Sonntag, 4. Mai 2008

Keine halben Sachen

Jetzt wird endlich wieder durchregiert: die CDU hat einen Vorschlag vorgelegt für einen "nationalen Sicherheitsrat". Dieser soll endgültig die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit aufbrechen. Federführend ist dabei Wolfgang Schäuble; eine Kommission hat ein sechzehnseitiges Papier zusammengestellt, das mit Merkel und Jung (Verteidigungsminister) abgestimmt ist. Dieses sieht die Schaffung des "nationalen Sicherheitsrats" nach US-amerikanischem Vorbild vor.
Der Sicherheitsrat solle ressortübergreifend mögliche Bedrohungen für die innere und äußere Sicherheit analysieren, präventive Maßnahmen einleiten, sowie die zivil-militärische Krisenbewältigung und Krisenprävention im In- und Ausland koordinieren, so die Union. Er soll auch für die „Einleitung geeigneter Abwehrmaßnahmen und Notfallplanungen“ sowie den Einsatz von Heimatschutzkräften zuständig sein, „in dem Falle, dass Katastrophen die Fähigkeiten einzelner Bundesländer überfordern“. Grundlage für das neue Beratergremium soll der Bundessicherheitsrat sein, dem neben Kanzler verschiedene Minister angehören und der heute im Wesentlichen über die Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter entscheidet. „Hierzu ist der Bundessicherheitsrat unter Vorsitz der Bundeskanzlerin aufzuwerten und unter Nutzung bestehender Ressourcen mit einem handlungsfähigen Stab auszustatten, dessen Mitarbeiter interdisziplinär und ressortübergreifend arbeiten“, so die Union. [...] „Für Aufgaben des Heimatschutzes, wie beispielsweise Pionieraufgaben, Sanitätswesen und ABC-Abwehr, müssen aus dem Personalbestand der Bundeswehr ausreichend Soldaten zur Verfügung stehen“, so die Union. „Die Erhöhung der Wehrhaftigkeit Deutschlands nach außen wie nach innen muss sich auch organisatorisch in der deutschen Sicherheitsarchitektur niederschlagen.“ (Quelle)
Man muss sich klarmachen, was das heißt. Ein Rat, der mit Sicherheit nicht demokratisch zusammengestellt und vermutlich auch kaum kontrolliert ist, wird dem Kanzleramt zugeteilt und untersteht damit direkt der Exekutive. Er sammelt dabei einen riesigen Haufen von Kompetenzen an, von der Ausfuhr von Rüstungsgütern bis hin zu vielen Entscheidungen bei Auslandseinsätzen und natürlich dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren, des Konservativen liebstes Kind. Alles Aufgaben, die vormals bei den gewählten Volksvertretern des Parlaments lagen und dort wenigstens halbwegs einer demokratischen Kontrolle unterlagen. Die CDU-Forderung nach einem strategischen Abwehrraketenschild schmiegt sich in dieses Konzept vollkommen ein:
Die nukleare Teilhabe ist ein Konzept innerhalb der Abschreckungspolitik der Nato, das Mitgliedstaaten ohne eigene Nuklearwaffen in die Planung des Einsatzes von Nuklearwaffen und in den Einsatz der Waffen selbst durch die Nato einbezieht. In der großen Koalition ist umstritten, ob diese Beteiligung für Deutschland weiter nötig sei.
„Die im Rahmen der Nato seit Langem bestehende nukleare Teilhabe garantiert Deutschland dabei Einfluss. Systeme wie Raketenabwehr und andere Schutzkomponenten lassen den Erwerb von Nuklearwaffen weniger attraktiv werden und sind daher im deutschen Interesse“, heißt es weiter. (Quelle)
Die Stoßrichtung des Papiers ist die eines global agierenden Deutschlands, das seine wirtschaftlichen (und politischen, aber das kommt in dem Papier nur am Rande vor) Interessen mit Waffengewalt vertritt. Klar wird in dem Papier darauf Bezug genommen:
Der Nationale Sicherheitsrat solle sich früh mit Krisen und Herausforderungen befassen und dabei alle wichtigen Ressorts miteinbeziehen, sagte Kauder. „Gerade bei der Bedrohung durch den globalen Terrorismus ist es wichtig, dass wir die traditionellen Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit überwinden. Auch die Energie- und Rohstoffversorgung ist ein wichtiges sicherheitspolitisches Thema. Wie sollen wir reagieren, wenn die Chinesen in Afrika Diktatoren unterstützen, um sich den Zugang zu Rohstoffen zu sichern?“, so der Fraktionschef. (Quelle)
Ja, wie soll man dann reagieren? Man könnte vielleicht die neu gebauten Zerstörer die Küsten bombardieren lassen, mit dem KSK das Regierungsviertel einnehmen und im Verbund mit anderen EU-Staaten das Land besetzen? All das scheint möglich, denn gerade an die 2003 formulierte Europäische Sicherheitsstrategie lehnt sich das Unionspapier deutlich an. Aber das ist noch nicht alles:
Unions-Fraktionschef Volker Kauder will mit der Sicherheitsstrategie auch die Akzeptanz in der Bevölkerung für die Auslandseinsätze der Bundeswehr stärken. „Das sicherheitspolitische Umfeld Deutschlands hat sich in den letzten zehn Jahren dramatisch geändert. Deshalb will die Union in einem breiteren Rahmen erklären, welche Sicherheitspolitischen Interessen Deutschland leiten. Die neue Rolle Deutschlands wird besonders deutlich am Beispiel Afghanistan. Ich weiß genau, dass die Menschen im Land diesen Einsätzen mit Skepsis gegenüberstehen. Aber dieses Engagement fügt sich in ein sicherheitspolitisches Gesamtkonzept ein“, sagte Kauder WELT ONLINE. (Quelle)
Der Rat dient also gleichzeitig auch noch als Propagandainstrument. Hervorragend. Ich denke, die Bürger, die Skepsis gegenüber Auslandseinsätzen haben werden sicher beruhigt wenn sie wissen, dass sich "dieses Engagement in ein sicherheitspolitisches Gesamtkonzept einfügt". Auch, dass gerade die Welt als erste die Meldung publiziert (inzwischen gefolgt von ARD), ist sicherlich kein Zufall. Man hat auch gleich eine Umfrage geschaltet; allein während ich diesen Artikel schreibe, haben sich die Nein-Stimmen von 35% auf 48% (!) vermehrt. Wir dürfen gespannt sein, wie das weitergeht.

Insgesamt sehe ich diese Entwicklung mit großer Sorge. Die CDU schickt sich an, vorbei an allen parlamentarischen Kontrollen und Gegenwichten eine Behörde zu schaffen, die mit gewaltigen Befugnissen in sensible und essentielle Bereiche eingreift. Aus der BND-Affäre (ich spezifiziere gar nicht genauer, derzeit ist der BND eine einzige Affäre) scheint man jedenfalls nichts gelernt zu haben, genauso wenig aus allen anderen Fällen der Geschichte, in denen Staaten glaubten, sie könnten mit der Aufgabe von Freiheit Sicherheit gewinnen. Am Ende verliert man immer beides.

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