Montag, 5. Mai 2008

Ökonomisierung der Kindheit

In der SZ ist ein Artikel zur frühkindlichen Bildung erschienen. Darin werden Kurse beschrieben, die den Kindern irgendwelche Vorteile für ihren weiteren Lebensweg mitgeben sollen, die in etwa so deutlich umrissen sind wie die Lage von Atlantis. Zum Beispiel privater Englischunterricht für Vorschul- und Grundschulkinder: da redet der Lehrer ein bisschen Englisch, die Kinder alle deutsch, und irgendeine CD läuft im Hintergrund mit englischen Sprachfetzen. Bringen tut das nichts, kosten recht viel (40 Euro/Monat plus etwa 75 Euro für Lehrmaterial). Gleiches gilt für Unfug wie "Fasttrackkids", wo Zweijährige Reden halten, wissenschaftliche Experimente durchführen und etwas über Ökonomie lernen sollen (120 Euro im Monat für zwei Wochenstunden).
Das alles ist grober Unfug. Wissenschaftlich ist von dem Gerede von sich schließenden Zeitfenstern und der frühen Aufnahme von Wissen nichts erwiesen, aber Schindluder wird viel damit getrieben. Es gilt als relativ gesichert, dass Kinder eine Fremdsprache in diesem Alter nur im täglichen Umgang mit native speakern erlernen können, aber sicher nicht in solch einem Kurs wie oben beschrieben. Und auch das Konzept von Fasttrackkids ist mehr als fraglich, da, wie gesagt, die Grundlagen auf denen das Konzept beruht überhaupt nicht zufriedenstellend erforscht sind.

Aber das ist eigentlich auch egal. Denn diese Konzepte machen ihr Geschäft mit der Angst der Eltern. Es ist die Angst, dass ihre Kinder später einmal ausgeschlossen sind (vgl. Süddeutsche Zeitung), dass man als Eltern versagt, wenn man ihnen nicht das nötige Rüstzeug mitgibt. Und es ist eine gefährliche Ideologie zu glauben, dass bereits die früheste Kindheit (oft, bevor die Kinder richtig reden können) zum Erlernen von für das spätere Berufsleben als relevant gehaltenem Wissen vebraucht werden müsse. Denn Kinder brauchen eine Kindheit, eine, die frei ist von Leistungsdruck. Frei von Sorge und Angst, sondern angefüllt von Spiel. Kinder lernen nebenbei, und zwar mehr, als sie in irgendwelchen in Strukturen und Formen von Erwachsenen gepressten Unterrichtsstunden erlernen könnten.

3 Kommentare:

  1. Für Interessierte gibt’s hier zum Thema einen guten Artikel von Ulrich Herrmann:

    http://forum-kritische-paedagogik.de/start/download.php?view.487

    AntwortenLöschen
  2. Allen philanthropischen Vorbehalten zum Trotz wird es wohl irgendwann so kommen, daß bereits in den Krabbelgruppen Förderkurse wie "Management für die Kleinsten" und "Wie hau ich das Konkurrenzbaby aus dem Strampelanzug?" den um das Wohl ihrer Sprößlinge besorgten Eltern in der einen oder anderen "pädagogischen" Form angeboten werden.

    Früh übt sich, wer ein guter Arbeitskraft-Unternehmer in der Wettbewerbsgesellschaft werden will.

    AntwortenLöschen
  3. Man kann wirklich nicht frueh genug anfangen mit kindischer Ausbildung. Immerhin waere es doch sehr wuenschenswert, wenn Erstklaessler, die ihre ersten Powerpoint-Praesentationen erstellen, wenigstens die Fehlermeldungen auf dem Bildschirm lesen koennten - oder nicht?


    Verstehen muessen sie die natuerlich nicht, das wird ja nicht mal von Erwachsenen verlangt ..

    ;-)

    AntwortenLöschen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.