Montag, 3. September 2018

Die FDP rastet in China aus weil Mädchen auf syrischen Brücken Mathe lernen - Vermischtes 03.09.2018

Die Serie "Vermischtes" stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) Die FDP fischt im Trüben
Auf Platz zwei der Apologeten folgt jedoch, Sie ahnen es, die FDP, in der schon jeder Sechste keinen Grund für eine Verurteilung der Exzesse sieht. Der Fairness halber: Knapp 70 Prozent der liberalen Wähler fanden sich hierzu doch bereit. Aber eben auch: Nur knapp 70 Prozent. [...] So sprach der Chemnitzer MdB Frank Müller-Rosentritt im DLF so evidenzfrei wie bedeutungsschwanger von Polizisten, die Ausländer besser behandeln würden als Deutsche, und kritisierte die Kritik der Presse, die oft nicht „sachlich und objektiv“ berichten würde. Das war plump. Nur wenig subtiler kam dann Wolfgang Kubicki um die Ecke, der „Chemnitz“ ursächlich auf das bekannte Kanzlerinnendiktum „Wir schaffen das“ zurückführte und damit frohgemut jene direkte Linie zog, an der entlang sich die AfD seit 2015 von Erfolg zu Erfolg hangelt. Nebensätze und Einschränkungen kann man getrost beiseite lassen, denn hängen blieb natürlich nur dies: Hätte Merkel nicht, dann würde Chemnitz nicht. Auch jetzt noch bemühte sich in der Parteispitze niemand, den brennenden Feuerwerkskörper möglichst weit wegzuwerfen. [...] Ein großes Loch in den Zaun schneiden, der den zivilisierten Diskurs umschließt, sich dann weit hinauslehnen und schließlich nach dem unausweichlichen Backlash behaupten, eigentlich alles ganz anders gemeint zu haben: Wer in diesem Vorgehen Ähnlichkeiten zu anderen neuerdings im Bundestag vertretenen Parteien zu erkennen glaubt, der darf sie getrost behalten. Er hat recht. [...] Weil all das offenbar aber immer noch nicht reichte, um die erwähnten 30 Prozent zu dogwhistlen, setzte Christian Lindner persönlich noch einen drauf. Die „Migrationspolitik von Angela Merkel“ habe unsere politische Kultur zum Schlechteren verändert, ließ er wissen, um sogleich nachzuschieben, dass diese Erklärung „Chemnitz“ nicht erkläre und natürlich auch nicht entschuldige. Welchen Zweck jenseits des Stimmenfangs in der Orange-und-Grauzone die Bemerkung dann überhaupt noch erfüllte, bleibt sein Geheimnis. Wer weiß, vielleicht war ja alles ganz anders gemeint. [...] So oder so: Die FDP wird gebraucht. Markt- und wertliberale Positionen müssen auch und besonders unter dem starken Druck der radikalen Ränder parlamentarisch mit Nachdruck vertreten werden. Wer hingegen glaubt, Kräften wie der AfD durch inhaltlichen Druckausgleich beizukommen, der sollte gleich die CSU bitten, in der Selbsthilfegruppe einen Stuhl freizuhalten. Eine Kraft wie die FDP sollte ihn nicht brauchen. Es gilt: Lieber die Klappe halten, als Unsinn reden! (Salonkolumnisten)
Genauso wie die CSU sieht die FDP ihre Zukunft darin, mit der AfD um Stimmen zu konkurrieren. Die Zusammensetzung der FDP-Wählerschaft lässt zwar vermuten, dass das nicht ganz so falsch ist wie für manch andere Partei - und 30% Zustimmung zu rechtsextremen Positionen unter FDP-Anhängern sind nicht wenig - aber es bedeutet immer noch, dass eine überwiegende Mehrheit der Wähler diese Position nicht teilen. Aktuell versuchen Lindner, Kubicki und Co, beide Seiten zu bedienen, indem sie den politischen Abfall der AfD in nette Worte und bürgerliche Staffage kleiden und dann, wenn man sie darauf anspricht, zurückrudern. Das hat für die Republicans und die Tories auch eine ganze Weile funktioniert. Aber am Ende verliert eine demokratische Partei, und mit ihr die Demokratie selbst, diesen Tanz auf dem Vulkan immer, und die echten Populisten übernehmen, ohne Dankbarkeit für ihre Steigbügelhalter aus dem bürgerlichen Lager. Der Ansatz der Merkel-CDU, eine klare Abgrenzungsstrategie zu verfolgen, ist daher mittel- und langfristig deutlich sinnvoller, egal wie sehr der konservative Flügel mosert.

