1) Wer hat Angst vorm Zuhören?
Das ist beim Identity-politics-Bashing das zentrale Problem: Es immunisiert sich im Namen der richtigen Werte gegen einen Aushandlungsprozess, in dem auch die eigene Position zum Gegenstand des Streits werden kann, ja muss, wenn wir gemeinsam demokratisch vorankommen wollen. Es geht um einen Austausch über die Frage, wer aus wessen Sicht «ihr» und wer «wir» ist – statt einfach zu behaupten, dass in einem gemeinschaftlichen Wir sowieso alle eingeschlossen seien. Deshalb lohnt sich das Zuhören. Hinter so manchen Anekdoten von «übertriebenen» Formen der Identitätspolitik stecken genuin moderne, zur Demokratie gehörende Kämpfe um Partizipation, um die Teilnahme am politischen, kulturellen, ökonomischen Leben. Es sind Kämpfe darum, ebenfalls zu denjenigen zu gehören, die an Universalismus, Menschenrechten, Demokratie, Gerechtigkeit und Solidarität teilhaben. Statt sich mit den eigenen Befindlichkeiten zu befassen und mit pauschaler Kritik den Kräften zuzuarbeiten, die Emanzipations- und Gleichheitsforderungen bekämpfen, sollten alle, die guten Willens sind, daran arbeiten, wie wir gemeinsam diese Ziele erreichen können. Auf dem Weg dahin muss die Spannung zwischen dem Projekt des Universalen und einer Praxis des Partikularen ausgehalten werden. Daraus folgen paradoxe Emanzipationsformen, nämlich solche, die zunächst Differenz betonen müssen, um sie langfristig zu relativieren. Daraus folgt aber auch eine (selbst-)kritische Befragung der Gruppenlogik insgesamt, auch in ihren emanzipatorischen Absichten. Wer diese Komplexität nicht sehen will, hat womöglich mehr nervige identity politics verdient, als ihm oder ihr lieb ist. (Paula-Irene Villa/Andrea Geier, Republik.ch)
Schöne Zusammenfassung. "Identity politics" abzulehnen ist ein Luxus, den man nur als Mitglied der Mehrheit haben kann. Es ist wohlfeil als weißer Mann zu sagen, dass man nichts mehr von den Anliegen anderer Gruppen hören mag. Glaube ich sofort. Allein, es hilft halt nichts. Diese Gruppen haben ebenfalls ein Recht gehört zu werden, und dass das der aktuell privilegierten Gruppe nicht in den Kram passt, ist zwar eine historische Konstante, macht es deswegen aber nicht richtiger. Dazu kommt, dass der Begriff ohnehin nur als Angriff gebraucht wird. Identity politics machen immer die anderen, man selbst natürlich nie. Dabei merkt man nur nicht, wenn man von den eigenen Identity politics angesprochen wird, weil sie der Normalfall sind. Natürlich mag man es nicht, wenn diese Normalität erschüttert wird. Aber es muss geschehen.
Waldbrände, überhitzte Ozeane, schmelzender Permafrost: Der Klimawandel zeigt sich schon jetzt in sichtbare Konsequenzen. Wie drängend das Problem ist, verdeutlichen mehrere aktuelle Studien – besonders große Sorgen bereiten dabei Ergebnisse von kanadischen Forschern, die in dieser Woche veröffentlicht wurden. Der Klimaforschung und denen, die Maßnahmen gegen die Erderhitzung fordern, wird zwar häufig unterstellt, sie seien Angstmacher oder quasi-religiöse Apokalyptiker. Sie würden in überzogenen Katastrophenszenarien Panik schüren. Sogar von "Climate Porn" oder "Doom Porn", also der pornographisch-lustvollen Zurschaustellung am Untergang ist die Rede. Ein Blick auf neuere Studien legt aber den Schluss nahe: Die Warnungen und Prognosen sind eher vorsichtig, eher konservativ, eher zu zurückhaltend als zu apokalyptisch. Allein im vergangenen Jahr haben zahlreiche Studie gezeigt, dass die Erderhitzung schneller voranschreitet als gedacht. Ein Überblick. (Jonas Schaible, T-Online)Empfehlenswerter Artikel für all die Klimawandelleugner unter uns, die beständig der Überzeugung sind, das alles sei völlig übertrieben. Und je mehr relativiert und abgebügelt wird, desto mehr verhärtet sich deren Position, weil die Kosten, die eigene falsche Stellung zu räumen, immer höher werden.
