Dienstag, 4. März 2025

Die LINKE vereinigt sich mit Friedrich Merz, um ein Sondervermögen mit Robert Habeck zu beschließen - Vermischtes 04.03.2025

 

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die "Fundstücke" werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die "Resterampe", in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.

Fundstücke

1) Der Unvollendete

Der Artikel zeichnet ein ausführliches Porträt von Robert Habecks politischer Karriere und seinem Rückzug aus der Grünen-Spitze nach der Bundestagswahl 2025. Habeck galt als „eines der größten politischen Talente“ Deutschlands, konnte sein Potenzial jedoch nicht vollständig ausschöpfen. Sein entscheidender Wendepunkt war die verpasste Kanzlerkandidatur 2021, die an Annalena Baerbock ging – ein „Kairos-Moment“, der ihn möglicherweise an einer noch größeren Karriere hinderte. Als Wirtschaftsminister bewältigte Habeck zunächst erfolgreich die Energiekrise nach dem russischen Angriff auf die Ukraine. Doch sein Heizungsgesetz beschädigte seinen Ruf nachhaltig, da es als überhastete und unpopuläre Maßnahme wahrgenommen wurde. Sein politischer Gegner Markus Söder nutzte dies, um ihn als „schlechtesten Wirtschaftsminister“ zu diskreditieren. Im Wahlkampf 2025 strebte Habeck erneut eine führende Rolle an, konnte jedoch die Grünen nicht zu einem Wahlerfolg führen. Sein Rückzug markiert das Ende einer Ära, in der er versuchte, Pragmatismus mit Klimapolitik zu verbinden. Ob seine ambitionierten Reformen rückblickend anders bewertet werden, bleibt offen. (Susanne Beyer, Spiegel)

Ich würde insoweit mitgehen, als dass Habeck durchaus ein politisches Talent war. Ob er den Wahlausgang 2021 signifikant geändert hätte, wage ich aber zu bezweifeln. SPD und Grüne trennten ja zehn Prozentpunkte, so geil kannst du als Kandidat doch gar nicht sein. Das wäre die erste Wahl, in der nur der Kandidat dermaßen viel Einfluss hätte. Ich würde eher sagen: mit Habeck hätte es 2021 garantiert Jamaika gegeben, denn ein besseres Grünen-Ergebnis, selbst um einen Prozentpunkt, wäre hauptsächlich zulasten der SPD gegangen - und hätte damit die Union zur stärksten Partei gemacht. Das wäre angesichts der Performance der Ampel vermutlich nicht das schlechteste Ergebnis gewesen, und war ja auch das von allen Seiten erwartete. Ich finde im Übrigen Habecks Rückzug aus der Führungsriege falsch. Er hat das beste aus einer miesen Situation gemacht, und ich betrachte das eher als eine Art Flucht aus der Verantwortung. Da fehlt eine für das Kanzleramt sehr wichtige Eigenschaft, die Merz immer wieder demonstriert hat: den Willen zur Macht. Aber das ist in dem Teil des Parteienspektrums ein generelles Problem. Die Vorstellung, dass Macht und ihre Erlangung irgendwie pfui bäh sind. Aber sie ist eben die Grundvoraussetzung, irgendetwas umzusetzen.

2) Für ihren Pazifismus würden sie sogar mit der AfD stimmen

Der Artikel kritisiert die außenpolitische Haltung der Linkspartei, insbesondere ihre Ablehnung von Waffenlieferungen an die Ukraine. Während sich die Partei als antifaschistisch präsentiert und bei der Bundestagswahl 2025 ein starkes Ergebnis erzielt hat, bleibt sie in der Ukraine-Frage alten pazifistischen Überzeugungen treu. Dies führte dazu, dass sie zusammen mit der AfD gegen Waffenexporte stimmte – ein Widerspruch zu ihrer sonstigen klaren Abgrenzung nach rechts. Der Autor argumentiert, dass die Linke damit faktisch eine Position vertritt, die Russland in die Hände spielt. Ihre Forderung nach „diplomatischen Lösungen“ sei naiv, da Russland kein Interesse an Verhandlungen auf Augenhöhe habe. Während die Linke Sanktionen gegen russische Oligarchen unterstützt und Kriegsdienstverweigerern Asyl gewähren will, reicht dies nicht aus, um sich glaubwürdig gegen russischen Imperialismus zu positionieren. Der Artikel fordert eine Modernisierung der linken Außenpolitik. In einer Zeit, in der Europa sich gegen autoritäre Mächte behaupten müsse, sei es notwendig, Verteidigungsbereitschaft nicht gegen Sozialpolitik auszuspielen. Stimmen innerhalb der Linken, die für eine realistischere Haltung eintreten, müssten lauter werden. (Anastasia Thikomirova, ZEIT)