2) Die fragliche Normalität des Ausrastens
Die Geschehnisse in Chemnitz stellen uns vor eine unbequeme Frage. Teile der Bevölkerung, darunter viele junge Männer in schwarzen T-Shirts, rasten kalkuliert aus, weil ein Verbrechen geschehen ist. Sie rasten aber nicht des Verbrechens wegen aus. Alexander Gauland (AfD) hat es gerade als normal bezeichnet, wenn die Leute nach Tötungen ausrasten. Abgesehen davon, dass „normal“ und „ausrasten“ zu verschiedenen Wortfeldern gehören, kommt es normalerweise nach Tötungen nicht zu solchen Demonstrationen. Denn sonst müssten sie in Sachsen ja allein im Jahr 2017 schon 26 Mal ausgerastet sein. So viele Tötungsdelikte verzeichnet die Kriminalitätsstatistik dort. Wenn ein Deutscher eine Deutsche totschlägt, kommt es selten zu Demonstrationen. Die meisten halten es nämlich zu Recht für die Tat eines Individuums, nicht eines Merkmalsträgers. Wenn ein Deutscher einen Nichtdeutschen totschlägt, ist es ebenso nicht normal, dass die Leute ausrasten und wurde jedenfalls noch nie von Gauland und seinen Leuten als normal bezeichnet. Jetzt soll das Ausrasten normal oder wenigstens verständlich sein, weil es zwei Asylbewerber waren. Dass das Opfer, hätten die beiden jemand anderen getötet, als „Deutsch-Kubaner“ jetzt womöglich unter den Verfolgten der organisierten Hetzmeute wäre, gehört zur Perfidie ihrer gespielten Empörung. [...] Ein Chemnitzer Buchhändler hat in dieser Zeitung mitgeteilt, die Mehrheit, die auch in Chemnitz nicht rechts ist, fühle sich wegen der geringen Anzahl von Polizeikräften nicht mehr sicher genug, um sich offen gegen Rechtsradikale auszusprechen. Ob Gegendemonstrationen Schutz genössen, sei den Bürgern zweifelhaft. Das führt auf die unbequeme Frage, die selbst dann übrig bliebe, wenn Cheblis Forderung erfüllt würde, und die vielleicht in ihrer Formulierung enthalten war: Wie kann es gelingen, die politische Neutralität der Exekutive und eine homogene Unnachsichtigkeit gegen Straftäter durchzusetzen? Anders formuliert: Wie ist es zu erreichen, dass auf Gesindel, das den Hitlergruß zeigt oder „Für jeden toten Deutschen einen toten Ausländer“ brüllt, nicht irgendwann, sondern sofort zugegriffen wird? Dass der Bremer Abgeordnete, der den Chemnitzer Haftbefehl im Internet geteilt haben soll, Bundespolizist ist, liest sich wie eine böse Fußnote zu diesen Fragen. (FAZ)
Die rhetorische Brandstiftung der AfD wird nicht einmal mehr zur Kenntnis genommen. Das Overton-Fenster hat sich ungeheur nach rechts verschoben. Man muss sich einmal klar machen, was passieren würde, wenn Linke solche Phrasen von sich gegen würden. Gewalt ist grundsätzlich keine legitime Reaktion auf empfundenes Unrecht, ob man Autos anzündet, Steine schmeißt oder sonst was anstellt. Mit der gleichen Rhetorik haben sie seinerzeit die RAF verteidigt. Was will man machen, wenn das Schweinesystem einem keine andere Wahl als die Gewalt lässt? Bedeutungsschwanger hängen solche Sätze im Raum. Tragisch ist das natürlich, und irgendwie schlecht, und man selbst würde ja nie, aber irgendwie muss man das ja verstehen. Und Schlimmes ist ja auch nicht passiert, war ja nur ein Kaufhaus, und das deckt ja eh die Versicherung. Also verstehen kann ich die jungen Leute ja schon...und plötzlich hast du einen radikalisierten Untergrund und Schießereien auf offener Straße, und keiner will's gewesen sein.

