Von Stefan Sasse
Auf SpiegelOnline findet sich einmal mehr eine Lobhudelei auf Peer Steinbrück als Kanzlerkandidat der SPD. Der Autor, Roland Nelles, macht vier Probleme aus, die dieser bei den Wahlen 2013 als Spitzenkandidat haben könnte. Vorher ergeht er sich allerdings erneut in den Fähigkeiten, die Steinbrück zum idealen Spitzenkandidaten machen: Der Mann ist einfach gut, kantig, kompetent, nicht verschwurbelt. Ein Macher, Anführer und so weiter. Logo, dass er gut ankommt. Er sticht heraus aus der ewig gleichen Röttgen-Merkel-Westerwelle-Leier, er weckt politische Phantasien, Hoffnungen: auf ein besseres Deutschland, eine coolere Regierung, klare Verhältnisse, zackiges Durchregieren. Herrlich. Aha. Politische Phantasien weckt Steinbrück? Welche denn? Die Tugenden, die Nelles hier herausstreicht, sind Tugenden die beim deutschen Wähler tatsächlich ankommen. Durchregieren, zackig, schluss mit Kompromissen! Ja, das freut das deutsche Herz. Wenn es keine Kompromisse zu schließen gibt, wenn man auf die Partei und das Parlament so richtig scheißt, das sind die Zeiten, die der Deutsche für großartig demokratische hält. Nichts könnte falscher sein.
Warum die Redakteure an den grünen Tischen Steinbrück lieben ist nicht schwer zu verstehen, und Nelles liefert diese Gründe auch gleich mit: Steinbrück bedient diese Sehnsucht gekonnt. Er macht genau dort weiter, wo der gescheiterte Ex-Liebling der Deutschen, Karl-Theodor zu Guttenberg, aufgehört hat. Er gibt den Mann mit Überzeugungen, der anders als der Rest der Politiker-Truppe nicht beim ersten Widerstand einknickt. Er macht keine Kompromisse, er wirft seine eigenen Ideale nicht über Bord. Ganz genau. Steinbrück ist Guttenberg reloaded, oder, um es exakter zu sagen, er ist ein wiedergekehrter Gerhard Schröder. Medien stellen Politik gerne in Personen dar, das war schon immer so. Röttgen und Merkel liefern keine Personengeschichten. Steinbrück, Schröder, Guttenberg - die sind kantig, die bringen Zitate, wenige Worte lang, gerade richtig für Überschriften. Ich würde ihn auch lieben.
Allerdings, geeignet für einen Kanzlerkandidaten macht ihn das nicht. Die vier Gründe, an denen er laut Nelles scheitern könnte, sind dabei nicht das ernsthafte Problem. Sie sind vielmehr Produkt dieser speziellen Journalisten-Sehnsucht. Den Neid der "mittelmäßigen" Durchschnittspolitiker macht Nelles als ein Problem aus, und obwohl er nicht Unrecht darin hat, dass unser aktuelles Politikpersonal viel zu wünschen übrig lässt: Steinbrück ist maximal der einäugige König unter den Blinden, aber kaum die große Politikhoffnung. Ein viel größeres Problem als der "Neid" der Mittelmäßigen ist ein anderes, das Nelles auch erkennt: Steinbrück ist nicht teamfähig. Er sagt, die Grünen passen nicht zu ihm, da seine Koalition mit ihnen in NRW 2005 gescheitert ist. Politik aber ist die Kunst des Kompromisses, nicht die Kunst des möglichst großen Draufschlagens. Steinbrück kann das Letztere gut repräsentieren, aber kann er verantwortlich eine Regierung leiten, vermitteln und Kompromisse schließen?
Das ist sehr unwahrscheinlich. Stattdessen wird er wohl den Schröder machen und den Schmidt und sich gegen seine eigene Partei profilieren, den "besten Kanzler, den die CDU niemals hatte" geben, wie ein schönen Bonmot über Helmut Schmidt lautet. Er würde dann sicherlich gerne erinnert werden, und man würde ihn als elder statesmen begrüßen und um Rat fragen. Nur, die nächsten Wahlen würde er verlieren.
Das mag ja alles stimmen, nur wen sollte die SPD aufstellen.
