Sonntag, 26. Januar 2020

Hipster-Lehrer werfen korrupte Hufeisen in den Polizei-Vorwahlkampf - Vermischtes 26.01.2020

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) Das Hufeisen schlägt zurück

Natürlich, man kann als Christdemokrat gegen eine Zusammenarbeit mit der Linken sein, weil sie auf den meisten Politikfeldern tatsächlich eine diametral entgegengesetzte Politik vertritt. Nur gibt es eine Sache, die noch wichtiger ist als Windräder, Bildungspolitik und innere Sicherheit: Das Verhältnis zur pluralen Demokratie. Das ist die Hardware, und da gibt es mehrere ganze entscheidende Unterschiede zwischen der Linkspartei und der AfD. Die Linke hat sich in ihrer überwiegenden Mehrheit seit 1989 mit wachsendem Erfolg in die bundesdeutsche Demokratie integriert, ohne ihre Spielregeln grundlegend infrage zu stellen. Man könnte sogar sagen, sie hat geholfen, die Wendewut vieler Ostdeutscher ins geordnete demokratische Verfahren zu übertragen. Ähnlich wie die Grünen ist die Linkspartei einen Weg fortlaufender Anpassung gegangen. Weniger hat die Linke das System verändert als umgekehrt. Auf der anderen Seite gibt es die AfD, deren Vorstellungen von Demokratie denen Viktor Orbáns ähneln. Bürger nichtweißer Hautfarbe, nichtchristlichen Glaubens oder nichtrechter Einstellung sind in ihrem Weltbild keine richtigen Bürger, sondern der innere Feind. Dementsprechend müssen die Öffentlich-Rechtlichen sowie Kultur- und Bildungseinrichtungen von nichtrechten Einflüssen befreit werden. Die AfD fügt sich nicht ins demokratische Spektrum ein, sondern sie radikalisiert sich immer weiter. Wer glaubt, eine Regierungsbeteiligung könne sie zähmen, der hat nicht verstanden, dass die Partei Bestandteil eines internationalen rechten Netzwerkes ist, das dabei ist, die Demokratien des Westens von innen auszuhöhlen und zu minderheitenfeindlichen Mehrheitsdiktaturen umzubauen. Diese Gegenüberstellung müsste für eine CDU, die sich und ihre Werte ernst nimmt, zu einer klaren Schlussfolgerung führen: Wenn es nicht anders geht, ist eine Regierung mit der Linken möglich. Mit der AfD hingegen verbietet sich jede Zusammenarbeit. Eine solche Festlegung hätte auch den Vorteil, dass der AfD auf die Dauer die Machtperspektive genommen wäre, was für ihr inneres Gefüge gravierende Folgen hätte. Und wahrscheinlich auch für ihre Wahlergebnisse. (Christian Bangel, ZEIT)
Die "Hardware" der pluralen Demokratie ist tatsächlich der entscheidende Unterschied. Und ja, die LINKE ist auf dem Feld besser als die AfD, aber solche Anwandlungen sind ihr auch nicht komplett fremd. Ich erinnere mich noch an den Umgangston der Nuller-Jahre; da waren sie auch immer die einzige Partei, die gegen die korrupten Eliten den wahren Volkswillen vertritt, und so weiter. Es ging nie so weit wie bei der AfD, was das Infragestellen der pluralen Demokratie anbelangt, aber dieses "in Wahrheit steht das Volk hinter uns"-Ding haben die leider auch nicht erfunden. Man sollte umgekehrt aber nicht vergessen, dass die Idee der "illiberalen Demokratie" in den rechten Dunstkreisen große Zugkraft hat. Die LINKE hat, schon alleine durch die nachhaltige Erfahrung des Scheiterns der DDR 1989, keinerlei Allüren in diese Richtung gezeigt. Es war quasi nur Rhetorik. Aber zweifelt irgendjemand daran, dass die AfD, hätte sie die Möglichkeit dazu, ähnlich wie Orban oder Kaczinsky agieren würde? Bei der LINKEn wissen wir inzwischen, dass sie es nicht tun, dafür haben sie zu viele Regierungsbeteiligungen (und mittlerweile in Thüringen sogar eine eigene Regierung) hinter sich. Solange das noch gegeben ist, darf die AfD nicht an die Regierung, und wenn die CDU dafür mit zugehaltener Nase mit der LINKEn kooperieren muss.

