Montag, 31. März 2008

Fundstücke 31.03.2008

Die NDS analysieren weitere Hintergründe der Bahnprivatisierung.
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Noch einmal NDS: der Kampf gegen Kurt Beck.
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Le Monde diplomatique erklärt sehr gut die aktuellen Ereignisse um die Subprimekrise.
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in der jW findet sich die Widerlegung des häufigen Vorurteils, die reichsten 10% trügen 50% des Steueraufkommens und unser Steuersystem sei gerecht.
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In der Süddeutschen wird plötzlich ausgemacht, dass Lidl nicht das einzige Unternehmen ist, das seine Mitarbeiter schlecht behandelt.
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In der jW wird für das Recht auf Generalstreik geschrieben.
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Die Fahne im Wind

Auf der Toilette bevorzuge ich leichte Lesekost, weswegen ich mir gerade mal wieder die alten Spiegel-Jahrbücher geschnappt habe. Die meisten Seiten überblättere ich einfach, aber bei dem Artikel zur Köhler-Wahl 2004 (S. 106-108), "Präsident will `Kante zeigen´" von Jürgen Leinemann, kam ich dann aus dem ärgerlichen Kopfschütteln nicht mehr heraus. Hier auszugsweise die Passagen, die mich zu dieser ungesunden körperlichen Reaktion bewegten:
[...]So ist Horst Köhler ein deutscher Patriot geworden, einer, der mit der Vorstellung von sich selbst lebt, "dass ich einen Bezug zu Deutschland habe, der mir etwas gibt, und der mich froh macht". Ein Patriot freilich, für den Weltoffenheit die logische Ergänzung zur Heimatliebe ist. "Nur wer sich selbst achtet, achtet auch andere." Es irritiert ihn, dass es in Deutschland derzeit sowohl an Zuneigung zum eigenen Land mangelt als auch an Neugier auf die Freunde. [Seine Auslandsjahre] haben Horst Köhler gründlich das Staunen gelehrt über den Pessimismus, der heute im eigenen Lande herrscht. Ist er selbst [...] nicht ein Beispiel für die Möglichkeiten des Landes, die Dinge zum Besseren zu wenden, wenn man sie anpackt? Staunend erleben die Bundesbürger, wie dieser eher scheue Unbekannte sich ihnen als ein Spiegel darbietet, in dem sich viele Ältere erkennen können.
Ein solches Ergebnis hätte niemand erwartet, nachdem mit widerlichem parteipolitischen Gezerre die CDU-Chefin den politischen Nobody aus den USA durchboxte, im ihre eigene Machtposition zu festigen. [...] Beide Kandidaten reden klug und klar über sich und über das Land in einer frischen Sprache, die sich wohltuend abhebt von den ausgelutschten Polit-Floskeln der Parteiprofis. [...] Ein politischer Präsident will Köhler sein, tatsächlich redet er bisweilen, als wäre er der Bundeskanzler. Er fordert eine "grundlegende Erneuerung unseres Landes". Uns als gelernter Ökonom erspart er seinen Landsleuten nicht die Feststellung, dass er such Sorgen mache um den Zustand der deutschen Wirtschaft, die Arbeitsplätze und die soziale Sicherheit im Lande.
Ganz ehrlich: ich mache mir sorgen um die Qualität der Journaille in Deutschland, und das nicht erst seit gestern. Ich finde diesen Spiegelartikel symptomatisch für den ganzen Niedergang der journalistischen Kultur, nicht nur bei diesem Blatt. Der ganze Artikel ist nichts als eine einzige Lobhudelei auf Köhler und, in Maßen, auch auf seine damalige Herausforderin Gesine Schwan, die rot-grüne Alibikandidatin. Garniert wird das Ganze boulevardesk mit einigen Szenen aus dem Privatleben der beiden.
Albern auf der einen und geradezu abstoßend auf der anderen Seite finde ich vor allem zwei Dinge:
1) Die offenkundig richtig stupide Charakterisierung Deutschlands, Köhlers und Köhlers Verhältnis zu Deutschland. Zusammen mit Köhler staunt Spiegelautor Jürgen Leinemann über den verbreiteten Pessimismus in Deutschland: wo mag der nur herkommen? Da "erspart man als gelernter Ökonom nicht" an Pessimismus und wundert sich dann, wo er herkommt. Gleiches gilt für die Spiegelredaktion: ein Feuerwerk von Artikeln gegen den Sozialstaat und das "Modell Deutschland", Pessimismus aller Orten und Gabor Steingart. Woher mag das nur kommen?
2) In dem Artikel findet sich eine beständige Niedermachung der Politiker. "Widerliches parteipolitisches Gezerre" findet der Spiegel, beschwert sich über "ausgelutschte Polit-Floskeln" und stellt Prognosen an, wie Horst Köhler mit den Politikern zurechtkommen wird. Das ist nicht nur einfach Unsinn und hetzend, sondern auch inkonsequent. Denn wer wird denn sofort mit einem druckergeschwärzten Aufschrei der Empörung in sechsstelliger Auflage reagieren, wenn ein Politiker einmal NICHT nur unverbindliche Floskeln von sich lässt? Richtig, der Spiegel, und Leinemann wahrscheinlich vornedran. Ein Beispiel ist Kurt Beck: er hat in einem Anfall geistiger Umnachtung nicht nur Floskeln abgelassen, sondern strategische Überlegungen angestellt. Was ist passiert?
Ich veröffentliche diesen Artikel als symptomatisch für den Verfall der deutschen journalistischen Landschaft, und darin ganz besonders des Spiegel. Ich frage mich, wo das enden soll.

Sonntag, 30. März 2008

Herzstillstand in der Bahn-Verkaufsstelle

Vorgestern war mein Leben ernsthaft bedroht. Nichts ahnend bin ich in Tübingen an den Verkaufsschalter der DB getreten, um mein Semesterticket zu kaufen. Als ich im WS05/06 in Tübingen angefangen habe, hat es 38€ gekostet. Im letzten Semester, dem WS07/08, verlangte man 41,50€. Jedes Semester, mit einer Ausnahme, wurde es teurer. Ich erwartete also einen Preis von 42,50€ bis 43€. Ich dachte, ich höre nicht recht, als die Dame auf der anderen Seite des Schalters 47,50€ berechnete. Eine Preissteigerung um 5€! Das bedeutet, dass in den drei Jahren meines Studiums das Ticket sich um fast 10€ verteuert hat, was einer Erhöhung von rund 26,3% entspricht (wenn ich mich nicht wieder verrechnet habe). Das ist über ein Viertel!
Die Inflation stieg im gleichen Zeitraum um kaum drei Prozent. Was hat die Bahn sonst geleistet, dass einen solch exorbitanten Preisanstieg rechtfertigen würde? Mal überlegen. Ach ja, Mehdorn möchte in den USA investieren und für seinen persönlichen Profit das Bahnvermögen für rund 10% seines Wertes verschleudern. Er lässt eine Strecke nach der anderen stilllegen. Der Bus zwischen Tübingen und Leinfelden verkehrt immer noch bis spätestens halb zwölf Uhr nachts, ohne Nachtbusse selbst an den Wochenenden. Er weigerte sich, die Lokführer angemessen zu bezahlen, weswegen diese streiken mussten.
Allesamt wirklich reife Leistungen von Mehdorn, die eine Preissteigerung von über einem Viertel in drei Jahren natürlich rechtfertigen, ganz speziell den letzten Halbjahressprung (!) von rund 13%.

Fundstücke 30.03.2008

Heute hauptsächlich wieder Fundstücke:

In den NDS wird das Problem der Erhaltung der Wasserversorgung in kommunaler Hand thematisiert.
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Die Blätter für deutsche und internationale Politik beschäftigen sich mit den aktuellen Problemen der SPD; das gleiche tut Reader's Edition. Der Focus zeigt sich bemerkenswert aufklärerisch und schreibt über die Rolle, die forsa-Chef Güllner derzeit spielt.
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In der taz meldet sich Julian Nida-Rümelein zu Wort und spricht mit einleuchtenden Argumenten gegen Bachelor und Master in ihrer derzeitigen Form.
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Im SpOn finden sich Auszüge aus Julia Friedrichs "Gestatten: Elite". Das jagt einem einen Schauer über den Rücken.
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Donnerstag, 27. März 2008

Gedanken zum Schulsystem, Lehrer betreffend - Nachtrag

Ich habe auf meinen Beitrag "Gedanken zum Schulsystem, Lehrer betreffend" eine Leserzuschrift erhalten, die ich euch nicht vorenthalten möchte:

Hallo Oeffinger Freidenker,

erstmal: Ich finde Ihren Blog super!

Da Sie ab und zu etwas zur Bildungspolitik schreiben, hier ein paar Anmerkungen zu Ihrem post vom 22.03.08 „Gedanken zum Schulsystem, Lehrer betreffend“. Ich hatte keine Lust und Zeit, sie als Kommentar zu veröffentlichen. Wie man an den letzten der 6 Kommentare sieht, driftet das Ganze schnell sonst wo hin.

