Von Stefan Sasse
Nach Monaten wahrhaftig deprimierender Nachrichten in Sachen Eurokrise hat dieses Wochenende gleich zwei positive Meldungen gebracht. Francois Hollande geht als Favorit in die Stichwahl gegen Nicloas Sarkozy, und die niederländische bürgerliche Regierung ist zerbrochen, dem Land stehen Neuwahlen und geänderte Machtverhältnisse bevor. Vorausgesetzt dass die Prognosen sich bewahrheiten und Hollande den Sieg davonträgt sind damit zwei der wichtigsten Verbündeten Angela Merkels weggebrochen. Da in Italien und Griechenland die Technokratenregierungen über kurz oder lang ebenfalls Wahlen werden anberaumen müssen und die Fortsetzung einer Kanzlerschaft Merkel 2013 immer nebulöser und unvorhersehbarer wird, ist ein Ende der verheerenden Austeritätspolitik in ihrer derzeitigen Reinform immerhin in den Bereich des Möglichen gerückt. Sollte ein Frankreich unter Hollande sich zu einem neuen, Deutschland opponierenden Gravitätszentrum in Europa entwickeln, ist es vorbei mit dieser Politik, so viel ist sicher. Denn wenn sich mit Frankreich das zweitwichtigste Land Europas gegen den Kurs der Neoliberalen stemmt, werden sicherlich andere Länder, die gerade mehr aus eigener Schwäche denn aus Überzeugung "Merkozys" Kurs gefolgt sind, von Deutschland abfallen.
Nun darf man Hollandes Ankündigungen freilich nicht auf die Goldwaage legen. Die vollständige Neuverhandlung des Fiskalpakts wird es kaum geben, eher kosmetische Korrekturen. Auch die "Unabhängigkeit der EZB", die heilige Kuh der Deutschen, wird trotz der französischen Kritik unangetastet bleiben. Aber der Ton macht die Musik. Ein Durchsetzen weiterer Maßnahmen im Stil der Austeritätspolitik der letzten Jahre wird deutlich schwieriger. Das hat Konsequenzen auch für Deutschland. Merkels kurzlebige konservative Koalition knirscht an allen Ecken und Enden. Mit Frankreich und den Niederlanden brechen zwei Eckpfeiler heraus, Großbritannien ist ohnehin nur als Oppositionskraft verlässlich, und ob Spanien seine harte Haltung angesichts der katastrophalen Lage dort und einem als Partner für eine andere Politik bereit stehenden französischen Nachbarn treu bei Berlin stehen bleibt ist mehr als fraglich. Aus einem scheinbar europaweiten Konsens Deutschlands könnte schnell eine weitgehende Isolierung werden.
Noch wichtiger aber ist der französische Erfolg für die innerdeutsche Opposition. Diese verläuft nicht an Parteilinien. Ein Sieg Hollandes dürfte vor allem Sigmar Gabriel Auftrieb geben, wenn er es clever anstellt und nicht von den Stones und ihren zahlreichen Verbündeten ausgeknockt wird. Es wäre vermutlich die beste Strategie für ihn, sich deutlicher von der Agenda-Politik und dem Kuschelkurs mit Merkel abzusetzen als bisher und sich so deutlich als Alternative zu Steinmeier und Steinbrück zu positionieren. Eine Kanzlerkandidatur eines dieser beiden ist ein sicheres Ticket in die Große Koalition und die Fortsetzung der Austeritätspolitik - und damit einer Verschlimmerung der Krise Europas. Auch auf Seiten der Grünen wird es interessant sein zu sehen, wie diese sich positionieren. Und wenn Bernd Ulrich Recht hat, könnte sogar die FDP aus dem Merkellager ausscheren - obgleich ich das für unwahrscheinlich halte. Dass die LINKE hier keine Rolle spielt, verdankt die SPD übrigens mit Sicherheit nicht Steinmeier. Es war Gabriels entschlossene Unterstützung Hollandes und seine demonstrative Solidaritätsbekundung mit der PS Frankreichs. Hätte er das nicht getan, hätte es eventuell der LINKEn gelingen können, diesen Platz einzunehmen. Zur Zeit der Vorherrschaft Münteferings und Steinmeiers wäre das eine leichte Übung für Lafontaine gewesen. Gabriel ist gefährlicher sowohl für die LINKE als auch für die CDU, als es in der öffentlichen Meinung bisher wahrgenommen wird, so viel ist sicher.
