Angesichts des aktuellen Streiks von angestellten Lehrern in mehreren Bundesländern empfiehlt SpiegelOnline, den Beamtenstatus komplett abzuschaffen: "Trotzdem wäre es falsch, reflexhaft am Schulbeamtentum festzuhalten. Die finanzielle Bürde durch verbeamtete Lehrer und die Frage einer gerechten Bezahlung der angestellten Lehrer sind wichtiger. Denn gerade wenn nicht mehr das Berufsbeamtentum lockt, muss der Lehrerberuf attraktiv bleiben - auch beim Gehalt." Befürchtet wird im Artikel außerdem die Schaffung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft im Lehrerzimmer. Nur: die ist schon längst da.
Bereits jetzt werden selbst in Ländern wie Baden-Württemberg, die ihre Lehrer eigentlich noch verbeamten, viele Lehrer einige Jahre angestellt, stets befristet, exklusive der Sommerferien (wo dann ALG beantragt werden muss), am besten das Deputat auf mehrere Schulen verteilt und jedes Jahr erneut die Unsicherheit, ob man im September wieder einen Job bekommt, wo und mit wie viel Stunden. Junge Lehrer steigen zu wesentlich schlechteren Konditionen ein als ihre älteren Kollegen, und ihre Pensionen wurden bereits massiv gekürzt. Das Zwei-Klassen-System ist bereits massiv da.
Die Abschaffung des Beamtenstatus für Lehrer kann nur zwei Folgen haben: entweder sinken die Gehälter aller Lehrer massiv, oder es kommen erhebliche Mehrkosten auf den Staat zu. Das klingt erst einmal nicht sonderlich intuitiv: wie der Spiegel rechnen die meisten Leute die Pensionen der Lehrer hoch und stellen einen großen Kostenfaktor fest. Und das ist ja auch wahr: die Renten der Beamten laufen nicht über die Rentenkasse, sondern über die Steuerzahler. Gleichzeitig sind Beamte aber auch vergleichsweise kostengünstig. Sind wir ehrlich - wären sie das nicht, hätten längst alle Bundesländer sie abgeschafft.
Die Erklärung für das seltsame Phänomen lässt sich ziemlich einfach aus einer Betrachtung der Gehälter herleiten, die uns auch wieder zu der eingangs aufgestellten Dichothomie bringt, entweder die Gehälter massiv zu kürzen oder eben gerade nicht zu sparen. Berlin und andere Bundesländer haben sich für eine massive Gehaltskürzung entschieden. Konkret: um als angestellter Lehrer dasselbe Netto vom Brutto zu haben wie verbeamtete Lehrer, muss das Jahresgehalt rund 76.000 Euro brutto betragen. Unrealistisch? Aber sicher. Aktuell verdienen angestellte Lehrer rund 49.000 Euro im Jahr, brutto. Ich kann das aus der Erfahrung meines eigenen Lohnzettels sagen: ein verbeamteter Kollege im selben Alter, mit demselben Familienstand und dem exakt selben Job verdient pro Monat 800 Euro netto mehr als ich. Netto. Pro Monat.
Wer jetzt einwendet, dass das eine Milchmädchenrechnung ist, weil in das Angestelltengehalt die Gesetzliche Krankenversicherung einfließt während der verbeamtete Lehrer das von seinem Netto noch bezahlen muss liegt natürlich richtig. Mein hypothetischer verbeamteter Kollege rutscht damit auf "nur" noch 500 netto im Monat mehr. Zusätzlich dazu ist er unkündbar und hat eine wesentlich höhere Pension. Oh, und er ist privat versichert, seine Bezüge steigen automatisch und höher als die der Angestellten und er bekommt umfrangreiche Zulagen für die Familie.
Deswegen kann ich über den Vorschlag von SpiegelOnline nur lachen. Der Lehrerberuf muss attraktiv bleiben, auch beim Gehalt? Sieht irgendjemand ein Bundesland wie Baden-Württemberg, das rund 120.000 verbeamtete Lehrer hat, diese auf 76.000-Euro-Angestelltenveträge umstellen (wohlgemerkt: Einstiegsgehalt)? Allein die Vorstellung ist lächerlich. Selbstverständlich würde bei einer Abschaffung des Beamtenstatus' das Gehalt auf das Niveau der bisherigen Tariftabelle des Öffentlichen Dienstes abrutschen.
Da helfen auch die üblichen Klischees nicht weiter. Manche Lehrer machen den Job nur wegen der Bezüge/der Ferien/der Rente, nicht alle Lehrer sind top, man kann sie nur schwierig feuern, und so weiter und so fort - stimmt natürlich alles. Wie überall gibt es auch bei den Lehrern schwarze Schafe, gibt es Leute, die ihren Job weniger gut machen als andere, gibt es Leute, die mit zunehmenden Alter eher in den Schonmodus gehen und die Tage bis zur Rente vom Kalender abreißen. Aber die gibt es überall, und die würde man auch mit Angestelltenverträgen nicht loswerden. Klar kann man solche Leute dann theoretisch feuern, aber in der Realität passiert das bei der "Dienst-nach-Vorschrift"-Fraktion auch in der freien Wirtschaft selten, wenn nicht gerade Umstrukturierungsmaßnahmen anstehen (die im Bildungssektor nicht gerade häufig sind). Dieses Argument kann daher eigentlich nicht ernstgenommen werden.
Jetzt könnte man natürlich einwenden, dass das im Interesse der Sanierung der Haushalte ein notwendiger Schritt ist. Alle anderen müssen ja auch bluten, warum also nicht auch die Lehrer? Und klar, das kann man so schon machen. Dsa wird mit Sicherheit Wunder für die Attraktivität des Lehrerberufs wirken. Und während die armen Schweine, die Geistes- oder Sprachwissenschaften studiert haben auch weiterhin wenig andere seriöse Karrieremöglichkeiten haben, dürfte der Mangel in den MINT-Fächern nur umso größer werden. Der ließe sich dann nur beseitigen, wenn man genau die Lehrerzimmerzweiklassengesellschaft wieder einführt, die man gerade noch zu beseitigen angetreten war. Letztlich wäre es für alle vernünftiger, den Irrweg der vergangenen Jahre zurückzudrehen und endlich wieder normale Berufsbeamte aus den Lehrern zu machen.
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