Montag, 20. April 2009

Kommentierte Fundstücke 20.04.2009, 12.53 Uhr

Bei der CDU bricht gerade einmal wieder der Marxismus aus, weil Müntefering auf Wählerfang am was-auch-immer-Rand fischen war und die DDR der "BRD zugeschlagen" sehen wollte. Nicht ganz falsch und eigentlich in Kreisen, die Ahnung vom Sujet haben auch unstrittig (denn wenn es keine Annexion war, wie Wulff, der Haupt-Müntefering-Kritiker in diesen Tagen behauptet, warum ist dann außer Ampelpfeilen, Sandmännchen, Spreewaldgurken und Rotkäppchensekt nicht mehr aus der DDR übernommen worden? - Aber es ist Wahlkampf, da ist kein Platz für Rationalität. An solcher versucht sich übrigens zum Thema auch Heribert Prantl, der "Auferstanden aus Ruinen" als zweite Strophe der Nationalhymne vorschlägt, was echt keine ganz dumme Idee ist.

In der SZ wird ein Szenario ausgebreitet, bei dem ich mir echt nicht sicher bin ob ich davor Angst haben soll: wenn die Parteien sich im September nicht auf eine Koalition einigen können (was möglich ist), könnte der Bundespräsident von seinem Vorschlagsrecht Gebrauch machen und einfach IRGENDWEN zum Bundeskanzlerkandidaten vorschlagen. Die SZ fabuliert von "unverbrauchten" Personen, vielleicht nicht einmal aus der Politik. Josef Ackermann for Bundeskanzler! Dann haben wir einen Sparkassendirektor als Präsident und und einen Investmentbanker als Kanzler, da kann ja nichts mehr schiefgehen.

Ebenfalls in der SZ wird noch mal eine Bilanz der aktuellen Wahlversprechen gezogen (da werden wir in den kommenden Monaten sicher noch die eine oder andere zu hören bekommen), nach der sie SPD gerade deutlich seriöser rüberkommt als die Union oder die FDP, aber effektiv alle drei gequirlte Scheiße reden. Die drücken das natürlich freundlicher aus, aber der Kern bleibt derselbe.

Ein Artikel in der taz über den Parteitag der LINKEn im Saarland ist eigentlich nur wegen der Info interessant, dass in einem Dorf zig Leute zurückgetreten sind, weil sie als erklärte Pazifisten nicht akzeptieren konnten, dass ihr Chef leidenschaftlicher Paintballspieler ist. Ey Leute, euch hat doch echt einer ins Hirn geschissen, oder? Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun?

Wen es interessiert, der findet hier eine aktuelle Zusammenfassung des Pirate-Bay-Prozesses. Ich bin gespannt, ob die Jungs in der nächsten Instanz etwas reißen können, aber ich wage es zu bezweifeln. Trotzdem gilt weiterhin, dass hier mit Steuermitteln ein Marktversagen subventioniert wird: was die Content-Mafia anbietet will kaum mehr jemand haben, aber anstatt ihre Produkte an den Markt anzupassen, verklagen sie alle Leute.

Die SZ wird marxistisch! Sie haben festgestellt, dass das SPD-Wahlprogramm nicht sonderlich links ist. Man, so viel gesunder Menschenverstand gehört doch echt bestraft.

In der FR findet sich ein Interview mit dem Autor von "Deutsche Republiken - Triumph und Scheitern der Demokratie". Feynsinn hat bereits kommentiert, was die Geschichtslosigkeit unserer Eliten für unser Land bedeutet, deswegen von mir noch die Bemerkung, dass ich das Interview etwas arg einseitig auf die BRD konzentriert sähe, als ob 1949 der Initialstart für die Demokratie in Deutschland gewesen wäre. Wilhelm von Sternburg erkennt ja richtig, dass gerade der (relative) Wohlstand der Adenauer-Ära die Akzeptanz der Demokratie förderte, aber was ist denn mit Weimar? Man kann eigentlich mit großer Berechtigung annehmen, dass ohne die desaströse ökonomische Lage Weimar ebenfalls auf Dauer ein Erfolg geworden wäre.