Ich bin angestellter Lehrer für Naturwissenschaften (seit 11 Jahren an einer nicht ins Katastrophenbild passenden, weil (noch) sehr gut funktionierenden Hauptschule, vorher arbeitete ich an Realschule + Gesamtschule) und habe einige Jahre als Chemiker in einem Labor für Umweltanalytik gearbeitet.

Meine Meinung: Die Studie von Herrn Rauin, die ich für methodisch fragwürdig halte und von ihm selbst bereits relativiert wurde (s.u.), lenkt von den eigentlichen Missständen in den Schulen und da vor allem von den Versäumnissen (u.a. finanziellen) der Regierenden ab (ich meine hier alles was man als katastrophales Kaputtsparen im Sozial- und Bildungsbereich bezeichnen kann). Ein paar Hundert befragte Lehrer (viel mehr sind am Ende der Studie nicht mehr da gewesen!) mit nur 4-jähriger Berufserfahrung sollen Aussagen zu einem völlig heterogenen Berufsstand untermauern?? Was bleibt hängen von dieser Studie, die gerne von der konservativen Presse und der taz durch Christian Füller (für mich der Oswald Metzger der TAZ) verbreitet wurde? Das Bildungssystem ist ok, die Lehrer sind zu blöd? Feiner ausgedrückt, gleicher Inhalt, haben dies vor einiger Zeit die Wirtschaftsweisen von McKinsey in einer Studie, veröffentlicht zu erst in der WELT, in der Singapur, in dem man lt. Amnesty international auch schon mal wegen Haschischbesitzes hingerichtet werden kann, als Musterländle für ein gegliedertes Schulsystem angepriesen wurde.

Ein paar Details noch:

Burnout nach 4 Jahren? Bei den Arbeitsbedingungen eigentlich kein Wunder, dennoch: Allgemeine Aussagen über Burnout auf dieser dünnen Grundlage zu machen, halte ich für unseriös. Rauin, typisch Pädagogikprofessor, weiß offensichtlich nicht, was bei Lehrern sonst noch zu Burn-out führt außer einem schlappen Abitur vielleicht. Infos und Studien dazu gibt’s unzählige. Die Schaarschmidt-Studie z.B.

Insbesondere der Anteil der engagiert arbeitenden Lehrern, aber auch der bereits resignierenden ab 30 steigt deutlich an, da hat Rauins Studie schon längst nicht mehr nachgefragt.

Ich halte Rauins Gerede auch deshalb für aussageschwach, weil er keine Querschnittstudie zu anderen Berufen vorlegen kann (zB zu zockenden BWL’ern), insbesondere aber anderer burnoutbedrohter Berufsgruppen (Ärzte, Sozialberufler, Manager, etc).

Übrigens arbeiten in unserem etwa 50-köpfigen Kollegium Lehrer mit den unterschiedlichsten Ausbildungsgängen: Vom Sek-II-Lehrer bis zu ausgesprochen Haupt- oder Realschullehrern nach älteren Ausbildungsmodellen sowie SEK-I-Lehrer, die an allen Schulen der SEK-I unterrichten können. Allein diese Vielzahl an Ausbildungsschwerpunkten machen die Plattheit von Rauins Aussagen deutlich.

Die Dümmsten, die Faulsten werden Lehrer? Neulich (im Januar) gab der Kölner Pädagogik-Professor G. Schäfer im konservativen Kölner Stadt-Anzeiger im Rahmen einer allgemeinen Lehrer- und Hauptschülerschelte bekannt, dass er sich die Haare raufe angesichts der Dummheit seiner Studenten im Examen (!). Tja, wenn ich bei den Zentralen Abschlussprüfungen erst merke, wie es um meine Schüler steht, hab ich doch was verpennt, oder? Ich hab Rauins Studie nur in seiner eigenen Zusammenfassung gelesen. Kein Wort dort über eine detaillierte Aufschlüsselung nach Fächern. Ich halte das für notwendig, wenn solche pauschal diffamierenden Äußerungen einen Hauch von Sachgehalt haben sollen. Während meines Chemie- und Biologiestudiums in Köln liefen etliche Veranstaltungen mit den Diplomern gemeinsam. Das Niveau war anspruchsvoll und da, wo es für den Lehreralltag wirklich keinen Sinn mehr machte, reduziert. Ich wollte schließlich nicht Chemiker werden, sondern Chemielehrer (meine Kenntnisse reichten dennoch für eine leitende Stellung im LaborJ)

Es mag sein, dass die Beamten billiger für den Staat sind als Angestellte, dafür verdienen sie einige Hundert Euro weniger als ihre verbeamteten Kollegen. Das Streikrecht steht eher auf dem Papier. Die heilige Kuh „Vermeidung von Unterrichtsausfall“ (dabei arbeiten wir ohnehin mehr als die meisten OECD-Kollegen) verhindert sowieso die Ausübung solcher demokratischer Mittel. Beamtentum, Angestelltenrecht und Schulrecht sind so miteinander verzahnt, dass Widerspruch oder Aufbegehren in einem ziemlich klebrigen Rechtssumpf stecken bleiben.

Mich wundert, was Sie über die Lehrerausbildung und deren mangelnden Praxisbezug in BW schreiben. In NRW sieht das so aus, dass nach einem i.d.R. 8-semestrigen Studium, das bereits einige Schulpraktika enthält, sich das 2-jährige Referendariat anschließt, in dem man (zu meiner Zeit Anfang der 90er) insgesamt 24-Mal eine benotete Lehrprobe abliefern musste. Über mangelnden Stress konnte man sich eigentlich nicht beklagen. Für die Rauin’s und Füller’s genug Zeit zum Ausselektieren. Ein paar von uns sind damals tatsächlich abgesprungen. Ausgerechnet Schwarz-Gelb, die in NRW 2005 mit hochgekrempelten Ärmeln und „Schluss mit der Rot-grünen-Weichei-Mentalität“-Parolen angetreten sind, hat die Prüfungsordnung für Lehreramtsanwärter entschärft, ohne jedoch die wirklich notwendigen Reformen auch nur ansatzweise anzupacken.

Zum Schluss noch dies:

Es liegt etliches im Argen in unserem Bildungssystem. Ich möchte auch die Lehrer aus dieser Kritik nicht herausnehmen. Aber so eine populistische, auf dünnem Eis gezimmerte Studie hat mit differenzierter Kritik sowenig zu tun wie ein Bild-Artikel mit seriöser Recherche.

Das hier übrigens hat Herr Rauin 2004 noch in der Fachzeitschrift Pädagogische Korrespondenz (Heft 32, 2004, S. 39 – 49) geschrieben:

„Aber die massive Überschätzung vorläufiger Befunde oder die Häufigkeit waghalsiger Schlussfolgerungen aus den Daten empirischer Forschung, die durch die methodische Unbefangenheit mancher Produzenten und vieler Nutzer empirischer Studien verursacht wird, fordern zu einer kritischen Betrachtung heraus.“

Doch dann übernahm er 2006 seine jetzige Professur und (Motto: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?) musste sich halt mal profilieren. Diese Art von Lehrerschelte ist übrigens momentan unter Pädagogik-Profs ziemlich in.

Hier hat er sie teilweise schon selbst relativiert.

Eine gute Kritik dieser Studie gibt es hier zu lesen.

Quelle des Rauin-Zitats

Fundstücke 27.3.2008

Beim Deutschlandfunk sägt ein CDU-Funktionär kritische Redakteure mit dubiosen Methoden ab.
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Die Globalisierung stößt bei CDU-Wählern auf immer weniger Gegenliebe.
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BILD-Redakteure nutzen inzwischen StudiVZ als Fundgrube für Daten und Bilder.
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Beim KSK hat ein Offizier einem kritischen Kameraden einen Drohbrief mit NS-Vokabular geschickt.
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Die jW berichtet über den "Milliardenmarkt Nachhilfe".
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Das Handelsblatt analysiert Gewinner und Verlierer der Subprime-Krise.
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In der SPD-Richtungsdiskussion versucht nun, ausgerechnet Naumann sich zu profilieren: in einem Artikel in der Zeit. Der versucht, u.a. mit der Forderung nach einer Urwahl des Kanzlerkandidaten, die SPD zu demontieren.
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Rot-rot-grün (was in den Medien fälschlich immer als rot-grün verkürzt wird) wollen in Hessen mit guten Erfolgsaussichten die Studiengebühren kippen.
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In Wuppertal opponiert die Staatsanwaltschaft gezielt die Conent-Mafia.
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DDR: Jetzt noch grausiger!

Die BILD deckt im Verbund mit der Super-Illu auf: die DDR war noch blutiger! An der Grenze zwischen DDR und Bulgarien wurden über 100 Menschen getötet, und die DDR hatte ein Kopfgeld auf Flüchtlinge ausgesetzt. 100 weitere Tote! Das ist besonders beachtlich, wenn man sich noch einmal durchliest, wo das genau passiert sein soll.