3) Niemand schafft's allein
Die Kritik an Thunbergs Atlantiküberquerung ist ohnehin nicht ernst zu nehmen. Man stelle sich mal die Reaktion von FAZ und Konsorten vor, wenn sie tatsächlich geflogen wäre. Der Artikel von Kreutzfeld trifft dagegen den Nagel auf den Kopf, und ich denke, dass gerade die Grünen sich da endlich ehrlich machen sollten. Das würde auch diese beknackten Debatten über Lebensstilvorschriften und individuellen Verhaltensänderungs-Unfug beenden. Ein globales Problem wie der Klimawandel kann nur angegangen werden, wenn auf staatlicher Ebene etwas passiert. Und einzelne Staaten können nur darin wirken, dass sie Lösungen und Methoden entwickeln, die andere dann übernehmen können. So können wir uns an diversen Länder und Metropolen um uns herum, etwa in den Niederlanden, anschauen, wie man Alternativen zum Auto innerhalb weniger Jahre um ein Vielfaches attraktiver und genutzter machen und autofreie Innenstädte designen kann. Man kann sehen, wo andere Länder Erfahrungen mit regenerativen Energiequellen gemacht haben, auf die wir zurückgreifen können. Man kann schauen, wie andere den Kohle- und Atomausstieg managen. Und so weiter. Aber dazu muss man etwas tun. Ich schaue gerade mal mit zusammengekniffenen Augen in Richtung Kretschmann.Wenn es selbst einer Greta Thunberg mit dem riesigen Aufwand und den gewaltigen Strapazen, die sie für ihre Reise auf sich nimmt, nicht gelingt, den Atlantik wirklich klimafreundlich zu überqueren, dann zeigt das eindrücklich, dass manche Probleme eben nicht auf persönlicher Ebene gelöst werden können. Individuelle Verhaltensänderungen können als Denkanstoß oder als Vorbild sinnvoll sein, sie können Lösungen demonstrieren und politische Veränderungen einleiten. Wer freiwillig Fahrrad oder Bus statt Auto fährt, tut nicht nur sich und der Umwelt etwas Gutes. Sondern schafft langfristig auch Druck, den Raum in den Städten umzuverteilen und damit den Autoverkehr insgesamt zurückzudrängen. Wer Biolebensmittel kauft, sorgt nicht nur unmittelbar für weniger Gift und Dünger auf den Feldern, sondern liefert auch einen Beweis, dass Menschen sich nicht nur für den Preis der Nahrung interessieren. Doch schon auf diesen Handlungsfeldern, auf denen praktikable Alternativen existieren, stößt der individuelle Ansatz bald an seine Grenzen. Um die Umwelt- und Klimakrise abzuwenden, reicht es nicht, wenn nur diejenigen ihr Verhalten ändern, die von sich aus die Notwendigkeit sehen und sich die Alternativen unter den bestehenden Verhältnissen leisten können. Dafür braucht es Regeln, die die Probleme unabhängig von individuellen Entscheidungen lösen. Private Pkws aus Innenstädten zu verbannen und im Gegenzug einen funktionierenden, kostenlosen Nahverkehr zu schaffen bringt am Ende einfach mehr als ein Appell, das Auto doch mal stehen zu lassen. Genauso nützt ein flächendeckendes Verbot von Glyphosat und quälerischer Tierhaltung der Sache mehr als ein paar weitere KundInnen, die freiwillig aufs Biosiegel achten. (Matke Kreutzfeld, taz)
4) Bitte nicht
Ein weiterer Beitrag aus der beliebten Reihe "Wenn die SPD das macht was ich gut finde wird sie wieder erfolgreich". Ich stimme dem Artikel ja sogar zu. Aber das Dilemma der SPD ist nicht gerade ein Mangel an guten Ratschlägen. Denn die Fraktion, die erklärt, dass es gerade einen Klare-Kante-Typen wie Scholz bräuchte, der etwas vom alten Schröder-Charisma kanalisieren kann, hat ja auch etwas für sich. Letzten Endes bleibe ich dabei: Die Partei muss sich für IRGENDEINEN Weg entscheiden. Ihre konstante Weigerung, entweder nach links oder