1) MH17 - Generation der Skrupellosen
Seit dem Afghanistankrieg (1979-1989) ist in der früheren Sowjetunion ein militärisch-geheimdienstliches Milieu entstanden („siloviki“), das sich seine Meriten auch in den Konflikten in Zentralasien, dem Kaukasus oder in Moldawien verdient hat. Diese Männer kennen die Gewalt. Bereits während des Tschetschenienkrieges bildeten die afghancy das Rückgrat des russischen Militärs. Sie waren politische Soldaten, deren Einfluss über die Streitkräfte hinausging. Während Russland wirtschaftlich und sozial stagniert oder an Boden verliert, hat es eine Generation der Skrupellosen hervorgebracht, deren Ausbildung und Radikalisierung in den Kriegen des post-sowjetischen Raumes geschah. Sie sind eine wichtige Ressource Russlands. Ihre Stärke ist die Zerstörung legitimer Staatlichkeit und das Handeln im Gewaltraum – von der Ukraine bis Syrien. Sie stützten sich nicht auf das Recht, sondern auf die Macht. Dabei existiert ein breites Spektrum von Akteuren: von Spezialisten wie Ivannikov, die zwischen dem Büro und den Gewalträumen pendeln, über die Fußtruppen des hybriden Krieges, die sich aus Zeitsoldaten, (pseudo-)Kosaken, Kriminellen oder Motorradrockern rekrutieren bis hin zu den Ideologen, die versuchen, der Gewalt einen Sinn zu geben. Sie alle eint, dass der russische Staat ihr Patron ist. Ohne seine Rückendeckung könnten sie nicht handeln. Sie haben das Ohr des Kreml und aus ihnen rekrutiert sich die politische Klasse eines Landes, dessen Präsident der oberste Informationskrieger ist. (Salonkolumnisten)Man redet ja immer gerne und zurecht über die Schattenoperationen von CIA und Konsorten. Was der obige Artikel schön herausarbeitet ist eine ähnliche Struktur innerhalb der russischen Geheimdienste. Die Ausbildung von Leuten spezifisch zur Destabilisierung der Länder, in denen sie eingesetzt werden, ist schon eine entsprechende Hausnummer (und wie immer gilt: ja, machen die Amerikaner auch). Besonders auffällig in diesem Kontext erscheint mir, dass der angerichtete Schaden dieser Agenten so hoch ist. Sie erinnern an die frühere Soldateska oder die Söldnerheere, wie sie in der Frühen Neuzeit durch Europa marodierten. Wo diese Leute auftauchen, brechen Infrastrukturen zusammen. Die Folgen sind verheerend. 2) Americans need to overcome the partisan divide - but the president is stoking it
But while there is certainly fault on both sides, I don’t want to engage in false equivalence by suggesting Republicans and Democrats are equally to blame. Republicans are far worse. They are led by a president who engages in the kind of toxic partisanship we have seldom, if ever, seen from the Oval Office. [...] My fear is that Trump’s toxic partisanship will lead Democrats to retaliate in kind, polarizing the country even further. We are locked in a cycle of mutual-assured destruction. Like the Hatfields and McCoys, each side nurtures its hatred long after the original causes are all but forgotten. Republicans are still smarting over the nomination hearings of Robert Bork in 1987, Democrats over the impeachment of Bill Clinton in 1998. We need to summon the spirit of the Greatest Generation and overcome our partisan enmity. Otherwise we will fall to the most insidious enemy we have ever faced: domestic division. (Washington Post)
Max Boot, der selbst nicht gerade verdächtig ist den Democrats sonderlich warme Gefühle entgegenzubringen, benennt hier klar Ross und Reiter. Wichtiger als auch von Republicans zu hören, dass die GOP die Hauptschuldige an der Lage ist, ist der Ausblick auf die Zukunft, den Boot hier macht. Werden die Democrats zurückschlagen? Und, beinahe noch wichtiger: Sollten sie zurückschlagen? Letztere Frage ist eine, zu der ich hin- und hergerissen bin und immer noch keine Antwort gefunden habe. Auf der einen Seite ist ziemlich offensichtlich, dass das ständige Hinhalten der anderen Wange die Republicans nicht dazu bringt, wieder zu einer demokratischen Politik zurückzukehren. Wenn nicht ein kalkulierter Gegenschlag die Partei wieder zur Räson bringen kann, so würde er doch wenigstens Waffengleichheit herstellen.
