Von Stefan Sasse
Es gibt letztlich drei Gründe, warum ein Verbotsverfahren gegen die NPD Blödsinn ist. Einmal ist es der pragmatische Grund: es würde die NPD nur stärken. Zum Zweiten der demokratietheoretische Punkt: Parteiverbote sollten ein letztes Mittel bleiben, das so selten wie möglich angewandt wird. Und drittens: die NPD ist einfach keine Gefahr für die Demokratie an sich. Es wäre deswegen gut, wenn die unseligen Verbotsforderungen, die ohnehin nur zum billigen Punktemachen verwandt werden, endlich in dem gleichen politischen Orkus verschwinden in den auch die ständigen Grundgesetzänderungswünsche gehören. Sehen wir uns die Gründe noch einmal näher an.
Die NPD versucht bereits seit Jahren, an den Erfolg anderer europäischer rechtspopulistischer Parteien anzuknüpfen und eine Perspektive für den typischen, eher rechtslastigen Kleinbürger zu eröffnen und mit ein bisschen Sozialstaatsprogramm, Fremdenfeindlichkeit und Islamophobie zu punkten. Geschafft hat sie es nicht; trotz aller Transformationsversuche bleibt die NPD eine Partei der wirren Außenseiter. Das muss nicht verwundern; ihre allzu expliziten Bezüge zur Zeit des Nationalsozialismus zeigen überdeutlich ihre Verwurzelung in der Neonazi-Szene. Dem Rechtspopulismus in Deutschland, ohnehin nicht übermäßig stark und größtenteils eingehegte, sorgfältig gepflegte Domäne der CDU/CSU, dürfte der Massenmord von Norwegen außerdem einen schweren Schlag versetzen. Die NPD hat es geschafft, eine argumentative Brücke zwischen dem Attentat des 20. Juli und dem Massenmord Breiviks zu setzen. Das ist noch eine Stufe dämlicher als die üblichen PR-Desaster der LINKEn mit ihren ständigen Relativierungen der DDR: allein die Idee, das Attentat vom 20. Juli zu denunzieren, indem man es in die Tradition Breiviks stellt (oder umgekehrt Breiviks Taten zu relativieren, die Intention der NPD ist hier nicht ganz klar) ist unglaublich dämlich. Die NPD stellt sich damit wahlweise hinter die Durchhalteverbrecher des Gröfaz anno 1945 oder erklärt Breiviks Taten zur moralisch überlegenen und ethisch notwendigen Tat. Vorsichtig formuliert: damit dürften sich keine Mehrheiten finden lassen.
So oft wie sich die NPD selbst ins Knie schießt würde ein Verbotsverfahren ihnen nur Aufmerksamkeit auf einem völlig falschen Sektor geben. Anstatt dass die ohnehin magere Berichterstattung um diese im Grunde irrelevante Partei sich auf ihre größten Schnitzer reduziert, dürften wir wieder von der Unfähigkeit des Verfassungsschutzes lesen, von V-Leuten in der Partei, von fehlgeschlagenen juristischen Manövern. Das alles gibt der NPD die Möglichkeit positiver in die Schlagzeilen zu kommen und hilft ihr, ihre eigenen Reihen zu schließen. Allein dieser pragmatische Faktor macht ein Verbotsverfahren unnötig und kontraproduktiv.
Gegen das Verbot spricht aber auch, dass es einen weiteren Präzedenzfall für das Verbieten von unliebsamen Parteien schaffen würde. Zwar ist es richtig, dass die NPD eine verfassungsfeindliche Partei ist, die lieber heute als morgen die verfassungsmäßige Ordnung abschaffen würde (obwohl sie meiner Meinung nach keine Ahnung hat, was sie an deren Stelle setzen möchte). Aber da die Verstrickung des Verfassungsschutzes durch die V-Leute überhaupt nicht mehr unterscheidbar macht, was genuine NPD-Politik ist und was Operationen der Geheimdienste und Polizeiorganisationen stünde das Verbot auf äußerst wackeligen Füßen. Würde es in dieser Lage durchgehen - es wäre absolut vorstellbar, dass eine andere Partei unterwandert würde und dann per Verbotsverfahren ruhig gestellt. Ob das tatsächlich der Fall ist, ist dabei irrelevant. Allein der Eindruck, der dadurch entsteht, ist für den Rechtsstaat Gift.
