Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die "Fundstücke" werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die "Resterampe", in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.
Fundstücke
1) Je unfreier Frauen sind, desto unfreier sind Männer
Julia Nawalnaja, die Frau des russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny, zeigt durch ihren Mut und ihre Standhaftigkeit inmitten der Tragödie in Russland eine beispiellose Stärke und Hoffnung. Sie symbolisiert die Hoffnung der Opposition in einem Land, das von autoritären Regimen beherrscht wird. Die Unterdrückung von Frauenrechten in autokratischen Staaten wie Russland, China und Afghanistan spiegelt den Grad der Freiheit in der Gesellschaft wider. Trotz der Widerstände und der Verletzung ihrer Rechte haben Frauen weltweit gezeigt, dass sie eine Kraft für Veränderung sind. Solidarität und Unterstützung unter Frauen sind jedoch in Zeiten von Krisen oft Mangelware, was zu Verzweiflung führen kann. Dennoch bleibt Hoffnung eine treibende Kraft, die auf Handeln und Veränderung ausgerichtet ist, wie es Julia Nawalnaja durch ihren Kampf und ihre Entschlossenheit demonstriert. (Jennifer Wilton, Welt)
Das Patriarchat schadet allen, ich sag das immer wieder. In dem Fall ist der Zusammenhang natürlich ein mittelbarer, aber nichtsdestotrotz richtig. Eine Gesellschaft, die Frauen unterdrückt, wird für Männer üblicherweise nicht überragend frei sein. Das sind natürlich die Extremfälle; Wilton bezieht sich ja auf Gesellschaften wie Iran oder Russland. Aber der Effekt ist überall (natürlich deutlich abgeschwächt) spürbar, wo Geschlechterrollen forciert werden. Wenn Frauen in die Rolle der Hausfrau und Mutter gedrängt werden, betrifft das unmittelbar natürlich erst einmal deren freie Entfaltungsmöglichkeiten, aber mittelbar eben auch die der Männer: deren Spektrum möglicher Rollenbilder und Identitäten wird dadurch ja ebenfalls eingeschränkt. Wo bestimmte Rollenbilder für ein Geschlecht vorgeschrieben werden, reduzieren diese wie ein Pendeleffekt auch die des anderen Geschlechts. Das Patriarchat schadet allen, weswegen es ja so wichtig ist, einen Pluralismus der Rollenbilder zuzulassen und zu fördern (und ja, das schließt natürlich auch das bewusste Entscheiden für klassische Rollenbilder mit ein!).
2) Tweet
A lesson that’s been learned during Biden’s 4 years so far is that voters actually *do* need to be reminded of who did what, or else they actually *will* forget. https://t.co/FRLHoUFbBM
— Mike McLean 🇺🇸🇺🇦 (@MikeMcLean00) March 14, 2024
Ich finde es gut, dass Biden das macht (auch wenn der Umfang immer noch zu gering ist). Regierungen müssten viel offener für ihre Taten werben, und zwar nicht parteipolitisch motiviert, sondern weil das in meinen Augen eine wichtige Säule des Vertrauens in die Demokratie und den Staat ist, das aktuell auf einem Dauertiefpunkt liegt. Die EU müsste mandatieren, dass alles, was mit Fördergeldern gemacht wird, ein Riesenschild "Powered by EU" kriegt. Und genau dasselbe müssten nationale Regierungen, Landesregierungen, Kommunalregierungen tun. "Ihre Steuergelder bei der Arbeit." Denn wir kriegen praktisch nur das Negative mit, wenn irgendetwas nicht klappt, wo Probleme sind, nie, wo etwas tut. Deswegen wäre das so dringend notwendig.
