Donnerstag, 21. Juli 2011

Am Rande des Chaos


Stehen wir am Rande des Chaos? Ich denke, es werden immer mehr, die darauf ohne zu zögern mit Ja antworten würden.

Um diese Frage beantworten zu können, möchte ich heute einmal die Geschehnisse aus einer theoretischen Sicht beschreiben. Ich versuche dennoch, verständlich zu bleiben.
Wann ist ein System chaotisch? Die Chaosforschung, ein überaus spannendes Forschungsgebiet, gibt folgende Antwort:
Liegt chaotisches Verhalten vor, dann führen selbst geringste Änderungen der Anfangswerte nach einer gewissen Zeit zu einem völlig anderen Verhalten (sensitive Abhängigkeit von den Anfangsbedingungen). Es zeigt sich also ein nichtvorhersagbares Verhalten, das sich zeitlich scheinbar irregulär entwickelt.
Für die Wissenschaft ist Chaos kein Zustand wie z.B. die Unordnung in einem System, sondern dessen Dynamik. Es ändert sich demnach nur das zeitliche Verhalten eines Systems. Das hat den merkwürdigen Effekt, dass – obwohl alles noch am alten Platz ist – plötzlich Chaos herrschen kann.
Finanz-, Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme sind Systeme, die meiner Meinung nach ebenfalls dem Chaos-Phänomen unterliegen. Sie funktionieren nach gewissen Regeln. Einige davon sind: Die Zentralbanken ändern die Zinsen und die Finanzmärkte reagieren wie gewünscht. Die Wirtschaft produziert und die Menschen konsumieren. Die Medien veröffentlichen eine Geschichte mit einem gewissen Spin und die Leute glauben es. Politiker beschließen Gesetze und die Bürger halten sich daran.

Doch die Krise hat ein Ausmaß erreicht, in dem diese gewohnten Mechanismen und Instrumentarien nicht mehr greifen oder drohen, nicht mehr zu funktionieren. Daher probieren unsere Eliten panisch alles aus, was irgendwie die Kontrolle zurückbringen könnte. Das aber ist eine Illusion: Ein chaotisches System ist nicht mehr beherrschbar, das alte System hört einfach auf zu existieren.

Aufgrund der weltweiten Globalisierung und der engen Vernetzung besteht nun die große Gefahr, dass alle wichtigen Systeme in einen chaotischen Zustand geraten könnten. Das Finanzsystem ist in unserer Kultur das wichtigste System überhaupt. Aufgrund der Ökonomisierung unseres Lebens ist es fest in all unsere Alltagsbereiche verwoben. Die Finanzkrisen der USA und Europas sind, sollten sie weiter eskalieren, für uns alle existenzbedrohend. Es besteht die akute Gefahr eines Globalisierungs-GAUs.

Was ist zu tun, wenn tatsächlich ein Globalisierungs-GAU eintreten sollte? Ich weiß es nicht, aber wir sollten uns dieser Frage stellen. Denn ansonsten könnten alternativlose Antworten kommen, die keiner von uns erleben möchte.

8 Kommentare:

  1. "Das aber ist eine Illusion: Ein chaotisches System ist nicht mehr beherrschbar, das alte System hört einfach auf zu existieren."

    Das ist quatsch. Chaotische Systeme sind durchaus beherrschbar mit den richtigen Regelmechanismen. Ein Markt ist in weiten Teilen ein solcher Mechanismus. Auch bestimmte Gesetze, wenn die Einhaltung kontrolliert wird, können als Regler fungieren. Das Problem ist, dass sich chaotische Systeme schwer steuern lassen. Genau das wird probiert und ist quasi zum scheitern verurteilt.

    (die Überschrift hat einen Schreibfehler)

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  2. Geld ist Verarschung

    So schlimm empfinde ich den Gedanken gar nicht, dass der Kapitalismus, dieser menschenverschlingende Moloch, endlich zu Grabe getragen wird. An dessen Stelle treten sollten dezentralisierte Kommunen, die vor allem auf Selbstversorgung ausgelegt sind, sich selbst verwalten und auf Anweisungen aus Berlin pfeifen. In einer solchen Kommune wäre Geld überflüssig. Anstatt 1 zu 1 zu tauschen, könnte ein kollektives Tauschverhalten zutage treten.

    Unser Geldsystem ist auf individuellen Tausch ausgelegt. Er findet nur zwischen zwei Personen statt. A gibt B und B gibt A. Sehr viel besser ist ein kollektives Tauschsystem. Jeder gibt jedem was er hat, bzw. kann und jeder bekommt von jedem das, was er zum leben braucht. Kein Mensch benötigt dazu diesen blödsinnigen Umweg über Metallscheiben, bedruckte Zettel oder virtuelle Zahlen auf dem Screen. Der direkte Weg ist in diesem Fall der beste. Allerdings wird er bis zum bitteren Ende von den Eliten bekämpft werden, denn dies wäre deren sicheres Ende.