Die effektivste Art, mit der NPD umzugehen, ist sie nicht überzudramatisieren und gegen die Gründe anzugehen, die manche Menschen zur Wahlentscheidung bringen. Ein großer Teil des Wählerpotentials besteht aus Protestwählern abgehängter Schichten, für die die Grünen keine Alternative sind und die - weil sie mehrheitlich im Osten zu finden - die LINKE als Teil des etablierten Systems und nicht als Protestwahlalternative sehen. Wenn man die Deutungshoheit über die Lebensumstände dieser Menschen nicht den Rechten überlässt und versucht, sie in die Gesellschaft einzubinden, dann bricht der NPD auch ihr Wählerpotential so weit weg, dass sie froh sein muss Wahlkampfkostenerstattung zu erhalten. Davon einmal abgesehen ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Partei in den Bankrott treibt, ohnehin höher als die sie offiziell verbieten zu können. Niemand kann so effektiv gegen die NPD vorgehen wie die NPD selbst.
So oft wie sich die NPD selbst ins Knie schießt würde ein Verbotsverfahren ihnen nur Aufmerksamkeit auf einem völlig falschen Sektor geben. Anstatt dass die ohnehin magere Berichterstattung um diese im Grunde irrelevante Partei sich auf ihre größten Schnitzer reduziert, dürften wir wieder von der Unfähigkeit des Verfassungsschutzes lesen, von V-Leuten in der Partei, von fehlgeschlagenen juristischen Manövern. Das alles gibt der NPD die Möglichkeit positiver in die Schlagzeilen zu kommen und hilft ihr, ihre eigenen Reihen zu schließen. Allein dieser pragmatische Faktor macht ein Verbotsverfahren unnötig und kontraproduktiv.
Gegen das Verbot spricht aber auch, dass es einen weiteren Präzedenzfall für das Verbieten von unliebsamen Parteien schaffen würde. Zwar ist es richtig, dass die NPD eine verfassungsfeindliche Partei ist, die lieber heute als morgen die verfassungsmäßige Ordnung abschaffen würde (obwohl sie meiner Meinung nach keine Ahnung hat, was sie an deren Stelle setzen möchte). Aber da die Verstrickung des Verfassungsschutzes durch die V-Leute überhaupt nicht mehr unterscheidbar macht, was genuine NPD-Politik ist und was Operationen der Geheimdienste und Polizeiorganisationen stünde das Verbot auf äußerst wackeligen Füßen. Würde es in dieser Lage durchgehen - es wäre absolut vorstellbar, dass eine andere Partei unterwandert würde und dann per Verbotsverfahren ruhig gestellt. Ob das tatsächlich der Fall ist, ist dabei irrelevant. Allein der Eindruck, der dadurch entsteht, ist für den Rechtsstaat Gift.
Die effektivste Art, mit der NPD umzugehen, ist sie nicht überzudramatisieren und gegen die Gründe anzugehen, die manche Menschen zur Wahlentscheidung bringen. Ein großer Teil des Wählerpotentials besteht aus Protestwählern abgehängter Schichten, für die die Grünen keine Alternative sind und die - weil sie mehrheitlich im Osten zu finden - die LINKE als Teil des etablierten Systems und nicht als Protestwahlalternative sehen. Wenn man die Deutungshoheit über die Lebensumstände dieser Menschen nicht den Rechten überlässt und versucht, sie in die Gesellschaft einzubinden, dann bricht der NPD auch ihr Wählerpotential so weit weg, dass sie froh sein muss Wahlkampfkostenerstattung zu erhalten. Davon einmal abgesehen ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Partei in den Bankrott treibt, ohnehin höher als die sie offiziell verbieten zu können. Niemand kann so effektiv gegen die NPD vorgehen wie die NPD selbst.
