Dienstag, 16. März 2010

Minister oder Maus?

Zu Guttenbergs Eiertanz zwischen Korpsgeist und Wählergunst

Die Grafen Baudissin und Kielmannsegg, altgediente Offiziere der nationalsozialistischen Wehrmacht, und Mitentwickler des Konzepts der “Inneren Führung” der Bundeswehr, als deren Leitbild der “Bürger in Uniform” hervorging, würden sich – lebten sie heute noch – wohl mit Grausen abwenden. Da versetzt ein bundesdeutscher Verteidigungsminister einen General vorzeitig in den Ruhestand, weil dieser in einem persönlichen Brief seinen obersten Dienstherrn um Aufklärung hinsichtlich der Entlassung eines anderen Generals bat.

Der Verteidigungsminister heißt zu Guttenberg (CSU) und der unfreiwillige Ruheständler Henning Hars (54), zuletzt Brigadegeneral und früheres Mitglied der Weizsäcker-Kommision. Hars fragte in seinem nicht-öffentlichen(!) Brief seinen höchsten Vorgesetzten nach den Gründen für die Demissionierung des dienstältesten Soldaten der Bundeswehr, Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan, die im Rahmen der “Kundus-Affäre” erfolgte, und nach der Einschätzung des Ministers. Nichts, was einem “Staatsbürger in Uniform” in einem Staat, der nicht unter Kriegsrecht steht, nicht zustehen würde, solange dies nicht publik gemacht wird. Zweierlei scheint daran jedoch bemerkenswert: Zunächst natürlich der Vorgang an sich, der zu Guttenberg nicht gerade diplomatisches Fingerspitzengefühl attestiert, indem – ganz gegen alle Usancen – die Entlassung Hars’ begründet und publik gemacht wurde. Dann aber auch die Tatsache, daß hier ein hochrangiger Soldat, ganz in derTradition der “Inneren Führung” seinen “Feldherrn” diskret um eine Erläuterung bittet und dafür abgestraft wird. Dies ist der deutlich bedrückendere Teil dieses Vorfalls, denn kann danach ein “Bürger in Uniform” noch ohne Furcht vor Repressalien seinen Vorgesetzten um den Sinn einer Entscheidung fragen?

Der hohe Herr der Hardthöhe scheint langsam Fallhöhe erreicht zu haben und handelt wie ein ostelbischer Gutsherr/Junker, indem er munter feuert: Generalinspekteur Schneiderhan, Staatssekretär Wichert und nun General Hars. Andererseits handelt er wie ein schlitzohriger orientalischer Teppichhändler, der – je nach Verlauf des Verkaufsgesprächs – seine Position ändert: “War gerechtfertigt …”, “War nicht gerechtfertigt …”, “War nicht ausreichend/falsch informiert …”  (alles zum Massaker bei Kundus). Nebenbei möchte er auch schon mal eigenhändig den Krieg erklären, aber das ist ja nur eine rechtsstaatliche Petitesse. Was die Angelegenheit zu einer “Staatsaffaire” macht, und zu Guttenberg nicht nur im Inland, sondern wohl auch bei den Verbündeten ein paar hochgezogene Brauen einbringen dürfte, ist die Tatsache, daß er binnen Halbjahresfrist mit dubiosen Begründungen zwei hochrangige Militärs und seinen Staatssekretäter schasste. Mit seinen schnell wechselnden Aussagen und der Ablösung von drei hochrangigen Militärs/Staatsbediensten binnen sechs Monaten hat der 15.  Herr der Hardthöhe einen neuen Rekord hinsichtlich Wankelmut und Treue zum Amt aufgestellt. Vor allem seine Untergebenen – und da besonders die Truppe im Felde – dürften es ihm danken, daß er wahlweise des Pudels Kern, nämlich den Obersten Klein und seinen mörderischen Fehlgriff, angriff oder aber die vorgesetzten Offiziere. Wer von den Soldaten wird ihm noch folgen, wer von der Wählerschaft ihm noch sein Vertrauen schenken?

Deutschland hat nicht viel Glück mit seinen “Verteidigungsministern”: Es fing an mit einem Gustav Noske, der – als SPD-Mann -  “den Bluthund”  zu spielen bereit war und die deutschen Arbeiter von rechten Freikorps zusammenschießen ließ, über einen Werner von Blomberg, der in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg über seine Ehe mit einer ehemaligen Prostituierten stolperte (da er gegen Hitlers Kriegspläne opponierte), hin zu den Verteidigungsministern der Nachkriegszeit, bei denen gerade die Union kein besonders glückliches Händchen bewies. Sei es Franz  Josef Strauß, der sich durch die Lockheed-Affaire wie auch den HS-30-Skandal und seine Forderung nach einer nuklearen Ausstattung der Bundeswehr diskreditierte, sei es Manfred Wörner, der in den Achtzigern eine unrühmliche Rolle bei der Demontage des Generals Kießling spielte, oder seien es in jüngster Zeit die Herren Franz Josef Jung und Karl-Theodor zu Guttenberg, von denen erstgenannter bereits über “die Kundus-Affäre” gestürzt ist.

Wie tröstlich da, daß Deutschland wenigstens bereits drittgrößter Rüstungsexporteur der Welt ist.

[fb]

(Anm. d. Red.: Zur “Inneren Führung” und den jüngsten Versuchen, dieses Konzept ad acta zu legen, existiert auch ein lesenswerter Artikel von Jürgen Rose bei Linksnet.)

1 Kommentar:

  1. Zu "Stil und Formen" des freiherrlichen Kriegsministers: Kein Widerspruch, die sind unter aller Sau!

    Trotdem, es hat den richtigen erwischt!
    Man muss im Hinterkopf haben, dass dem VgMinister die Kompetenz, jeden General, jederzeit ohne "Gruende" entlassen zu koennen, mit voller absicht gegeben wurde.
    Damit sollte einem Staat im Staate wie in der WR, und eigenstaendiger Politik des Militaers vorgebeugt werden.
    Vor diesem Hintergrund werden noch viel zu wenige Generale vor die Tuer gesetzt.

    Ich wuerde sogar so weit gehen, saemtliche Generaele der Bw geschlossen zu entlassen. Das ist eine Clique, die freudig mitgemacht hat, als das GG mit Fuessen getreten und die Phase der kriegerischen Auslandseinsaetze eingeleitet wurde.
    So ein Pack hat in einer republikanischen Armee nicht verloren!

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