Mittwoch, 26. März 2008

Fundstücke 26.3.2008

Lidl spioniert systematisch seine Mitarbeiter aus.
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Zwei Artikel gegen Metzger - aus der Welt und aus der Zeit!
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Sehr interessante FTD-Kolumne zum Thema Finanzkrise und Rettungsversuche durch Staat und EZB.
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Gleiches Thema in der SZ im Flassbeck-Interview.
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Dienstag, 25. März 2008

Subprime-Krise leicht erklärt

Oswald Metzger tritt zur CDU über

Nun ist es amtlich: der letztlich bei den Grünen ausgetretene Oswald Metzger ist zur CDU übergetreten. Da die Grünen ihm "zu links" wurden, wollte er ihre Sozialpolitik nicht mehr mittragen. Er hatte sich nur zwischen FDP und CDU zu entscheiden. Dass er zur CDU ging, zeigt für mich seinen eher opportunistischen Charakter, denn dort dürfte er schlicht mehr Karrierechancen gesehen haben als bei der zu ihm eigentlich wesentlich besser passenden FDP. Konsequenterweise will er als Direktkandidat für die CDU 2009 antreten; da er im baden-württembergischen Landtag sitzt, dürfte er dank der Kartoffelsackregelung auch gute Chancen haben.
Aber die Grünen zahlen es ihm heim und gehen ohne Koalitionsaussage in den nächsten Wahlkampf.

Montag, 24. März 2008

Fundstücke 24.03.2008

Michael Schöfer hat eine brillante Kurzanalyse der derzeitigen Finanzkrise geschrieben. Lesebefehl!
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Interessantes taz-Interview zum Thema US-Rezessionsgefahr.
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Erwin Huber, der gnadenlose Populist?

Erwin Huber hat, den bayrischen Landtagswahlkampf fest im Blick, Entlastungen des Mittelstands gefordert - indem die Pendlerpauschale ab dem 1. Kilometer wieder eingeführt wird. Besonders in der SPD schreien die üblichen Stimmen, "gnadenloser" Populismus wirft man dem armen Huber vor (und der kann einem echt leidtun, so ungeeignet für den Posten und doch so hoch aufgestiegen) und "unerträglich" sei er auch; natürlich handelt Huber auch "verantwortungslos", dieses Wort darf nie vergessen werden. Steinbrück mahnt mit sauertöpfischer Miene, nie das Keine-Schulden-mehr-ab-2011-Ziel aus den Augen zu verlieren.
So weit nichts Neues, witzig ist vielmehr, dass die CSU zwar von Grünen, CDU und SPD beschimpft wird, die FDP und die Linke sich aber hinter die Forderungen stellen. Bei der Linken ist das klar, die fahren die Strategie schon seit sie im Bundestag sitzen, aber die FDP ist einfach nur arm: die sonstige "Oh mein Gott, schafft die bösen Subventionen ab"-Partei fordert hier die Entlastung ihrer eigenen Klientel, damit der Aufschwung "endlich beim Mittelstand ankommt". Tat er das nicht angeblich längst? Und sind staatliche Subventionen nicht eigentlich des Teufels? Wohl nicht, wenn es dem eigenen Wahlergebnis dient.

Samstag, 22. März 2008

Gedanken zum Schulsystem, Lehrer betreffend

Im SpiegelOnline ist ein Interview mit dem Schul- und Unterrichtsforscher Udo Rauin erschienen. In diesem stellt er einige Mängel der deutschen Lehrerbildung zutreffend fest - kaum vernünftige Selektion nach Eignung, immer noch zu wenig Praxisbezug, falsche Berufsinformation -, stellt aber auch einige Thesen auf, denen ich so nicht ganz zustimmen kann, vor allem, was den Beamtenstatus der Lehrer betrifft.
Rauin fordert die Abschaffung des Beamtenstatus und, effektiv, befristete Verträge statt langfristiger Anstellung. Das fördere dann, zusammen mit der Einführung von Evaluationen, die Leistung und Leistungsbereitschaft der Lehrer und führe zu besseren Ergebnissen. Dem möchte ich widersprechen, aber nicht, ohne zuerst auf seine anderen Punkte einzugehen.
Richtig merkt Rauin an, dass die Perspektiven des Lehrerberufs und das wirkliche Anforderungsprofil kaum klar sind. In Baden-Württemberg ist das durch die Praktika etwas besser geworden (die selbst aber katastrophal organisiert sind). Allerdings führt es dazu, dass zwar die angehenden Lehrer ihre Inkompetenz vielleicht erkennen, dann aber verdrängen - denn für einen Richtungswechsel ist es ohnehin bereits zu spät. Daran wird allerdings das Umstellen auf Bachelor- und Mastersystem wenig ändern, auch wenn sich Rauin hier optimistisch gibt. Dieser Problem wird sich eher verschlimmern, weil die Kosten und der Druck des Studiums und seines "effizienten" Abschließens steigen.
Rauin sagt außerdem aus, dass - abgesehen von den Geisteswissenschaften - eher die Leute mit dem schlechten NC in die Lehrerberufe gingen. Nicht nur, dass der NC ein äußerst schlechtes Mittel ist, um die Kompetenz einer Person festzustellen (ein NC von 1,0 macht zumindest mich einfach nur misstrauisch, weil er eher für Konformität als Brillanz steht), die Geisteswissenschaften bieten auch weniger andere Perspektiven als den Lehrerberuf. Ansonsten mag das mit dem NC durchaus sein; vielleicht auch, weil höhere NCs wegen der oben beschriebenen Konformität meist eher in karriereorientierte Berufe gehen.
Kommen wir nun aber zu der Frage des Beamtenstatus. Rauin hat sicher Recht, wenn er darauf abhebt dass die Komfortabilität des Beamtenstatus auch Bewerber anzieht, die ansonsten mit dem Lehrerberuf wenig am Hut haben. Ich sage in diesem Zusammenhang aber gerne, dass sicherlich viele Manager auch nicht aus Spaß am Managen den Beruf ergreifen, sondern wegen des hohen Gehalts, ohne dass jemand auf die Idee kommen würde das hohe Gehalt abzuschaffen. Rauin beschwert sich, dass nur die Schlechten den Lehrerberuf ergreifen würden; gleichzeitig soll er seiner Meinung nach aber noch mieser bezahlt werden als heute und zudem das wirklich einzige, dass er karrieretechnisch auf der Habenseite hat abgeschafft werden. Auf die Art zieht man sicherlich keine kompetenten Bewerber an.
Dazu kommt, dass der Beamtenstatus für den Staat einige deutliche Vorteile parat hält: zwar kann der Beamte nicht gekündigt werden, gleichzeitig aber ist er billiger als ein Angestellter, da er gegen Lohnkürzungen oder schmale Lohnzuwächse nicht protestieren kann - der Streik ist ihm verbaut. Außerdem sind Beamte im Gegensatz zu Angestellten an gewisse staatsloyale Verpflichtungen gebunden.
Für eine Rieseneselei halte ich dagegen die Idee, dass Lehrer in unsichere, befristete, möglicherweise sogar Teilzeitarbeitsverhältnisse überführt werden sollten. Denn der Beamtenstatus sichert der Schule eine Planungssicherheit. Ein Lehrer, der im einen Jahr an der einen und im nächsten an der anderen Schule ist, kann keinen stringenten und den Anforderungen der eben erst verabschiedeten (!) Bildungspläne entsprechenden Unterricht durchführen.

Letztlich also zeigt sich, dass das derzeitige System sicherlich nicht frei von Fehl und Tadel ist. Für den Beamtenstatus des Lehrers sehe ich derzeit keine gangbare Alternative. Dringend nötig, das erkennt auch Rauin, ist allerdings eine Neustrukturierung der Lehrerausbildung. Ich persönlich wäre für ein Modell ähnlich der BAs, so dass bezahlte (!) Praxisphasen die theoretische Ausbildung ablösten. So könnten sich die Unis unbelastet von ständig neuen bescheuerten "praxisorientierten" Ideen wieder auf ihre Kernkompetenz konzentrieren, während gleichzeitig ein entsprechender zweiter Zweig der Lehrerausbildung dezidiert auf die Praxis festgelegt wird, mit entsprechenden Möglichkeiten der Leistungskontrolle und damit dem Aussieben ungeeigneter Kandidaten. Gleichzeitig dürfte es von Vorteil sein, Rauins Vorschlag aufzunehmen und dem Staatsexamen (bzw. dem nun nachrückenden Master of Education) eine zweite qualifizierende Abschlussfunktion zuzugestehen, damit die Lehrerausbildung keine solche Einbahnstraße ist.

PIN oder Wie viel Schmutz verträgt eine Firma eigentlich?