Die CIA hat deutlich häufiger Folter (Waterboarding) angewendet als bisher bekannt; in einem Fall allein 183 mal im Jahr 2002. Das ist nicht gerade überraschend, wer glaubt auch Aussagen eines Geheimdienstes über dessen Verbrechen? Wirklich auffallend ist, dass sich die SZ nicht entblödet, von "harten Verhörmethoden" zu sprechen, anstatt einfach klipp und klar "Folter" zu sagen. Leute, das sind keine "harten Verhörmethoden", es ist Folter, ein Verbrechen und gehört entsprechend benannt.

In der SZ findet sich ein Artikel zum Reizthema Lehrer, relativ schön ausgewogen und faktenreich.

Ebenfalls in der SZ gibt es noch ein flammendes Plädoyer an die Staatsanwaltschaften damit aufzuhören, Vorverurteilungen über die Medien zu lancieren und so die Grundrechte der Angeklagten zu verletzen. Sehr lesens- und unterstützenswert.

5 Kommentare:

  1. @Irgendwen als Bundeskanzler

    Es würde das erste mal seit langer Zeit sein, dass der Bundeshaushalt plus macht. Nicht etwa, weil sich bei den Einnahmen und Ausgaben etwas geändert hätte, nein weil Joseph Ackermann die Bilanzierung seiner Bank auf den deutschen Staat einführt. Also Joseph for Kanzler :).

    AntwortenLöschen
  2. Zu: Bei der CDU bricht gerade einmal wieder der Marxismus aus...

    Bisher war auch ich der festen Überzeugung, die BRD hätte die DDR annektiert. Doch mittlerweile glaube ich eher, es war genau umgekehrt. Wie sonst ließe sich erklären, dass die ehemalige FDJ Sekretärin für Agitation und Propaganda mittlerweile die Richtlinien der bundesrepublikanischen Politik bestimmt --> http://drchaos.eu/archives/2008/06/05/angela-merkel-im-erika.html
    Ebenso unerklärlich bliebe ansonsten für mich auch die Tatsache, dass ausgerechnet der Sohn von "IM Czerny", der zu Wendezeiten Frau Merkel als stellvertretende Regierungssprecherin in das Boot der CDU holte, mittlerweile Kanzleramtschef ist.
    Für mich sieht das so aus, als seien die alten Stasiseilschaften noch immer extrem aktiv und in den höchsten Rängen der Politik vertreten.
    Und die von Frau von der Leyen initiierte Internetzensur wäre somit nur die logische Konsequenz aus der Verbindung von Stasi 1.0 und Stasi 2.0

    AntwortenLöschen
  3. "[...]Heribert Prantl, der "Auferstanden aus Ruinen" als zweite Strophe der Nationalhymne vorschlägt, was echt keine ganz dumme Idee ist.
    "
    Stellt sich noch die Frage, nach welcher Melodie. Die kannst nämlich ohne Probleme den Text der jeweils einen Hymne nach der Melodie der anderen singen :D

    AntwortenLöschen
  4. @Irgendwen als Bundeskanzler

    Ich weiß auch schon einen aussichtsreichen Kandidaten: Horst Seehofer. Der ist darin erfahren, schließlich hat er nicht einmal für den bayerischen Landtag kandidiert und ist dennoch Ministerpräsident geworden. Was für eine Karriere: Ministerpräsident, Bundeskanzler - und womöglich beide Male nicht vom Volk gewählt. Das wär's.

    AntwortenLöschen
  5. Es liegt mir fern, einen Seehofer zu verteidigen, aber sorry: das Volk hat hierzulande noch nie einen Bundeskanzler oder Ministerpräsidenten gewählt. Direktwahl wurde im Grundgesetz sehr bewußt vermieden. Soll der Köhler doch die Frau Schwan als Kanzler vorschlagen (oder umgekehrt).

    AntwortenLöschen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.