Das Geheimnisamt
SZ - Wenn nachrichtendienstliche Erkenntnisse dann als kriminalpolizeiliche Prognose und Handlungsgrundlage übernommen werden, ist das Trennungsgebot nichts mehr wert: Es schreibt die Trennung von Polizei und Geheimdienst vor und gilt als rechtsstaatliche Grundregel.
Es geht also um mehr als um Detailkritik an der einen oder anderen Ermächtigungsnorm; es geht um die Grundtendenz des neuen BKA-Gesetzes: Im Bestreben, dem Terrorismus den Garaus zu machen, wird einer bewährten rechtsstaatlichen Grundregel der Garaus gemacht.
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Musterland ist abgebrannt
taz - Schweden wird momentan vom unpopulärsten Kabinett der Nachkriegszeit regiert. Die bürgerliche Vier-Parteien-Regierung wird nur noch von 40 Prozent der Wähler unterstützt - das ist die niedrigste Zustimmungsrate seit 1972, als das statistische Zentralbüro mit den Erhebungen begann. Dabei waren die Voraussetzungen glänzend, als sie vor genau zwei Jahren die Wahlen gewann: der Haushalt verzeichnete Überschüsse, Arbeitslosigkeit und Staatsschulden sanken rapide. Es bedurfte schon eines besonderen Ehrgeizes, um eine solche vorteilhaft Ausgangslage in so ein katastrophales Umfragetief zu verwandeln. Und an Tatendrang hat es Fredrik Reinfeldts Ministern wahrlich nicht gefehlt.
Anmerkung: Immer das Gleiche. Wo die neoliberalen Reformer an die Macht kommt, bleiben viel verbrannte Erde und einige wenige Kriegsgewinnler zurück.
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"Ich weine noch immer"
taz - Meinungsforschung soll das Kriterium für inhaltliche und personelle Entscheidungen sein? Wenn die SPD sich auf diesen Weg begeben würde, wäre sie eine stockkonservative Partei des Augenblicks. Alles konzentriert sich auf die Bundestagswahl 2009. Zurückgewinnen von Vertrauen erreicht man aber nicht durch Tagesereignisse, sondern auf einer längeren Wegstrecke. Die einzige Machtoption der SPD für 2009 ist, kleiner Partner in einer großen Koaltion zu werden. Wenn alles nur auf 2009 gelenkt wird, wird die SPD weiter sinken. Dann ist Möllemanns Projekt 18 Prozent für die SPD nah.
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"Die Agenda 2010 ist keine Monstranz"
Tagesspiegel - Rente mit 67 wurde von der CDU/CSU in den Koalitionsvertrag gebracht. Und wir müssen jetzt feststellen, dass die Zahl der prekären Beschäftigungsverhältnisse auf 25,5 Prozent aller erwerbstätigen Personen zugenommen hat, Millionen Menschen sind von Altersarmut bedroht. Da kann doch die Antwort der SPD nicht heißen: Rente mit 67.
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Kurzstrecken-Politik
taz - Der billige "2 Euro 50"-Erfolg zeigt in Wirklichkeit nur die Hilflosigkeit der Kanzlerin und ihres Verkehrsministers. Man mag sich ihre Gespräche mit Bahnchef Mehdorn, in denen sie ihm seine Zuschlags-Idee ausredeten, gar nicht ausmalen. Sicher ist nur: um ein nachhaltiges verkehrspolitisches Konzept wird es dabei nicht gegangen sein.
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Anhörung im Bundestag
Fefe - Ich war heute von 10 bis 16 Uhr im Bundestag, um der öffentlichen Innenausschuß-Expertenbefragung zum Thema BKA-Gesetz beizuwohnen. Mich hat überrascht, dass von den Experten tatsächlich die meisten Argumente gebracht wurden. Der Endeindruck ist allerdings, dass sie das alles zwar anhören, dann vollständig ignorieren, das Gesetz so durchwinken, und wir dann wieder zum Verfassungsgericht müssen. Im Grunde war das eine einzige Liste an Gründen, wieso das Gesetz so nicht geht, in den meisten Fällen wieso es nicht verfassungskonform ist. Das ist überraschend, hatten die tollen Abgeordneten doch schlicht weite Teile des Gesetzes per copy&paste aus dem Verfassungsgerichtsurteil übernommen. Aber auch beim Kopieren kann man sich offensichtlich inkompetent anstellen.
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Die großen Antifaschisten
Feynsinn - Meine Lebensgefährtin mag Hunde. “Seltsam”, dachte ich heute, “genau wie Hitler!”.
Lafontaine hat einen französischen Vornamen, genau wie Le Pen. Goebbels, Gorbatschow und Gysi fangen mit “G” an. Das kann doch alles kein Zufall sein!
Wir alle sind übrigens “charismatische Redner”. Also meine Frau und ich und die anderen da oben.
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Anamnese eines Patienten
ad sinistram - Der deutsche Journalismus fühlt sich nicht nur unwohl, leidet nicht nur dann und wann unter Bauch- und Magenschmerzen (verursacht sowieso vielmehr selbige beim Leser, Zuhörer und -seher), sondern scheint endgültig ernsthaft erkrankt, vielleicht sogar - auch wenn man noch an ein Wunder glauben möchte - in den letzten Todeszuckungen darniederzuliegen. Zumindest muß man das annehmen, wenn man die wöchentlichen Therapiestunden verfolgt, die in erster Reihe, öffentlich-rechtlich bei der ARD, ausgestrahlt werden. Sonntäglich sitzt man beisammen, schmeißt mit seinem journalistischem Wissen - und solchem, was man für Wissen halten könnte - um sich, erklärt dem Zuschauer die politische Welt und mimt ein wenig demokratisch-pluralistischen Meinungsaustausch, der freilich gar nicht so pluralistisch ist, vielmehr nur einen solchen Anstrich haben soll.
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Sorry, Darwin
SZ - Diese Worte hat Charles Darwin während seiner Lebenszeit nie hören können, sie wurden erst 126 Jahre nach seinem Tod geschrieben: "Charles Darwin, die Kirche von England schuldet Ihnen einen Entschuldigung, dass wir Sie falsch verstanden haben." Der Satz steht am Ende einer Erklärung, die die anglikanische Kirche am Montag auf einer neuen Webseite über den Evolutionsforscher veröffentlicht hat. Reverend Malcolm Brown, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit, vergleicht Darwin darin mit Galileo, den die katholische Kirche im 17. Jahrhundert angeklagt hatte.
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Nur, daß sich die Schweden im Gegensatz zu den Deutschen die "neoliberale Reformitis" nicht ganz so widerspruchslos gefallen lassen.
AntwortenLöschenDas dürfte auch daran liegen, daß man in Skandinavien durch einen gut ausgebauten Wohlfahrtsstaat eben doch irgendwie "verwöhnt" ist.
Merkwürdig ist dabei, daß der "aufgeblähte Staat" bei den Nordlichtern entgegen aller marktliberaler Theorie auch noch leistungsfähig ist.
Und was fällt den "Staatshassern" hierzulande ein? Nur ein "Weiter so!"