Vielleicht erinnert sich zur Postmindestlohndebatte vom letzten Jahr noch jemand an die Anti-Mindestlohn-Proteste der PIN-Beschäftigten? Es ist bislang allen Medien mit Ausnahme der BILD bekannt, dass die Proteste erzwungen waren. Die Geschehnisse dahinter sind bislang aber weniger ans Licht der Öffentlichkeit gelangt.
Hinter den PIN-Beschäftigten steht die Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste (GNBZ), die eine Schattengewerkschaft darstellt. Deren Tarifabschlüsse von unter fünf Euro (!) dienen derzeit als juristischer Hebel gegen den Postmindestlohn nach Branchenentsendegesetz. Nun ist es nicht nur mehr oder minder illegal, eine Gewerkschaft als verlängerter Arm der Arbeitgeber zu gründen - was schwer zu beweisen ist -, sondern auch, den dafür eingestellten Gewerkschaftschef mit 130.000 Euro zu bestechen. Und das lässt sich deutlich leichter beweisen. Möglicherweise sorgt das für einen Dammbruch gegen die Mindestlohngegner; zu wünschen wäre es.

Fundstücke 22.03.2008

Ein Kabarettist macht sich über Roland Koch lustig.
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Telepolis analyisert die plötzliche Einigkeit von Ackermann, Lafontaine und attac und kommt zu interessanten Erkenntnissen.
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Telepolis analysiert außerdem das derzeitige, neoliberal geprägte 68er-Bashing.
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Die Londoner spielen völlig verrückt: anstatt Jugendliche einfach wegzusperren, wie man das im aufgeklärten Hessen macht, geben die Geld für Bildung aus! Solche Spinner.
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Im hessischen Rundfunk hat der Chef (Koch-Bewunderer) Ergebnisse einer Umfrage zurückgehalten, die für Koch schlecht ausgefallen war - direkt vor der Wahl.
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Wie man linker Straftäter wird

Unter dieser Überschrift berichtet die FR über einige Nachwehen der hessischen Studiengebührenproteste 2006. Damals hatten Studenten unter anderem die A66 blockiert; etwa 250 Studenten wurden damals verhaftet und bald darauf wieder freigelassen; die Strafanzeigen verliefen größtenteils im Sande.
Alle 250 befinden sich aber für die nächsten zehn Jahre in den Dateien von Interpol - bis vor kurzem mit den Einschätzungen der hessischen Polizei als "gewalttätig" und "Straftäter linksmotiviert". Nach massiven Protesten sind die diskriminierenden Zusätze inzwischen weg; in der Interpol-Datei bleiben die Studenten aber für die nächsten zehn Jahre - wegen der Gefahr terroristischer Anschläge! Sollten sich aus irgendwelchen Gründen, über die die Polizei ohne Kontrolle und willkürlich entscheiden kann, weitere "Verdachtsmomente" (möglicherweise sogar ähnlich "fundiert" wie der Anfangsverdacht) ergeben, kann sich die Verweildauer in der Datei auch einfach ins Unbestimmte ausweiten.
Wieder einmal haben wir damit ein hervorragendes Beispiel, warum dem staatlichen Datensammelwahn so dringend ein Riegel vorgeschoben werden und die Kompetenzen der Exekutive dringend wieder beschnitten werden müssen.

Freitag, 21. März 2008

Fundstücke 21.03.2008

Zum Thema Ackermann, Verstaatlichung der Banken und dem üblichen "Gewinne privatisieren, Verluste kommerzialisieren" zwei Links:
Link 1
Link 2
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Hans-Werner Sinn lügt wieder für sein Schmiergeld bei der BILD; Link 1 und Link 2 zum Thema.
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Im WDR5 gibt es eine äußerst interessante Analysesendung zum Thema Agenda2010.
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Donnerstag, 20. März 2008

Untrüglicher Sachverstand

Merkel hat gerade in Einklang mit ihrem verlängerten Arm im Kabinett, Peer Steinbrück (leider immer noch SPD) verkündet, dass der Sparkurs der Bundesregierung eingehalten werde. Die Dame pocht, wie die FR es so schön ausdrückt, auf Haushaltsdisziplin. Mehrausgabenwünsche der Ministerien von insgesamt rund 40 Milliarden Euro wurden von Steinbrück rundheraus abgelehnt. Am Sparkurs darf nicht gerüttelt werden.
Das wäre ja alles in Ordnung, befände man sich derzeit in einer Phase der Konjunktur, mit steigenden Steuereinnahmen und wachsender Wirtschaft. Ist man aber nicht. Stattdessen wetterleuchtet eine globale Rezension am Horizont, fordern Marktradikale wie "Joe" Ackermann und der Spiegel stärkere Regulierungen am Finanzsektor, in dem im Augenblick mangels Vertrauen (zurecht) gar nicht mehr läuft. Und weil Vergleiche mit 1929 gerade so groß in Mode kommen: der damalige Zentrums-Kanzler Brüning (das Zentrum war bekanntlich eine Art Vorläuferpartei der CDU) hatte eine ähnliche Wirtschaftspolitik gefahren. Er sparte und sparte, kürzte an allen Ecken und Enden. Wie durch Magie muss es ihm und seinen Wirtschaftsfachleuten erschienen sein, dass die Staatsschulden trotzdem stiegen und die Arbeitslosenzahlen stiegen, dass die Wirtschaft stagnierte und die Situation, um es flapsig zu sagen, rundherum beschissen war.
Natürlich hinkt der Vergleich, denn Brüning war sich über die Auswirkungen seines Kurses im Klaren, beabsichtigte die katastrophalen Wirkungen, um den Alliierten die Zahlungsunfähigkeit Deutschlands vorzuführen und den Boden für den Sturz der Republik zu ebnen (was dann auch, anders als intendiert natürlich, auch gelang). Das kann man von Steinbrück und Merkel nicht gerade behaupten, denn soviel strategischen Verstand spreche ich den beiden rundherum ab.
Letztlich bleibt Fakt: Sparen in einer Flaute funktioniert nicht. Das hat Hans Eichel eigentlich hinreichend bewiesen; warum Peer Steinbrück (der aus irgendeinem Grund beständig für kompetent gehalten wird) das jetzt noch einmal belegen zu müssen glaubt, entzieht sich meinem Verständnis.

Früh übt sich, was selektieren will

Das von CDU-Frontfrau von der Leyen geführte Familienministerium, quasi DAS Aushängeschild für die Zukunftsgewandtheit und Modernität der CDU, hat einen neuen Plan lanciert, über den im Stern berichtet wird: da man sich ein vergleichsweise ambitioniertes Ziel beim Ausbau der Kinderbetreuung gesetzt hat (schließlich sollen auch die Frauen malochen dürfen), muss man bekanntlich Kitas fördern. Aber mit dem bestehenden gemeinnützig arbeitenden öffentlichen Angebot sei das "nicht zu schaffen". Deswegen müssten die Fördergelder auch an private Kitas, die auf Gewinnbasis operieren.
Wir müssen uns das kurz auf der Zunge zergehen lassen: staatliche Fördergelder für einen Ausbau der Kinderbetreuung, die ja per se eine soziale Maßnahme ist, sollen an Einrichtungen gehen, die von den Beiträgen der Eltern Gewinn abwerfen. Wozu das führt, exerzieren derzeit die Universitäten im Bologna-Prozess vor: die Kinder begüterter Eltern kommen auf exklusive, private Einrichtungen, während sie gut von den Sprösslingen der Unterschicht oder, Gott bewahre, Migranten abgeschirmt werden. Nicht erst in der vierten Klasse wird damit künftig das Schicksal der Kinder festgeschrieben, nein, man fängt gleich im Kindergarten damit an.
Es würde mich nicht großartig wundern, wenn das Konzept für diese Maßnahme Frau von der Leyen direkt von der Bertelsmann-Stiftung in die Unterlagen diktiert wurde, denn genau danach hört es sich an. Der Krake Bertelsmann streckt derzeit seine Arme nicht nur tief in das Universitätswesen und zerstört dort die Freiheit von Wissenschaft und Bildung, sondern auch in das Schulwesen und in die Kindergärten hinein. Die Elite von morgen soll ausgebildet werden, da versteht es sich gewissermaßen von selbst, dass dazu auch private, vom Staat geförderte und in Wettbewerb stehende Träger gehören. Was das für die Bevölkerung als solche bedeutet, interessiert bei Bertelsmann natürlich niemanden. Und im Familienministerium erst Recht nicht.

Mittwoch, 19. März 2008

Die Welt für Privatsphäre?

In der rechtskonservativen Tageszeitung "Die Welt" ist ein flammendes Plädoyer für die Privatsphäre und den Schutz derselben durch die misstrauischen Bürger vor der allgegenwärtigen Krake Staat erschienen. Das überrascht vielleicht, bejubelt doch die Welt sonst alle Überwachungsmaßnahmen und -verschärfungen gegen die "islamistische Bedrohung". Aber keine Bange, es geht auch nicht um Onlinedurchsuchung und Vorratsdatenspeicherung.
Vielmehr wirft sich die Welt voll für die Steuerhinterzieher dieser Welt ins Zeug: es sein ein heiliges Recht der Bürger, den Staat zu hintergehen, und die Privatsphäre, das Vermögen betreffend, müsse unbedingt geschützt werden. In fast unerträglicher Weise (ich wollte dieses Adjektiv auch mal benutzen) wird in dem Artikel Lobhudelei für die in dieser Hinsicht erstklassigen Gesetze der Schweiz und deren Schutz von Verbrechern betrieben. Es ist so ekelhaft, das müsst ihr euch einfach antun.
Völlig unvorstellbar, dass das berechtigte Misstrauen des Bürgers in den Staat etwa bei einem G8-Gipfel ein ähnlich flammendes Plädoyer erhielte wie die Steuerhinterziehung. Da wäre es allerdings nötiger.