3) Für Mathe brauchen Mädchen Mut
"Wir müssen die Stereotype loswerden", sagt Wade. Sie meint damit beispielsweise das Vorurteil, das Gehirn von Frauen sei einfach nicht für Naturwissenschaften und Mathematik gemacht. Die Idee ist verbreitet, vor allem, weil bislang viele Bemühungen gescheitert sind, Schülerinnen für die sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) zu gewinnen. Das ist in Großbritannien genauso wie in Deutschland. Selbst Wissenschaftler fordern zuweilen, "die Mädchen doch mit Mathe in Ruhe" zu lassen. "Das ist ein Mythos", sagt Wade. Sie sagt: Die Schülerinnen würden durch Vorurteile von Mitschülerinnen, Lehrern und Eltern entmutigt. Sie ist nicht die Einzige, die das so sieht. Die Ingenieursprofessorin Barbara Oakley, Autorin eines Buches über das Lernen, schrieb jüngst in der New York Times, Schülerinnen seien bis zu einem bestimmten Alter in Mathe genauso gut wie Schüler. Erst wenn sie anfingen, an sich selbst zu zweifeln, übten sie weniger. Erst dann würden ihre Leistungen schlechter. [...] Ein Buch hat die Arbeit von Jess Wade stark geprägt: Inferior. How Science Got Women Wrong, 2017 erschienen, von Angela Saini verfasst. Saini demontiert darin die Ergebnisse der Gendergehirnforschung. Das habe ihr erst deutlich gemacht, wie extrem die Forschung daran mitgearbeitet habe, die Vorurteile gegenüber weiblichen Wissenschaftlern zu verfestigen, sagt Wade. Welche Vorurteile? Etwa, dass Frauen empathischer seien und Männer systematischer. Ein Beispiel: In seinem Buch Vom ersten Tag anders aus dem Jahr 2004 veröffentlichte Simon Baron-Cohen eine Studie, die beweisen sollte, dass schon neugeborene Babys sich je nach Geschlecht unterschiedlich verhielten. In der Studie heißt es, dass die weiblichen Säuglinge sich mehr für menschliche Gesichter interessierten, während die männlichen Babys lieber ein Mobile betrachteten. Saini aber traf die Wissenschaftlerin, welche die Studie durchführte, und fand heraus, dass sie bei vielen der Babys vorher wusste, ob sie Jungen oder Mädchen waren. Die Ergebnisse seien also nicht neutral ermittelt worden und zudem habe sich ein Großteil der Kinder weder für Gesichter noch für Mobiles interessiert. (Zeit)
Ich lass das mal für die Fans biologistischer Argumente hier im Blog da. Diese Studien, die das scheinbar belegen, sind wissenschaftlich fast durch die Bank wertlos. Der bestimmtende Faktor ist die soziale Prägung, was den Kindern und Jugendlichen kommuniziert wird. Und das sind nun einmal traditionelle Geschlechter-Vorurteile allerorten. Das fängt schon im Kindergarten an und zieht sich in die Schule, findet sich in Kinderbüchern schon der Kleinsten, die noch ohne Text auskommen und geht bis zu den Shootern, die die #Gamergate-Kids dann spielen, das ist in der Familie und reproduziert sich später in der eigenen Familie. Ohne eine Bewusstwerdung dieser Unterschiede und ein aktives Gegensteuern wird sich daran auch nichts ändern, allein durch die Macht von Phlegmatismus und Gewohnheit. Das ist so gesehen "natürlich".

4) What I learned about militarized policing
In the summer of 2014, unarmed protestors in Ferguson, Missouri were met with a startling and aggressive police response, and a national debate over the proper role of law enforcement in American communities—a dialogue we’ve initiated many times in our history, but never adequately resolved—reignited. For days, cable news networks saturated broadcasts with images of police in armored vehicles designed to withstand improvised explosive devices in Iraq, taking aim at civilians with high-powered rifles, clad in protective gear fit for a theater of war. I wanted to understand why police had this equipment, why they used it, and what costs and benefits so-called “militarized policing” delivered. As a doctoral student in political science, I knew where to start—locating reliable data—but I didn’t know it would take me four years to assemble and analyze. This week, I published my findings: Militarized police units are deployed more often in black neighborhoods, even after controlling for local crime rates. And while militarized policing does not, on average, make either the public or police any safer, it may tarnish the reputation of police. [...] Though limited to a single state, the data revealed some striking patterns. SWAT teams were originally conceived to handle violent emergencies, but roughly 90 percent of SWAT deployments in Maryland over five years occurred to execute a search warrant. After merging the deployment data with U.S. census figures, I found that every 10 percent increase in the share of African Americans in a zip code area was associated with roughly the same percent increase in SWAT deployments. I also conducted survey experiments that showed seeing militarized police in a news report—relative to traditionally equipped police—lowers public support for both the funding of police agencies and the presence of police patrols, and may even inflate perceptions of crime. (The Atlantic)
Abgesehen davon, dass diese Militarisierung nachgewiesenermaßen nichts bringt und sogar schädlich ist, möchte ich kurz auf die politischen Probleme eingehen. Theoretisch gesehen ist eine entsprechende Polizeireform nicht schwer, man muss ja nicht mal ein Gesetz dafür machen, das kann die Exekutive durch entsprechende Handlungsanweisungen und Verordnungen selbst innerhalb ihrer Behörden regeln. Nur: der politische Preis dafür ist gigantisch. Eine solche Reform ist fast zwangsläufig ein progressives Projekt, wird also nur passieren können, wenn Progressive an der Regierung sind, und die haben stets das Problem, beim Thema Innere Sicherheit eine offene Flanke zu haben, die sie durch umso aggressiveres Auftreten (man denke Otto Schily) zu schließen hoffen. Würde eine solche Reform angegangen werden, kostet es die konservative Opposition gar nichts, Zeter und Mordio zu schreien und Horrorszenarien zu entwickeln, und sobald irgendein schlimmer Kriminalfall passiert (und dass das irgendwann passiert ist garantiert) können sie billige Punkte ernten. Es ist ein "Nixon goes to China"-Moment: genauso wie nur ein Sozialdemokrat Hartz-IV machen oder die Banken retten konnte, genauso kann nur ein Konservativer die Polizei reformieren, weil nur die das politische Kapital haben, um es in einer solchen Unternehmung zu verbrennen. Davon ist allerdings gerade nichts zu sehen.