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  3. @endless.goog.news

    Das lustige ist, ein System lässt sich mit "falschen" Regelmechanismen steuern und zwar unter der Bedingung, dass alle "richtig" mitmachen.
    Wird das System chaotisch, funktioniert aus der Sicht der "falschen" Regelmechanismen das System nicht mehr und hört auf zu existieren.
    Klar, du hast absolut recht, wenn die richtigen Regelmechanismen vorhanden sind und richtig bedient werden, lässt sich auch ein chaotisches System steuern.

    @denkbonus

    Ich habe mit dem aktuellen Finanzsystem keine Probleme, es ist dem 1 zu 1 Tausch weit überelegen. Eine Industriegesellschaft wie wir funktioniert nicht mit Tauschhandel und wenn wir die Errungenschaften des modernen Lebens behalten wollen, benötigen wir bedrucktes Papier oder Bits und Bytes in Computersystemen, die das steuern.
    Ich finde eine andere Frage spannender: können wir nicht grundlegende Lebensbereiche auf ein einfacheres und stabileres Finanzsystem stellen, quasi als Fallback, wenn das komplexere wieder in den Krisenmodus fällt?

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  4. Was mich an den ganzen Szenarien beunruhigt ist dass ich keine Vorstellung habe wie sich diese Veränderung konkret anfühlen kann. Ich bin in einem Alter in dem ich Krieg nur von weitem kenne, die großen Kriesen nur aus Erzählungen und alles was nach Weltuntergang klang immer nur in der Vorstellung seltsam surreal geblieben ist. Nun tritt immer mehr eine Situation zutage, die erahnen läßt dass diese Krise nicht in weiter Ferne sondern ganz direkt und spürbar sein könnte und ich frage mich oft wie denn dann die konkreten Auswirkungen für mich und meine Familie sein werden. Das ist es was mich- ganz egoistisch- nachts wach hält.

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  5. @NannyOgg07

    Diese Fragen kann dir leider niemand beantworten. Ich kann dir nur einen Tipp geben: Vernetze dich, diskutiere mit deinem Umfeld über die Probleme, suche am besten gemeinsam mit Freunden nach Alternativen/Lösungen.
    Je stabiler und intakter dein Umfeld ist, desto besser kannst du jede Art von Krise meistern.
    In anderen Worten: wieder Solidarität lernen.

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  6. "Die Zeiten sind hart, aber modern"
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    Ich empfehle das Lesen von Gerhard Henschels "MENETEKEL - 3000 Jahre Untergang des Abendlandes", besonders das erste Kapitel: "Auf der Suche nach der guten alten Zeit".
    Henschel nennt solch Lamentieren "rückwärts gewendeter Optimismus" und er nimmt die aktuelle Untergangsstimmung und geht einfach mal in der Zeit zurück, immer mehr zurück. Und er entdeckt in den Quellen, dass schlaue Menschen zu jeder Zeit "die Welt schlecht" und nahe am Ende empfunden hatten, dass man in jeder Ära nach der guten alten Zeit (vor 10 oder vor 100 Jahren) sehnte und dass der Untergang (zumindest das Chaos) unweigerlich kommen muss, wenn's so weitergeht...

    Er kommt zum logischen Ergebnis: Wenn die damaligen wie heutigen Blogger, Wissenschaftler, Journalisten, Dichter und Propheten auch nur zur Hälfte Recht hatten und haben, es also immer schlechter und böser wird, wären wir schon seit langem in der Hölle angelangt.
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    Aber hier ist Trost, denn sogar Schopenhauer, der dies ebenfalls erkannte, gab zu: "Ich weiß wohl, dass jeder denkende Mensch seine Zeit für die allererbärmlichste hält: aber ich muss gestehen, dass ich von der Illusion nicht frei bin."
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    -kdm

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  7. @Anonym

    Ich suche keine gute alte Zeit, ich möchte nur wissen, was vor mir liegt. Mein Blick geht in die Zukunft, nicht zurück. Und dort sehe in eine Gefahr und zwar eine sehr reale. Sie heißt weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise, die sich zu einer Staatsschuldenkrise aufgeschauckelt hat und den fehlkonstruierten Euro ins Wanken bringt.

    Und es geht mir weniger um mich, meine persönliche Situation ist derzeit top. Es geht mir um eine gesicherte Zukunft für meine Familie.

    Auf solche Floskeln, wie "es wird schon gutgehen" und "unsere Eliten kriegen das schon hin", vertraue ich nicht mehr. Wenn das alles stimmen würde, müsste die Krise ja schon unser Superheld Steinbrück beendet haben.

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  8. Solange in der Politik die Wasserträger des Kapitals agieren werden wir keine den Gesellschaften nutzende Steuerungsmechanismen bekommen , geschweige denn grundsätzliche Änderungen

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