Niedergang des Hochschulwesens, heute: Baden-Württemberg

Wie SpiegelOnline berichtet, hat SAP-Gründer Hector der Karlsruher Uni (Jahresetat: 180 Millionen) eine "Rekordspende" von 200 Millionen Euro vermacht. Die Überschrift ist grob irreführend; in Wahrheit werden aus einer als gemeinnützig deklarierten Stiftung jährlich 5 Millionen ausgelöst. Doch das ist nicht alles. Denn das Geld des SAP-Gründers soll neuartigen Zwecken dienen, was private Spenden anbelangt: der Anstellung von Professoren. Da Karlsruhe das zweifelhafte Prädikat "Elite" verliehen bekommen hat, brauche es auch elitäre Hochschullehrer. Deren Gehälter seien aber oftmals nicht angemessen, so der Artikel. Kein Wunder also, dass die Hochschullehrer...nun ja, also...irgendwo...irgendwie...bestimmt irgendwas anderes machen.
Deshalb soll es nun in BW möglich werden, dass die Professoren-Gehälter zum Kombilohn werden: einen Teil gibt der Staat, einen anderen die Wirtschaft. Auf die Art sollen die Profs dann besser verdienen und von dem Ort, an dem sie gerade wohl jammernd über die niedrigen Staatsgehälter im Keller sitzen, an die Unis gelockt werden. Pardon, die Elitehochschullehrer sollen an Eliteunis wie Karlsruhe gelockt werden und da die Elite von morgen ausbilden.
Dass das alles reichlicher Bullshit ist, versteht sich von selbst, blickt man erst einmal hinter die Kulissen. Was Hector sich da "in dunklem Dreiteiler und vor der Brust baumelnder Lesebrille" mit seinen fünf Millionen jährlich erkauft, amortisiert sich wahrscheinlich ohnehin durch die Zinsen seiner "gemeinnützigen" Stiftung und dem Rest seines Zwei-Milliarden-Vermögens. Was er bekommt, ist nicht weniger als entscheidender Einfluss auf die Personalpolitik der Karlsruher Uni. Im Text versteckt findet sich der Halbsatz, "über die Vergabe entscheidet ein Kuratorium mit Vertretern aus Wirtschaft und Universität." Die Hochschulräte lassen grüßen.
Was aber bedeutet das nun? Zum Einen muss eingeengt werden: das ganze Elitengerede bezieht sich fast ausschließlich auf betriebswirtschaftlich relevante Studiengänge wie BWL, Jura u.ä. Volkswirtschaftlich und kulturell wichtige Studienrichtungen wie die Geisteswissenschaften fallen vollständig aus dem Rahmen, auch manche Naturwissenschaften dürften eher ein armseliges Dasein fristen. Dass die entsprechenden Professoren nun von privaten Geldern direkt bezahlt werden dürfen ist insofern ein Vorteil, als dass man erkennen kann, wer sie gekauft hat und nicht erst die Liste der Vorstände durchgehen muss, in denen sie Mitglied sind - Bernd Raffelhüschen lässt grüßen. Gleichzeitig wird es mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass der Staat sich aus diesem Segment weiter zurückgeht und einem nicht näher definierten Wettbewerb das Feld überlässt, was für einen Großteil der Fakultäten und Professoren eher mit Nachteilen verbunden sein dürfte; von einer Freiheit von Forschung und Lehre jedenfalls kann keine Rede mehr sein.
Denn wenn Hector und seine Spießgesellen fortan diejenigen sind, die über die Vergabe von Professorenstellen entscheiden, dann werden sie weniger nach fachlicher Eignung als vielmehr nach genehmer Geisteshaltung gehen - ein Vorgang, wie man ihn bereits durch die Hochschulräte beobachten durfte. Denn dass ausgerechnet ein Softwareschmied in Rente der geeignete Mensch ist, um die Qualifikation von Professoren zu bestimmen, daran kann man nur im baden-württembergischen Wissenschaftsministerium glauben.

Vier Buchstaben

Tiefensee: Unser Fahrplan steht nach wie vor. Wir wollen möglichst noch in diesem Jahr Aktien emittieren.

SZ: Widerstände gibt es ja offenbar vor allem in der SPD.

Tiefensee: Das ist falsch. Die unterschiedlichen Meinungen innerhalb der CDU sind nur nicht ganz so öffentlich. In der Union gibt es starke Stimmen, die die Bahn zerschlagen wollen. Das geht mit der SPD nicht. Wir wollen die Bahn teilweise an die Börse bringen, aber nicht auseinanderreißen. (Quelle)

Was für ein wirklich widerlicher Schleimbrocken kann man eigentlich sein? Das Votum des SPD-Parteitags war in vier Buchstaben wirklich nicht zu kompliziert gefasst, selbst für jemanden wie Wolfgang Tiefensee und den Rest seiner Junta. Mit jedem Tag, mit jedem neuen Tiefpunktergebnis wird die Bande frecher. Die Basis schweigt, und auf die Idee, tatsächlich genauer an diesem offensichtlichen Missverhältnis nachzuhaken kommt die SZ-Wirtschaftsredaktion auch nicht. Ich mach die Welt, wie sie mir gefällt, und die Medien machen eifrig mit.


Dienstag, 18. März 2008

Der Ruf nach dem starken Staat [Update]

Jahrzehntelang haben die Neoliberalen in das gleiche Horn geblasen: der Staat muss Deregulieren, privatisieren und sich aus der Wirtschaft zurückziehen, da der Markt bekanntlich alles selbst besser regelt. Nun fordert ausgerechnet Ackermann (!) ein Eingreifen des Staates in der Hypothekenkrise: der Staat soll die faulen Kredite aufkaufen. Es brauche eine "konzentrierte Aktion", man müsse "alles tun, um wieder Vertrauen zu gewinnen".
Wieder einmal sieht man die herrschende Mentalität: verantwortungslos hat man auf dem globalen Casino-Finanzmarkt gezockt und sich persönlich bereichert, Mitarbeiter entlassen und sich mehr bereichert, und jetzt, wo die ganze Chose kracht und den Bach heruntergeht, soll der Staat eingreifen und das Vergnügen zahlen. Das ist freie Marktwirtschaft!
Treffend formuliert es Orlando Pascheit von den NDS:
Herr Ackermann sollte sich an die eigene Nase fassen und einmal überlegen, welchen Anreizen und welchem Druck sich Banken aussetzen, wenn sie vollkommen von der Realwirtschaft abgehobene Renditeversprechen in die Welt setzen. Es ist heute viel von Vertrauen die Rede, von der Krise des Vertrauens, aber warnt man bei solchen Renditeversprechen auf dem grauen Markt sonst nicht immer vor unseriösen Angeboten? Warum bzw. wie sollten sogenannte seriöse Institute solche Versprechen einlösen? Rentabilität auf diesem Niveau und Sicherheit sind sich widersprechende, uneinlösbare Versprechen.
Josef Ackermann hat vollkommen Recht, der Staat muss her. Ausgangspunkt staatlichen Eingreifens sollte aber sein: Brauchen wir solche Banken? (Quelle)
Nachtrag: Jetzt fordert auch der Spiegel (!) mehr Regulierung.

Freitag, 14. März 2008

Gerechtigkeit

Ein Richter hat Brigitte Zypries Haft angedroht, wenn sie weiter die Daten von den Besuchern ihrer Websites sammelt. Zum Schießen.

Donnerstag, 13. März 2008

Oh Schröder, der du weilst im Aufsichtsrat...

In der SZ hat Marc Beise einen Kommentar mit der Überschrift "Schröder hatte Recht" geschrieben, in dem er Lobhudelei um Lobhudelei an Schröder und dessen Agenda 2010 ablässt. Verglichen wird Schröder dabei mit Merkel nach einem simplen schwarz-weiß-Muster:

Vor genau fünf Jahren hat der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) im Bundestag die Agenda 2010 ausgerufen und Sozial- und Arbeitsmarktreformen angeordnet. Geliebt wird der Altkanzler dafür nicht, allenfalls respektiert, vor allem aber kritisiert und von nicht wenigen sogar gehasst.

Seine Nachfolgerin Angela Merkel (CDU) hat ein ähnlich großes Projekt noch nicht gewagt. Dafür wird sie von sehr vielen Menschen respektiert und von praktisch niemandem gehasst. Der Agenda-Kanzler Schröder war der programmierte Wahlverlierer, die Abwarte-Kanzlerin Merkel sieht aus wie die geborene Wahlsiegerin. Dennoch ist Schröder der bessere Politiker. Warum?