Auf der anderen Seite aber steht das viel größere Problem, das Boot hier aufzeichnet. Ein Gegenschlag der Democrats könnte in eine immer größere Eskalationsspirale führen, an deren Ende der vollständige Untergang der Republik steht, weil ihre institutionellen Prozesse und Normen zusammenbrechen. Auf diese Art gehen Demokratien in Entwicklungsländern häufig zugrunde. Aber: Die Demokratie überlebt auch nicht, wenn eine Seite sich des Spiels enthält. Was hatte die SPD davon, dass sie sich 1930 bis 1933 dem Spiel verweigert und Anstand, Normen und Institutionen bewahrte? Aus diesem Dilemma sehe ich gerade nicht wirklich einen Ausweg. Damned if you do, damned if you don't. Die Schuldfrage ist währenddessen schnell geklärt: damals wie heute sind es die konservativen Steigbügelhalter, die anders als Boot und andere charakterstärkere Konservative mit den Wölfen heulen, statt sich zu wehren.
Zuletzt fürchte ich, dass Boot in seiner Idee vom Beschwören des Geists der Größten Generation einer gefährlichen Nostalgie aufsitzt. Denn weder war Amerika damals sonderlich geeint, noch ist ein Land ohne Parteienstreit zwingend die bessere Alternative. Er muss nur nach Deutschland schauen um zu sehen, dass Konsens in den Parteien kein Garant für gesellschaftlichen Frieden ist.
Vor diesem Hintergrund will sich die Partei nun offensiv aufstellen und plant nach eigenen Angaben eine interaktive Plattform, über die Schüler, Eltern und auch Lehrer Vorfälle dieser Art anonym der Schulbehörde melden können sollen. Die Hamburger Schulbehörde findet diese Idee offenbar nicht lustig. Ein Sprecher sagte zu NDR 90,3, Kinder würden auf diese Weise zu Denunzianten gemacht. (Die Welt)
Eine Meldestelle für Lehrer, die etwas gegen die AfD sagen. Ich meine, was soll schon schief gehen?
Um dem Ganzen mit dem Neutralitätsgebot etwas Perspektive zu geben: Lehrer sind zwar zu Neutralität verpflichtet, aber auch zum Erhalt der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Das war schon immer ein gewisser Widerspruch. Wenn eine Partei extremistische Positionen vertritt, bin ich als Lehrer keinesfalls zur Neutralität verpflichtet. So muss ich etwa der MLPD keinen Raum in meinem Unterricht geben und kann den Schülern aktiv abraten, sich mit ihr einzulassen (man könnte sogar argumentieren, dass das meine Pflicht wäre); gleiches gilt für Parteien wie die NPD. Der frühere Grenzfall war immer die LINKE (die ich persönlich für demokratisch halte und daher im Neutralitätsgebot eingeschlossen, und so halte ich es auch im Unterricht) und ist nun auch die AfD. Die letzten Jahre habe ich die AfD immer ebenfalls mit eingeschlossen, ich weiche davon nun aber zunehmend ab, weil die Schulbuchverlage das ebenfalls tun: in der aktuellen Ausgabe "Geschichte und Geschehen" für die Oberstufe etwa werden im Kapitel zu politischem Extremismus und Populismus Beispiele aus der AfD verwendet.