5) No matter who wins the Syrian civil war, Israel loses
Those doubts about Putin’s willingness and ability to constrain Iran are only increasing. A recent article published by the Washington, D.C.–based Middle East Institute analyzed several signs that Russia is quietly reducing its military presence on the ground in Syria, a step that would only decrease Putin’s leverage with Iran and Assad. Meanwhile, Iran and its allies have embedded themselves within Syrian security institutions, making it impossible to distinguish them from the country’s regular army. [...]As these political and military dramas play out, there is little question about a fundamental fact—Iran and its allies are poised to challenge Israel on multiple fronts in the years ahead. In Lebanon and Syria, Hezbollah boasts more fighters and better weapons than at any point in its history. Earlier this year, in the Gaza Strip, Hamas and Israel engaged in a series of tit-for-tat clashes for months before a cease-fire took hold. And in Iran, there is a growing risk that the Islamic Republic could restart its nuclear program following the Trump administration’s decision to reimpose sanctions on the country. “The goal is to encircle Israel with these proxies that could enmesh it in a series of open-ended, low-level conflicts that make life there unbearable,” Michael Eisenstadt a former U.S. army officer who is currently a fellow at the Washington Institute for Near East Policy, told me. “The idea is to set in motion a long-term process of decline.” (The Atlantic)
Ganz spannend zu sehen, wie das russische Engagement in Syrien und die Zurückhaltung der Amerikaner ostentativ erst einmal gar nicht betroffen scheinende Staaten wie Israel betreffen. Außenpolitik ist immer kompliziert, aber die Verflechtungen im Nahen Osten suchen wahrlich ihresgleichen. Dazu sind es auch dauernd Situationen, in denen es keine guten, sondern nur schlechte und sehr schlechte Optionen gibt. Einerseits hofft Israel darauf, mit einer Null-Verhandlungs-Politik gegenüber dem Iran die Atombombe zu verhindern, aber andererseits müsste es eigentlich mit dem Iran verhandeln, will es je Stabilität in zwei seiner Nachbarländer (Libanon und Syrien), die permanent instabil sind. Strategisch hält man zentrale Orte wie die Golan-Höhen, die aber politisch Dauer-Zankäpfel sind und den Frieden, den sie militärisch absichern, politisch unmöglich machen - und so weiter. Die ganze Region ist in einem Netz solcher Probleme gefangen, die keinerlei gute Lösungen kennen. Und so reproduzieren sich verschiedene Versionen eines beschissenen Status Quo, und versucht jeder, so viel wie möglich mit simpler Machtpolitik abzusichern, weil alles andere nicht zu funktionieren scheint. Ein absoluter Teufelskreis.

When the United States ratified the Nineteenth Amendment nearly a century ago, the law’s immediate impact extended far beyond giving women the right to vote. Women’s suffrage—widely viewed as one of the 20th century’s most important events—coincided with a growing (if gradual) embrace of gender equality, increased social spending, and a greater tendency among politicians to take a progressive stance on legislative proposals. Evidence suggests that women’s suffrage also corresponded with a significant increase in municipal spending on charities and hospitals, as well as on social programs; one study found that when women gained the right to vote, child mortality dropped by as much as 15 percent. A new study shows that another one of the ripple effects of women’s suffrage was that, across the board, children were more likely to stay in school. [...] In securing women the right to vote, the Nineteenth Amendment seems to have produced a positive, long-lasting contagion effect throughout society. “One of the ongoing things that we’re learning as economists is that there are spillovers from policies that are not necessarily targeted to education,” Shenhav says. “Policies that reduce political participation have implications for education policy.” The economists could only identify a measurable impact for the generation of students that attended school during or immediately after national suffrage. Yet the researchers say that women’s ability to vote surely led to longer-term benefits, including in labor-market productivity. “What we find is that when women got power, there were changes in spending that closed various gaps—any kind of spending: health care, education,” says Kuka, of Southern Methodist University. “These kinds of changes mattered back then and they probably matter now, too.” (The Atlantic)
Ähnliche Effekte sind mit Sicherheit auch feststellbar, wenn man die Civil-Rights-Politik der 1960er-Jahre für die afroamerikanische Bevölkerung untersucht. Demokratische Partizipation schafft immer ganz neue Anreize und Perspektiven im System. Deswegen ist ja auch die Idee wenigstens eines Kommunalwahlrechts für Ausländer (die innerhalb der EU ja mittlerweile verwirklicht ist) grundsätzlich gar nicht so dumm. Wer stakeholder in einem Gemeinwesen ist, bringt sich in dieses auch ganz anders ein, erlebtes mit anderen Augen, selbst wenn die Person selbst nicht einmal wählt oder an den Gremien partizpiert. Ähnliche Überlegungen leiten ja auch die Schülermitverantwortung (SMV) an staatlichen Schulen oder AStAs an Universitäten. Das ist eine relevante Überlegung, wo es um die Integration der Flüchtlinge geht.

