Sonntag, 17. Mai 2020

Die große Podcast-Liste

Ich wurde schon vor einer Weile mal gebeten, eine Liste der Podcasts aufzuschreiben, die ich höre. Es gibt - seit Corona sowieso - eine solche Menge qualitativ hochwertiger Podcasts, dass es schwer ist, da die Spreu vom Weizen zu trennen. Daher will ich hier eine Auflistung und kurze Einordnung der Podcasts machen, die ich höre oder mal gehört habe. Die Idee hinter der Liste ist, dass sie permanent aktualisiert wird, ähnlich meiner Liste zu den TV-Serien, die ich gesehen habe (oder an irgendeiner Stelle abgebrochen). Die Auflistung innerhalb der folgenden Kategorien ist alphabetisch und stellt keine Präferenz dar. Und bevor die Frage kommt: Ich höre alle der aufgelisteten Podcasts. Woher nehme ich die Zeit? Ich höre Podcasts beim Pendeln zur Arbeit, beim Sport und bei der Hausarbeit, und auch sonst immer wenn ich etwas tue, bei dem man nebenher etwas hören kann.

The Boiled Leather Audio Hour (Englisch, ca. 2-3 Folgen pro Monat, ca. 50-60 Minuten pro Folge) Sorry, ich muss gleich am Anfang ein wenig betrügen. Die Boiled Leather Audio Hour ist der Podcast, den ich zusammen mit Sean T. Collins seit 2011 betreibe. Unser Hauptthema ist die Buchreihe "Das Lied von Eis und Feuer" (warum sollte ich das lesen?), die mittlerweile durch "Game of Thrones" weltberühmt geworden ist. Wir haben einen Patreon mit zahlreichen interessanten Bonus-Angeboten für Unterstützer des Podcasts und freuen uns natürlich über jeden Dollar, der in unsere Richtung fließt. :) Wenn ihr mit dem Thema oder Popkultur generell (wir sprechen auch über Dinge abseits des ASOIAF-Universums) etwas anfangen könnt, checkt den Podcast. :) Selbst wenn ihr den Podcast nicht anhört, würde ich mich immer freuen wenn ihr in verbreitet und auf Apple Podcasts die Bestwertung hinterlasst :P

NERDSTREAM

Was Nerdstream ist, habe ich hier erklärt. Ich denke, es ist ein ziemlich nachvollziehbares Konzept. Die Themen sind hier sind teilweise reichlich speziell, was die Interessenlage angeht, aber das werdet ihr gleich selbst sehen... :)

Culturally Relevant (Englisch, ca. 1-2 Folgen pro Monat, ca. 60 Minuten pro Folge) David Chen redet in diesem Podcast hauptsächlich über Filme. Meistens hat er einen Gast und diskutiert über relevante Neuerscheinungen. Dabei konzentriert er sich nicht auf die Blockbuster, die gerade im Kino laufen, sondern, wie der Name des Podcasts bereits andeutet, kulturell relevante Filme. Das können sowohl eher unbekannte Dramen sein als auch die von Disney veröffentliche Making-Of-Doku für "The Rise of Skywalker", die dann Anlass ist, eine generelle Analyse dieses Films sowie des Genres der Making-Of-Dokus zu starten.

Learned Hands (Englisch, ca. 1-2 Folgen pro Monat, ca. 70-80 Minuten pro Folge) Der kalifornische Staatsanwalt Clint Woods und die texanische Anwältin Merry Wan sind beide große ASOIAF-Fans und haben eigene Blogs, YouTube-Kanäle und empfehlenswerte Twitter-Accounts, auf denen sie unter anderem aus ihrer besonderen Perspektive als Rechtsgelehrte über die Serie schreiben. In diesem Zusammenhang hatte ich Clint bereits in meinem eigenen Podcast mehrmals zu Gast (hier, hier). Die beiden haben ihren eigenen Podcast begonnen, in dem sie ihre Profession auf Themen aus Westeros anwenden. Hat Robb Starks Testament Gültigkeit? Ist der Eid der Nachtwache von Verfassungsrang? Brach Lord Manderly das Gastrecht? Der Podcast ist für Fans der Materie nur zu empfehlen.