AntwortenLöschenDie Auswahl mit Gabriel, Steinmeier oder Steinbrück ist doch sehr limitiert.
Bei der CDU sieht es auch nicht viel besser aus.
Jeder gewählte Ministerpräsi kann Kandidat werden.
AntwortenLöschenScholz, Wowi, Kraft, Böhrnsen, Beck; wer fehlt noch?
Schlimmer als Steinbrück wäre keiner, höchstens Scholz genausoschlimm.
SK
Ich würde meine Ministerpräsidentin unterstützen.
AntwortenLöschenSK
böhrnsen ist eigentlich ziemlich solide oder? hat aber glaube ich keine ambitionen. kraft ist menschlich auf jeden fall in ordnung und gefällt mir auch politisch, aber kanzler traut man ihr nicht zu denke ich, vor allem nach dem verfassungswidrigen haushalt neulich.
AntwortenLöschendas problem wird sein, dass es eh nicht reicht für mehr stimmen als die cdu, und es wahrscheinlich nicht reicht für rot/grün. insofern wird ein spd-kanzlerkandidat eh wahrscheinlich nicht kanzler.
am ehesten kann steinbrück die spd auf ~30% hieven. aber der würde dann in der sozial- oder arbeitsmarktpolitik auch nicht groß was ändern.
na schaunmermal.
Und wir haben uns vor Jahren über Stoiber als Kanzlerkandidat lustig gemacht. Bei der SPD sieht es ähnlich trostlos aus. Warum beweisen sie nicht Humor und reaktivieren Gerhardt Schröder? Der Typ gewinnt den Wahlkampf doch glatt damit, aus dem Ausstieg aus dem Atomausstieg wieder auszusteigen.
AntwortenLöschenWen haben wir denn überhaupt, auf den die gewünschten Eigenschaften zutreffen? In der derzeitigen Politiklandschaft sehe ich niemanden. Weit und breit. Alles weichgespülte Typen ohne Profil, dazu noch ausgestattet mit einem gerüttelt Maß an Arroganz und Verlogenheit. Fertig ist das Konglomerat der Politikerkaste. Und aus denen soll wer fähig sein Kanzler zu werden? Steinbrück reiht sich da nur trefflich in die Reihe ein.
AntwortenLöschen@martin
AntwortenLöschenich finde wir haben insgesamt ganz solide politiker. bisschen langweilig die meisten, aber insgesamt keine schlechten menschen.
verlogenheit sehe ich bei den meisten nicht, höchstens halt diese durchmediatisierte antrainierte phrasendrescherei. déformation professionnelle halt.
"konglomerat der politikerkaste" ist für mich ein inhaltloses klische... ressentiments, die niemanden weiterbringen.
Sehe ich auch so.
AntwortenLöschenAch so...
AntwortenLöschenWas ist denn eurer Meinung nach ein solider Politiker? Einer, der schön mit der Fraktionsdisziplin mitschwimmt? Jemand, der von heute auf morgen das Ressort wechselt, nachdem er schon in dem einen nichts gerissen hat, so wie Herr Rösler? Oder ist ein solider Politiker, dem das Urteil des Verfassungsgerichtes in Punkto Überhangmandate völlig kalt läßt, weil man zwei Jahre nicht, aber auch gar nichts dagegen unternommen hat?
Hört mir auf. Wo ist denn die Politik bei den wirklich drängenden Fragen? Europarettungsschirm in einer Nacht- und Nebelaktion durchgewunken. Afghanistaneinsatz wenigestens mal hinterfragt? I wo...
Ja, ich habe Ressentiments. Weil deren Output in keinem Verhältnis zum Input steht. Ganz einfach.
Steinbrück? Ohne das SPD-Ticket wäre er nichts. NICHTS. Man betrachte seine Biographie. Er hat diesem Verein alles zu verdanken. Von Anfang an. So stieg er, der pampige Ärmelschonertypus, nicht etwa zum Sparkassen- oder Autohausdirektor, sondern zum Ministerpräsidenten auf, wurde gar Bundesfinanzminister. Jetzt gefällt er sich darin, mit seiner Partei Bullshit-Bingo zu spielen und sich beim BdI anzubiedern. Wenn ich je einen Noske- oder Clement-Preis zu vergeben hätte, käme Steinbrück in die engere Wahl.
AntwortenLöschen