Von Stefan Sasse
Den Oeffinger Freidenker gibt es nun seit über vier Jahren. Viele Themen wurden bereits mehrfach in unterschiedlichen Beiträgen behandelt, so dass es dem Autor oftmals unnötig erscheint, bestimmte Anspielungen oder Einstellungen näher zu erläutern. Seit 2006 hat sich die Leserschaft jedoch stark vergrößert, und für die, die neu dazugekommen sind, mag nicht immer alles sofort klar sein, was der Oeffinger Freidenker schreibt. Die neue Serie "Mal was grundsätzliches…" soll diese Lücke schließen, in dem noch einmal eine Zusammenfassung zu bestimmten Themen gegeben wird. Diese Folge befasst sich mit der Mittelschicht.
Eine der zentralen Lehren, die Deutschland aus dem Fall in die Diktatur des Nationalsozialismus und die Barbarei des Zweiten Weltkriegs zog war, dass eine "Demokratie ohne Demokraten" nicht funktionieren konnte. Auf die Arbeiterbewegung musste man dabei nicht schauen: obgleich gespalten, hatte die SPD in jenen letzten Tagen der Weimarer Republik mehr Rückgrat bewiesen als alle bürgerlichen Parteien zusammen, waren die in der Sozialdemokratie und dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold organisierten Arbeiter bereit, selbst mit der Waffe in der Hand gegen die Revolution von rechts anzutreten - eine Bereitschaft, die von der SPD freilich nie auf die Probe gestellt wurde. Es war das Bürgertum, das Hitler zur Macht trug, das Bürgertum, das den Glauben in die Demokratie und Republik verloren hatte. Die unmittelbare Konsequenz musste sein, es in den neuen Staat besser einzubinden.
Das Bürgertum war von der Weimarer Republik doppelt enttäuscht worden. Die Hyperinflation von 1923, mit der sich der Staat der Altschulden aus dem Weltkrieg entledigt hatte (dieser war zu einem guten Teil mit Anleihen bei der Bevölkerung bezahlt worden, deren Rückzahlung den ohnehin gebeutelten Haushalt belastete) hatte alle Sparguthaben vernichtet. Der radikale Schnitt der Währungsreform ließ dann viele bei Null anfangen, während die Arbeiter - die ohnehin keine Sparguthaben besaßen, die hätten abgewertet werden können - vergleichsweise besser durch die Krise gekommen waren. Ab 1930 dann schlug die Weltwirtschaftskrise voll zu. Die Wirtschaft rutschte in eine tiefe Rezession, bald auch noch gefolgt von einer Bankenkrise. Die prozyklische Politik Brünings, die letztlich von allen demokratischen Parteien getragen wurde, verschlimmerte die Situation noch mehr. Das Bürgertum wurde nun von einer starken Welle der Arbeitslosigkeit getroffen, die zwar freilich auch die Arbeiterschaft traf. Diese jedoch war durch die enge Einbindung in das sozialdemokratische Milieu und Gewohnheit besser darauf vorbereitet und begab sich nicht in eine Anti-Haltung zum Staat, sofern sie nicht der moskauhörigen kommunistischen Bewegung angehörte.