rechts, vorne oder hinten irgendeine Bewegung zu vollziehen, wie das Kaninchen vor der Schlange, ist ihr Untergang. Möglicherweise killt die Bewegung sie. Aber sitzen bleiben macht es nur länger und schmerzhafter.Betrachtet man Scholz' politischen Lebenslauf, ist da eigentlich nur eine Konstante: Er scheint zu glauben, die SPD brauche an der Spitze Politiker, die genauso auch in der CDU sein könnten. Politiker, die im Zweifel die eigene Partei links liegen lassen, um damit Stimmen aus der CDU zu lösen. Diesen Glauben hat er nicht allein. Er ist ein fester Bestandteil der SPD, ja, man könnte sagen, die Kanzlerschaften Helmut Schmidts und Gerhard Schröders sind vor allem aus diesem Glauben heraus erklärbar. Scholz hatte ja auch durchaus politische Erfolge: Zweimal gewann er in Hamburg die Bürgerschaftswahlen. Nur ist Hamburg nicht Deutschland und die politische Mitte, die Scholz mit seiner stilisierten Apathie offenbar ansprechen will, ganz woanders, als er es vermutet. Die SPD hat – anders als vielleicht noch in den Neunzigern – keine Chance, Rechte für sich zu gewinnen, die Scholz für einen schneidigen Mann halten. Denn abgesehen davon, dass Scholz alles andere als schneidig ist: Enttäuschte Konservative wählen die AfD. Erreichbar sind dagegen die vielen Merkel-Wähler, die von der SPD kamen und nach dem enttäuschenden Beginn Annegret Kramp-Karrenbauers dazu tendieren, sich den Grünen zuzuwenden. Vielleicht, weil sie sich in einem kosmopolitischen Lebensgefühl angesprochen fühlen. Oder weil sie bei ihnen politische frische Luft vermuten. Oder weil sie etwas Radikalität in den ökologischen und sozialen Fragen unserer Zeit nicht mal für so falsch halten. Mit nichts davon kann Scholz dienen. (Christian Bangel, ZEIT)
5) Da lacht die Rezession
Nehmen wir zum Start (Fortsetzung folgt) die umstrittene Abschaffung des Soli-Zuschlags, die für das Gros der Soli-Zahler 2021 geplant ist und jetzt im Kampf gegen die Rezession vorgezogen werden sollte, wie es diese Woche hohe Vertreter der FDP oder der Chef des Münchner Ifo-Instituts Clemens Fuest gefordert haben. Die Idee klingt erst einmal gut. Was den Abschwung derzeit beschleunigt, ist ja, dass vor allem Deutschlands Industriefirmen die Aufträge wegbrechen - ob als Folge des schwelenden Handelskrieges, der die Exporte trifft, oder weil es all die irrlichternden Trumps und Johnsons und Salvinis schwer machen zu kalkulieren, was morgen ist. Das lässt viele Firmen mit größeren Ausgaben zögern. Die deutsche Autoindustrie produziert mittlerweile weniger als in der großen Rezession nach dem Lehman-Crash. Sollte es da nicht helfen, den Deutschen schon im Januar via Soli-Aus netto mehr Geld zu lassen? Damit sie einen Teil des Absatzeinbruchs ausgleichen, also mehr Autos kaufen und so? Nicht so sicher. Die Sache könnte in der Praxis ziemlich teuer enden, ohne dass sie eine Rezession auch nur ansatzweise verlangsamt. Warum? Weil der Soli, anders als es die Werbekampagnen der Abschaffungsfans vermuten lassen, nur einen Teil der Bevölkerung nennenswert angeht. Wegen diverser Freibeträge zahlt nach gängigen Schätzungen die untere Hälfte der Einkommensbezieher in Deutschland so gut wie keinen Soli - kann sich also mangels steuerlichen Entlastungspotenzials auch gar nicht als Konjunkturmotor betätigen. Obwohl bei dieser Gruppe eine recht hohe Bereitschaft vorliegt, mehr Geld auszugeben. Wenn es denn da wäre. Nach Schätzungen geben zwei von drei der untersten Einkommensgruppen monatlich mehr aus, als sie haben. Die gäben den Zaster sofort konjunkturwirksam aus, würden bei der Soli-Abschaffung