Freitag, 5. September 2008

Fundstücke 05.09.2008

Deutschland träumt noch
FTD - Amerika hat eine Krise, mit der Deutsche und Europäer dank Reformen und Radikalkuren nur sehr bedingt zu tun haben. So oder so ähnlich klingt, was Bundesbanker und Regierung derzeit vor sich her erzählen. Die deutsche Wirtschaft sei doch in besserer Verfassung als die amerikanische, meldet Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen.
Komisches Verständnis von wirtschaftlicher Verfassung. Die Europäer scheinen sich in der Tat gerade von der US-Konjunktur abzukoppeln - nur leider in die falsche Richtung. Ein Desaster. Könnte sein, dass US-Politiker auf Ölpreisexplosion und Finanzdramen viel besser reagiert haben, als es die Ultraszene europäischer Notenbanker, Finanzminister und sonstiger Konjunkturpaket-Neurotiker vermittelt.

Anmerkung: Lesebefehl!
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"Diese Diffamierung macht mich wütend"
taz - Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Ulrich Schneider über die soziale Hängematte, die Methodik von Kampagnen gegen Sozialmissbrauch und das zerstörerische Potenzial von "Bild".
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Nachhilfe wird zum Normalfall
FAZ - Vielleicht muss der Begriff „zweiter Bildungsweg“ bald umdefiniert werden. Für viele Eltern jedenfalls hat er schon eine völlig neue Bedeutung bekommen: Eigentlich bezeichnet er den Fall, dass jemand auf dem privaten Weg einen Abschluss nachholt, den er an einer öffentlichen Schule nicht erreicht hat. Aber so etwas ist die Ausnahme. Die Regel ist dagegen längst, dass immer mehr Schüler und Eltern privat die Initiative ergreifen, damit die Kinder in der Schule überhaupt noch hinterherkommen. Sie nehmen Nachhilfeunterricht und bezahlen dafür viel Geld.
Anmerkung: Und wer das nicht hat? Der Artikel redet von bis zu 68 Euro pro Stunde! Welcher Hartzer soll das denn bezahlen können? Die Besserverdienenden können das vielleicht noch stemmen, aber sobald es mal in den viel gelobten Niedriglohnsektor geht ist das nicht mehr. Soziale Segregation im Schulsystem, ständig das Gleiche.
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Versagereliten
Linksnetz - Auf einen wirklichen Wandel der „Eliten“ zu hoffen ist, allerdings ziemlich illusionär. Nicht nur die herrschenden Rekrutierungsmechanismen in den wirtschaftlichen und politischen Apparaturen, sondern auch die aktuellen „Reformen“ des Bildungssystems á la bolognese sorgen dafür, dass der Typus der Systemmarionetten, die Strippenziehern gehorchen, die sie selbst nicht einmal kennen und die weder die Bedingungen noch die Folgen ihres Handelns durchschauen, sich weiter durchsetzen wird. Statt leichthändig über „Elite“ zu schwafeln wäre es vielleicht sinnvoll, mal genauer darüber nachzudenken, was man unter einer solchen verstehen sollte, wenn man diesen Begriff nicht in den Dimensionen persönlicher Interessendurchsetzung, sondern in gesellschaftlicher Verantwortlichkeit verhandelt. Sonst könnten wir eventuell erleben, dass die sich selbst so nennende „Wissensgesellschaft“ an ihrer eigenen Verblödung zugrunde geht.
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Keine Lust auf Lafontaine
taz - Der Mehrheit der Saar-SPD stimmt gegen Lafontaine als Landeschef einer möglichen rot-roten Regierung. Aber was passiert, wenn die Linke mehr Stimmen als die SPD bekommt?
Anmerkung: Bislang regiert die Vogel-Strauß-Taktik.
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Nochmals: Die Sarrazins der Wissenschaft
NDS - Einige Stunden nachdem wir gestern diesen Beitrag ins Netz gestellt hatten, schrieb uns ein Leser, dass der angegebene Link zu der „Studie“ der TU-Chemnitz ins Leere führe (HTTP Error 404: File not found). Im Laufe des Tages wurde der Link wieder geschaltet.Der „Studie“ wurde jedoch zwischenzeitlich eine abwiegelnde „Präambel“ vorangestellt: Die Studie habe aus ihren Neuberechnungen der sozialen Mindestsicherung von 123 Euro „keine Konsequenzen abgeleitet“.Daraus lassen sich nach meiner Meinung nur folgende Schlüsse ziehen:
Entweder die Hochschule oder die Autoren haben erkannt, dass sie mit Ihrem Vorstoß zur Senkung der Hartz-IV-Leistungen doch zu zynisch waren und versuchen nun abzuwiegeln. Oder – und das ist die wahrscheinlichere Erklärung, da die „Studie“ ja wieder im Netz steht -: das ist die typische Art einer verantwortungslosen „Wissenschaft“, die irgendwelche inhumanen Berechnungen in die Welt setzt, ohne die Verantwortung für die Folgen übernehmen zu wollen und sich dann anschließend damit freizeichnen will, dass man ja daraus keine „Konsequenzen abgeleitet“ hätte. Genau so haben sich auch die „Wissenschaftler“ in der NS-Zeit etwa mit ihrer Rasse-„Forschung“ aus der Affäre ziehen wollen.

