Es scheint, als ob die Hegemonie der neoliberalen Lehre allmählich ihr Ende finden würde. Heute ist in FR und FTD eine Serie von Artikeln erschienen, die abgesprochen sein könnten, so gut passen sie aufeinander. Es geht um die abstruse Zinspolitik der EZB, den starken Euro und die Rolle der Gewerkschaften.
Dass die Hochzinspolitik der EZB zur Erreichung des Inflationsziels von unter 2% (was Experten als illusorisch ansehen, tatsächlich ist der Schnitt seit Einführung des Ziels etwa 2,3%) ein Irrweg ist, habe ich hier bereits öfter herausgestellt. Der EZB-Schattenrat diskutiert selbiges inzwischen auch äußerst hitzig. Die Konsequenzen der EZB-Politik, die sich außerdem immer wieder durch Einmischungen in den Politikalltag politische Gestaltungskraft anmaßt (besonders bei Haushaltsfragen) und sich gleichzeitig jede Einmischung der Politik verbittet, sind auch frappant. Der Euro stieg um bislang 40% über dem von der EZB selbst herausgegebenen 1,10$ bis 1,20$, was als "gesund" bezeichnet wurde. Und der Höhenflug wird durch die restriktive Zinspolitik der EZB auch immer weiter befeuert.
Umso unverständlicher ist, dass sich dagegen keine Kritik wehrt. Thomas Fricke zeichnet in der FTD ein deutliches Bild davon, was die Konsequenzen für eine auf Export hin orientierte Wirtschaft (!) sind, die immerhin 3% ihres BIP durch den Handel mit den USA gewinnt. Die gesamten Reallohneinbußen der letzten 25 Jahre sind vollkommen für die Katz, dank der EZB-Politik, denn was die Unternehmen durch Rationalisierung, Verschlankung und Verlagerung sparen, das kostet sie die EZB-Währungspolitik. Umso seltsamer, dass dies niemanden zu kratzen scheint. Als nicht so bedeutsam wird es in öffentlichen Stellungnahmen eingeschätzt, dass sich die deutschen Produkte in der Welt seit Einführung des Euros locker ums anderthalbfache verteuert haben. Ist es Ignoranz oder Arroganz, die solchen Einschätzungen zugrunde liegt? - Ich weiß es nicht. Lucas Zeise weist denn auch zurecht darauf hin, wen die Kosten dieser Inflationsvermeidung um jeden Preis - die zudem auch noch fehlschlug! - am meisten treffen: die kleinen Arbeitnehmer und Rentner. In der EZB sind derweil weiterhin alle Nachrichten von sinkenden Löhnen gute Nachrichten, weil sie die Inflationsrate mindern. Dass die EZB eigentlich auch auf Wirtschaftswachstum festgeschrieben ist, interessiert dabei scheinbar niemanden. Folgerichtig titelt die FR auch: Mehr Inflation wagen!
Gleichzeitig hört bei den Gewerkschaften der Kuschelkurs der letzten Jahre auf, den Schröders falsche Versprechen erwirkt hatten. Es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass in einem immer rücksichtsloseren Kapitalismus mit Zurückhaltung nicht viel zu holen ist - wer einem den kleinen Finger reicht, der bekommt die ganze Hand genommen. Die Gewerkschaften haben sich inzwischen auf die neuen Bedürfnisse eingestellt und haben den Mindestlohn als Instrument und die prekär Beschäftigen als Klientel erkannt. Man darf gespannt sein, welche Ergebnisse Die neuen Kämpfe der Gewerkschaften erbringen.
Dass die Hochzinspolitik der EZB zur Erreichung des Inflationsziels von unter 2% (was Experten als illusorisch ansehen, tatsächlich ist der Schnitt seit Einführung des Ziels etwa 2,3%) ein Irrweg ist, habe ich hier bereits öfter herausgestellt. Der EZB-Schattenrat diskutiert selbiges inzwischen auch äußerst hitzig. Die Konsequenzen der EZB-Politik, die sich außerdem immer wieder durch Einmischungen in den Politikalltag politische Gestaltungskraft anmaßt (besonders bei Haushaltsfragen) und sich gleichzeitig jede Einmischung der Politik verbittet, sind auch frappant. Der Euro stieg um bislang 40% über dem von der EZB selbst herausgegebenen 1,10$ bis 1,20$, was als "gesund" bezeichnet wurde. Und der Höhenflug wird durch die restriktive Zinspolitik der EZB auch immer weiter befeuert.