nur eben gar nichts kriegen. (Thomas Fricke, SpiegelOnline)Den Soli abzuschaffen, um die Rezession aufzufangen, ist so eine Idee, wie sie nur von der FDP kommen kann. Wenn deine Antwort auf alles "Steuern senken" ist, egal ob Boom oder Rezession, Strukturwandel oder Infrastrukturverfall, dann ist natürlich auch hier nichts anderes zu erwarten. Eine weitere Steuerreform, von der praktisch nur die oberen Schichten profitieren, fände ich allerdings obszön. Klar hätte ich gerne mehr Geld in der Tasche, aber wenn ihr schon irgendwo was senken wollt, dann macht das doch bitte unten und nicht oben. Und bitte, noch mal die Autoindustrie pushen? Wir haben das schon in der Finanzkrise gemacht. Wenn irgendwelche Fördergelder in die Abwendung der Rezession gehen sollen - also deficit spending - dann bitte in Zukunftsbereiche und nicht in irgendwelche Sackgassentechnologien. Da gibt es wahrlich genug zu tun. Und wenn es eine Fahrradkaufprämie ist. Alles vernünftiger als noch mehr Geld in Autos zu stecken.
6) Trump’s Foreign-Policy Crisis Arrives
Es ist und bleibt ein Fakt, dem sich jede Regierung stellen muss: Niemand kann in der Außenpolitik gewinnen. Einfach niemand. Das Beste, auf das man hoffen kann, ist das Vermeiden von Desastern und das möglichst schmerzfreie Managen von Krisen. Aber wann hat das letzte Mal jemand seit der deutschen Einheit außenpolitische Meriten erworben, wo danach alle begeistert gesagt haben: Ist ja toll wie X das Problem gelöst hat? Auf der anderen Seite: Was will man machen? Wer glaubt, dass Nichtstun eine Alternative sei, bei der man sich nicht die Hände schmutzig macht, ist Deutscher. Auch Nichthandeln ist Handeln. Wer China nicht offen kritisiert oder sonstige Maßnahmen ergreift, der teilt Peking mit, dass es völlig in Ordnung ist, was dort getrieben wird. Das ist das ganze beschissene Dilemma jeglicher solcher Außenpolitik. Und ein letzter Kommentar: Es ist ein echtes Wunder, dass bei Trumps Politikstil so etwas nicht schon längst passiert ist. Der Mann ist null informiert und haut am Telefon eben mal irgendwelche Versprechungen raus, nur um seinem Gesprächspartner zu gefallen (oder Drohungen, je nachdem). Auf die Art ist er schon durch die nordkoreanische Diplomatie hindurchgestolpert, aber im Umgang mit einem Land wie China wird das existenziell bedrohlich.Presidents are constrained in what they can say. We should cut Donald Trump some slack. But even taking those constraints into account, Trump’s response could hardly have been worse. Not only was Trump silent on America’s core values. He also increased the risk of a major miscalculation by China with seismic geopolitical consequences. It may prove to be the greatest mistake of his presidency. Trump’s folly began with a phone call to China’s president, Xi Jinping, on June 18. According to the Financial Times and Politico, Trump told the Chinese leader that he would not condemn a crackdown in Hong Kong. The commitment was made on the fly, without prior consultation with his national-security team. [...] Much will be made of the immorality of Trump’s position, how he has abdicated the role of leader of the free world, and why his stance makes violence more likely. That is all true—but Trump’s stance is even worse than it appears. [...] A violent crackdown would make it much more difficult to calibrate competition with China. China will have revealed itself to be a totalitarian dictatorship guilty of the excesses associated with such regimes. Cooperation will become difficult, if not impossible, even on matters of mutual interest. Having