2012 trat der damalige Senator von Ost-Texas, Kay Hutchinson, nicht mehr zur Wahl an. Der republikanische Kandidat für den Posten David Dewhurst, der Vize-Gouverneur des Bundesstaates. Cruz forderte ihn in den primaries heraus, obwohl Dewhurst die Unterstützung des Establishments und deutlich mehr Geld zur Verfügung hatte (etwa drei Dollar für jeden von Cruz). Cruz gewann die endorsements von Sarah Palin und Rick Santorum, beides Darlinge der evangelikalen Rechten zur damaligen Zeit, des "Club for Growth", einem rechten Think-Tank, von Erick Erickson, einem einflussreichen rechten Blogger, sowie diversen anderen Figuren der Tea-Party-Bewegung. Cruz gewann die primaries und die folgende Wahl gegen den Kandidaten der Democrats. Dabei gewann er 6 Prozentpunkte mehr Unterstützung unter den Hispanics als Mitt Romney, aber immer noch rund 20 Prozentpunkte weniger als der Kandidat der Democrats.
Im Senat fiel der junge Abgeordnete (Cruz ist erst 45) schnell durch seine aggressive Rhetorik auf. Diese richtete er nicht nur gegen Obama und die Democrats - obwohl er sich da wahrlich nicht zurückhielt und auf keine Hyperbel verzichtete, wenn sie sich ihm bot - sondern auch gegen seine Kollegen. Im Shutdown von 2013 (für eine Erklärung siehe hier) machte er zum ersten Mal nationale Schlagzeilen, denn er war eine treibende Kraft hinter dem Tea-Party-Block, der die Republicans in den ultimativ desaströsen Shutdown trieb. Damit machte er sich bei seinen Kollegen im Senat alles andere als beliebt, denn im Vergleich zum House of Representatives sind die Republicans dort deutlich pragmatischer; Cruz passte mit seinem konfrontativen Stil nicht wirklich hinein und tat auch in der Folgezeit alles dafür, sich deutlich von ihnen abzuheben und einen Ruf als Querschütze zu erwerben und damit trotz seiner Mitgliedschaft im Kongress nicht mit "Washington" assoziiert zu werden. So bezeichnete er etwa die Republicans, die mit Obama zusammenarbeiteten (eine deutliche Mehrheit) als surrender caucus, warf dem Sprecher des Senats Mitch McDonnel öffentlich Lügen vor und kritisierte seine Kollegen beständig dafür, nicht konservativ genug zu sein.
Diese revanchierten sich entsprechend, indem sie seine Gesetzesintiativen nicht unterstützten, ihm keine Redezeit jenseits dessen gönnten auf was er Anspruch hat und verwehrten ihm sogar einen so genannten roll call, eine rein prozedurale Abstimmung, die sich die Senatoren für gewöhnlich über Parteigrenzen hinweg als Höflichkeitsgeste gewähren. Senator McCain nannte Cruz einen wacko bird. Trotz dieser Feindschaft im Kongress - oder gerade deswegen - ist Cruz' Senatssitz sicher, denn seine Wähler lieben die klare Anti-Establishment-Haltung. Es ist jedoch einsichtig, warum Cruz' Kandidatur zur Präsidentschaft - die er als erster der großen Kandidaten im März verkündete - auf eine gewisse Skepsis stieß. Der Mann ist im Kongress fast unbeliebter als Obama.
Doch auch abgesehen von der schmutzigen Wäsche des Kongresses schleppt Ted Cruz eine ganze Menge an Ballast mit. Der Mann ist ein Rechtsaußen in einer Partei, die spätestens seit dem Sieg der Tea-Party-Bewegung selbst kaum mehr als Mitte bezeichnet werden kann. Er ist kategorisch gegen Abtreibungen, steht jeglicher Reform der Einwanderungsgesetze feindlich gegenüber (außer natürlich Verschärfungen), will das Budget krass zusammenstreichen, Waffengesetze liberalisieren und was sich noch so auf dem Wunschzettel der Fundamentalisten findet. Zudem ist er der Überzeugung, dass Muslime eigentlich keine guten Amerikaner sein können und dass die passende Antwort auf den ISIS-Terror ein Flächenbombardement syrischer Städte ist.
Wie also konnte es passieren, dass Cruz jetzt plötzlich als ernsthafte Alternative gilt? Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe. Einer davon ist tatsächlich Cruz zuzuschreiben, der andere liegt völlig jenseits seiner Kontrolle.