Umso unverständlicher ist, dass sich dagegen keine Kritik wehrt. Thomas Fricke zeichnet in der FTD ein deutliches Bild davon, was die Konsequenzen für eine auf Export hin orientierte Wirtschaft (!) sind, die immerhin 3% ihres BIP durch den Handel mit den USA gewinnt. Die gesamten Reallohneinbußen der letzten 25 Jahre sind vollkommen für die Katz, dank der EZB-Politik, denn was die Unternehmen durch Rationalisierung, Verschlankung und Verlagerung sparen, das kostet sie die EZB-Währungspolitik. Umso seltsamer, dass dies niemanden zu kratzen scheint. Als nicht so bedeutsam wird es in öffentlichen Stellungnahmen eingeschätzt, dass sich die deutschen Produkte in der Welt seit Einführung des Euros locker ums anderthalbfache verteuert haben. Ist es Ignoranz oder Arroganz, die solchen Einschätzungen zugrunde liegt? - Ich weiß es nicht. Lucas Zeise weist denn auch zurecht darauf hin, wen die Kosten dieser Inflationsvermeidung um jeden Preis - die zudem auch noch fehlschlug! - am meisten treffen: die kleinen Arbeitnehmer und Rentner. In der EZB sind derweil weiterhin alle Nachrichten von sinkenden Löhnen gute Nachrichten, weil sie die Inflationsrate mindern. Dass die EZB eigentlich auch auf Wirtschaftswachstum festgeschrieben ist, interessiert dabei scheinbar niemanden. Folgerichtig titelt die FR auch: Mehr Inflation wagen!
Gleichzeitig hört bei den Gewerkschaften der Kuschelkurs der letzten Jahre auf, den Schröders falsche Versprechen erwirkt hatten. Es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass in einem immer rücksichtsloseren Kapitalismus mit Zurückhaltung nicht viel zu holen ist - wer einem den kleinen Finger reicht, der bekommt die ganze Hand genommen. Die Gewerkschaften haben sich inzwischen auf die neuen Bedürfnisse eingestellt und haben den Mindestlohn als Instrument und die prekär Beschäftigen als Klientel erkannt. Man darf gespannt sein, welche Ergebnisse Die neuen Kämpfe der Gewerkschaften erbringen.
Vor zu großem Optimismus auf ein rasches Ende der hegemonialen Übermacht der neoliberalen Wirtschaftslehre ist aber zu warnen. Dafür ist diese dogmatisch auftretende Ideologie in den letzten gut drei Jahrzehnte einfach zu tief ins Bewußtsein vieler Menschen eingedrungen und sind mit diesem gesellschaftsumgestaltenden Reformkonzept persönliche Vorteile und berufliche Karrieren von nicht wenigen Beteiligten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Medien (allzu) eng damit verbunden.
AntwortenLöschenSchließlich kommt man nicht um die Erkenntnis herum, daß von der Angebotspolitik die Kapitalseite deutlich mehr profitiert als die Arbeitnehmerseite.
Der "Siegeszug der Vernunft" muß sich erst noch gegen die beharrenden, aber machtvollen Kräfte durchsetzen - und das kann noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
Die Herrn Fricke, Zeise und Münchau von der FTD sind generell sehr lesbar. Aber ich betrachte diese eher als die Hofnarren und nicht als das Königshaus.
AntwortenLöschenZusammen mit ein paar anderen Aufrechten wie den Herrn Müller, Jahnke, Bickel, Bosbach, Kreutzer etc. ist gegen Bertelsmann, INSM, Konvent & Co. noch nix gewonnen.
Aber wenigstens kann man sich in seiner Argumentation auf ein paar respektable Persönlichkeiten berufen.
Den Oeffinger Freidenker sollte man in der Aufzählung der Positivbeispiele natürlich nicht vergessen!
AntwortenLöschenDa wir in einer kapitalistischen Gesellschaft leben, hat eben das Kapital das Sagen. Da unsere Gesellschft aber auch demokratisch verfaßt ist (was hart und lange erkämpft werden mußte), besteht immerhin die Chance, etwas an diesem Machtungleichgewicht auf friedlichem Weg zu ändern. Es müssen halt nur genug Leute "mitmachen": zur Wahl gehen und der gewollten Entpolitisierung (=Entmutigung der Menschen) des öffentlichen Lebens entgegentreten. Um dies zu verhindern, wird ja auch ständig von der Alternativlosigkeit der Reformen gesprochen.
Der Neoliberalismus ist eine sehr wohl anzweifelbare Irrlehre zugunsten der Kapitalseite.
Die EZB hat eben von der EU NICHT die Aufgabe der Beeinflussung des Wirtschaftswachstum übertragen bekommen.
AntwortenLöschenZumindest lernt man das so in VWL I ;-)
Außerdem sieht man doch an den Beispielen USA, Japan und GB deutlich, dass Notenbanken, die sich "zu weit" aus dem Fenster lehnen ziemlich schnell auf die Schauze fallen können...
