Montag, 2. Juni 2008

Zum Zustand der Medien [UPDATE]

Sieht man sich die Sendung von "Anne Will" vom 25. Mai an, erkennt man, in welch traurigem Zustand die Medien und der öffentliche Diskurs in Deutschland sind. Thema der Sendung war der neue Armutsbericht, in dem der Anteil der Armen und von Armut signifikant bedrohten Menschen in Deutschland als deutlich höher wie bisher eingeschätzt wurde.
Eingeladen waren zwei Sprecher für Mindestlöhne und gegen Hartz-IV (Christoph Butterwegge und Heiner Geisler), zwei Sprecher dagegen (Guido Westerwelle und Rota Knobel-Ulrich) und ein schleimiges Ding in der Mitte (Hubertus Heil). Der Titel der Sendung war bereits höchst suggestiv: "Hungern muss hier keiner - Ein Land redet sich arm". Schon allein der Titel ist eine Schande, denn er setzt das Ergebnis der Sendung bereits vor der Diskussion fest. Der Skandal jedoch ist ihr Verlauf. Anne Will, die als Moderatorin ja eigentlich vermitteln und objektiv moderieren sollte, schlägt sich in der ganzen Sendung beständig auf die Seite Westerwelles und Knobel-Ulrichs. Wortbeiträge Butterwegges und Geislers werden von ihr unterbrochen, um Knobel-Ulrich und Westerwelle das Wort zu erteilen. Videos werden eingespielt, um die Argumentation von Westerwelle und Knobel-Ulrich zu stützen oder die von Butterwegge und Geisler zu widerlegen. Spitze Bemerkungen macht Anne Will nur gegen Butterwegge und Geisler. Immer wieder "fasst sie zusammen", was Butterwegge gesagt habe - und was dieser so nicht gesagt hat.
Das ist kein Journalismus, und für so etwas braucht man keine Medien (schon gar keine öffentlich-rechtlichen). Das ist einfach nur übelste Propaganda, und es ist eine Schande für alle, die für Meinungsfreiheit stehen.

NACHTRAG: Die neue Folge zum Thema LINKE und SPD ist deutlich besser.

8 Kommentare:

  1. "Das ist kein Journalismus, und für so etwas braucht man keine Medien (schon gar keine öffentlich-rechtlichen). Das ist einfach nur übelste Propaganda, und es ist eine Schande für alle, die für Meinungsfreiheit stehen."

    Stimmt!

    "Die neue Folge zum Thema LINKE und SPD ist deutlich besser."

    "Besser" stimmt hier auch - aber deutlich? Obwohl - vom absoluten Nullpunkt aus betrachtet ist natuerlich selbst die kleinste Steigerung schon "deutlich".

    ;-)

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  2. Diese Art von "Journalismus" kommt eben heraus, wenn man die Präsentation von seriösere Medien abschaut, aber den zugehörigen Ton am Stammtisch einübt. Dazu noch eine würzige Prise Goebbels, und fertig ist die Talktrashshow über Armut in Deutschland.

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  3. georg schramm beschrieb die vorgängerin christiane sabinsen als emotionale pissrinne der nation, an der die politiker ihre sprechblasen entleeren dürfen. nachgetröpfelt wird dann bei kerner^^

    den vergleich im kommentar mit goebbels würde ich nicht ziehen, das ist geschmacklos.

    aber ich teile die feststellung, dass anne will kein ruhmesblatt für öffentlich-rechtliches tv ist. aber wenn man ein paar stunden in der woche abzieht, ist das allermeiste ebenfalls kokulores.

    es ist eben boulevard-journalismus. das krankt schon daran, dass mit 4 oder z.t. sogar 6 gästen die runde zu überbesetzt ist, um bei jedem mal gezielt zu insistieren. darüber hinaus ist frau will auch nie in der lage, mit hard facts einen gast wirklich zu konfrontieren - aber da würden wohl die meisten gäste auch nicht mehr kommen. - fazit: mir scheint, mit einer wenig mutigen ard im rücken wird nie mehr draus werden, als eine sprechblasen-präsentation...