7) Immer wieder Ärger mit dem Spannbeton
Die Elsenbrücke ist eine der wichtigen Verkehrsverbindungen Berlins – und seit Freitag das jüngste Beispiel für ein größeres Problem. Seit jenem Tag ist diese wichtige Verbindung zwischen Friedrichshain und Treptow halbseitig gesperrt, es wurden Risse im Stahl festgestellt. Das ist für die Brücke nichts Neues: Das Bauwerk über die Spree verursachte seit seiner Eröffnung in den 60er Jahren immer wieder Ärger. Die Brücke steht jedoch beispielhaft für eine größere Herausforderung. Und das nicht erst seit dem spektakulären Brückeneinsturz in Genua mit mehr als 40 Toten vor gut zwei Wochen. Jede Zehnte der 1085 Berliner Brücken wird als baufällig eingestuft. Das ergab eine kleine Anfrage der Grünen im vergangenen Jahr. Besonders betroffen ist der Berliner Autobahn-Ring, langfristig plant man dort viele Bauwerke komplett zu ersetzten. Zwischenzeitlich werden nur Sanierungsarbeiten durchgeführt, wie jüngst an der Rudolf-Wissell-Brücke. [...] „Die Planer rechneten damals noch nicht mit dem heutigen Verkehrsaufkommen und der hohen Belastung durch Lkws“, sagt Frank Ehlert, Sprecher vom Tüv Rheinland. Die Brückenprüfer des Tüv müssen in Deutschland öfter schlechte Noten vergeben: „Wir registrieren seit geraumer Zeit eine Häufung der Probleme“, sagt Ehlert. Das läge vor allem am Alter der Bauwerke. „Es muss an vielen Stellen in den Erhalt investiert werden“, sagt der Tüv-Sprecher und warnt davor, die Lage zu unterschätzen. (Tagesspiegel)
Eine Katastrophe wie in Genua ist in Deutschland nur eine Frage der Zeit. Die Brücken wissen es weniger zu schätzen, dass die Schwarze Null in Deutschland regiert. Der andere Faktor ist natürlich die dumme Brückenarchitektur der 1960er und 1970er Jahre. Damals wurde nicht nur hässlich, sondern auch nicht sonderlich nachhaltig gebaut, das kann man leider nicht anders sagen. Die damalige Ästhetik und Ideologie hat dem Land im Bereich der Bausubstanz nicht sonderlich gut getan.

8) Die Debatte um G8 oder G9 führt am Ziel vorbei
Wir haben in einer Projekt­gruppe versucht, mit einem Konzept namens „Abitur im eigenen Takt“ die Veränderung des Denkens in Deutsch­land hin zur konsequenten Output-Orientierung anzustoßen. Schülerinnen und Schüler sollten durch die Anwahl modularisierter Kurse selbst entscheiden, ob sie die Kurs­stufe zum Abitur in zwei oder drei Jahren absolvieren wollen. Dabei könnte es auch ein Teil­abitur geben, das Deutsch-Abitur also zum Beispiel in einem Jahr und das Mathe-Abitur im Jahr darauf absolviert werden. Eine Inte­gration von Praktika oder Auslands­aufent­halten wäre in einer solchen Ober­stufe problem­los möglich, längere Krank­heiten könnten abgefedert werden, und ein außer­schulisches Engagement würde er­leichtert. Zaghafte Vorschläge im inter­nationalen Vergleich – doch in Deutschland scheint eine solche Umsetzung undenkbar: Die Vergleich­bar­keit sei gefährdet, heißt es aus den Kultus­ministerien. Aber: Erstens waren die Abitur­prüfungen der 16 Bundes­länder zu keinem Zeit­punkt wirklich vergleich­bar. Sogar inner­halb eines Bundes­lands wie Baden-Württemberg gibt es Abitur­prüfungen auf unter­schiedlichem Niveau, die jedoch zu einem rechtlich absolut gleich­wertigen Abschluss führen. Das Argument ist also vor­geschoben. Zweitens wird eine Leistung nicht durch den Zeit­punkt der Prüfung bestimmt, sondern dadurch, dass man diese Hürde nimmt. Was viel eher gefährdet ist als die Vergleich­bar­keit des Abiturs, ist die Qualität des deutschen Schul­systems, wenn es so starr und unflexibel bleibt und so daran scheitert, ein System für die Bedürfnisse jedes einzelnen Schülers und jeder einzelnen Schülerin zu sein. (Deutsches Schulportal)
Ich bin schon lange ein Fan von mehr Modularisierung an deutschen Schulen. Deswegen habe ich das neue Abitur (seit 2004), das Deutsch und Mathe zu verbindlichen Hauptfächern für alle gemacht hat, auch immer als einen Fehler empfunden. Ich denke, die komplett offenen Ansätze, wie sie im Artikel an den Beispielen Kanadas und Finnlands diskutiert werden, sind in Deutschland angesichts der bemerkenswerten Reformresistenz des deutschen Bildungsbereichs eher unrealistisch. Was aber durchaus möglich ist ist eine sanfte Aufweichung des bisherigen Systems. Wir haben das bereits in Baden-Württemberg. Das alte dreigliedrige Schulsystem gibt es hier schon lange nicht mehr, stattdessen haben wir zahlreiche verschiedene Schularten, vor allem im beruflichen Bereich (ab Klasse 8), die eine stärkere Spezialisierung erlauben. Der Standardweg zum Abitur in BaWü (wie an