crossed the Rubicon and incurred the costs, Xi may be even more willing to flex China’s muscles in the South China Sea and East China Sea, increasing tensions with its neighbors and the United States. If China handles Hong Kong in a heavy-handed way, that would also have repercussions for Taiwan, which would see its suspicions of the mainland confirmed. A violent crackdown would also accelerate economic decoupling, with Western investors fleeing Hong Kong as it becomes just another Chinese city. More than 1,300 U.S. firms have a presence in Taiwan, including nearly every major U.S. financial firm. There are 85,000 U.S. citizens in Hong Kong. They would likely leave. A violent crackdown would almost surely lead to the imposition of sanctions by the U.S. Congress, if necessary with a supermajority to overcome a presidential veto. The decoupling would not be confined to Hong Kong. The tariffs and restrictions imposed to generate leverage in trade negotiations would become permanent. (Thomas Wright, The Atlantic)
7) In Big Non-Surprise, Trump Turns on Labor Unions
I know this analogy gets used too often, but it really is like the frog who agreed to carry a scorpion across a river. Halfway across, the scorpion stung the frog and they both drowned. But why? “It’s what I do,” the scorpion shrugged. Donald Trump may have the knack of talking to blue-collar workers, and I suppose union leaders need to do their best to work with whoever’s in the White House. But as Trump said to them about unions, “they cost me a lot of money.” That part was real. The little laugh that followed wasn’t. Unions cost Trump and the rest of the business class a lot of money, and they’ve spent the last 50 years conducting a scorched-earth campaign to destroy them. So when, one way or another, it turned out there was no Trump infrastructure bill and never would be; and Trump started whittling away at public sector union rights; and Trump repealed the “overtime” rule put in place by President Obama; and Trump’s NLRB overturned a couple of key labor rules; and Trump appointed Eugene Scalia to be the next Labor Secretary; and Trump said not a peep when Boeing workers tried to organize in South Carolina; and Trump’s trade war started hurting union jobs—well, you’d be foolish to wonder why he did all that. The answer is simple. He’s a Republican. It’s what he does. Any union that supports Trump’s White House and Mitch McConnell’s Senate deserves whatever they get. Any union that backs a Trump initiative that screws other unions as long as they themselves are exempted should hardly be surprised when that exemption is suddenly in danger. (Kevin Drum, Mother Jones)Es gibt nur wenige Sorten von Artikeln neben "Hillary Clinton wird sicher gewinnen" und "Trump wird nicht so interventionistisch wie Hillary", die so schlecht gealtert sind wie die, die ihn als Champion der Arbeiterklasse darstellten. Zwar teilt er seine instinktive Ablehnung des Freihandels mit der Linken, aber die war auch ein Feature der reaktionärsten Eliten des Kaiserreichs, und die waren nicht eben dafür bekannt, dass ihre Politik für die 99% sinnvoll gewesen wäre. Davon abgesehen ist Trump ein pathologischer Lügner. Der Mann hatte noch keinen Geschäfts- und Verhandlungspartner, den er nicht belogen und verraten hätte, keinen Verbündeten, den er nicht fallen ließ. Oder in den Worten Rick Wilsons: Everything Trump touches dies. Dass er immer und immer wieder Leute findet, die glauben, mit ihm Geschäfte machen zu können, ist eines der erstaunlichsten Feautures an seiner gesamten Vita.