Beginnnen wir mit Letzterem, denn er lässt sich in zwei Worte zusammenfassen: Donald Trump. Trumps Einstieg ins Rennen im Juni 2015 verschob die ideologische Achse der Republicans sofort merklich. Seine extremistischen Äußerungen zur Einwanderung (“When Mexico sends its people, they’re not sending their best. They’re not sending you. They’re not sending you. They’re sending people that have lots of problems, and they’re bringing those problems with us. They’re bringing drugs. They’re bringing crime. They’re rapists. And some, I assume, are good people.”) lassen jede noch so radikale Ansicht eines Ted Cruz geradezu moderat erscheinen, denn trotz all seiner Reibereien mit dem Kongress ist Cruz schließlich Politiker: er kann sich so ausdrücken, dass es nicht sofort als klare Beleidigung erkennbar ist. Cruz erscheint dadurch deutlich wählbarer, als er tatsächlich ist. Seine Kandidatur dürfte in Clintons Hauptquartier das Best-Case-Szenario sein, und Umfragen zeigen deutlich, dass in diesem Fall ein erdrutschartiger Sieg Clintons wahrscheinlich ist.
Der andere Grund für Cruz' dominante Stellung in denar primaries beruht auf seinem eigenen Erfolg. Wie andere evangelikale Kandidaten vor ihm baut er auf einen Sieg in Iowa, dem ersten caucus-Staat (siehe Erklärung zum Vorwahlsystem), in dem evangelikale Wähler eine überproportionale Rolle spielen. Zu diesem Zweck baut er bereits seit über einem Jahr unter großem Einsatz eine gewaltige Operation im Buckeye-State aus, die an Dichte die aller anderen Kandidaten übertrifft - vor allem aber, und das könnte entscheidend sein, die des Establishment-Darlings Marco Rubio, dessen Maßnahmen in Iowa geraderzu verdächtig unzureichend sind. Diese detaillierte Vorbereitung und Organisationsdichte zahlt sich jetzt aus: Cruz sammelt die Wähler von Carsons implodierendem Wahlkampf ebenso ein wie einen Teil von ehemaligen Scott-Walker-Fans, und er ist von allen Kandidaten am besten aufgestellt, bei einer eventuellen Implosion Trumps Wählerreservoir einzufangen.
Um zu verstehen, warum das so ist, hilft ein Blick in die Vergangenheit. In den Vorwahlen 1972 hatten die Democrats ein ähnliches Problem wie die Republicans heute: ein radikaler, xenophober Kandidat fing die Proteststimmen ein. Dieser Mann war George Wallace, und fast alle anderen Kandidaten versuchten, sich von ihm zu distanzieren. Wie Trump heute baute Wallace vor allem auf schiere Provokation und hatte wenig echte Organisation. Als Wallace in Iowa gut abschnitt, war ein Konkurrent nicht bei den anderen dabei, ihn zu kritisieren: der Populist George McGovern, der (damals) deutlich linkere Positionen als der demokratische Mainstream vertrat. McGovern zeigte Verständnis für den Unmut der Wähler und bot sich als Alternative an - und konnte dank überlegener Organisation in den späteren Staaten des primary-Kalenders die Wähler der implodierenden Wallace-Kampagne einfangen und die Nominierung sichern. Dass er danach 48 der 50 Staaten an Nixon verlor, sollte Clinton im Falle Cruz deutlich Hoffnung geben.
Cruz scheint eine ähnliche Strategie zu fahren. Statt Trump direkt anzugreifen, umarmt er ihn, statt seine Wähler zu demobilisieren tut er alles, sich in ihren Augen nicht zu diskreditieren. Auch Trump scheint das erkannt zu haben, und nachdem er ihn vor zwei Wochen noch als maniac bezeichnet hatte, erklärte er in der fünften TV-Debatte überraschend, dass er Cruz eigentlich total toll findet und tätschelte ihm auf offener Bühne die Schulter.
Und das führt direkt in die aktuelle paradoxe Situation, dass der anti-Trump, der gerade am besten aufgestellt ist, die primaries gegen den Immobilienmogul zu gewinnen, die Hassfigur des Establishments schlechthin ist. Wenn Rubio seinen Wahlkampf nicht bald zum Laufen bringt, könnte genau dieses Albtraumszenario für die Republicans Wirklichkeit werden.
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