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  4. Erstens weiß Anne vielfach nicht, was sie eigentlich will, zweitens wurde sie dafür zurecht kritisiert und drittens hat sie es bei der letzten Sendung besser gemacht.

    Alles in allem ist Anne Will wahrschenilch nicht viel besser oder schlechter als beispielsweise Frank Plasberg ("Hart aber fair") und ähnliche "Talkshow-Könige". Daß allerdings solche journalistische "Größen" derart medienwirksame Politiksendungen bekommen, spricht eine deutliche Sprache.

    Zuviel Kritik könnte die "Fernsehbürger" ja beunruhigen und auf "dumme Gedanken" bringen. Dafür sind solche Sendungen aber nicht da, sie sollen schließlich systemstabilisierend sein. Dann also doch lieber weichgespülte politische Unterhaltungsshows.

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  5. Der Vergleich mit Goebbels mag geschmacklos wirken, geht aber nicht am Wesentlichen vorbei. Ich schrieb dazu folgendes zu Knobel-Ulrich:

    "Als dieses Land vor vielen Jahren ein Ministerium einrichtete, welches den lieben langen Tag nur für Hetzkampagnen, Hasstiraden und Propaganda aller Art bereitzustehen hatte, da waren es eben nicht nur die ganz großen Brüller und Menschenhasser, die den Charakter diesen neuen Deutschland formten, sondern auch gerade diese kleinen, vertrockneten Mängelcharaktere, die gerne mehr und besser geworden wären, als sie es letztendlich waren. Sie spielten mit ihrem auferlegten und weitergeleiteten Hass eine größere und weitaus prägendere Rolle als diverse Wochenschauen und Stimmungsfilmchen; sie waren das Salz in der Suppe dieses neuen Staates, dessen Machthaber ja ohne solche Zuträger nur eine Gruppe von hellbraunen Stammtischrevolutionären geblieben wäre. Wenn der hinkende ehemalige Gossensozialist brüllte oder der morphiumsüchtige Fettwanst aus Carinhall, dann war das freilich Normalität. Aber wenn da studierte Sonst- und Irgendwers einstimmten - die scheinbare Vernunft also -, das Gebrüll dieser Herren aufnahmen und sogar noch übertönten, immer mit dem Blick auf die Obrigkeit, um ja kein anerkennendes Nicken aus dieser Riege auserwählter Herrenmenschen zu verpassen, dann fühlten auch die Unpolitischen, Zweifelnden und Schwachsinnigen, dass da mehr als ein Funken Wahrheit in diesen Thesen schlummern mußte. Nein, ich will diese Dame mit keiner historischen Einmaligkeit in Verbindung bringen, denn mit Marx gesprochen, würde sie sowieso nur als Farce in die Historie eingehen. Aber man muß sich schon fragen, was dieser Wirtschaftstotalitarismus ohne Menschen wie dieser Frau... - wie hieß sie noch gleich? - ausrichten könnte?"

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  6. Die ganze Angelegenheit wird mir zu politisch genommen. Wie sollte man "Starmoderatoren" wie Anne Will und Frank Plasberg eigentlich nennen?

    Mein Vorschlag: unpolitische Wohlfühlmoderatoren, deren hauptsächliche "Qualifikation" in politischer Unkenntnis und fehlender Kritikfähigkeit besteht. Wenn`s anders wäre - also Aufklärung gefragt wäre -, hätte man keine unpolitischen Politsendungen mit "streitbarem" Aneinandervorbeireden auf die Mattscheibe zaubern brauchen.

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  7. Jetzt beschwert sich nen CDU'ler über die Anmoderation der letzten Sendung und die schlechte Recherche der Redaktion für die gleiche Sendung), und will als Mitglied des Rundfunkrates des RBB Berlin die Dame sogar absetzen. :D

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  8. @ roberto

    Leider konnte ich es bei Dir im Blog nicht kommentieren, aber mit genau diesem Abschnitt hast Du beinahe exakt das ausgesprochen, was auch mir in den letzten Tagen wiederholt durch die Birne geisterte - den Artikel zu diesem unappetitlichen Sachverhalt muss ich ja nun zum Glueck nicht mehr selbst verfassen ..

    ;-)

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