Specifically, the left-progressive position on borders should be something like: maximum enforcement against the movement of financial capital, moderate enforcement against goods and services, and minimal enforcement against people. [...] What of international trade and competition? That's trickier. On the one hand, trade between countries really can be a win-win, providing one side with jobs and the other with a higher standard of living. But elite capitalists' tendency to invoke this (potential) reality most often serves as cover for their desire to construct global supply chains that maximally exploit natural resources and labor populations while serving nothing other than their own profits. Meanwhile, even if a company were 100-percent worker-owned, it could still get knocked out by competition from abroad, decimating livelihoods and towns and communities along the way. Liberals and progressives should not favor hard nationalist barriers, necessarily; but judicious and pro-active management of trade flows in goods and services. [...] It isn't that elites never want to "import cheap labor," as the right-wingers accuse. It is that such "importation" is most useful as a convenient afterthought, and political ploy: It is wealthy elites' absolute power over the course and makeup of economic production that destroys places and lives, and then it is immigrants who take the blame for the blight. More to the point, every flesh-and-blood person who comes to our country brings with them the intrinsic need for food, shelter, services, and everything else out of which jobs are made. There is no inherent reason why the supply of labor in America should ever outpace the demand for it, no matter how many people cross our borders. If it does, that is a choice by policymakers. And it was a choice made to benefit the elite captains of global finance capitalism — to ensure that no part of the American economy can live and flourish if it does not serve their profits. (Jeff Spross, The Week)Spross' Vorschlag hat den Vorteil von Kohärenz mit anderen linken Positionen, den die Proponenten von Forderungen, die Linke solle einfach auch auf Ausländer und Einwanderer einschlagen (gerne wird Dänemark als Beispiel bedient) nicht haben. Ich denke, beide Positionen haben dabei einen Teil der Wahrheit. Auf er einen Seite haben Leute wie Spross Recht damit, dass die oben beschriebene Positionierung sowohl von der policy als auch von der Kohärenz wesentlich sinnvoller sind. Auf der anderen Seite wollen aber viele der Wähler, die von der Linken zu Parteien wie der AfD oder zu Politikern wie Johnson (vergleiche Fundstück 1 aus dem letzten Vermischten) und Trump abgewandert sind, explizit diese harte Linie gegen alles Fremde. Ich bleibe aber sehr skeptisch, dass letztgenannte Gruppe überhaupt für die Progressiven zurückzugewinnen ist - oder für Konservative wie die CDU, nebenbei bemerkt.
A world in which many times the number of migrants from Africa, the Middle East, and South Asia are forced to flee their homes in search of food is exceedingly unlikely to produce a diametrically opposite political response. On the contrary, it's overwhelmingly likely to produce a very similar response, though on a vastly greater scale. That's because the scale of the coming migration crisis is likely to be vastly greater. [...] When it comes, this shift will be driven primarily by public opinion. Right-wing movements benefit from fear, and the prospect of throngs of poor and needy migrants requesting entry to Western countries, especially when these migrants look different and act and worship in a different way than these countries' majorities, is a scary thought to many. Critics may be right to judge this a severe moral failing, but describing it as such won't make the feeling go away — especially when right-wing demagogues are sure to do everything they can to intensify and exploit them for political gain. Those who oppose the lurch toward xenophobia won't stand a chance amidst the maelstrom. [...] As I argued in May, democracies are notoriously bad at making hard choices — and whether to accept slower growth, sharply higher costs, and dramatically increased environmental regulations on the basis of scientific probabilities and predictions is one of the hardest choices of all. Responding to bad events that have already happened is far easier, and that's likely to be the right's approach. With each new flood, drought, and storm, Republicans will react by offering to help clean up the mess while doing little to forestall future environmental shocks. It's an approach that just might work politically, especially if it's combined with tough, far-right border restrictions that keep out the flood of refugees from the south. That will enable the GOP to portray itself as a party working above all to protect the country and its prosperity in a time of heightened adversity. Add it all up and we're left with multiple signs that a world enduring climate change could be one in which the far-right thrives as never before. (Damon Linker, The Week)Ich halte das oben beschrienene Szenario für absolut realistisch. Zuerst treibt die Rechte die Welt in den Abgrund, und dann profitiert sie davon. Es wäre wahrlich nicht das erste Mal. Die Verwerfungen durch den Klimawandel werden zu Chaos und Abschottungswünschen führen, und mit ihrer brutalen Bereitschaft sowohl zur Durchsetzung von Ordnung gegenüber wehrlosen Minderheiten als auch mit ihrem eher lockeren Umgang mit Grund- und Menschenrechten wird die Rechte hier immer die Nase vorne haben. Wir werden dann zwar sagen können, dass wir es immer schon prognostiziert haben, aber kaufen kann man davon nichts. Und wie bereits im Fundstück 1 des letzten Vermischten erwähnt hat die Rechte auch die nötige Flexibilität dazu.