Selbstverständlich muss der Politikunterricht trotzdem so neutral wie möglich bleiben und zumindest die Themen, die die AfD (mit-)besetzt, entsprechend behandeln. Grundlage für den Umgang der Lehrer mit politischem Meinungsstreit ist der so genannte "Beutelsbacher Konsens". Er sieht vor, dass Themen, die in der Gesellschaft kontrovers sind, auch im Unterricht kontrovers behandelt werden müssen. Ich kann also weder die Schüler für eine keynesianische Wirtschaftspolitik indoktrinieren noch für eine Willkommenskultur trommeln. Ein letztes Detail: Das Neutralitätsgebot verpflichtet mich ausdrücklich NICHT, keine Meinung zu haben; die ist nämlich mein Recht als Staatsbürger. Was hier verboten wird, und was die AfD bewusst verwechselt, ist die Agitation. Das bedeutet konkret: ich stelle im Unterricht ein Thema kontrovers dar (etwa mit Quellen pro und contra Agenda2010), aber ich kann den Schülern durchaus meine eigene Meinung sagen, wenn die mich fragen.
Generell warne ich davor, den Einfluss von Lehrern auf die politische Meinungsbildung der Schüler zu überschätzen. Der geht nämlich ziemlich gegen null. Die häufigsten Aussagen, die Schüler von mir bekommen, wenn sie mich nach einer Einschätzung fragen, sind "es ist kompliziert" und "man kann das auf mehrere Weisen sehen". Das frustriert die immer ungemein, aber das liegt in den Natur-Paradoxien des Politikunterrichts.
It’s a tale of two countries. For the 117 million U.S. adults in the bottom half of the income distribution, growth has been non-existent for a generation while at the top of the ladder it has been extraordinarily strong. And this stagnation of national income accruing at the bottom is not due to population aging. Quite the contrary: For the bottom half of the working-age population (adults below 65), income has actually fallen. In the bottom half of the distribution, only the income of the elderly is rising. From 1980 to 2014, for example, none of the growth in per-adult national income went to the bottom 50 percent, while 32 percent went to the middle class (defined as adults between the median and the 90th percentile), 68 percent to the top 10 percent, and 36 percent to the top 1 percent. An economy that fails to deliver growth for half of its people for an entire generation is bound to generate discontent with the status quo and a rejection of establishment politics. (Washington Center for Equitable Growth)
Es bleibt für mich völlig unklar, warum so viele Leute die pure Existenz dieser krassen Disparität anzweifeln. Und da sind wir noch nicht einmal bei Rezepten dagegen. Die USA haben ja gerade die nächste große Feldstudie gestartet um zu beweisen, dass regressive Steuerkürzungen das Problem verschärfen und nicht lösen. Die Ergebnisse werden genauso eindeutig sein wie jedes Mal, und genauso wie jedes Mal wird weder in Politik noch Unis davon Kenntnis genommen werden, sondern stattdessen irgendwelche Ausflüchte gefunden, warum man mit einer noch größeren Kürzung - dieses Mal bestimmt! - das Problem lösen könnte. Und es handelt sich um ein Problem. Die wirtschaftliche Lage der unteren 70% in allen Industrieländern ist schlecht bis bestenfalls stagnierend. Gleichzeitig konzentriert sich immer mehr Kapital an der Spitze. Das führt zu riesigen volkswirtschaftlichen Ineffizienzen. Aber kaum eine Debatte fühlt sich so sehr wie "Und täglich grüßt das Murmeltier" an wie diese.