"Protestwählern abgehängter Schichten"
AntwortenLöschenZu dem Begriff "Protestwähler" habe ich
an dieser Stelle etwas geschrieben. Ich finde den Begriff diffamierend. Er unterstellt den Wählern, sie würden die Partei nicht wegen den Inhalten, sondern aus Provokation wählen. Den Linkspartei-Wählern wird gleiches unterstellt. Frei nach dem Motto: alles was nicht Mitte ist, ist Protest.
"abgehängte Schichten", "bildungsferne Schichten", "Modernisierungsverlierer" - Euphemismen für Menschen, die finziell arm sind, keine Anerkennung erfahren, würdelos behandelt, ja als überflüssig angesehen werden. Man darf das auch ruhig mal so sagen.
Den "echten" Protestwähler gibt es aber auch.
AntwortenLöschenIch hatte während eines Ferienjobs in einer Fabrik in Unterfranken ein bizarres Gespräch mit einem Kollegen (Alter etwa Ende 50).
Zunächst ging es um die damals aktuelle Ypsilanti-Debatte. Mein Kollege war da voll auf BILD-Linie ("Lügilanti", "die is doch nur machtgeil" etc.). Im selben Gespräch einige Sätze später eröffnet er mir, dass er in der kommenden Landtagswahl die Linke wählen werde, um der CSU eins auszuwischen. Er hat dann auch explizit bekräftigt, dass ihm das Programm der Linken egal sei und er es auch nicht kenne.
Sicherlich nicht repräsentativ, aber doch erhellend. Ansonsten halte ich auch nichts von einem NPD-Verbot. Viel gefährlicher sind die Rechtspopulisten in der sog. "Mitte".
Es greift zu kurz, wenn man die NPD nur als Sammelbecken von Protestwählern ansieht. Vielmehr scheinen sie Dinge anzusprechen, die bei den Menschen verfangen. In Sachsen haben bei der letzten Landtagswahl ca. 100.000 Menschen NPD gewählt. Da Sachsen aber doch wohl eher zu den wirtschaftlich gesunden Ländern im Osten zählt, können das nicht nur "Unterschicht-Insassen" gewesen sein, die dort aus Protest ihr Kreuz gemacht haben. Andersrum wird ein Schuh draus:
AntwortenLöschenhttp://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,729378,00.html
Zitat aus dem Text: "Zu meinem Erstaunen" waren beim NPD-Bundesparteitag Anfang November Menschen, wie man ihnen "an jedem anderen Ort auch begegnen kann: viele junge Leute, Frauen, sogar Kinder".
Die Reaktion vielmehr spricht Bände. Sein Leserbrief wurde nicht veröffentlicht und einer sachlichen (!) Diskussion geht man aus dem Weg. Was aber machen Menschen, die sich von dem herrschenden Fünf-Parteien-Kartell nicht mehr vertreten sehen? Sie wählen eine - aus ihrer Sicht- Alternative, was die Etablierten prompt als Protest ansehen. Wogegen aber protestieren die Menschen? Offensichtlich gegen Mißstände, denen sich sonst keiner annimmt. Dass die NPD freilich, ebensowenig wie die Linken, Lösungen für sie bereit hält, hast Du Stefan, schon richtig geschrieben.
Ich halte die NPD für ein gewolltes Produkt der Regierenden, genauso wie die Linken die linke Seite abfischen und besänftigen, sollen sich hier die Rechten einfinden. So hat man die Leute schön im Blick und kann in der Mitte weiter sein Ding machen.
@Epikur: Sorry, aber es gibt definitiv Protestwähler.
AntwortenLöschen@Martin W. sehe ich auch so.
AntwortenLöschenDie NPD dient den etablierten Parteien u.a. als Seismograph und dürfte der SPD z.B bei der Entscheidung, Sarrazin in der Partei zu belassen geholfen;-) haben.
Die Linken sind wichtig, um all die Sozialdemokraten und linken Grünen aufzufangen, die sich angewidert von der Agenda 2010 Schandtat von den Protagonisten des Verarmunsprogramms abgewendet haben und die NPD kann die auffangen, die bei den Christlichen rechts runter fallen.