So if you run through this list, you certainly do see some major highways that connect Sanders and Warren. But there are also a lot of ways to get from Sanders to Biden. And there are some byways that link Sanders to several of the second-tier or minor candidates, most notably Gabbard, Buttigieg, Yang and O’Rourke. The one major candidate who doesn’t have a lot of obvious connections with Sanders is probably Harris. It’s sort of like trying to get from the West Village to the Upper East Side. You can certainly do it, and they aren’t that far apart as the crow flies, but it requires an extra transfer or two. [...] Among the major candidates, there are quite a few Sanders 2016 –> Biden 2020 voters, although not nearly as many as there are Clinton 2016 –> Biden 2020 voters. Harris gets her support mostly from Clinton voters; relatively little comes from 2016 Sanders voters, consistent with our hypothesis. Warren is, by contrast, drawing about equal shares of Clinton 2016 and Sanders 2016 voters. Maybe you’re surprised that Warren’s numbers aren’t more slanted to former Sanders supporters, but keep in mind that (i) there are plenty of connections between Clinton and Warren too, e.g. in their appeal to college-educated women; (ii) whereas Clinton’s voters need to look around for a new candidate, Sanders 2016 voters have the option of picking Sanders again. One way to look at it is that 44 percent of Sanders 2016 voters are voting for either Sanders or Warren this time around, while just 24 percent of Clinton 2016 voters are. So there almost certainly is a robust left policy/ideology lane in the Democratic primary. It’s probably even one of the more well-traveled routes. It’s just far from the only road in town. (Nate Silver, 538)Die komplexen und vielfältigen Querverbindungen zwischen den einzelnen Kandidaten, die zudem häufig nicht auf den ersten Blick eingängig oder ersichtlich sind, sind ein zentraler Grund für die Schwierigkeit, Vorhersagen über den Verlauf der primaries zu treffen, wenn erst einmal Kandidaten mit ernstzunehmender Unterstützung wegbrechen. Man muss daher extrem vorsichtig mit Generalisierungen sein, wessen Anhänger später zu welchem anderen Kandidaten wechseln könnten.
Biden is expressing one of his most deeply held beliefs, which is his boundless faith in the goodness of the Senate. This is the point Biden was attempting to make in his controversial nostalgic riff about his history of working with segregationists. The Senate brings people together, even people as different as Joe Biden and the segregationists. (Biden failed to anticipate that some Democrats would interpret this to mean that Biden and the segregationists were not so different after all.) [...] Senatitis is an irrational reverence for the folkways and culture of the upper legislative chamber. Those afflicted believe that the Senate gathers together 100 of the finest statesmen in American life, or at least transforms ordinary politicians into such giants through its mystical traditions. To the extent they see any problems with the operations of their beloved chamber, it can only be ascribed to the corrupting effects of non-senatorial politics, and the solution is always to make American politics more senatorial. If you hear somebody unironically use the phrase “world’s greatest deliberative body,” you have located an acute sufferer. The Senate is undemocratic by design, giving disproportionate representation to residents of low-population states (which tilt rural and white.) It compounds this quality with a supermajority requirement, the filibuster, which senators often justify as permitting “unlimited debate,” but which does not require any speechifying and is typically used to prevent debates from taking place. For decades, the filibuster was primarily used to block even modest civil-rights measures, like anti-lynching measures. After decade upon decade of the Senate serving as a graveyard for civil-rights legislation, the movement finally broke through in the 1950s and 1960s. (Jonathan Chait, New York Magazine)
Ich habe die Befürchtung, dass Biden den Mist, den er da von sich gibt, tatsächlich glaubt. Das ist mein zentrales Problem mit dem Mann. Es liegt auch im Herzen der Kritik zu seinen früheren Äußerungen und seinem früheren Abstimmungsverhalten. Das war etwa bei seiner Lobpreisung gegenüber segregationistischen Kollegen zu sehen. Biden fehlt es offenkundig an der Erkenntnis, welche Rolle die von ihm geliebten Institutionen früher eigentlich gespielt haben.