Among all the strongmen and wannabes taking power around the world, there are contrary developments. The city-state system that served Lucca for centuries is being reinvented in the municipalist movement, which is redirecting focus from nations to cities. Political candidates from Buenos Aires to San Diego are proposing to relinquish their legislative discretion and instead vote in accordance with direct polls of their constituents. Experiments in techniques like liquid democracy (in which voters can delegate their votes to issue-based proxies) and quadratic voting (in which voters can allocate more votes to decisions they care more about) are making such schemes appear less and less crazy. Old democracies may seem to be on the decline, but the prospects for responsive democracy have never been better. (The Atlantic)
Ich halte von derlei Analysen und Vorschlägen wenig. Ja, die Präsidentschaft ist spätestens seit Franklin D. Roosevelt kultisch aufgeladen, was spätestens mit Kennedy für die Democrats und Reagan für die Republicans absurde Züge angenommen hat (die aktuelle Verehrung Trumps gerade in evangelikalen Kreisen ist ja nur noch Farce). Aber diese Entwicklung entstand nicht ohne Grund, sondern aus der Disfunktionalität des vorherigen, kongressdominierten Systems und seiner Unfähigkeit, auf außenpolitische Bedrohungen zu reagieren (damals Nazi-Deutschland, danach die Sowjetunion). Da die USA inzwischen als ein Imperium begriffen werden können, ist eine Rückkehr zu einem basisdemokratischen System (das es so in mythischen Frühzeiten ohnehin nie gegeben hat) völlig illusorisch. Wenn die USA sich tatsächlich weltweit zurückziehen würden - also isolationistisch werden, sämtliche Bündnisse kündigen, Basen aufgeben und ihre Armee auf eine reine Verteidigungsarmee reduzieren - wäre der Präsident automatisch weniger wichtig, und der Kongress (und nachgeschaltete Institutionen auf Staatenebene) würden wieder an Gewicht gewinnen. In der aktuellen Situation ist das aber genauso eine Illusion wie die Idee, dass Deutschland sich als eine Insel begreifen und an den Krisen und Konflikten innerhalb der EU und an ihrer Peripherie keinen Anteil nehmen müsse.
Dazu kommt noch, dass in der US-Innenpolitik alles Übel lokal ist. Je kleinteiliger eine Institution ist, desto tiefer sie in der föderalen Struktur liegt, desto mehr Schaden richtet sie üblicherweise an. Von der Sklaverei zu den Lynchmorden, von Redlining zu Polizeimorden ist die gesamte schmutzige Geschichte des amerikanischen Rassismus' eine Geschichte der jeweiligen lokalen Institutionen, während die Bundesregierung entweder abseits stand oder aktiv versuchte, die Zustände zu verbessern. Auch jetzt sind es Bundesstaaten, die etwa die Medicaid-Ausweitung ablehnen, die die Umwelt verschmutzen oder ihre Schul-Infrastruktur zerstören. Die Hoffnung, das Land würde die aktuelle polarisierte Spaltung überwinden, wenn man die Macht dezentralisierte, ist bestenfalls naiv zu nennen.
6) Jeder vierte Flüchtling hat einen Job // Deutschland soll offenbar EU-Milliarden für Flüchtlinge erhalten
Es ist schön, auch einmal positive Nachrichten über Flüchtlinge zu lesen. Gerade die Zahl derer, die einer Arbeit nachgeht, ist überraschen hoch, und die positive Prognose stimmt hoffnungsfroh. Wenn die Hälfte der Zuwanderer einen sozialversicherungspflichtigen Job hätte (Konjunktiv), finanzierte sich die Flüchtlingskrise effektiv selbst. Die Horrorszenarien von hunderttausenden von herumlungernden Arbeitslosen, die nur dem Staat auf der Tasche liegen, sind jedenfalls pure Legende. Der Anteil der Flüchtlinge an den Sozialhilfeempfängern wird noch lange überdurchschnittlich bleiben, das ist überhaupt keine Frage. Aber es gibt keinen Grund, warum sie nicht wie jede andere Einwanderergruppe werden würden. Zumindest wirtschaftlich ist die Integration jedenfalls kein unüberwindbares Hindernis.Von den seit 2015 aus Kriegs- und Krisenländern nach Deutschland gekommenen Flüchtlingen hat einem Bericht zufolge jeder vierte inzwischen Arbeit gefunden. Rund jeder Fünfte sei