Not A Podcast (Englisch, ca. 4-5 Folgen pro Monat, ca. 100 Minuten pro Folge) Emmet Booth, mit dem ich 2016 einen Podcast zur amerikanischen Präsidentschaftswahl gemacht habe, der auch mehrmals bei meinem Podcast zu Gast war (hier, hier) und der einen großartigen Blog unterhalten hat, und BryndenBFish, ein bekannter Reddit-Moderator und Blogautor, haben sich zusammengetan um dieses monumentale Podcast-Projekt auf die Beine zu stellen. Pro Woche besprechen die beiden in chronologischer Reihenfolge ein Kapitel aus dem "Lied von Eis und Feuer", was nicht selten mehr Zeit in Anspruch nimmt als die Lektüre des Kapitels. Der Podcast ist innerhalb kürzester Zeit zum mit Abstand größten und bedeutendsten ASOIAF-Podcast geworden und ermöglicht den beiden mittlerweile ein sehr komfortables hauptberufliches Auskommen. Die Qualität des Inhalts ist gigantisch, beide machen den Job hervorragend. Kann nur empfohlen werden.

Space Cats Peace Turtles (Englisch, ca. 3 Folgen pro Monat, ca. 90 Minuten pro Folge) Ich habe immer wenig Geheimnis darum gemacht, dass ich Twilight Imperium für das beste Brettspiel aller Zeiten halte. Matt Martens und Hunter Donaldson stimmen mir da zu. Allein die 2017 erschienene vierte Edition des Spiels, der dieser Podcast gewidmet ist, hat es (Stand Mai 2020) auf 138 Episoden dieses anderthalb- bis zweistündigen Podcasts gebracht. Wer sich jetzt am Kopf kratzt und fragt, wie man so viel und so lange über ein einziges Brettspiel reden kann, hatte noch nie das Vergnügen, eine Runde Twilight Imperium zu spielen. Wer es sich kaufen will, darf dazu gerne den Amazon-Affiliate-Link hier verwenden.

Steel Strategy's Unnamed Armada Podcast (Englisch, ca. 1-2 Folgen pro Monat, ca. 90 Minuten pro Folge) Das Autorenteam um den Blog Steel Strategy beschäftigt sich mit dem Tabletop "Star Wars Armada". Ich spiele es seit 2016, und ich will nicht behaupten, dass ich in dem Spiel sonderlich gut wäre, aber zumindest beherrsche ich  es soweit, dass ich den Themen in diesem Podcast folgen kann. Ich finde die Berichte von Turnieren weniger spannend, aber die Diskussionen über bestimmte Karten und Strategien sind ebenso erhellend wie die Meta-Analysen, die von den Autoren unternommen werden.

POLITIK/ZEITGESCHEHEN

Hier fasse ich Podcasts über alles, was aktuell so in der Welt vor sich geht. Üblicherweise sind das politische Themen, aber nicht ausschließlich. Ich höre eigentlich keine Nachrichtenpodcasts, in denen einfach nur die Geschehnisse des Tages kommentiert werden (die gibt es aber tausendfach), sondern eher solche, die bestimmte Themen beleuchten. Interessant für mich sind vor allem die Podcasts, die Hintergründe liefern oder neue Themen beleuchten.