Erwartungsgemäß lautet die Antwort: Hart-IV und Agenda2010. Dabei geht Beise methodisch vor: Zuerst die Prämisse.

Für die Agenda spricht die wirtschaftliche Vernunft. Seit Willy Brandts Zeiten, seit den siebziger Jahren, war die staatliche Vollversorgung oberste Maxime. Die Politik wollte den Menschen möglichst alle Lebensrisiken ausgleichen. In einer Generation, von 1970 bis 2005, haben sich die Sozialhilfeleistungen vervierfacht.

Wie immer, wenn Neoliberale etwas schreiben, findet sich der Verweis auf die 1970er Jahre, die für sie den ultimativen Sündenfall darstellen (vgl. auch hier). Niemals fehlen darf der Verweis darauf, dass der Sozialstaat nicht mehr zu finanzieren sei. Warum, das wird nie erklärt. Es ist wahr, dass sich die Sozialleistungen in den 1970er Jahren erhöht haben; gleichzeitig stimmt aber auch, dass sie bereits in den 1980er Jahren von schwarz-gelb wieder abgebaut wurden. Dazu kommt, dass für Zahlen, wie sie Marc Beise hier natürlich ohne jede Quelle angibt, häufig absolute Zahlen benutzt und, was deutlich schwerer wiegt, die Produktivitätszuwächse und das Wirtschaftswachstum seit damals einfach unter den Tisch gefallen lassen wird. Die Staatseinnahmen haben sich ja ebenfalls vergrößert, und durch die Produktivitätssteigerungen lassen sich andere Lasten schultern als bisher.
Zugleich stieg die Arbeitslosigkeit in Westdeutschland von 150.000 auf 3,2 Millionen Menschen - beides zusammen ist ein dramatisches Versagen der Politik, die sich auf die Alimentierung der Arbeitslosen konzentriert hat statt darauf, mehr Arbeit zu schaffen. Zumal der Sozialstaat immer weniger zu finanzieren ist. Eine öffentliche Verschuldung von 1,5 Billionen Euro zulasten kommender Generationen ist durch nichts zu rechtfertigen; sie ist die angekündigte Chronik des Staatsbankrotts.
Eine weitere zumindest grobe Vereinfachung ist, dass die Politik seit damals nur die Arbeitslosen alimentiert hätte, statt Arbeitslose zu schaffen. Selbstverständlich wurden Anstrengungen unternommen, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, doch aus unterschiedlichen Gründen scheiterten diese oder brachten nicht den Ertrag, den man sich erhofft hatte - ein durchgehendes Motiv von Brandt über Schmidt zu Lambsdorff und Kohl. Nun kommt für Beise
Schröder quasi als "deus ex machina" und wendet alles zum Besseren: in heroischem Widerstand gegen Volk, Partei und Medien drängt er, der große Pragmatiker und strahlende Held, die dringend notwendigen und von den politischen Zauderern nicht angepackten Reformen durch, um das kurz zusammenzufassen. So führt uns das Ganze dann auch in die Gegenwart:
Es kann nicht ernsthaft bestritten werden, dass der gegenwärtige Erfolg am Arbeitsmarkt auch auf die Reformen der Vorjahre zurückzuführen ist.
Tatamm, nun endlich wirken die Reformen des großen Gerhard! Davon abgesehen kann jeder reichlich ernsthaft bestreiten, dass hier irgendetwas auf die Reformen der Vorjahre zurückzuführen sei, und vor allem kann jeder bestreiten, dass es überhaupt einen "gegenwärtigen Erfolg am Arbeitsmarkt" gebe. Denn die Statistiken der BA sind grotesk gefälscht; dreikommairgendetwas Arbeitslose hätten wir gerade, die Zahl ist ohnehin egal. Denn über zwei Millionen Arbeitslose tauchen in der Statistik gar nicht auf, und die Zahl der Leistungsempfänger hat die acht Millionen längst überschritten.
Zum Fördern freilich hätte Schröder entweder einen Wirtschaftsaufschwung (den es erst später gab) gebraucht oder weitere Reformen, beispielsweise die Lockerung des Arbeitsmarktes. Es ist verrückt, dass Firmen hierzulande Mitarbeiter erst loswerden können, wenn sie vor dem Bankrott stehen oder ihre Werke verlagern.
Das Fördern der Arbeitslosen ist, den Arbeitsmarkt zu lockern? Den Kündigungsschutz quasi abzuschaffen, den Arbeitnehmern jede Sicherheit zu nehmen und eine Hire-und-Fire-Praxis einzuführen, das würde die Arbeitslosen fördern? Warum das funktionieren sollte, erklärt Beise nicht. Das kann er auch gar nicht, denn es ist Unfug, ein weiteres, viel zu häufig unwidersprochenes neoliberales Dogma. Unternehmen stellen Leute ein, wenn sie sie brauchen, nicht wenn die Bedingungen so toll sind.
Schröder blieb die Folgereformen schuldig, aber er hatte auch kaum eine Chance. Heute noch ist fast das ganze Land gegen eine Politik hin zu mehr Eigenverantwortung und Solidität. Immer noch und immer lauter hört man die alte Leier vom Staat, der niemanden zurücklassen darf. Koste es, was es wolle, das Geld wird schon irgendwo herkommen. Früher kam ein großes und mächtiges Land wie Deutschland mit dieser naiven Wirtschaftspolitik über die Runden. Heute, wo überall junge und hungrige Wettbewerber lauern, funktioniert das nicht mehr.
Denn früher, so wissen wir, war alles gut. Und heute, puff, gibt es einen Weltmarkt. Früher gab es den nämlich nicht. Dass Marc Beise es überhaupt wagt, in diesem Zusammenhang den Begriff "naiv" zu verwenden! Ich persönlich halte eher eine Wirtschaftspolitik für naiv, die den Arbeitsmarkt mit einem Kartoffelmarkt gleichsetzt, den man nur lockern müsse. Die von offenkundig falschen Prämissen ausgeht, in der man immer nur die alte Leier vom Staat hört, der attraktive Bedingungen schaffen muss, koste es was es wolle. Irgendwo wird das Geld schon her kommen. Auch heute kommt ein großes und mächtiges Land wie Deutschland mit dieser naiven Wirtschaftspolitik nicht über die Runden. Aber das begreifen die Marc Beises dieser Welt nicht. Sie beten weiterhin ihr Goldenes Kalb an:

Große Reformen, jedenfalls wenn sie den Bürgern etwas zumuten, werden immer auf Widerstand stoßen. Viele Politiker wissen das, vermutlich auch Kanzlerin Merkel. Trotzdem oder vielleicht deshalb tun sie wenig. Und je länger sie wenig tun, desto heller wird das Licht des Gerhard Schröder strahlen. Eines Tages.


Mittwoch, 12. März 2008

Dienstag, 11. März 2008

Fundstücke 11.03.2008

Das BVerfG hat, endlich, Schäuble Einhalt geboten.
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Albrecht Müller analysiert Linke und SPD.
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NDS-Analyse zu Kurt Beck.
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Interessante Gewerkschaftskritik in der taz.
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Die NZZ berichtet über eine Anhörung im amerikanischen Senat zum Thema Managergehälter, besonders der letzte Satz ist wichtig.
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Ein unglaublich guter wie auch wichtiger FR-Artikel zur hessischen Situation.
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Montag, 10. März 2008

Immer wieder froh

Nach dem vereitelten Attentat auf ein Flugzeug in China geben Experten Entwarnung: Die Anschlagsgefahr bei den Olympischen Spielen in Peking sei gering. China instrumentalisiere jedoch das Schreckgespenst des Islamismus für innenpolitische Zwecke. (Quelle)

Ich muss ehrlich sagen, ich bin immer wieder aufs Neue froh, dass so etwas ausschließlich in Schurkenstaaten wie China passieren kann und hierzulande praktisch ausgeschlossen ist, besonders, wenn so unverdächtig-kompetente Leute wie der Ulfkotte das sagen.

Von Lügnern und Aufrechten

Man stelle sich folgende Situation vor: die SPD hat gewaltig Stimmen gewonnen, die CDU verloren. Die SPD ist in der Lage, mit einer als "Schmuddelpartei" verschrieenen Partei die unpopuläre und desaströse schwarz-gelbe Koalition abzulösen. In diesem Prozess werden Wahlversprechen gebrochen, woraufhin einE SPD-MandatsträgerIn hinschmeißt und sagt, er/sie könne das nicht unterstützen.
Kommt bekannt vor, nicht? Die Geschichte ist in der jüngeren Vergangenheit gleich zweimal passiert. Einmal ein Männlein, einmal ein Weiblein. Ich erzähle sie einmal fertig.
Das Männlein ist in der unschöneren Position, denn die Wahlversprechen werden erst gebrochen, als die Regierung bereits im Amt ist. Er schmeißt als Konsequenz hin und verkündet, dass er den Wählerwillen so nicht brechen will. In der Folgezeit wird er in einer wahren Schmutzkampagne als Verräter und Feigling beschimpft.
Das Weiblein ist in der komfortablen Position, dass die Wahlversprechen schon vor der Regierungsbildung gebrochen werden. Sie erklärt, dass sie eine wahlversprechenbrechende Regierung nicht unterstützen könne. Ihre Partei bricht daraufhin fast zusammen. In der Folgezeit wird sie als Heldin, Aufrechte und Lichtgestalt in den Medien gefeiert.
Der Name des Männleins ist Oskar Lafontaine.
Der Name des Weibleins ist Dagmar Metzger.