sozialversicherungspflichtig beschäftigt, schreibt die "Rheinische Post" unter Berufung auf das zur Bundesagentur für Arbeit gehörende Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). "Wenn sich der Beschäftigungszuwachs so fortsetzt, hat nach fünf Jahren die Hälfte der Zuwanderer eine Arbeit", sagte Herbert Brücker, Leiter des IAB-Forschungsbereichs Migration. Nach seinen Schätzungen dürften bis Jahresende monatlich 8500 bis 10.000 weitere Flüchtlinge einen Job finden. (SpiegelOnline)Die Europäische Union plant offenbar Ausgleichszahlungen, um Deutschland bei den Kosten, die durch die Aufnahme von Flüchtlingen entstehen, zu unterstützen. Das berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) unter Berufung auf EU-Kreise. Demnach sollen in der kommenden Haushaltsperiode 2021 bis 2027 etwa 4,5 Milliarden Euro von Brüssel nach Berlin fließen. Für jeden Nicht-EU-Bürger, der seit 2013 nach Deutschland gekommenen und gebliebenen ist, würden 2800 Euro veranschlagt, heißt es in dem Bericht weiter. Bundeskanzlerin Merkel war im Februar mit ihrer Forderung gescheitert, Mitgliedsstaaten, die sich der Aufnahme von Flüchtlingen verweigern, EU-Mittel zu kürzen. Die Idee, engagierte Staaten wie Deutschland zu belohnen, fand dagegen augenscheinlich Anklang in Brüssel. Wie die FAZ weiter berichtet, soll das Geld aus den Strukturfonds der EU entnommen werden. (SZ)
Auch die zweite Nachricht ist gut. Dass die EU große Summen für Deutschland bereitstellt, tut dem Fairnessgedanken viel. Nur leider hört man praktisch nichts davon, weil medial (und auch in Politikeräußerungen; looking at you, Andrea Nahles) ständig nur finis germania beschworen wird. Es ist eine dieser vielen "was wäre wenn"-Geschichten, bei denen mir immer noch unklar ist, warum die SPD nie versucht hat Kapital daraus zu schlagen. Man stelle sich Martin Schulz vor, den Kanzlerkandidaten oder Außenminister, der aus Brüssel als "seinen" Verhandlungserfolg EU-Milliarden zum Reparieren von Merkels großer Hauruck-Entscheiung mitbringt. Stattdessen versucht man, die CSU rechts zu überholen, weil solche Manöver für die SPD ja immer hervorragend geklappt haben und sie voll zu ihrem Markenkern passen. Man kann gar nicht so viel den Kopf schütteln.
7) Ein Desaster vor allem für Facebook
Zuckerbergs Desaster liegt vermutlich begründet in der Diskrepanz zwischen amerikanischer, öffentlichkeitsfixierter und europäischer, prozessual geprägter Politik. Man sollte diesen Unterschied der Kontinente nicht für sich werten, beide haben ihre Vorzüge und Probleme. Aber man kann mit Instrumenten, die auf die amerikanische Politik zugeschnitten sind, keine EU-Operation nebenbei durchführen. Zuckerberg hat amerikanische Antworten auf europäische Fragen gegeben. Ein EU-Exempel kommt auf uns zu, es wird teuer für Facebook und trotzdem wird es dabei nur Verlierer geben. "Ich habe sechs Ja-Nein-Fragen gestellt und keine einzige Antwort bekommen. Sie wollten dieses Format nicht ohne Grund", sagte ein Parlamentarier. Zuckerberg antwortete: "Ich werde sicherstellen, dass [...] Ihnen [schriftlich] die Antworten auf diese Fragen zugehen." Dann macht Zuckerberg mit beiden Händen eine irritierend gesprächsbeendende Geste. Er hat den PR-Teil gewonnen, glaubt er. Stimmt. Vielleicht denkt Zuckerberg, es sei jetzt vorbei. Ist es nicht. (SpiegelOnline)Sascha Lobo bietet eine interessante Perspektive hier. Tatsächlich ist Mark Zuckerbergs Vorgehen, wie Facebooks gesamter Firmenaufbau, ein immer offensichtlicheres Problem, und dass Zuckerberg das nicht einmal anerkennt ein schlechtes Zeichen. Und er hat auch Recht damit, dass Facebook als großes Objekt zum Statuieren eines Exempels auch nicht gerade gut ist, weswegen es in dem ganzen Konflikt eigentlich nur Verlierer gibt. Die Politik gerade in der EU stellt eine Inkompetenz und Ignoranz gegenüber Digitalthemen zur Schau, die einem den Atem stocken lässt (siehe auch Fundstück 8). Und die großen Digitalkonzerne zeigen ein Ausmaß an Selbstherrlichkeit und eingebildeter Souveränität, das genauso besorgniserregend ist.