Das Corona-Virus Update mit Christian Drosten (Deutsch, ca. 2 Folgen pro Woche, ca. 30-40 Minuten pro Folge) Kein Podcast ist in Deutschland so schnell so berühmt geworden wie das NDR-Feature, das anlässlich der Corona-Pandemie 2020 ins Leben gerufen wurde. Christian Drosten, der Leiter der Virologie der Berliner Charitée, erwies sich - manchmal zu seinem Leidwesen - als krasser Glücksgriff für den Sender. Mit hoher wissenschaftlicher Integrität und persönlichem Charisma erklärte er mehrmals pro Woche die aktuellen Entwicklungen um die Covid-19-Pandemie. Drosten wie auch das Journalistenteam widerstanden standhaft der Versuchung zur Sensationalisierung oder Polarisierung und verweigerten sich auch mit Drostens zunehmendem Bekanntheitsgrad, das hohe Niveau der Sendung zu vernachlässigen, die so für hunderttausende von Hörern ein Stabilitätsanker einer sich rapide wandelnden, chaotischen Umwelt wurde. Der Podcast ist Journalismus, wie er sein sollte, eine Sternstunde für die Zunft.

Der Politik-Podcast (Deutschlandfunk) (Deutsch, ca. 1 Folge pro Woche, ca. 25 Minuten pro Folge) In diesem Podcast der Deutschlandfunk-Redaktion werden aktuelle Themen genauer beleuchtet und die Hintergründe erklärt. Das kann der Streit um die nukleare Teilhabe sein, das EZB-Urteil des BVerfG oder was auch immer sonst die Republik beschäftigt und nicht unbedingt sofort jedem Laien überhaupt verständlich ist. Der Podcast ist klassische journalistische Arbeit; so werden eigentlich immer Experten unterschiedlicher Richtung interviewt und mehrere Standpunkte deutlich gemacht, ohne zu einem abschließenden Urteil zu kommen. Stattdessen ist das Podcast-Team sehr gut darin, die Hintergründe einer Kontroverse deutlich zu machen, so dass klar ist, um was es eigentlich geht - und man sich von dort aus ein eigenes Urteil bilden kann.

Europa Heute (Deutsch, ca. 5 Folgen pro Woche, ca. 6 Minuten pro Folge) Jede Woche nimmt die Deutschlandfunk-Redaktion sich eines aktuellen europäischen Themas an und beleuchtet es in einer täglichen Folge unter verschiedenen Blickwinkeln. So wurde beispielsweise das Kriegsende 1945 aus Sicht der Niederlande reflektiert oder der Konflikt um das polnische Verfassungsgericht zum Anlass genommen, die Hintergründe in Polen genauer zu beleuchten. Immer kommen dabei auch "Menschen auf der Straße" zu Wort, die von den Journalisten interviewt werden, wenngleich der größte Teil der Gesprächspartner natürlich Experten bleiben.

Hintergrund (Deutschlandfunk) (Deutsch, ca. 5 Folgen pro Woche, ca. 18 Minuten pro Folge) In einem weiteren täglichen Podcast geht der Deutschlandfunk auf die Hintergründe aktueller Themen ein. Was auch immer die Politik aktuell beschäftigt, wird hier näher erklärt. Wurde an einem Tag über eine Steuerrechtsreform im Agrarsektor diskutiert, erfahren wir die Hintergründe für die Agrarbetriebe. Wurde über außenpolitische Themen gesprochen, erfahren wir hier - na? - den Hintergrund. Sehr informativer, ausgewogener und empfehlenswerter Podcast.

NDR-Info: Streitkräfte und Strategien (Deutsch, ca. 2 Folgen pro Monat, ca. 24 Minuten pro Folge) Thematisch sehr speziell ist dieser NDR-Podcast, der Nachrichten aus der Welt der Sicherheitspolitik liefert. Üblicherweise werden pro Folge drei Themen behandelt, die in den letzten zwei Wochen aufgekommen sind. Nur selten sind das Themen, die es auf die Titelseiten der Zeitungen geschafft haben. Es geht etwa um aktuelle Beschaffungsprojekte der Bundeswehr, laufende Manöver, neue Entwicklungen in der Bündnispolitik und Ähnliches. Sehr informativ und für alle, die hier mitreden wollen, ein absolutes Muss, wenngleich es häufig recht technisch zugeht.