den meisten Orten in Deutschland) bleibt das allgemeinbildende Gymnasium, aber das ist ein Irrweg. Das allgemeinbildende Gymnasium ist für eine bestimmte Schülergruppe das bestgeeignete, aber dass diese die Mehrheit ist, darf getrost bezweifelt werden (wie früher, als man das humanistische Gymnasium mit Altgriechisch, Latein und Philosphie zum Maß aller Dinge erklärte...). Es ist für Schüler ohne spezifische Stärken und Schwächen das Beste, aber für Schüler, die Stärken in einem Bereich und Schwächen in einem anderen haben ist es Quatsch. Man spricht nicht umsonst von "Stärken stärken". Es ist daher gut vorstellbar, über den Weg der Profile die Gymnasienvielfalt zu erhöhen, ohne gleichzeitig an Niveau zu verlieren oder zu tief in die bestehende institutionelle Struktur einzugreifen. Bei Interesse kann ich dieses Konzept gerne mal in einen größeren Artikel ausrollen.

9) Länder erproben Alternativen zu Zensuren
Problematisch ist die Benotung mit einem Ziffernsystem aus Sicht vieler Kritiker auch, weil es kaum einheitliche Standards für die Benotung gibt. An den meisten Schulen ist es den einzelnen Lehrkräften überlassen, wie viele Punkte pro Aufgabe vergeben werden, wie viele sie pro Fehler von der Maximalpunktzahl abziehen, wie viele mündliche Noten sie sammeln. Weitere Verzerrungen hat Kai Maaz, Professor für Erziehungswissenschaften und Direktor am Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung, gemeinsam mit anderen vor einigen Jahren nachgewiesen. „In die Benotung fließen soziale Effekte mit ein.“ Kinder aus Arbeiterfamilien bekommen – bei gleicher Leistung im standardisierten Test – etwas seltener gute Noten als Kinder aus Akademikerfamilien. Einen Vorteil haben Ziffernnoten: Sie sind für jeden verständlich und leicht vergleichbar. Darauf verweisen die Befürworter – und argumentieren, dass effiziente und aussagekräftige Alternativen trotz jahrelanger Debatten noch immer fehlen. Zudem haben Studien wiederholt gezeigt, dass Schulnoten ziemlich exakte Vorhersagen für den Schulerfolg erlauben. Aus dem Dilemma – einerseits sind Noten oft ungerecht, andererseits wird ihre Aussagekraft von Lehrern und Eltern geschätzt – suchen Pädagogen seit Jahren einen Ausweg. In Modellversuchen erproben Schulen Alternativen zur klassischen Benotung. Da wird etwa der Stoff in Module zusammengefasst: Ein Schüler kann dann zum Beispiel den „Einmaleins-Führerschein“ machen, sobald er sicher multiplizieren kann. [...] Auch Bildungsforscher Maaz plädiert dafür, Schulnoten um andere Formen der Bewertung wie Lernentwicklungsgespräche und die Ergebnisse von standardisierten Tests zu ergänzen. „Wenn es ein valides alternatives Bewertungssystem gäbe, sollten wir auf Ziffernnoten ganz verzichten“, sagt Maaz. (Tagesspiegel)
Wo wir schon bei Bildungsthemen sind, hier noch ein älterer Artikel aus dem Tagesspiegel. Ziffernoten haben alle Arten von Problemen, aber vor allem die dummen ganzen Noten 1-6. Jeder kennt das Thema, dass sowohl deine 2,6 als auch eine 3,4 dieselbe Note ergeben; zieht man den üblichen pädagogischen Freiraum ein, geht der Bereich sogar von 2,5 bis 3,6 oder 3,7 (arithmetisch eigentlich "bessere" Noten werden praktisch nie "schlechter" gemacht, also etwa eine 2,4 in eine 3; der umgekehrte Fall kommt gelegentlich vor). Das Oberstufensystem mit 0 bis 15 Punkten gibt wenigstens dreimal so viele Differenzierungspunkte; das ist schon ein deutlicher Fortschritt. Aber insgesamt sind Noten Objektivitätssimulationen. Ungeheuer viele Leute sitzen etwa dem Fehlschluss auf, Noten seien dann besonders objektiv und gerecht, wenn sie innerhalb einer Klasse oder Stufe der Gauss'schen Normalverteilung entsprechen (was hahnebüchener Unsinn ist). Wie in Bayern (der Artikel geht darauf ein) gibt es häufig Druck, "zu schlechte" oder "zu gute" Schnitte sowohl zu erklären als auch nachträglich zu verändern. Bei "zu schlechten" Schnitten laufen meist Schüler und Eltern, zunehmend aber auch Vorgesetzte und Kollegen Sturm; bei "zu guten" Schnitten sind es meist die Parallelklassen, Kollegen und Schulleitungen. So oder so erspart man sich als Lehrer viel Ärger, wenn man auf die Normalverteilung hin korrigiert, was nicht sonderlich schwer zu bewerkstelligen ist und das ganze Unternehmen häufig ad absurdum führt. Am schlimmsten ist, dass die Überhöhung von Noten dazu führt, dass weder Eltern noch Schüler noch Kollegen noch Schulleitungen irgendetwas ernst nehmen, das am Ende nicht mit einer Note versehen wird. Es ist zum Haare raufen. Und ich hab noch nicht mal zum Thema Hausaufgaben angefangen...