Meine Hoffnung ist die, dass er seine Bekenntnisse zum Erhalt der filibusters und bipartisanship als Taktik benutzt. Glaubte er wirklich daran, dann wäre ihm nicht zu helfen. Mein Wunschkandidat bliebe er zwar trotzdem nicht. Aber wenigstens wäre sein Sieg erträglicher. - Aber wir haben noch über ein halbes Jahr, bis die Entscheidung fällt, und bis dahin fließt noch viel Wasser den Potomac hinunter.
Im Lehrbuch verwenden Unternehmen die Ersparnisse privater Haushalte für produktive Investitionen, woraus die Möglichkeit entsteht, einen Zins zu zahlen. Mit der digitalen Revolution nimmt aber das Interesse der Unternehmen an kapitalintensiven Investitionen in Fabriken, Maschinen und Anlagen ab; stattdessen wissen viele nicht, was sie mit ihrem Geld machen sollen. Darüber sind die Unternehmen in den Industrienationen in ihrer Gesamtheit selbst Sparer geworden – das heißt, ihr Interesse an Ersparnissen der privaten Haushalte ist gering. Wenn noch der Staat zum Sparer wird wie in den vergangenen Jahren in Deutschland – eine Reduzierung der Staatsverschuldung entspricht volkswirtschaftlich einer Ersparnis – darf man sich über niedrige Zinsen nicht wundern. „In Deutschland übersteigt die Geldanlage von Staat und Unternehmen deutlich deren Kreditaufnahme. Damit sind in Deutschland sowohl die privaten Haushalte als auch die Unternehmen und der Staat Netto-Sparer und sorgen für die Herausforderung, dieses Geld anzulegen“, heißt es bei Julius Bär. „Diese Entwicklung führt fast zwangsläufig zu negativen Zinsen, denn Zinsen können als der Preis verstanden werden, der beabsichtigtes Sparen und beabsichtigte Kreditaufnahmen in ein Gleichgewicht bringt.“ Joachim Fels von der Fondsgesellschaft Pimco schreibt: „Negative Zinsen sind die neue Normalität.“ Da die demografischen Trends und die Transformation der Industrienationen in weniger kapitalintensive Wissensökonomien sich fortsetzen werden, dürfte sich an den niedrigen Zinsen so schnell nichts ändern. (Gerald Braunberger, FAZ)
Wenn sich Negativzinsen tatsächlich als neuer Standard herausbilden, wäre das eine mehr als interessante Entwicklung. Die aktuelle Finanzpolitik ist darauf überhaupt nicht vorbereitet, und die Volkswirtschaftslehre genausowenig. Mir kommt der von Keynes beschworene "Tod des Rentiers" in den Sinn, aber ich kenne mich zu wenig aus, um das richtig einordnen zu können. Vielleicht kann da ja der eine oder andere Kommentator helfen. Sollte aber - und da steckt ein großer Konjunktiv dahinter - der Negativzins das neue Normal werden, ist die gesamte bisherige Wirtschafts- und Finanzpolitik hinfällig, die darauf basiert, dass steigende Zinsen die natürliche Gegenreaktion sind. Wie werden dann künftig Blasen verhindert? Was ist die Wechselwirkung auf die Inflation? Wir würden uns Terra Incognita bewegen.
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