Ich muss ehrlich sagen, dass ich wenig von den technischen Details verstehe, die in dieser Debatte umlaufen. Aber dass die Lösungen, die gefunden werden, wenig tragfähig sind (DSGVO!) ist offenkundig, und dass gigantische Problemkomplexe mit der immer weiter voranschreitenden Digitalisierung ihrer Lösung harren ebenso. Es ist wie früher der Autoverkehr, wo auch Stück für Stück Regulierungen gefunden werden mussten, je alltäglicher Autos und Autobesitz wurden. Und die digitale Sphäre hängt da deutlich hinterher, unter anderem wegen der landestypischen Weigerung hier, sich mit dem Thema konstruktiv auseinanderzusetzen ("Neuland").
8) Das Märchen von der digitalen Datensoße
Der Rohstoff-Vergleich negiert die wichtigste Eigenschaft von Daten: ihre Digitalität. Das Bild legt eine quasi-dingliche Betrachtung von Daten nahe und stützt so das Konzept "Dateneigentum", das Merkel auch gern verwendet. Dieser schädliche und juristisch absurde Begriff führt aber geradewegs in eine Welt, in der Fakten zum Eigentum von Unternehmen erklärt werden. Vor allem die deutsche Auto-Lobby scheint den Begriff "Dateneigentum" in die Politik eingebracht zu haben, wie ich von verschiedenen EU-Parlamentariern weiß. Das liegt meiner Einschätzung nach daran, dass die Hardware-fixierte Autoindustrie bisher zwar viele Daten produziert, aber damit noch nicht so richtig etwas anzufangen weiß. Irgendwie sind da Google und Apple besser. Mit dem Konzept "Dateneigentum" aber soll der Datenproduzent zum vermeintlich wichtigsten Akteur gemacht werden. Auch, wenn das jeder digitalen Logik widerspricht, denn der Wert von Daten liegt nicht im schieren Besitz, sondern in der Verarbeitung und Monetarisierung. (SpiegelOnline)Ein weiterer wichtiger Grundsatzartikel von Sascha Lobo. Es ist wirklich beeindruckend, wie sehr die deutsche Politik im Klauengriff der Autoindustrie hängt, dass die sogar die Digitalisierungspolitik (such as it is) entscheidend beeinflussen. Einerseits. Andererseits zeigt dieses Vorgehen der Autokonzerne auch, wie wichtig die digitale Sphäre inzwischen ist und wie sehr sie da hinterhängen. Ich habe nicht einmal ein deutsches Auto (fahre einen Ford), aber das Teil, mit dem ich den meisten Ärger habe, ist der Bordcomputer beziehungsweise die ganze Bordelektronik. Allein die Masse an Bluetooth-Verbindungsfehlern, die ungeheur unkomfortablen Eingabesysteme, grundlose Fehlermeldungen (und Motorbremsen) und so weiter. Es ist eine Branche, die viel verschlafen hat, und wie jede große Branche mit gewaltiger Lobbypower nutzen sie diese, um möglichst lange zu kaschieren, dass sie Bockmist gebaut haben, statt nach vorne zu schauen. Man sehe sich in dem Zusammenhang nur mal den Diesel an...