3) Mike Pence Should Be the Biggest Story of the 2024 Campaign
Der Autor lobt die Handlungen und die Integrität von Mike Pence während des Angriffs auf das Kapitol am 6. Januar 2021. Pence weigerte sich, das Gelände zu verlassen, um sicherzustellen, dass er seine verfassungsmäßigen Pflichten erfüllen konnte. Obwohl er nicht mehr mit Trump zusammenarbeitet, verdient sein Verhalten Anerkennung. Der Autor kritisiert die Medien dafür, dass sie Pences Ablehnung, Trump zu unterstützen, nicht angemessen würdigen. Diese Aktion sollte in jeder Berichterstattung über die Präsidentschaftswahl erwähnt werden. Darüber hinaus schlägt der Autor vor, dass Kamala Harris und Joe Biden Pence für seine Integrität danken und ihn zum Abendessen einladen sollten, um seinen Beitrag zu würdigen. Federers Interview mit GQ zeigt seine reflektierte Einstellung zum Tennis und seinem Leben nach der Karriere. Er betont, dass Tennis nie seine einzige Identität war und dass er nach dem Rückzug vom Tennis immer noch ein erfülltes Leben führt. (Jonathan Last, The Bulwark)
Siehe auch hier. Tatsächlich ist es ein Merkmal der Absurdität der ganzen Situation, dass das überhaupt keine Rolle spielt. Man stelle sich mal vor, Joe Biden hätte versucht, Kamala Harris umbringen zu lassen und die würde erklären, dass sie ihn nicht wählen würde. Das ist so abwegig, dass man nicht einmal darüber nachdenken kann. Oder Dick Cheney ruft dazu auf, bitte keinesfalls George W. Bush zu wählen. Unvorstellbar! Aber Trump ist dermaßen out of bounds, die Partei, der Diskurs, die politische Kultur so unglaublich kaputt, dass diese Hammernachricht überhaupt nicht registriert. Und ja, auch Lasts Kritik ist noch ein relevanter Punkt: der Widerstand gegen die Zerstörung der Demokratie müsste viel mehr gewürdigt werden. An allen Ecken und Enden gibt es immer nur Hiobsbotschaften (siehe auch Fundstück 2)). Da wäre es super, würde man mal positive Dinge herausstellen. Wir haben das in letzter Zeit mit den Demos gegen Rechtsextremismus ja auch erlebt.
4) The west can still save Ukraine
Der Autor des Artikels äußert Besorgnis über die Schwächung des Westens im Konflikt zwischen der Ukraine und Russland. Er argumentiert, dass der Westen, einst eine mächtige Kraft, nun uneins ist und sowohl an Verbündeten als auch an Entschlossenheit mangelt, die Ukraine wirksam zu unterstützen. Die zögerliche Haltung der USA, kombiniert mit inneren Spaltungen innerhalb europäischer Länder, verschärft die Situation weiter. Der Autor schlägt vor, dass der Westen die Möglichkeit einer Niederlage der Ukraine anerkennen und entschlossen handeln muss, um dies zu verhindern. Dies könnte die Bereitstellung militärischer Unterstützung für die Ukraine und die Vereinigung hinter einem gemeinsamen Zweck umfassen. Trotz der Herausforderungen glaubt der Autor, dass ein Sieg für die Ukraine erreichbar ist, wenn die westlichen Länder dem Anliegen Priorität einräumen und sich dazu verpflichten. (Simon Kuper, FT)
Ich hab das bereits im Vermischten angesprochen und auch mit Ariane im Podcast diskutiert. Selbstverständlich könnte der Westen die Ukraine jederzeit retten. Das ist überhaupt nicht die Frage. Wie Kuper das ja sagt, ist es eine Frage der Priorität. Ich glaube allerdings nicht, dass es an der Anerkennung der Möglichkeit einer ukrainischen Niederlage mangelt; der Diskurs ist davon ja geradezu geprägt. Wenn Mützenich vom Einfrieren spricht oder andere Leute ständig die Kapitulation des Landes fordern, tun sie dies ja überwiegend genau vor dem Hintergrund, dass sie nicht davon ausgehen, dass Land seine Ziele erreichen kann (worin auch immer diese bestehen mögen). Aber genau diese Priotität hat es nicht, weitgehend aus innenpolitischen Gründen: dazu müsste eine Umverteilung stattfinden, vom Konsum in die Verteidigung, deren Lasten überwiegend von der Unter- und Mittelschicht getragen werden müssten. Das ist ein politischer Non-Starter. Solange wir nicht wesentlich direkter bedroht sind, wird sich für ein solches commitment keine Mehrheit finden lassen, und Demokratien erfordern Mehrheiten. Umgekehrt kann man natürlich nicht ausschließen, dass Putin sich noch als Mehrheitsbeschaffer geriert. Solche Fehltritte macht er gerade öfter.