2) Democrats Ignore The Immigration Elephant In The Room
At Tuesday’s Democratic debate sponsored by CNN and the Des Moines Register, nobody seemed to notice the elephant in the room—or perhaps the candidates and moderators just didn’t want to acknowledge its presence. Whether it was out of blindness or stubbornness, it tells us a great deal about the state of the Democratic Party in our time—and also about the state of American politics. That elephant is immigration, and the issue it represents is the defining one of our time. It is the most intractable, the most emotional, and the most irrepressible of all matters facing Western societies. And yet it was almost totally ignored in the most crucial debate so far in the Democratic quest for a presidential nominee. Two passing references was all the issue got over two hours of polemical fireworks. [...] A Pew Research Center survey revealed after the 2016 election that 66 percent of Trump supporters considered immigration to be a “very big” problem, the highest percentage for any issue. For Hillary Clinton supporters, the corresponding percentage was just 17. Also, fully 79 percent of Trump voters favored building the border wall he advocated, compared to just 10 percent for Clinton supporters. [...] The Democratic Party has become the party of the country’s elites—globalist, internationalist, anti-nationalist, free-trade, and open borders. Those views are so thoroughly at variance with those of Trump voters that it is difficult to avoid the conclusion that we have here a powerful issue of our time, perhaps the most powerful issue. Yet the journalistic moderators at Tuesday’s event didn’t see fit to ask about it. And the candidates weren’t inclined to bring it up in any serious way. (Robert W. Merry, The American Conservative)
Merrys Kritik ist sicherlich nicht ganz aus der Luft gegriffen; wir hatten die ähnliche Frage hier im Blog ja jüngst auch (ich schreibe ja auch normalerweise nicht zum Thema Integration). Es ist aber nicht das erste Mal, dass ein Präsidentschaftswahlkampf ein zentrales Thema so merkwürdig ausklammert. 2016 wurde in keiner der drei TV-Debatten eine einzige Frage zum Klimawandel gestellt. Auch sonst wurde das Thema geradezu totgeschwiegen. Und hier könnte ich genauso wie Merry mit dem "perhaps most powerful issue of our time" argumentieren, denn als solches sehe ich Immigration sicherlich nicht. Aber das ist eben eine Frage der Krisenwahrnehmung. Natürlich ist einsichtig, dass während der Primaries nicht groß über das Thema diskutiert wird. Merry nennt die Zahlen im Artikel doch selbst! Die Wähler interessieren sich schlicht nicht dafür. Es ist ja nicht gerade so, als ob während der republikanischen Primaries 2016 viel über Ungleichheit, Schwangerschaftsurlaub oder Mindestlohn debattiert worden wäre.

3) Der Hipster-Konflikt
Grundsätzlich tun sich bei den Linken in dieser Angelegenheit zwei Lager auf. Die Linksaußengruppe um Wagenknecht und Lafontaine fordert eine Rückbesinnung auf traditionelle Wählerschichten, auf Arbeiter und Arbeitslose. Die Linke solle die "Partei derer sein, denen es in diesem Land mies geht", sagte Wagenknecht im Kosmos. Ähnlich sehen es einiger Reformer um Bartsch und Korte. Sie alle setzen auf starke Abgrenzung zum bildungsbürgerlichen Grünen-Milieu. Zugrunde liegt die Annahme, dass die dort vorherrschenden Themen und Wünsche eher abschreckend wirken auf das klassische Klientel, vor allem in der ostdeutschen Fläche. Wenngleich Lafontaine und Co. tatsächlich Vorbehalte gegen die Grünen antreiben dürfte. Sie galten über die Jahre hinweg als Warner vor allzu großer Bündniseuphorie bei den Linken. [...] Auf der anderen Seite stehen Leute, die es für fahrlässig hielten, wenn die Linken nicht bei den Grünen wilderten - ohne die potenziellen Partner dabei zu hart anzugreifen. Prominenteste Vertreterin ist Parteichefin Katja Kipping, die bei den Linken in den vergangenen Jahren zentrale Figur in den großen Grabenkämpfen mit der Fraktionsspitze war. Wenn die Linken über Milieus und die Grünen reden, dann ist das natürlich auch nach innen gerichtet, dann reden sie indirekt immer ein bisschen auch über Kipping und deren Leute. (Kevin Hagen, SpiegelOnline)
Wir hatten die Diskussion bereits in den Kommentaren, weswegen ich diesen Artikel nutzen will, um ein bisschen was zu ergänzen. Das Problem der LINKEn ist, dass das bildungsbürgerliche Milieu, von dem sich Wagenknecht et al hier abgrenzen wollen, halt auch Teil der Parteibasis ist. Man muss sich nur mal die Statistiken über den Anteil an Abiturienten oder abgeschlossenen Studiengängen unter den Wählern anschauen. Die LINKE ist hier zwar schon deutlich unter den Grünen, aber etwa auf einem Level mit der FDP und immer noch doppelt so hoch wie CDU, SPD und AfD. Das ist keine Gruppe, von der du dich mal so einfach abgrenzen kannst. Und gleichzeitig ist eine andere Wählerbasis ohne Zweifel immer die Gruppe der ostdeutschen Flächenbewohner und Wendeverlierer gewesen, die die Partei im Osten zu einem Machtfaktor gemacht haben und die die Partei gerade massiv an die AfD wegblutet. Das sind dann diese Schichten, die etwas verbrämt "reaktionärer als die Parteispitze es wahrhaben will" genannt wurden. Meine Theorie: Dieser Spagat hat hauptsächlich deswegen funktioniert, weil die LINKE im Osten halt immer die Partei war, die ein Ventil für die genannten Wendeverlierer geboten hat, ein Narrativ eines "besseren" Ostens mit einer diffusen Anti-Eliten- und Anti-Establishment-Haltung. Aber das macht die AfD halt besser. Wer überhaupt keine Hemmungen hat, kann bei dieser Gruppe immer gewinnen. Ich weiß auch nicht, was die Idee Lafontaines hier ist. Die Zeiten, in denen er nur gegen "Fremdarbeiter" wettern muss, um da anzukommen, sind vorbei. Wir haben mit der AfD eine Partei, die dermaßen offen an niedere Instinkte, Rassismus und Sexismus appelliert, das ist ein Wettlauf, den kann eine demokratische, pluralistische Partei nur verlieren. Klar kann die LINKE wenn sie will versuchen, mit striktem Antikapitalismus und dem Feindbild der Reichen einen ähnlichen Kurs zu fahren. Das hat noch nie funktioniert. Die Rechtsextremen werden immer attraktiver sein als die Linksextremen. Dasselbe Dilemma hat die SPD ja auch: disparate Wählerschichten, die wenig gemeinsam haben außer einer ungefähr geteilten Mission von "mehr Gerechtigkeit", was auch immer das heißen mag.

4) Ein neues Level der Polizeiarbeit

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.