Die miserable Digitalisierungspolitik praktisch sämtlicher deutscher Parteien ist auch der einzige Grund, warum ich dem Ableben der Piraten als politischer Kraft hinterhertrauere. Es wäre schön gewesen, wenn die hier stärkere Impulse geblieben wären, aber gegen die ungeheure deutsche Bräsigkeit auf diesem Gebiet kommt wirklich gar nichts an habe ich den Eindruck.
9) "This is what power looks like": As Trump prepares for 2020, Democrats are losing the only fight that matters
So when Trump claims that he is the victim of a “DEEP STATE” conspiracy designed to undercut his presidency—#SPYGATE!—our political conversation suddenly becomes premised on a lie, but his lies are nevertheless the terms of the debate. The conservative echo chamber falls in line behind Trump to amplify the noise, repeating his claims without scrutiny. Even the mainstream press slips and muddies the waters, as when The New York Times blithely repeated Rudy Giuliani’s one-sided claim that Robert Mueller plans to wrap up his investigation into whether Trump obstructed the Russia investigation by September 1. How can Democrats possibly compete with this information overload? “The way to disempower Trump is to ignore him, but it’s too hard even for his opponents to do it,” Wu told me over the phone recently. “It has to be a pure attention battle. If you were another network and Trump was I Love Lucy, what do you do? You can’t necessarily spend all your time criticizing I Love Lucy because that will just build it up. You need your own programming and to develop your own characters and celebrities who have to be as interesting and compelling. You need to have your own show. And I don’t think Democrats have their own show other than the ‘I Hate Trump’ show.” (Vanity Fair)
Es ist eine Menge Wahrheit in diesem Absatz. Denn tatsächlich sind Mahnungen an die Adresse der Democrats, nicht nur gegen Trump Wahlkampf zu machen, wohlfeil. Keine Sau interessiert sich für policy, weswegen eine Konzentration auf dieses Feld elektoraler Irrsinn wäre (auch so eine Lehre, die man aus der Niederlage von HRC ziehen kann). Praktisch sämtliche Aufmerksamkeit konzentriert sich auf Trump, er saugt sie auf wie ein schwarzes Loch. Die Democrats haben keine Chance, dem ein disparates Feld von 468 Einzel-Wahlkämpfen als Gegenerzählung anzubieten. Die Midterms 2018 werden, wie praktisch alle Midterms zuvor, über die Rolle des Präsidenten definiert werden und nichts anderes.
Man sollte generell vorsichtig sein, die Wirkung von Wahlkämpfen zu überschätzen, vor allem in den Midterms. Das Ergebnis 2018 entscheidet sich hauptsächlich an den Zustimmungsraten zu Trump, und die hängen zu einem guten Teil von Faktoren ab, die der Kontrolle beider Parteien enthoben sind. Das Argument, man könne nicht erfolgreich nur auf eine Anti-Trump-Botschaft setzen, ist zudem Quatsch. Die Republicans hatten kein Problem, 2010 und 2014 große Erfolge mit einem puren Anti-Obama-Wahlkampf zu machen; die Democrats siegten 2006 auf einer Anti-Bush-Welle.