Die Wahlergebnisse dieses Wochenendes stellen eine Morgenröte im Westen dar. Ob es sich auch in einen neuen Aufbruch verwandelt, wird sich erst noch weisen müssen und hängt stark von der deutschen Opposition und ihrem Mut ab, sich dem herrschenden Mainstream entgegenzustellen.
Bild: Matthieu Riegler
Bild: Matthieu Riegler
Gut so!
AntwortenLöschenBis auf Gabriel. In die Tonne mit dem!
Die SPD muss sich erneuern! Sozialdemokratie geht nicht mit Agenda 2010 zusammen! Das haben viele Wähler begriffen, aber viele Parteifunktionäre eben nicht, oder wollen es nicht begreifen, um ihre schwindenden Plätze an den Trögen der Macht zu erhalten.
Wie steht der Autor zur Agenda-Politik?
Falls verneinend verstehe ich die Wahl Gabriels als Hoffnungsträger, als überaus verstörend!
Duderich
......Siggi Popp....den kann man auch nur in die Tonne kloppen....
AntwortenLöschenLeider bleibt zu erwarten, dass Hollande sich nach dem Vorbild von Blair, Schröder und Obama verhalten wird. Wahlen ändern schon lange nichts mehr und besonders gerade die "linken" Regierungen, wie bei uns unter Schröder/Fischer zu erleben, überlassen ihre Länder ganz schamlos den Ausplünderungen durch das globale Kapital. Schamloser noch als die "rechten" Parteien.
AntwortenLöschenHaha! Da hab ich was für Dich!
Löschen(Schleimwerbung für meine Seite:)
http://aufzeichnungen-eines-gutmenschen.blogspot.de/2012/04/wenn-wahlen-was-andern-konnten-dann.html
Gruß,
Duderich
Was ist das denn für eine absurde Analyse? Die französischen "Sozialisten" mögen sich im Wahlkampf links von der SPD positioniert haben, aber die "systemischen Zwänge" werden Hollande und Co. schon bald wieder auf den "TINA"- Kurs der reaktionären Kapitalfraktionen zurücksteuern. Ich spare mir an dieser Stelle, die Lobgesänge auf Gabriel zu kommentieren- wer immer noch auf die post- Hartz IV SPD setzt, dem ist wohl leider nicht mehr zu helfen.
AntwortenLöschenHerr Sasse äußert sich in seinen Texten öfter mal positiv zur sPD. Unbegreiflich. Nix kapiert.
LöschenImmerhin war mir gestern Abend danach, schon mal ne Flasche Sekt aufzumachen :)
AntwortenLöschenAuch wenn Hollande sicherlich nicht alles umwerfen wird, ists mir vor allem wichtig, dass die europäische Einheitsmeinung aufgebrochen wird und ich denke, er hätte gute Chancen mit den südeuropäischen Staaten ein Bündnis zu schließen, so wie es da momentan aussieht. Griechenland wählt in zwei Wochen mein ich und die Regierungsparteien kommen alle zusammen! gerade mal auf 34%.
Für Deutschland hab ich eigentlich schon die Hoffnungen aufgegeben und Gabriel hat zwischen seinen cleveren Momenten teils auch immer einige Aussetzer. (Der Verweis auf die Stones klingt übrigens wie eine GoT-Intrige^^) Siehe zum Beispiel sein Rumgeheule, dass ja noch nicht genug gespart wird.
Meine Wunschkandidatin wäre eigentlich Hannelore Kraft, weil sie noch nicht so verbrannt ist wie Gabriel. Aber allgemein glaube ich auch nicht, dass die SPD den Mut hat, eine wirkliche Oppositionspolitik zu fahren.
Immerhin, bei Gabriel oder Kraft würde ich zumindest überlegen, die SPD zu wählen. Bei den Stones bliebe nur der gute Rat, die SPD aufzulösen und an die CDU anzugliedern.
Wer bei Gabriel immer nur "Siggi-Pop" ruft, bläst in das Horn der Seeheimer.
AntwortenLöschenImmerhin ist er der einzige fahle Lichtblick. Die Steine machen auf Merkel Zwo und die LINKE wird möglicherweise die absolute Mehrheit verfehlen ;-). Dass Gabriel eine Zusammenarbeit ausgeschlossen hat, ist bedauerlich, aber bei Kenntnis der deutchen Wählerschaft verständlich.
Noch ist Hollande nicht Präsident. Und die Piraten sind auch noch da.