Sicherheitshalber (Deutsch, ca. 1 Folge pro Monat, ca. 60-90 Minuten pro Folge) Ich kann mich mit Fug und Recht als Sicherheitshalber-Hipster bezeichnen, ich höre den Podcast seit der zweiten Folge und damit bevor er cool war. Nur wenige Podcasts sind innerhalb kürzester Zeit so bekannt geworden wie Sicherheitshalber. Die vier Macher - Thomas Wiegold, Carlo Masala, Frank Sauer und Rike Franke - haben eine klare Lücke entdeckt (sicherheitspolitische Informationen und Diskussionen in deutscher Sprache) und sich entschlossen, sie zu füllen. Und das machen sie brillant. Nicht nur haben die vier einen wunderbaren Rapport und schaffen es, disziplinierte und informative Diskussionen zu sicherheitspolitischen Themen durchzuführen, die sowohl kontrovers als auch gewinnbringend sind; sie schaffen es auch, diese so zu strukturieren, dass man zuerst informiert wird und dann aus der Kontroverse Gewinn ziehen kann. Absolute Hörempfehlung!

Verfassungsblog - Corona Constitutional (Deutsch, ca. 3 Folgen pro Woche, ca. 18 Minuten pro Folge) Ein weiteres Kind der Corona-Krise ist der Podcast des Verfassungsblogs, in dem die Autoren des Blogs (meist Max Steinbeis, gelegentlich aber auch andere) mit Experten aus der Welt des Verfassungsrechts aktuelle verfassungsrechtliche Fragen behandeln. Davon gibt es im Zusammenhang mit Corona eine ganze Menge, aber man sollte vom etwas unglücklich gewählten Titel des Podcasts nicht annehmen, dass Corona das einzige Thema wäre. Gerade die umstrittene EZB-Entscheidung "ultra vires" etwa hat nichts mit Corona zu tun, beschäftigte den Podcast aber über viele Folgen. Sehr informativ, gutes Format, empfehlenswert!

DELIBERATION

Essay und Diskurs (Deutschlandfunk) (Deutsch, ca. 1 Folge pro Woche, ca. 30 Minuten pro Folge) Ein stark feuilletonistisch geprägter Podcast ist "Essay und Diskurs", in dem im Umfang einer halben Stunde eher philophischere Themen verhandelt werden. Damit meine ich nicht direkt philosophisch im Sinne der Disziplin, sondern Themen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aus einer philosophischen Blickrichtung - weniger auf die aktuelle Debatte oder konkrete Politiken bezogen, sondern die theoretische Unterfütterung dahinter. Das ist nicht 100% mein Ding, weswegen ich diesen Podcast nicht mit derselben Regelmäßigkeit höre wie die anderen hier gelisteten Formate.

FAZ Essay (Deutsch, ca. 1 Folge pro Woche, ca. 20-25 Minuten pro Folge) Sehr ansprechend ist der Essay-Podcast der FAZ. Persönlichkeiten der intellektuellen Elite - meist ProfessorInnen - schreiben ein Essay zu einem bestimmten Thema, das dann hier vertont wird. In früheren Folgen griff die FAZ auch gerne auf ihr umfangreiches Feuilleton-Archiv zurück, aber inzwischen handelt es sich eigentlich immer um neue Texte. Die Themen sind sehr breit gestreut. Konservative und progressive Positionen kommen beide zu ihrem Recht, wenngleich wegen der konservativen Ausrichtung der Zeitung erstere überwiegen. An der Qualität des Materials ändert das wenig, stattdessen erweitert es den Horizont und schärft im Zweifel die eigenen Fakultäten im Widerspruch.