In Japan z.B. ist der Leitzins m.W. seit Jahren bei einem Prozent. Und bringen tut es auch nicht wirklich was...
Was die Bekämpfung der Inflation angeht, habt ihr recht: Da hat die EZB versagt. Ihre Mittel zur Einflussnahme sind aber auch Extrem beschränkt. Und das betrifft sowohl das Wirtschaftswachstum als auch die Inflation.
Btw - Was versprecht ihr euch davon, wenn die EZB in der jetztigen Situation den Leitzins deutlich senken würde oder Milliarden auf den Markt pumpen?
Die heiklen Themen der politisch- ideologischen Art und des gesellschaftspolitischen Einflusses werden von "Heuschrecke" stets geschickt umkurvt.
AntwortenLöschenAber auch für die EZB gilt, daß diese ein kaum demokratisch zu kontrollierendes Eigenleben führt. Natürlich ist sie politisch unabhängig und eine nach rein fachlich-sachlichen Kriterien und Notwendigkeiten operierende Institution. Merkwürdigerweise wird sie seit etwa Mitte der siebziger Jahre (damals noch als Deutsche Bundesbank) nahezu ausschließlich von Herren der angebotspolitischen (monetaristischen) Lehre dominiert.
Ein Schelm, wer sich da Böses denkt!
Nö, ich umkurve sie nicht, ich ignoriere sie nur. So wie du meine Argumentation ;-)
AntwortenLöschenIdeoligie ist nunmal einfach eine Frage der persönlichen Weltanschauung und Überzeugung und die werde ich mit einem Post nicht ändern :-)
Ich verweise einfach mal nur wieder auf die aktuelle Sonntagsfrage.
(btw sehe ich mich nicht als Neoliberaler)
Was die demokratische Kontrolle betrifft:
Ich bin nicht sicher, ob es eine kluge Idee wäre die EZB zum Spielball politischer Interessen zu machen.
Ich habe nichts gegen demokratische Kontrolle, aber ich traue den Politikern einfach nicht mehr über den Weg ;-)
Außerdem haben die (Siehe IKB, SachsenLB, WestLB etc.) ihren Geldpolitischen Sachverstand schon mehr als einmal unter Beweis gestellt.
Was die Zusammensetzung der EZB betrifft kann ich nicht mitreden.
Immerhin ist es eine Erwähnung wert, daß in der Wirtschaftswissenschaft gegenwärtig kaum noch Theorien- und Methodenpluralismus besteht, oder weil`s für manche Ohren vielleicht besser klingt: Wettbewerb.
AntwortenLöschenDieses Faktum hat selbstredend erhebliche Auswirkungen auf die Politik und ihr in wirtschaftlichen Dingen vielfach sachunkundiges und allzu unkritisches Personal.
Übrigens nahm die Immoblienkrise von der kapitalistischen Hochburg USA ihren Ausgang, wo "der Markt" bekanntlich besonders geschätzt wird. Daß sich an den unproduktiven und verlustbringenden Spekulationen auch öffentliche Banken beteiligt haben, ist eine Frage der politischen Kontrolle. Private Banken haben da nicht besser abgeschnitten.
Wo soll die Finanzindustrie mit ihrem anlagesuchenden Finanzkapital auch sonst noch hin? Wäre hier mit Umverteilung von oben nach unten nicht allen Beteiligten irgendwie geholfen?
Hm, also auf der einen Seite die Politik der FED zu unterstützen und auf der anderen Seite die Kreditkrise zu geißeln, finde ich dann doch n bissel schizophren.
AntwortenLöschenDa gibt es einfach einen sachlogischen Zusammenhang.
Ich sage nicht, dass die FED der Verursacher oder Haupttäter der Krise ist, aber zumindest sind sie durch ihre "Wirtschaftankurbeln, bis es kracht-politik" nicht ganz unschuldig...
Ich werde nicht müde dieses Argument zu bringen :-)
Wachstumseuphorie und Verteilungsrealität sind zwei verschiedene Paar Schuhe.
AntwortenLöschenDie wirtschaftliche und soziale Schieflage ist bereits derart stark ausgeprägt, daß simples Wirtschaft ankurbeln nicht mehr ausreicht, um die Wirtschaft wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Das führt eher zu einer Spekulationsblase an den Börsen. Um dies zu verhindern, müßte die übermäßige Verteilungsungleichheit angegangen werden. Damit berühren wir aber eine Machtfrage, an die sich die Politik nicht herantraut.
So bleibt es vorerst beim alten Rezept des Wirtschaftswachstums als "Krisenlöser" mit den genannten negativen Folgen.