An dieser Stelle endet die Geschichte; das Ziehen der Moral überlasse ich dem Leser. Ich persönlich halte weder Metzger noch Lafontaine für Verräter. Wirkliche Verräter sehen anders aus.

Fundstücke 10.3.2008

Einige Artikel zum Thema SPD und Linke:
1) Heil schließt Rücktritt Becks aus
2) "Die lügen doch alle"
3) Peer Steinbrück verrät seine Partei
4) NDS-Analyse
5) Interview mit Gregor Gisy
6) Aus der Ecke der gekauften SPDler meldet sich Klaus von Dohnanyi mit undifferenzierten Thesen zu Wort.
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Der Stern fordert eine größere Steuerlast für die Reichen.
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FR macht Mehdorn fertig.
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SZ zum Thema Bildungsgerechtigkeit.
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Über die absichtlichen Versäumnisse der deutschen Regierung im Falle der Online-Betrüger.
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Der konformistische Rebell - Barack Obama.
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Rechtsstaat und Ressourcenallokation.
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Erhebliche Differenzen bei den Studiengebühren.
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In den USA hat ein Kneipenbesitzer einen Roboter gebaut, mit dem er, von der Polizei unbehelligt, nachts die Straße patrouilliert und Obdachlose beschießt.
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Donnerstag, 6. März 2008

Fundstücke 6.3.2008

Heute gibt es eine ganze Anzahl an Artikeln, die ich euch gerne weiterempfehlen würde. Leider reicht es mir heute zeitlich nicht hin, großartig selbst was zu verfassen, aber dieses Lesefutter hier kompensiert das gut ;)

Attac argumentiert gegen die Bahnprivatisierung. Besonders die Fakten zum Beispiel England sind hochinteressant.
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In der Frankfurter Rundschau ist ein flammendes Plädoyer für den ver.di-Streik mit hervorragender argumentativer (auch volkswirtschaftlicher!) Unterfütterung zu lesen.
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In der Financial Times Deutschland spricht sich Wolfgang Münchau klar für rot-rote Zusammenarbeit aus und benennt Steinbrück und Steinmeier als inkompetente Palastrevolutionäre der albernsten Sorte.
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Im Tagesspiegel ist von Privatisierungsplänen bei der Polizei zu lesen.
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In der Telepolis findet sich sowohl ein fundierter und überaus lesenswerter Artikel zur Entradikalisierung des Islam als auch eine Analyse der neuen Zusammenarbeit zwischen SPD und Linke.
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Noch einmal FTD (die ich bei der Gelegenheit gleich in die Linkliste aufnehme): die EZB lässt den Euro weiter ansteigen, Herzog fordert gegen die Linke ein neues Wahlrecht, China und die USA rüsten um die Wette.
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Ausgerechnet Degler spricht für SPD und Linke aus.
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Mittwoch, 5. März 2008

Privatisierte Krankenhäuser bedeuten den Tod

Im Handelsblatt ist ein Artikel erschienen, der die Folgen der Krankenhausprivatisierung seit 1991 bespricht: allein 1000 Herzinfarktpatienten starben nur wegen der Privatisierung. Wie das sein kann, erklärt die Studie, auf die das Handelsblatt sich beruft: in Gegenden, in denen mehrere Krankenhäuser gemäß dem neoliberalen Credo einen Wettbewerb ausfechten, steigt die Mortalitätsrate signifikant an. Gleiches gilt für Gegenden, in denen im allgemeinen ein besserer Lohn bezahlt wird als die Hungerlöhne der Krankenhäuser. Da im gnadenlosen Wettbewerbsdruck auf Leiharbeiter zurückgegriffen wird, um die Kosten zu drücken, sinkt die Qualität der Versorgung und besonders der Notfallmaßnahmen drastisch - mit bisweilen tödlichen Ergebnissen. Nachdem bereits die Privatisierung der Bahn nach mehreren spektakulären tödlichen Unfällen, einem Bankrott und einem verrotteten System rückgängig gemacht wurde, stehen nun auch die Krankenhäuser auf dem Prüfstand - während die einfallslosen Epigonen hierzulande nichts daraus lernen wollen und stattdessen mit dem Programm fortfahren wollen, als hätten sie den Schlüssel der Erkenntnis in Händen.

Dienstag, 4. März 2008

Fundstück des Tages

Was machen Hollywoodstars, wenn sie zu viel Zeit haben? Nun, zuerst machen zwei von ihnen einen Clip. Dann sammeln sich 20 weitere und drehen einen Antwortclip. Sehenswert!

Zweierlei Maß

Nicht völlig zu Unrecht empört sich ein Gutteil der Managerelite gerade, mit ihren schwarzen Schafen à la Zumwinkel in einen Topf geworfen zu werden (auch wenn ausgerechnet der sich als Moralapostel der Republik gebärdende Ackermann hier eher ruhig sein sollte). Man dürfe nicht von Einzelfällen auf alle schließen, heißt es. Hoffen wir, dass dieselben Stimmen dieses Lied noch singen, wenn der nächste Counterstrike-Spieler Amok läuft.

Heiliger als der Papst

In der SZ ist ein äußerst merkwürdiger Artikel zu den aktuellen Entwicklungen in Hessen erschienen. Unter dem reißerischen Titel "Fundament der Lüge" wird darin das rot-grüne Minderheitenmodell aufs Schärfste kritisiert. Die Begründung ist, dass man ja die Wähler belügen würde, da man vorher die Zusammenarbeit mit der Linken kategorisch ausschloss.

Im Prinzip geht ihre Argumentation so: Weil ich viele politische Versprechen - keine Studiengebühren, Mindestlöhne, Schulreformen - am ehesten in einer rot-grün-roten Konstellation erfüllen kann, darf ich mein Versprechen "Nicht mit der Linken" brechen. Sie wiegt also das, was sie für viel Wahrheit hält, gegen weniger Wahrheit auf und kommt zu dem Schluss, dass die Menschen im Allgemeinen und ihre Wähler im Speziellen mit etwas Lüge leben müssen.

Diese Ypsilantische Logik erinnert an jene Logik, mit der Innenminister Schäuble sein vom Verfassungsgericht verworfenes Flugzeugabschuss-Gesetz verteidigte: Zum Schutz der Vielen darf man den Wenigen schaden; um etliche Versprechen zu erfüllen, darf man andere bewusst brechen.

Der Vergleich hinkt, und zwar gewaltig. Die SPD hat vor ihrer Wahl zwei verschiedene Arten von Versprechen gemacht: das eine war, ihr Wahlprogramm für mehr Gerechtigkeit umzusetzen, indem Roland Koch gestürzt würde und eine rot-grüne Regierung installiert würde. Das andere war, dies nicht mit Hilfe der Linken zu erreichen.
Nun war abzusehen, dass rot-grün alleine nicht hinreichen würde. Also stützte man sich voll auf die FDP. Ausgerechnet eine Partei, deren Programm in weiten Teilen völlig konträr zu dem von SPD und Grünen war und die sich bereits mehrere Male demonstrativ hinter Koch gestellt und ihrerseits ein Versprechen abgegeben hatte, nicht mit rot-grün zu kuscheln - ausgerechnet die sollte nun, aus welchen Gründen auch immer, eine Ampel bilden. Außer dem politischen Gegner einen Gefallen zu erweisen - etwas, das man schlicht nicht tut - gab es für die FDP einfach keinen Grund, und es war und ist eine Lebenslüge der SPD dieser Tage, etwas anderes anzunehmen. Die Fixierung auf die Ampel scheint einfach nur eine bequeme Möglichkeit für die SPD-Rechten zu sein, die Realität nicht wahrnehmen zu müssen: dass die Linke existiert und sich sozialdemokratische Politik wohl nur mit ihr wird durchführen lassen. Es scheint, als sei die FDP für diese Leute nur eine Möglichkeit, den Kopf in den Sand zu stecken und dann irgendwann doch mit der Linken zusammenzuarbeiten, um die Schuld dann der "unbeweglichen" FDP zuschieben zu können. Ein durchsichtiges Manöver, dass auch nicht funktionieren wird.
Warum aber die SZ nun ausgerechnet im Durchbrechen dieser Lebenslüge die größere Lüge erkennen mag, warum ausgerechnet die Zusammenarbeit mit der Linken der große Betrug am Wähler sein soll und nicht die totale Abkehr vom Wahlprogramm und allen anderen Aussagen (der SZ-Logik nach wäre eine GroKo unter Führung Kochs besser gewesen als die rot-grüne Minderheitenregierung!), das weiß der Himmel.