Zum einen ist natürlich klar, dass diese Themen im Mainstream gut ankommen, dass sie gerade in der bürgerlichen Mittelschicht einen positiven Anklang haben. Deswegen soll das als Türöffner benutzt werden. Aber es ist auch wichtig festzuhalten: Wenn Rechte sich mit Natur- und Umweltschutz beschäftigen, dann ist das nicht nur vorgeschoben, aus strategischen Gründen. Bestimmte Vorstellungen von Umwelt und Natur sind zentrale Themen in einem rechten Weltbild, sich damit zu beschäftigen liegt in ihrem eigenen politischen Interesse. [...] Aus meiner Sicht wäre das Wichtigste, dass man sich noch mal stärker mit der eigenen Geschichte auseinandersetzt, sich traut, sich mit den Anfängen der Bewegung zu beschäftigen. Dann kann man feststellen, welche problematischen Konzepte vielleicht zu unkritisch übernommen wurden. [...] Da gibt es zum Beispiel das Thema Neobiota, also die sogenannten gebietsfremden Arten. Da wird sehr schnell gesetzt: Fremd ist gleich schlecht. Aggressiv-invasiv zum Beispiel ist ein Begriff, den es in der Wissenschaft eigentlich gar nicht gibt, der aber häufig verwendet wird. Und Rechte übertragen das dann nur zu gerne auch auf gesellschaftliches Zusammenleben. Dahinter steht aber auch die Frage, welches Verständnis von Naturschutz man hat: Muss die Natur konserviert werden, oder darf es da auch Veränderung und Dynamik geben? (taz)
Überhaupt ist es wesentlich wahrscheinlicher, von einem Hund gebissen oder gar getötet zu werden als von einem Wolf. Dem statistischen Bundesamt zufolge sterben in Deutschland pro Jahr eine bis sechs Personen an den Folgen eines Hundebisses. In den letzten 40 Jahren hat es dem norwegischen Wolfsforscher John Linnell zufolge in ganz Europa dagegen keinen einzigen tödlichen Wolfsangriff gegeben. [...] Als im Februar im Bundestag über das Thema gesprochen wurde, meldeten sich trotzdem gleich aus drei Parteien Abgeordnete zu Wort, die gern die Jagd auf Wölfe erlauben möchten, zumindest ein bisschen. Den Vogel schoss wie zu erwarten ein Vertreter der einzigen auf irrationale Ängste spezialisierten Bundestagspartei ab: Der AfD-Abgeordnete Karsten Hilse behauptete, Wölfe liefen "immer öfter seelenruhig durch Dörfer und an Bushaltestellen vorbei, an denen nur wenige Stunden zuvor Kinder auf ihren Schulbus warteten". Rotkäppchen, ick hör Dir trapsen. Vermutlich machen der AfD auch die ständigen illegalen Grenzübertritte zu schaffen, die nun mal zum Wesen des Wolfs gehören. [...] So ein Wolfsangriff sei "ein Trauma für Mensch und Tier" hat Andreas Schenk vom Bundesverband der Berufsschäfer kürzlich bei einer Anhörung in einem Bundestagsausschuss gesagt, was man sich gut vorstellen kann. So eine Szene muss Horrorfilmqualität haben. Dann aber fügte Schenk einen Satz hinzu, der sehr schön zeigt, dass der Wolf hierzulande trotz allem eher ein emotionales als ein praktisches Problem ist: "Schon die Angst davor", sagte der Schäfer, "ist unerträglich". (SpiegelOnline)Ich werde nie müde werden, die Gedankenwelt der Rechten faszinierend zu finden. Wie eingebildete Ängste da mit Biologismen vermischt werden ist beachtlich. Der gleiche Kram findet sich natürlich auch auf der Linken, die Grünen sind ja geradezu auf Naturesoterik gegründet worden. Aber ist es ist spannend zu sehen, dass das eben kein auf diese Gruppe beschränktes Phänomen ist. Das erklärt auch den großen Überlapp der traditionell sehr konservativen baden-württembergischen Kleinbauernschaft und den Grünen hier im Ländle (und warum deren Erfolg in anderen Bundesländern nicht einfach reproduzierbar ist).
Die Story erinnert mich generell an ein Seminar, das ich im Geschichtsstudium besucht habe, wo es um die Geschichte des Umweltschutzes ging. Die Nazis waren die ersten, die eine staatliche Umweltpolitik betrieben, wobei die natürlich wie alles, was die angefasst haben, in gigantische Widersprüche gekleidet war: auf der einen Seite eine industrialisierte Massenproduktion für ein modernes Deutschland, aber auf der anderen Seite bitte in Handarbeit von kernigen arischen Bauern. Solche Widersprüche finden sich in der Naturschutzbewegung ja sehr häufig.
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