10) The political virtues of hypocricy
But hypocrisy, suggests recently retired Representative Barney Frank, is less evidence of corruption than evidence of its absence. It is what makes Congress function. It is the only tool legislators have after they’ve rooted out real corruption. [...] And Frank goes further: Instead of seeing political flip-flopping as a necessary evil, he suggests it is inherent to democracy. In an interview for the TV show I host on The Jewish Channel, Up Close, he explained that, “Any legislator is in an essentially compromised position, given the nature of democracy, because your decision about how to vote inevitably is a compromise—our system wouldn’t work otherwise—between your own views and your voters’.” [...] Posner and Sunstein recognize this gap, as well. “A key precondition of flip-flopping thus seems to be ambiguity as to whether a constitutional or institutional norm exists,” they write. In other words, the flip-flopping gap voters create—between what they think in a vacuum and what they think when partisanship is mixed in—exists because of a gap in law or custom. Posner and Sunstein think we can close some of that gap with new approaches: introducing a veil of ignorance into certain decision-making by removing partisan markers from policy proposals, for example, or increasing the number of public officials who are career professionals not appointed by politicians. But of course, though the gap can be narrowed, it can never be fully closed. At some point, after all, norms and laws leave people without clear guidance on specific issues, in the same way that elections and political coalitions do. At these times, voters and elected officials are driven by a variety of competing interests, and whatever approach wins out is likely to leave someone pointing a finger with accusations of hypocrisy. And, to a degree, the accusers will almost always be right that hypocrisy wins the day. The best we can do is be frank about it. (The Atlantic)
Genauso wie meine ewige Verteidigung des Fraktionszwangs gilt auch hier, dass außer der Herstellung von Wurst nichts so eklig anzuschauen ist wie die Realität der legislativen Prozesse. Das gilt auch für Heuchelei. Sie ist essenziell, nicht weil Politiker so furchtbar schlechte Menschen sind, sondern weil die Wähler sie wollen. Und ich schreibe hier bewusst wollen. Jeder Wähler wird, direkt gefragt, selbstverständlich sagen, wie furchtbar man es findet, dass Politiker lügen. Und das stimmt in dem Moment sicher auch. Nur dummerweise sind Wähler jedes Mal tödlich beleidigt, wenn man ihnen die Wahrheit sagt, und wählen dann die anderen. Jeder Politiker merkt das irgendwann, und das ist der Moment, in dem sie beginnen, die Wahrheit etwas flexibler zu betrachten. Ich empfehle die Lektüre des ganzen Artikels, weil die Mechanismen deutlicher erklärt, aber das Grundprinzip gilt in jedem politischen System. Wähler neigen dazu, ihre Ansichten zusammen mit der Partei, mit der sie sich identifizieren (Partei hier im losen Sinne, es muss keine politische Partei sein), zu ändern. Das passiert mal mehr (Republicans), mal weniger (Democrats) stark, aber es passiert jedes Mal. Mehrheitswahlsysteme haben das Phänomen stärker als Verhältniswahlsysteme, aber auch hier gilt: es gehört dazu. Sich darüber aufzuregen ist wie Unternehmer dafür anzuklagen dass sie Geld machen. Es ist nicht Aufgabe der Unternehmer, ihren Profit zu vermindern um irgendwelche moralischen Maßstäbe zu erfüllen; es ist Aufgabe der Gesellschaft, ihnen entsprechende Regeln aufzuerlegen. Genauso ist es Aufgabe der Wähler und der Medien, die Politiker ehrlich zu halten. Wenn diese Kontrollinstanzen versagen oder gar bewusst diese Aufgabe nicht wahrnehmen braucht man sich über das Ergebnis nicht zu wundern.