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Jeden Tag neu zu beobachten: die SPD ist eine fremdbestimmte Partei
NDS - Jede Partei ist in ihrer inneren Willensbildung nicht ganz unabhängig von der öffentlichen Meinung. Was wir aber zur Zeit bei der SPD erleben, ist jenseits des Fassbaren: Die bestimmenden Kräfte in Deutschland wirken über Meinungsmache massiv ein auf die innere Willensbildung der SPD. Wer Kanzlerkandidat wird und wer sonst in der SPD das Sagen hat (demnächst wieder Müntefering), welche Koalitionsoption die SPD verfolgt, welches Programm sie verfolgt und auch welche Finanz- Wirtschafts- und Außenpolitik sie praktisch macht, wird wesentlich von den Herren und Damen bestimmt, die über den Stern, über BILD und all die anderen Blätter sowie über weite Teile des ZDF und der ARD (und über die Kommerziellen Sender sowieso) verfügen. Sie stützen das ihnen genehme Personal in der SPD, das bereitwillig mitmacht, weil seine innerparteiliche Macht auf dieser Fremdbestimmung beruht.
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Wenn Erinnerung verblasst
SZ - Erinnerung in Stein, Schrift und Bild wird aber auch deshalb nötig sein, weil die Erinnerung durch die Zeitzeugen unmerklich, aber unaufhaltsam verblasst. Im kommenden Jahr liegt der Angriff auf Polen bereits 70 Jahre zurück; bald wird es nur noch Zeitzeugen geben, die damals Kinder waren. Und da Kinder keine Schuld trugen, wenn ihre Eltern Hitler zujubelten, wenn Einsatzgruppen der SS in Babi Jar 33000 Juden erschossen, wenn in den Alleen der Gehenkten an der Ostfront "Fahnenflüchtige" am Strick hingen, wird die Erinnerung der Zeitzeugen bald kaum noch mit Schuldfragen verbunden sein. Daher braucht die Gesellschaft Orte wie das Zentrum in München - um zu lernen, wie leicht der Firnis der Zivilisation bricht, wenn man sie nicht energisch verteidigt.
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Ich sehe keine härtere Gangart bei Russland
Freitag - Freitag: Nun haben Amerikaner und Polen mit der beschlossenen Raketenstationierung in Nordpolen weiter Öl ins Feuer gegossen. Wie bewerten Sie diesen Schritt?
Egon Bahr: Ich fange mal so an: Wenn ich mir hätte ausdenken sollen, wie man aus Sicht der gegenwärtigen Administration in Washington am besten dafür sorgt, dass der republikanische Bewerber McCain Präsident werden kann, wäre ich vielleicht auf die Idee gekommen, ich muss für Spannungen sorgen, die nicht wirklich gefährlich sind, denn Krieg wird es um Georgien nicht geben, weil keiner das will. Aber ich hätte mir überlegt, in Zeiten der Spannung mit Russland sind die Amerikaner vielleicht geneigt, dem älteren, erfahrenen McCain mehr Vertrauen zu schenken als dem jungen, unerfahrenen Obama. Und dazu passt natürlich, was die Regierung Bush ohnehin wollte - nämlich eine Raketenabwehr in Polen mit den dazu gehörenden Radaranlagen in Tschechien aufzubauen -, besonders gut.

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Wulff rückt LINKE in die Nähe von Terrorismus
RP - Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Christian Wulff hat die Linkspartei in die Nähe des Terrorismus gerückt. Er fürchtet sich um die Zukunft Deutschlands.
"Die Linke flirtet weltweit mit Extremisten der PKK, der ETA, der Hamas, der Hisbollah", sagte der niedersächsische Ministerpräsident der "Bild am Sonntag". Er fürchte um Deutschland, weil er wisse, wohin die Reise mit der Linkspartei gehen würde.
Anmerkung: Und wenn du glaubst, blöder geht's nicht mehr, kommt von irgendwo ein Wulff schon her.

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Michael Moore verschenkt Doku
taz - Für Michael Moore ist offenbar der Zeitpunkt gekommen, sich in den Präsidentschaftswahlkampf einzuschalten: Michael Moore bietet seine neue Doku "Slacker Uprising" kostenlos zum Download an.
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Ist die SPD keine Volkspartei mehr?
Tagesschau - Die SPD ist eine Partei in Nöten: Man könne bei den derzeitigen Umfragewerten nur noch schwer von einer "Volkspartei" sprechen, sagt Ottmar Schreiner im Gespräch mit tagesschau.de. Der SPD-Linke wird am kommenden Mittwoch sein Buch "Die Gerechtigkeitslücke" in Berlin vorstellen.
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4 Kommentare:

  1. Abwarten und Tee trinken.
    Die Zins-Differenz zwischen USA und EU hat den Euro auf Talfahrt geschickt. Was bedeutet? Dass -zeitversetzt- auch wieder die Exportwirtschaft anzieht und der Ölpreis sinkt.

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  2. Die auffällige Häufung der Berichte über "Sozialschmarotzer" der letzten Tage (Sat1, Bild, TU-Chemnitz, diverse Politiker....) lassen eigentlich nur den Schluss zu, daß die Regierung bereits die nächste Sauerei plant.
    Da sich der Haufen unter Nichtführung der Außenkanzlerin bis zur Bundestagswahl aber wohl kaum nochmal aufraffen wird, soll hier wohl schon Vorschub für den nächsten Bundestagswahlkapmf geleistet werden.

    An einen Zufall glaub ich nicht!

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  3. Zu "Nachhilfe wird zum Normalfall":
    € 68,-? Ich hab damals, als ich noch Nachhilfe gegeben habe HÖCHSTENS 15,- D-Mark bekommen. Das ist in 25 Jahren eine Steigerung um das neunfach!!!

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  4. Also, ich hab bei einem dieser "professionellen" 10 euro die Stunde bekommen, aber das ist schon echt wenig. Abi-Vorbereitungskurse kriegst du locker 20 bis 30 die Stunde, und wer die ausrichtet will ja auch was von...

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