Hörsaal (Deutschlandfunk) (Deutsch, ca. 1 Folge pro Woche, ca. 50-60 Minuten pro Folge) Das Podcast-Format "Hörsaal" transportiert Vorträge von Wissenschaftlern und Fachleuten zu einem breiteren Publikum; die Redaktion übernimmt eigentlich nur kuratierende Funktion. Die Themenauswahl ist sehr breit. Naturwissenschaftliche Themen (angesichts von Corona etwa zur Impfstoffentwicklung) stehen neben historischen (auch aus verwandten Disziplinen wie Ur- und Frühgeschichte) und vielem mehr. Auch hier gilt: ich höre nicht jede Folge. Wenn mich etwas nicht interessiert, überspringe ich auch mal eine Ausgabe.

Politisches Feuilleton (Deutschlandfunk) (Deutsch, ca. 5 Folgen pro Woche, ca. 3-4 Minuten pro Folge) Ein merkwürdiger Eintrag ist dieser Podcast. Mit einer Länge von kaum vier Minuten pro Folge hat man immer das Gefühl, dass es den Download kaum lohnt (macht meine App zum Glück automatisch). Was das Format liefert sind klassische Meinungskommentare zum aktuellen Tagesgeschehen, wie die typische Kommentarspalte in Zeitungen, in denen der Chefredakteur seine Meinung zum Weltgeschehen kundtun darf, wo andernorts die Fiktion objektiver Unabhängigkeit aufrechterhalten wird.

Why is this Happening, with Chris L. Hayes (Englisch, ca. 1 Folge pro Woche, ca. 50 Minuten pro Folge) Chris Hayes ist der wohl beste (politische) Moderator, den ich kenne. Niemand ist so genuin an einer Konversation interessiert wie er, so begierig, etwas Neues zu lernen und sich mit den Thesen seiner Gesprächspartner ernsthaft auseinanderzusetzen. Seine tägliche Show "All In with Chris Hayes" verfolge ich zwar nicht, weil ich generell wenig tagesaktuelle Nachrichten konsumiere, aber sein Podcast ist eine Offenbarung. Spannende Gesprächspartner, viele unterschiedliche Themen und neben Hayes' charakterlichen Vorzügen seine intellektuelle Brillanz sprechen für sich.

GESCHICHTE

Anno Punkt Punkt Punkt (Deutsch, ca. 1-2 Folgen pro Monat, ca. 30-60 Minuten pro Folge) Wer sich auf einem ernsthaften Niveau für Geschichte studiert, kommt um Anno Punkt Punkt Punkt in meinen Augen nicht herum. Es ist der beste deutschsprachige, geschichtswissenschaftliche Podcast den ich kenne. In jeder Folge interviewt Philipp Janßen eineN GesprächspartnerIn über deren aktuelle Forschungen. Auf diese Art scheint er ein Schlaglicht auf zahlreiche DoktorantInnen und Habil-SchreiberInnen, die einem breiteren Publikum sonst verborgen bleiben würden. Die Themen sind, wie üblich in der Zunft, sehr speziell. Aber gerade darin besteht der eine große Reiz des Podcasts. Der andere liegt darin, dass Janßen und seine Gesprächspartner geschichtswissenschaftlich miteinander diskutieren. Der aktuelle Forschungsstand, die jeweilige Methodik und die Quellenlage bekommen daher gebührenden Raum. Absolut empfehlenswert.

Dan Carlin's Hardcore History (Englisch, ca. 1-2 Folgen pro Jahr, ca. 5-6 Stunden pro Folge Der wohl berühmteste Geschichtspodcast überhaupt ist Hardcore History von Dan Carlin. Der ehemalige Radiomoderator ist ein grandioser Geschichtenerzähler; seine wohl recherchierten Podcast-Serien haben den Umfang von Hörbüchern und erscheinen entsprechend selten. Man muss sich klar machen, dass es sich um populärwissenschaftliche Unterhaltungssendungen handelt, aber die Narrative haben eine gewaltige Kraft, und Carlin setzt auch ausführlich und mit großem Effekt Quellen ein. Der Name der Show kommt von der Herangehensweise Carlins, den "the extremes of the human experience" interessieren - weswegen grausamer Tod eine hervorgehobene Rolle in all seinen Episoden spielt. Das sollten zartbesaitetere Gemüter vorher wissen.

