consistently runs a trade surplus, and not just with China—testimony to the gains that have accrued to American farmers from globalization. (Mario Parker/Mike Dorning, Bloomberg)
Die 28 Milliarden Dollar, die die Republicans mal eben locker zu machen um Trumps undurchdachten Handelskriegs zu finanzieren, sind mehr als das Doppelte des Auto-Bailout von 2009, mit dem Obama damals gegen den fanatischen Widerstand der GOP die Wirtschaft aus der Krise rettete. Falls es für Fundstück 5 noch eines weiteren Beleges bedurft hätte, findet er sich hier. Kein Rechter in den USA hat irgendein Problem mit Staatssozialismus oder riesigen, schuldenfinanzierten Ausgaben, solange diese nur ihm selbst zugute kommen. Es gibt auch keine "prinzipientreuen" Abgeordneten aus den Reihen der Partei, die sich gegen diese massiven, schuldenfinanzierten Umverteilungsgeschenke gestellt hätten. Es ist alles eine Riesenbande elender Heuchler.

10) Tweet
Anhand dieses kontrafaktischen Beispiels kann man gut sehen, wie einseitig die Radikalisierung von rechts aktuell abläuft. Die progressive Seite des politischen Spektrums verwendet bei weitem keine so polarisierenden, radikalen Formulierungen wie ihre Rivalen. Auch finden sich wesentlich seltener hasserfüllte Polemiken wie die von Stefan Pietsch über "Grüne Kreuzritter" in diesen Reihen. 

11) Why the far right is obsessed with “gender ideology”
Still, far-right politicians and activists have distinct ideas about gender roles, which in part reflect the views of their respective societies. These differences can be grouped together as traditional, modern-traditional and reactionary.  Traditional views of gender are more evident in machismo and conservative cultures. Paradoxically, reactionary perceptions are increasingly popular among younger and more highly educated men in northern Europe and North America. At second glance, this makes sense; their generation is the first to be an increasingly marginalised minority in college – inferior in numbers, grades, and job prospects. [...] Common to these online communities is a view of women as morally deviant and psychically weak, but as politically and socially strong. Men are allegedly oppressed, while “Femi-Nazis” (feminists) supposedly control society through “political correctness”, and women control men through their use (or  refusal) of sex. [...] What makes the far right particularly important is that it has been much better at adapting its sexist views to changing gender relations in society – where several distinct cultural changes have created a situation in which men no longer have the access to, or power over, women’s bodies that they might once have had in a previous era. This adaptability is one of the key reasons for the far right’s growing success across the globe. (Cas Mudde, New Statesman)
Ein wichtiger Grund, der die Abwehr der Frauenemanzipation auch von weiblicher Seite begleitet, ist das Verschwinden eines Helden-Narrativs für unterdrückte Frauen. Je mehr die Fiktion der häuslichen Sphäre als spezifischem, noblem Aufgabenfeld der Hausfrau und ihre "biologische" Rolle als Mutter durch die Realitäten des Lebens im 21. Jahrhundert - allen voran die Notwendigkeit zur doppelten Erwerbsarbeit - zusammenbricht, desto mehr müssen diese sich auch vor sich selbst legitimieren.
Auf der männlichen Seite ist dagegen augenfällig, welche ausgeprägte Opferkultur hier herrscht. Permanent imaginieren sich Männer in die Rolle des Opfers der Gesellschaft hinein, sehen sich selbst als unterdrückt und benachteiligt und jammern, wo in Wahrheit nur lang tradierte und unverdiente Privilegien dahingehen.

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