Mittwoch, 15. Dezember 2010

Was für eine Farce!

Von Stefan Sasse

Der geplante Jugendschutzmedienstaatsvertrag ist gescheitert; alle Parteien des NRW-Landtags verweigern die Zustimmung. Nachdem praktisch keine Partei hinter dem Vertrag steht, aber trotzdem überall zustimmt - auch die NRW-SPD hatte aus "staatspolitischer Verantwortung" die Zustimmung beschlossen - haben wir das Scheitern dieser dummen Initiative einzig der Tatsache zu verdanken, dass die SPD in NRW keine Lust hatte dumm auszusehen: FDP und CDU in NRW hatten angekündigt, dem Vertrag - den sie in ihrer Regierungszeit selbst ausgehandelt haben! - nicht zuzustimmen. Daraufhin hat die NRW-SPD in einem seltenen Akt der politischen Einsicht erkannt, dass es wenig Sinn macht für einen Vertrag zu stimmen den nicht einmal der Verursacher gut findet, "staatspolitische Verantwortung" hin oder her. Letztlich geht es aber einmal mehr nur um die Außenwirkung, und hätten CDU und FDP zugestimmt, hätte rot-grün aus eben dieser "staatspolitischen Verantwortung" mitgestimmt. Was für eine Farce! Was ist das für eine Verantwortung, die es notwendig macht für Verträge zu stimmen, die alle, wirklich alle, dämlich finden? Und da frag sich noch einer, warum man dieser Republik keine Problemlösungskompetenz zutraut! Was für eine Farce...

15 Kommentare:

  1. Es gibt - erinnere ich richtig - in Adornos Noten zur Literatur IV oder in den Soziologischen Schriften eine Reflexion über Entscheidungsprozesse in Gruppen, möglicherweise im Zusammenhang einer Titel-Neugebung von Heinrich Manns DER UNTERTAN. Nach dem Erfolg des Films DER BLAUE ENGEL titelte man das Buch von Mann auch mit DER BLAUE ENGEL.
    Adorno legte damals beim Verlag Widerspruch ein. Den Titel, der sich am Film orientierte, hatte dann wohl keiner gewollt.
    Das Fazit Adornos lautet sinngemäß: Geschichte vollzieht sich über die Köpfe der Menschen hinweg. Sie selbst sind nicht die Subjekte von Geschichte, weil am Ende Dinge geschehen, die keiner gewollt haben will.
    Das Nicht-Zustandekommen des größten Schildbürgerstreichs im Hinblick auf das Internet verdanken wir dann wohl einem Zufall, aber nicht der Vernunft. Denn andernfalls müsste man jeden Satz in Zukunft auf seine Jugendfreiheit kontrollieren. In Becketts Romantrilogie Molloy Malone und der Namenlose wird onaniert. So müßte jedes Buch auf Alterstauglichkeit geprüft werden, und in der Stadtbibliothek dürfte Beckett nur noch in der Erwachsenenhinterkammer ausgeliehen werden.

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  2. Geht es hier wirklich um "Jugendcshutz" ? Nein, meine ich. Es geht um Kontrolle einer Instanz, welche deutsche Politiker nicht verstehen, weil sie in ihrem Denken zu faul, zu träge und zu reaktionär sind: Der deutsche Politiker traut dem Internet nicht und er hat Angst vor dessen (möglicher) Durchschlagskraft. Und er hasst es, weil zum Beispiel leicht publiziert werden kann, dass die Guttenberg eine karriere- und machtversessene und gleichzeitig gesellschaftlich udn charakterlich absolut beteutungs- und nutzlose Figur ist.
    Das wollen sie weg haben.

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  3. Man sollte das nicht auf Politiker reduzieren. Ein Großteil der Bevölkerung versteht das Netz nicht und denkt so, man denke nur an die Reaktionen auf Wikileaks. Es ist wahrlich nicht so, dass die Politiker sich gegen eine breite Massenbewegung für das Netz stellen würden...

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  4. nein, das tun sie doch nie. Dafür sind sie zu oppurtunistisch. Sie verkaufen der dummen (ohne Anführungsstriche) Masse etwas als schädlich, was zwar nicht für diese Masse, aber für sie selbst ist. So funktioniert Manipulation heute.

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  5. Ich würde da gar keine Absicht wie eine Verschwörung oder bewusste Manipulation unterstellen. Das Internet ist neu und wenn man es nicht kennt beängstigend. Das ist eine menschliche Urregung.