5) Warum das Gerede von fehlenden Fachkräften Quatsch ist
Der Artikel von VWL-Professor Joachim Voth befasst sich mit dem Thema Fachkräftemangel, das in den Medien oft diskutiert wird. Voth argumentiert jedoch, dass der Begriff selbst Unsinn ist und aus Diskussionen verbannt werden sollte. Er erklärt, dass Unternehmen, die über Fachkräftemangel klagen, eigentlich höhere Gehälter bieten sollten, um mehr Arbeitskräfte anzuziehen. Die offensichtliche Lösung, höhere Löhne zu zahlen, wird jedoch selten erwähnt. Voth argumentiert weiter, dass höhere Gehälter die Nachfrage nach Arbeitskräften senken würden, bis nur noch diejenigen, die wirklich eine Fachkraft benötigen, sie bezahlen können. Dies würde die vorhandenen Arbeitskräfte effizienter nutzen. Er warnt auch vor den negativen Auswirkungen von Masseneinwanderung als Lösung für den Fachkräftemangel, da dies den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährden und zu anderen Problemen führen könnte. Voth schließt mit dem Plädoyer, den Preismechanismus des Marktes zu nutzen, um die Allokation von Arbeitskräften effektiv zu steuern. (Joachim Voth, FuW)
Es ist spannend, diese Argumentation von einem Wirtschaftsprofessor zu hören. Ich sage ja schon länger, dass diese Seite der Gleichung vollkommen ignoriert wird. Die Unternehmen schreien effektiv nach staatlicher Subvention (Druck ausüben), damit ihre niedrigen Preise akzeptiert werden. Das Marktsignal ist aber offensichtlich ein anderes. Voth fügt diesem Punkt den von mir bisher überhaupt nicht durchgedachten Punkt hinzu, dass die Erhöhung von Löhnen natürlich nicht zu einem Wachstum des Fachkräftepools, sondern zu einer Eliminierung nicht wettbewerbsfähiger Unternehmen führt. Ich muss zugeben, dass ich dabei ein etwas flaues Gefühl im Magen habe. Voth hat sicher Recht damit, dass das der marktwirtschaftlichen Logik voll entspricht; allein, es regt sich bei mir eine gewisse Grundskepsis, ob das das volkswirtschaftlich beste Ergebnis produziert.
Resterampe
a) Zivilisationszusammenbrüche – Über Katastrophenfiktionen.
b) Europa kapituliert vor der Bauernrandale. Jepp.
c) Zum Thema RAF-Nachwehen. Ich halte die These, die RAF sei für "junge Menschen" ein popkulturelles Phänomen, für völlig irrig. "Junge Menschen" wissen gar nicht, was die RAF war.
d) Alan Posener in der Welt zum Fleischverbot.
e) Überlasst die Klima-Kleber einfach dem Vergessen. Besser. War von Anfang an eine völlige Hysterie.
f) Guter Punkt zu Framing.
g) Zum Solarausbau.
h) lol
i) Jepp.
k) Der Halbtagsblog hat ein Experiment gemacht, dass Schüler*innen für eine Woche die Handys abgeben.
m) Rückblick auf Thomas Piketty.
n) Ausländische Interessen an der US-Wahl 2024 analysiert.
o) When the Experts Failed During COVID-19. Sehr lesenswert!
p) The Worst Argument for Youth Transition. Sehr lesenswerte Gegenrede zum im letzten Vermischten verlinkten Artikel zur youth transition.
Fertiggestellt am 24.03.2024
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