Dan Carlin's Hardcore History Addendum (Englisch, ca. 4-5 Folgen pro Jahr, ca. 60-90 Minuten pro Folge) Der größte Kritikpunkt aller Carlin-Fans war schon immer, dass zu wenig neue Folgen erscheinen. Seit Kurzem veröffentlicht Carlin daher "Addendum", eine deutlich weniger ambitionierte Show, die kleinere Bereiche (etwa den Untergang der U.S.S. Indiana 1944) beleuchtet oder Interview mit Historikern führt. Die Show ist natürlich auch gut gemacht und unterhaltsam, aber kommt an den "großen Bruder" Hardcore History nicht heran.

Eine Stunde History (Deutschlandfunk) (Deutsch, ca. 1 Folge pro Woche, ca. 40 Minuten pro Folge) Diese Sendung des Deutschlandfunks richtet sich theoretisch an ein interessiertes, junges Laienpublikum, aber ich bezweifle, dass allzu viele Jugendliche diese Sendung abonniert haben. Das macht aber nichts, denn interessant aufgemacht ist sie auch für ältere Semester und selbst für Experten auf dem jeweiligen Gebiet, wenngleich die didaktische und eher populärwissenschaftliche Zielrichtung kaum zu übersehen ist.

NDR-Info: Zeitgeschichte (Deutsch, ca. 1 Folge pro Monat, ca. 25-30 Minuten pro Folge) Ähnlich dem "Streitkräfte und Strategien"-Podcast wird in diesem NDR-Format in jeder Folge ein größeres Thema verhandelt, aber auch kleineren Themen ihr Raum gegeben. Häufig, wenngleich nicht immer, gibt es irgendwelche konkreten Anlässe, sich eines Themas anzunehmen, etwa in Jubiläum oder eine neu entbrannte Debatte. Dabei fließen auch Quellen und Zeitzeugenberichte stark ein, ohne dass eine geschichtswissenschaftliche Einordnung erfolgen würde, weswegen dieses journalistische Format eher in den Bereich der Unterhaltung denn der wissenschaftlichen Debatte einzuordnen ist; Erkenntnisgewinn kann man natürlich trotzdem daraus ziehen.

Pessimist's Archive (Englisch, ca. 1 Folge pro Monat, ca. 40-50 Minuten pro Folge) Dieser Podcast hat es sich zum Ziel gesetzt, Fortschrittsskeptizismus zu erkunden. Die Produktionswerte sind extrem hoch; das Format ist sehr professionell. Leider schlägt sich das auch in einem recht großen Werbeanteil zubuche. Der Unterhaltungswert macht dies aber allemal wett. Inhaltlich behandelt Jason Feifer alle möglichen Neuigkeiten über die letzten zwei Jahrhunderte, von der Margarine über das Fahrrad und den Aufzug bis hin zum Spiegel, und zeigt uns, warum die Gesellschaft in ihnen den Untergang des Abendlandes erblickte. Während die spezifischen Hintergründe, hervorragend recherchiert, in jedem Falle andere sind, ist der eigentliche Effekt der, zu erkennen, dass die Gesellschaft sich IMMER gegen neue Dinge wehrt und diese mit denselben Argumenten verteufelt. Aktuell sind das halt Smartphones. Aber wir können sicher sein, dass es bald etwas anderes sein wird.