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  6. Neu? Entschuldige. Für Menschen, die hier mitreden wollen - und dazu sollten doch bitte auch die Politiker gehören, die diesem Zensurvertrag bereits zugestimmt haben; wie anders hätten sie denn sonst eine Meinung haben können - ist "Das Internet" nicht das unbekannte Wesen, sondern eine massenmediale Bedrohung ihrer Partikularinteressen. Was also redest Du hier, Stefan?

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  7. Oh sicher, das ist es auch. Alles was ich sage ist: ich glaube nicht an eine "Verschwörung", wo sich Menschen zusammensetzen und sagen: "Das Internet ist eine tolle Sache für die Demokratie, lasst es uns aufhalten!" Ich denke, die glauben wirklich, was sie sagen, dass es gefährlich ist, dass es die Demokratie zerstört, usw. Ich glaube ihnen wirklich dass sie es ernst meinen. Das macht es ja fast schlimmer.

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  8. Jetzt hamma's für den Teil: Ja, der Großteil unserer Abgeordneten und Regierenden sind so dumm, dass sie "das Internet" nicht verstehen und sie sind sogar noch um vieles dümmer, als daß sie ihre Dummheit nicht nur nicht sehn, sondern sie uns - dem Volk - und sich selbst als grandiose intellektuelle Leistung verkaufen wollen, weil sie an iher Dummheit glauben. Insofern: keine Verschwörung sondern eher ein virales Problem: Dummeheit gemischt mit Arroganz und Selbstüberschätzung auf dem Nährboden eines letargischen Volkes ergibt bekannte, deutsche Kulturen.
    Nur: wo kommt diese Brut her? Und warum kann sie bleiben?

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  9. *seufz* Das ist genau mein Punkt: diese "Dummheit" ist keine Dummheit. Es ist menschlich. Alle Menschen sind so. In 30 Jahren werden wir uns vielleicht über die Gefahren der Nanotechnologie und ihre völlig unabsehbaren Auswirkungen auf die menschliche Psyche ereifern, wer weiß? Die Technologie muss sich etablieren, braucht Zeit. Das war schon immer so. In der Zwischenzeit ist es unsere Aufgabe, möglichst häufig und eindringlich zu erklären, wo Gefahren tatsächlich bestehen und wo nicht.

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  10. Aha, seufz, da is er ja, der Technokrat: es geht nicht um Technik! Weder im Internet, noch bei der Nanotechnologie, noch bei der Atomkraft. Es ist nicht "menschlich", was hier betrieben wird, sondern der Versuch der deutschen Internetzensur (ist ja nicht der erste) dient der Unmeschlichkeit. Zur Erinnerung: es ging um mögliche Sperrung von Blogs, auch denen, die sich gegen die zunehmende soziale Kälte und Verrohung in Deutschland wehren. Diese Seiten, die durchaus Menschliches im Schide führen, gilt es, zu (mein Sohn weinte gerade im Schlaf, war wichtiger) stärken und zu schützen. Es gibt keinen Rabatt auf Unmenschlickeit versteckt hinter menschlichen Schwächen.

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  11. @Stefan: Ich hab das auch mal geglaubt. Aber wenn du mal über längere Zeit via netzpolitik.org den unermüdlichen Einsatz z.B. des AK Vorratsdatenspeicherung "mitverfolgt" hast und dann siehst das wieder und wieder immer die gleichen schon x-mal widerlegten Parolen seitens der Politik konsequent weiterverbreitet werden, dann ist das auf Dauer als Erklärung imo nicht glaubhaft. Dafür ist die Ignoranz einfach zu massiv. Und sooo neu ist das Internet jetzt nun wirklich nicht mehr.

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  12. @Rhein Sieg

    solange populistische Parolen beim Pöbel ziehen, solange werden diese auch von Parteien propagiert!
    Gerade was für ältere Generationen weniger nachvollziehbare Themen wie Internet & Co. sind, können die Parteien wunderbar für ihren Populismus nutzen.

    Für mehr Medienkompetenz nicht in der Regierung sondern in allen Haushalten. Erst wenn der Durchschnittsbürger versteht, dass die Politiker nur Mist quatschen, wird sich keiner mehr an einer Zensur versuchen ;-)

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  13. @ Klaus Baum: nein, nicht DER UNTERTAN, sondern "Professor Unrat oder das Ende eines Tyrannen" - hier schmeißt du was durcheinander.

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  14. Wer mit solchen Lesern (Kommentatoren) gestraft ist, braucht keine Feinde mehr im Leben...
    Soviel zu dem, was ich hier lese.

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  15. "Manchmal frage ich mich, ob die Welt von klugen Menschen regiert wird, die uns zum Narren halten,
    oder von Schwachköpfen, die es ernst meinen." (Mark Twain)

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