11) Abschied von der heilen Welt
Die Gewaltverbrechen kommen wie gerufen für die Schwedendemokraten mit ihrem Anführer Jimmie Akesson. Haben doch die meisten Täter einen Migrationshintergrund: ein willkommener Anlass für Akesson, auf Flüchtlinge zu schimpfen - oder gar den Einsatz der Armee in den Städten gegen Banden zu fordern. Die Kandidaten der Mitte lassen sich mitreißen: Premier Löfven hat einen Militäreinsatz nicht ausgeschlossen. Oppositionschef Kristersson kündigte für "lange Zeit eine verschärfte Flüchtlingspolitik" an. Dabei sind die Flüchtlinge nicht schuld an der Eskalation der Gewalt. Die Täter sind vor allem junge Männer mit schwedischem Pass, deren Vorfahren einst nach Schweden kamen - und deren Integration misslungen ist. "Flüchtlinge sind nicht unser Problem. Es sind immer dieselben, altbekannten Personen, die so extrem gewalttätig sind", sagt Malmös Vize-Polizeichef Erik Jansaker. Gut 200 Männer, meistens zwischen 19 und 24 Jahre alt, Söhne oder Enkel von Einwanderern aus dem Nahen Osten, Iran oder Bosnien. "Diese Menschen haben keine gute Ausbildung, keine Jobs, keine Perspektive", sagt Jansaker. "Wir haben es nicht geschafft, sie in unsere Gesellschaft zu integrieren." [...] Wer den sozialen Aufstieg schaffte, zog bald weg. Im Gegenzug wurden immer mehr Migranten hier einquartiert. Oder sie zogen hierher, weil die Mieten so niedrig und ihre Landsleute hier waren. So entstanden Parallelgesellschaften. Heute verlassen in einigen Problemvierteln zwischen 50 und 70 Prozent der Jugendlichen mit 15 die neunjährige Grundschule nach der Mindestschule ohne gültiges Abgangszeugnis, das sind drei- bis viermal so viele wie im Durchschnitt. Entsprechend groß ist die Arbeitslosigkeit. Mit dem Staat Schweden identifiziert sich hier kaum jemand. [...] Sollten die Rechtspopulisten die Wahl gewinnen oder gar an einer Regierung beteiligt werden, würde alles nur noch schlimmer, meint Kurtovic. "Die Schwedendemokraten würden noch weniger für die Menschen hier tun und Migranten immer weiter an den Rand drängen." Polizist Jansaker sieht das ähnlich. "Wenn das Militär hierherkäme, wäre das nicht nur ein Zeichen, dass die Polizei aufgibt. Es würde die Menschen in diesen Vierteln stigmatisieren." Auf Nachfrage gibt Jansaker zu: Seine Polizisten gehen zurzeit nur selten auf Streife im Rosengård. Denn viele Beamte wurden abgezogen, um die Morde zu untersuchen. Die Personaldecke ist dünn. Die Polizei aufzustocken, versprechen deshalb im Wahlkampf Politiker aller Couleur. Problemviertel wie Rosengård bräuchten bessere Schulen, bessere Wohnungen, bessere Krankenhäuser - und vor allem: bessere Perspektiven für junge Menschen. Aber das alles kostet viel Geld. "Und nach der Wahl", sagt Kurtovic, "heißt es immer: es ist kein Geld da." (SpiegelOnline)
Auch in Schweden ist ein Muster zu erkennen, das den Problemkomplex "Ausländerkriminalität" und "mangelnde Integration" durchzieht. Jahrzehntelang wurde viel zu wenig getan, und wenn man sich endlich bereit erklärt das Problem überhaupt zu sehen wird es als eine Polizeiaufgabe deklariert, als ob die der richtige Ansprechpartner wären, um jahrzehntelange Integrationsversäumnisse aufzuholen. Was es braucht sind Sozialarbeiter, nicht Polizisten, aber die kosten halt viel Geld und lassen sich im Wahlkampf nicht so toll martialisch vermarkten. Dafür haben sie auch einen einen echten Effekt und helfen tatsächlich. Ich habe das Problem in Fundstück 4 ja auch angesprochen. Das ist eine politische Aufgabe für die Konservativen. Die sind die einzigen, die das politische Kapital haben, hier tatsächlich tätig zu werden und, vor allem, dauerhaft tätig zu werden. Wenn Progressive das machen wird es zum Wahlkampfthema und bei der nächsten Niederlage wieder zurückgebaut; wenn die Konservativen das machen, dann bleibt es. Sieht man umgekehrt ja auch bei Sozialstaatsreformen: Kohls Rentenreform wurde sofort zurückgedreht, die von Rot-Grün bleibt. Aber dafür braucht es eben Verantwortungsbewusstsein und den Willen, das politische Kapital für ein solches Thema, das eigentlich nicht das eigene Leib- und Magenthema ist und dass die eigenen Wähler nicht nur nicht interessiert, sondern vielleicht gar verprellt, anzugehen. Es gehört zur Größe Merkels, dass sie dazu bereit ist, zumindest wenn die Demoskopie sie unterstützt. Der Atomausstieg ist ja auch so ein Ding: kaum kam Schwarz-Gelb ans Ruder, wollten sie das Ding killen. Erst als die Konservativen es machten, wurde es zur festen Größe. Only Nixon can go to China.

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