ABGESCHLOSSEN/AUFGEHÖRT

Chernobyl (Englisch, 5 Folgen, ca. 50 Minuten pro Folge) Die beeindruckende HBO-Serie wurde bei ihrer Ausstrahlung 2019 von diesem Podcast der Macher begleitet, in denen einige historische Hintergründe genauer erklärt und Eigenheiten des Produktionsablaufs genauer erklärt werden. Das Format nimmt die Struktur eines Interviews mit dem Serienproduzenten Craig Mazin an (der Podcast nennt es eine Diskussion), aber da das Format von HBO selbst stammt, wird man mit Sicherheit keine kritische Auseinandersetzung erwarten dürfen. Für Interessierte aber ist der Podcast rundum zu empfehlen, vor allem, wenn man die Serie noch nicht kennt oder noch einmal ansehen will.

Dan Carlin's Common Sense (Englisch, 316 Folgen, ca. 45-90 Minuten pro Folge) Dan Carlin's erster Podcast war Common Sense. Anders als seine Geschichts-Podcasts hat mich sein Politik-Podcast nie begeistern können. Carlins Positionen sind zu uninteressant, als dass sie mich die 316 Folgen getragen hätten, und ich finde allein das Branding vom gesunden Menschenverstand bereits als anmaßend. Letztlich ist Carlin damit auch aus der Zeit gefallen; als Libertärer mit seiner immer gleichen Forderung nach einer grundlegenden, aber merkwürdig unbestimmt bleibenden Reform des amerikanischen Politiksystems hin zu Third-Party-Candidates ist er in Zeiten der heutigen Polarisierung kaum mehr satisfaktionsfähig - mit Sicherheit einer der Gründe, warum er den Podcast de facto aufgegeben hat.

Mynock Squadron Podcast (Englisch, ca. 2 Folgen pro Monat, ca. 120 Minuten pro Folge) Analog zu "Star Wars Armada" habe ich auch einen guten Podcast zum Miniaturenspiel "Star Wars X-Wing" gesucht; der einzige, bei dem ich mehr als eine Folge geblieben bin, war der von Mynock Squadron. Halten konnten mich die Gastgebers des Programms aber nicht. Ich empfand die Produktionswerte einfach als zu schlecht; offensichtlich wurde die Unterhaltung nicht sonderlich stringent editiert, so dass lange Gesprächspausen, Stottern etc. nicht editiert wurden. Die Neigung der Gastgeber zum mäandernden Gelaber tat dann ihr Übriges. Zu viel Spreu im Weizen, gewissermaßen.

Realitätsschock (Deutsch, 3 Folgen, ca. 60 Minuten pro Folge) Ende 2019 begann Sascha Lobo als Begleitung zu seinem brillanten Buch "Realitätsschock", das ich hier rezensiert habe, einen Podcast zu veröffentlichen, in dem für jedes Kapitel seines Buches einE passendeR GesprächspartnerIn erscheinen sollte. Den Anfang machte Jan Böhmermann, eine weitere Episode hatte Luisa Neubauer zu Gast. Ich mochte den Podcast genug, um auch die restlichen Episoden anzuhören, aber aus mir unbekannten Gründen hat Lobo die Produktion eingestellt, weswegen nur diese drei Episoden verfügbar sind.

Revolutions (Englisch, ca. 2 Folgen pro Monat, ca. 40 Minuten pro Folge) Mike Duncan ist nach Dan Carlin der wohl berühmteste Geschichts-Podcast-Macher. Seinen Ruhm erwarb er mit der Serie zur römischen Geschichte (siehe unten), aber seither verfolgt er die Serie "Revolutions", in der er, wenig überraschend, die großen Revolutionen der Weltgeschichte nacherzählt. Die Serie ist qualitativ hochwertig, gut recherchiert und ordentlich erzählt, wenngleich ihr die erzählerische Stärke eines Dan Carlin fehlt. Ich habe irgendwann in der bolivarischen Revolution aufgehört, sie zu hören, weil mein Interesse für das Thema nicht groß genug war, aber vor allem, weil die englische Sprache ein echtes Hindernis darstellt, wenn es um nicht-englische Sprachgruppen geht. Bereits in der französischen Revolution war die Aussprache der Akteure für mich problematisch, aber wenn man die Leute gar nicht erst kennt und sie dann auch nicht nachschauen kann, weil man keine Ahnung hat wie man sie schreibt, wird alles ein bisschen zu Hintergrundrauschen.