Für das (mediale) Establishment ist klar, dass beide eindeutig Bäh sind und so wird keine Gelenheit ausgelassen, die einen als SED- und die anderen als NSDAP-Nachfolger zu diffamieren. Aber die "Spinner" rechts wie links sind wichtig für die Stabilität und nicht zuletzt ist da ja noch das Damoklesschwert einer schrumpfenden Wahlbeteiligung, die mittlerweile kritische Größenordnungen angenommen hat und die Legitimation des System auszulöschen könnte.
Ich glaube nicht daran dass es eine strategische Überlegung gab, die NPD an Ort und Stelle zu belassen oder sie als "Seismograph" zu benutzen. Das Verbotsverfahren ist letztlich gescheitert, weil die Partei verseucht mit V-Leuten war und die Polizei nicht mehr von den Neonazis unterscheidbar war. Dahinter eine großangelegte Strategie zu vermuten halte ich für deutlich übertrieben. Letztlich wird die Existenz dieser Jungs denen auch nicht irgendwie Recht sein, weil du gar nicht so viel Kontrolle ausüben kannst wie notwendig wäre um die Partei zwischen 2% und 4% zu halten...
AntwortenLöschendiskutier das mal mit punkern und versuch denen begreiflich zu machen, das die wahre gefahr von cdu/csu, fdp, spd und den grünen ausgeht und nicht wie angenommen von einer npd. die gefahr, die von einem npd-mitglied, fascho oder nazi ausgeht ist lediglich die, ordentlich aufs maul zu bekommen.
AntwortenLöschen"Das ist noch eine Stufe dämlicher als die üblichen PR-Desaster der LINKEn mit ihren ständigen Relativierungen der DDR"
AntwortenLöschenDas ist wiederum einige Stufen dämlicher als ich es für tragbar halte. Knapper kann man wohl kaum an den Rand der Totalitarismus-Theorie fahren. Überdies gibt dieser Blick auf die Linke das dümmliche Geplapper der Medien der 'Mitte' wieder. Der Vergleich hinkt nicht, er ist ist tendenziös. Ich bin überrascht und verärgert, das hier lesen zu müssen.
Hat damit nichts zu tun. Die DDR-Relativierungen der LINKEn SIND aber dämlich.
AntwortenLöschenLieber Stefan S.! Kannst Du mir nicht etwas von Dir schicken? Deine errlichen Argumente, die so schön
AntwortenLöschenaben geprickelt in meine Gehirn?
"Die DDR-Relativierungen der LINKEn SIND aber dämlich." Da wollen wir aber mal lieber nicht ins Detail gehen.
Ne, besonders deswegen weil ich oben ja glücklicherweise nicht nen Post zum Thema geschrieben habe. Auf dem Geschichtsblog findet sich ebenfalls zwei Riesenartikel von mir zur DDR. Lies das, und wenn Fragen zurückbleiben komm wieder.
AntwortenLöschenes sollte jeder tunlichst vermeiden sich über die ddr auszulassen, der nicht dort gelebt hat. der anteil der 17000000 menschen der ddr, welche die brd okkupiert hat, ist weitaus medienkritischer als die westseite mit ihrer, seit über! 20 jahren jahren funktionierenden staatspropaganda. wir wußten wenigstens, das wir belogen werden. ihr bekommt es jetzt erst mit.
AntwortenLöschen@Anonym um 20:45:
AntwortenLöschenDAS sag man nicht laut. Nachher kommen da noch welche hinter und sind peinlich berührt. Zu vielen scheint genau das noch gar nicht klar.
Ist ja auch muckelig, so mit Reihenhaus und zwei Autos davor. Und alles schön auf Pump. Aber langsam platzt die Seifenblase und der Vorhang geht auf. Siehe abrutschende Mittelschicht und sinkende Einkommen in einem der reichsten Länder der Erde. Wie lange geht das wohl noch gut, ehe man die Propaganda durchschaut?