Aleae jactae sunt

Gleich zwei Würfel sind gefallen. In Hessen hat Ypsilanti offiziell den Weg der rot-grünen Minderheitsregierung eingeschlagen, und die GDL eröffnet am Montag den bedingungslosen Vollstreik in der Bahn. Beides ist zu begrüßen; nicht, weil es die beste Alternative wäre, sondern weil die Umstände keine wirklich bessere zulassen.
Im Fall Hessen nimmt die große Lebenslüge der SPD, mit dem Programm näher an der FPD als an der Linken zu sein endlich ein schmerzliches Ende. Nachdem die peinlichen, geradezu widerwärtig aufdringlichen Avancen der SPD an die FDP endlich ihr Ende gefunden haben - nicht durch Einsicht der SPD-Oberen, sondern in der fortwährenden Verschmähung durch die FDP - wendet sich Ypsilanti endlich der Linken zu, mit der sie ihr Programm umsetzen kann. Für die Linke ist diese Variante die beste, ohne Zweifel. So kann sie staatsmännisch alle ihr genehmen Initiativen mittragen und sich bei einem Abkommen vom Kurs publikumswirksam und authentisch verweigern, ohne in eine Koalitionsdisziplin eingebunden zu sein. Es steht zu hoffen, dass Hessen endlich den Ausweg aus der Starre des derzeitigen Systems weist und die Politik flexibler und interessanter, vielleicht auch partizipationsfreudiger gestaltet - demokratisch eben.
Bei der Bahn steht zu hoffen, dass Mehdorn mit diesem letzten, furchtbar albernen Versuch der Täuschung nicht durchkommen wird. Sein Kalkül scheint gewesen zu sein, die Verhandlungen so weit zu verschleppen, bis die Sympathie des Volkes für die GDL (und damit auch der Druck aus der Politik!) nachlässt. Das dürfte, hoffentlich, nicht aufgehen. Auch der GDL mit dem unannehmbaren Ultimatum den Schwarzen Peter des Streikbeginners in die Schuhe zu schieben dürfte nicht aufgehen, darf nicht aufgehen. Es ist Zeit, dass Mehdorn hier eine Totalniederlage erleidet. Möglicherweise sensibilisiert dies die Öffentlichkeit auch für die Unsinnigkeit einer Bahnprivatisierung und machte diese zum Thema, anstatt dass die SPD-Junta versucht, das Thema an Basis, Parteitag und Bundestag vorbei in die Ausschüsse zu schmuggeln, wo die Geier aus CDU und FDP schon begierig warten.

Montag, 3. März 2008

Revisionismus direkt von oben

Am 30. Januar 1945 (am Jahrestag der "Machtergreifung", Ironie der Geschichte) wurde die Wilhelm Gustloff, ein Kreuzfahrtschiff der NS-Propagandaorganisation DAF (Deutsche Arbeitsfront) in der Ostsee von einem sowjetischen U-Boot torpediert. Das Schiff - feldgrau angestrichen und mit Flakgeschützen versehen offiziell als Kriegsschiff geltend - war bis zum Bersten gefüllt mit Flüchtlingen aus Ostpreußen; etwa 10.500 Menschen drängten sich an Bord. Nur 1500 konnten gerettet werden; mit 9000 Toten gilt der Untergang damit als größtes Schiffsunglück der Geschichte.
Über diese Tragödie macht nun das ZDF, das sich bereits mit "Die Flucht", "Dresden" und natürlich den zahlreichen Knopp'schen Nazi-Shows einen guten Ruf als professioneller Revisineur erkämpft hat, einen sündteuren Zweiteiler zum Thema zu drehen. Dementsprechend werden auch die Werbetrommeln gerührt. Über den üblichen Sermon, den die ZDF-Produktionen dabei verströmen hinaus hat die Verfilmung der Geschichte der Wilhelm Gustloff dabei einen ziemlich kräftigen, eklig-braunen Beigeschmack.
Zum einen entstand das Werk auf "Anregung" des CDU-Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder, der dafür bald mit einer Ehrenmedaille des "Bundes der Vertriebenen" (BdV), ein ewiggestriger Verein von Revisionisten, geehrt wird. Zum anderen leistet man sich historische Ungenauigkeiten, die nur noch die Bezeichnung "Propaganda" verdienen.
So wird, angeblich zur Vermeidung einer "politisch-dramaturgischen Schieflage", die Figur eines Verräters an Bord eingeführt: der Funker, der dem sowjetischen U-Boot die Koordinaten der Gustloff übermittelt, damit die slawischen Untermenschen ganz fies das Flüchtlingsboot aufs Korn nehmen können. Überhaupt entsteht dadurch erst die "politisch-dramaturgische Schieflage", denn abgesehen von diesem abstrusen Konstrukt wird auch ansonsten das Knopp'sche Lied vom Zweiten Weltkrieg gezeichnet: die asiatischen Horden der Roten Armee wollen der herzensguten deutschen Zivilbevölkerung ans Leder. Dass diese den Krieg erst gestartet hat - Fehlanzeige. Die Blutspur, die man in der SU hinterließ - Fehlanzeige. Hier regiert ein Geschichtsbild, wie es sich die NS-Granden in ihren eigenen Produktionen nicht besser hätten wünschen können.
Es kommt aber noch besser: dieser verräterische Funker - was auch immer er damit hätte erreichen wollen - ist nämlich ein Agent des Nationalkommitees Freies Deutschland, des Propagandaablegers der moskaugesteuerten KPD im Zweiten Weltkrieg. Die Kommunisten sind unter uns! Wer Anklänge zu den Hetzkampagnen von heute finden will, muss nicht mit der Lupe suchen.
Flankiert wird der Zweiteiler durch zahlreiche Dokus im Knopp'schen Stil und eindeutig "politisch-dramaturgischer Schieflage": das Leid, das Titos Partisanen in Jugoslawien verursachten und "unsere" Vertreibung aus Schlesien ("eine schlesische Tragödie"). Dargestellt werden ausnahmslos die Gräuel sowjetischer Soldaten an der Zivilbevölkerung; dass dem tobenden Moloch der Wehrmacht und der ihr auf den Fuß folgenden Sonderkommandos bis Kriegsende 20 Millionen Sowjetbürger zum Opfer gefallen sein werden, von denen rund 8 Millionen ebenso unschuldige Zivilisten sein dürften - Fehlanzeige.
Unter lautem Jubeln der Rechtskonservativen in der CDU und des BdV und ihrer Vorsitzenden Erika Steinbach wird beim ZDF, finanziert von Steuergeldern und in öffentlich-rechtlichem Auftrag, auf widerwärtigste Weise Revisionismus betrieben. Die Sicht auf den Zweiten Weltkrieg wird immer mehr durch den Knopp'schen Mainstream ersetzt, dessen Quintessenz in Wikipedia so hervorragend formuliert wurde:
Peter Kümmel fasst amerikanische und deutsche Kritiker so zusammen: Knopps Filme funktionierten wie „Rollenspiele, mit deren Hilfe sich die Deutschen mit ihren Großvätern versöhnen könnten.“ Die Filme würden das „Wir“-Gefühl mehr ansprechen als die Fakten. Erinnerung sei bei ihm emphatisch geladen, zu wohlwollend. Differenzierte Kritik bescheinigt zwar, dass die gesprochenen Kommentare und Botschaften politisch korrekt seien. Der „visuelle Sog“ der teils auch nachgestellten und mit Ton unterlegten Szenen überlagere jedoch oftmals den Off-Kommentar und schaffe eine raffinierte Identifikationsmöglichkeit etwa mit einem Militäridol, lasse gegensätzliche Perspektiven von Tätern und Opfern außen vor und löse „eine Kette verführerischer Gedanken aus: Was, wenn der Angriff früher begonnen, der Winter später eingesetzt hätte und der ‚Führer’ gescheiter gewesen wäre.“ (Quelle)
Weiterführende Links: German Foreign Policy

Fundstücke 3.3.2008

Die Hetzkampagne der Presse gegen die SPD und die Linke haben die NDS genauer unter die Lupe genommen; im Stern wird mit ätzender Ironie die Behauptung widerlegt, die Linke seien Kommunisten.
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Überstundenwahnsinn

Laut offiziellen Erhebungen wurden im letzten Jahr in Deutschland rund 3 Milliarden meist unbezahlte Überstunden geleistet; im Durchschnitt kommt damit jeder Arbeitnehmer auf zwei pro Woche. Da die Überstunden in den Gewerben ungleich verteilt sind, kommen entsprechend die Arbeiter, die Überstunden nehmen, auf etwa etwa sechs unbezahlte Überstunden pro Woche (!). Und da fragt sich jemand noch ernsthaft, warum die Leute ausgepowert sind, wenig Geld haben und allgemein nicht gut auf die Wirtschaft zu sprechen sind.