The History of Rome (Englisch, 179 Episoden, ca. 30 Minuten pro Folge) In seiner langen Serie zur römischen Geschichte verfolgt Mike Duncan dieselbige von der Gründung Roms und der Königszeit bis zum Untergang im 5. Jahrhundert nach. Sehr gut recherchiert und voller Sachverstand gibt es vor allem zwei Kritikpunkte zu bemängeln. Der erste wurde Duncan selbst zurückgespiegelt, weswegen er ab ungefähr Folge 100 wenigstens teilweise dagegen anzugehen versucht: Eine starke Konzentration auf die in den Hauptquellen prominent vertretenen "Großen Männer" der Geschichte und eine weitgehende Vernachlässigung der Alltags-, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte zugunsten politischer Entscheidungen und Feldzüge. Der zweite ist derselbe wie bei Revolutions: Für einen Nicht-Muttersprachler ist die englische Aussprache des Lateinischen extrem gewöhnungsbedürftig, aber dafür kann natürlich Duncan nichts.

Odyssey - The Podcast (Englisch, 14 Folgen, ca. 90 Minuten pro Folge) Jeffrey Wright ist ein kanadischer Geschichtenerzähler, der seinen Lebensunterhalt mit dem Erzählen der großen Sagen verdient. In Podcast-Form gibt er nicht nur die grandios erzählte Langform der Odyssee zum Besten, sondern ergänzt jede Episode auch noch um Hintergrundinformationen der Geschichte der Bronzezeit, die die Vorgänge verständlich machen - vor allem im Bereich der Alltagsgeschichte. Das macht die scheinbar erratische Verhaltensweise vieler Hauptpersonen überhaupt erst nachvollziehbar und eröffnet faszinierende Einblicke in die homerische Welt.

Trojan War - The Podcast (Englisch, 20 Folgen, ca. 90 Minuten pro Folge) In Jeffrey Wrights erstem Projekt, der Nacherzählung des trojanischen Krieges, zeigen sich dieselben Qualitäten wie bereits bei der Odyssee. Besonders hervorzuheben ist Wrights große Transparenz bei der Auswahl des Stoffes; wie vielleicht bekannt deckt Homers "Ilias" nur einen kleinen Ausschnitt des eigentlichen Kriegsgeschehens ab, während große Teile der Geschichte aus zahllosen anderen Quellen zusammengepuzzelt werden müssen - und wie bei Superhelden heute gibt es viele verschiedene Quellen und Kontinuitäten.

The Weeds (Englisch, ca. 1 Folge pro Woche, ca. 60 Minuten pro Folge) Dieser vox.com-Podcast mit Matthew Yglesias sollte eigentlich meine Sensibilitäten voll bedienen, tut es aber aus mir nur eingeschränkt nachvollziehbaren Gründen nicht. Einerseits empfinde ich die Menge an Werbung abtörnend, andererseits aber auch die starke Parteinahme des Gastgebers und seiner Gäste, die Neigung zu leerem Reden und auch die zu tagesaktuelle Ausrichtung des Programms. Ich habe einfach kein großes Interesse an einem Podcast, in dem die politische Entwicklung der Woche noch einmal litigiert wird und in dem ich erfahre, was für schlechte Menschen die Republicans sind, das wusste ich bereits vorher. Dazu kommt die maßlose Überschätzung der tagesaktuellen Ereignisse, wie etwa während des Impeachment. Alle atemlos vorgetragenen wöchentlichen Enthüllungen waren letztlich bedeutungslos, und es war von Anfang an ersichtlich, weswegen ich - vielleicht zu Unrecht - die wochenlange Beschäftigung eher als zynische Klick-Generierung denn ernsthaften Erkenntnisgewinn ansah.

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