Das kann keine große Überraschung sein. Ich habe auch diverse Artikel und Tweets gelesen, dass die LINKE, weil ein so großer Teil der ihr so unverhofft zugeflossenen Neuwählenden die Ukraine unterstützt sehen will und Angst vor Russland als treibenden Motivator nennt (schizophrene Wählende mal wieder), die anderen demokratischen Parteien mit dem Sondervermögen unterstüzen müsste. Aber das missversteht zwei wichtige Punkte. Erstens mag die Verdopplung der Partei gegenüber den Umfragen vom Winter 2024 zwar auf das Konto von Protestwählenden gehen, die in der Ukrainefrage eher bei CDU, SPD und Grünen sind. Nur ändert das nichts an der Parteibasis, und die ist der entscheidende Faktor. Zweitens ist das Führungspersonal der Partei selbst ja überzeugt vom eigenen Pazifismus. Der zieht sich durch die Geschichte der LINKEn als ein roter Faden, den werden die jetzt nicht aus taktischen Gründen über Bord werfen. Deswegen ist die Vorstellung, die LINKE würde sich hier bewegen, in meinen Augen auch utopisch. Dass vielen Wählenden vielleicht nicht klar war, was sie da genau in den Bundestag wählen, glaube ich gerne. Nur haben Wahlen eben Konsequenzen. Das gilt für Protestwählende links wie rechts. Und man kann nicht ernsthaft überrascht davon sein, dass die LINKE sich hier querstellt. Deswegen wäre ich auch froh gewesen, wenn sie aus dem Bundestag geflogen wären.

3) Diese Falle hat sich Merz selbst gestellt

Der Artikel analysiert das Dilemma von Friedrich Merz nach der Bundestagswahl. Obwohl er als künftiger Bundeskanzler eine stärkere Verteidigungsfähigkeit Deutschlands betont, sieht er sich mit einer finanziellen Lücke konfrontiert. Vor der Wahl hatte er sich gegen eine Reform der Schuldenbremse ausgesprochen, um der Ampelregierung keinen politischen Vorteil zu verschaffen. Nun verhindert die neue parlamentarische Situation mit einer Sperrminorität aus AfD und Linken eine Verfassungsänderung für mehr Verteidigungsausgaben. Um dennoch kurzfristig Mittel für die Bundeswehr zu sichern, plant Merz ein kreditfinanziertes Sondervermögen von über 200 Milliarden Euro. Dies wird als pragmatische, aber problematische Lösung bewertet, da ein solcher Nebenhaushalt begrenzt ist und langfristige strukturelle Finanzierungsfragen nicht löst. Kritisiert wird insbesondere, dass Merz nun in einer Hauruck-Aktion den alten Bundestag nutzen will, um noch vor dem 24. März entsprechende Beschlüsse zu fassen. Dies könnte als Umgehung des Wählerwillens interpretiert werden. Der Artikel beschreibt Merz' Vorgehen als Versuch einer politischen „Zeitreise“, um seine eigenen strategischen Fehler aus der Vergangenheit zu korrigieren. (Christian Reiermann, Spiegel)

Völlig korrekt. All das war absehbar und wurde von zahlreichen Kommentator*innen auch angemahnt. Merz ist ja nur um Haaresbreite an der Notwendigkeit vorbeigeschlittert, mit den dämonisierten Grünen in eine Kenia-Koalition gehen zu müssen (dafür kann er der LINKEn auf Knien danken). Auch diese Möglichkeit war ja eine wahrlich nicht unwahrscheinliche, die bewusst ignoriert wurde. Merz hat sich von Beginn an auf eine schwarz-rote Koalition festgelegt und seine ideologische Ausrichtung so betrieben und sich in eine Sackgasse manvöriert. Die Suppe muss er schon selbst auslöffeln. Auch das "Sondervermögen" ist natürlich eine typisch deutsche Konstruktion. Es löst keines der strukturellen Probleme, wahrt aber das Gesicht der Beteiligten. Alles unsauber, alles nicht nachhaltig. Und alles vorher absehbar.

4) Die letzte Rettung der SPD? Eine Vereinigung mit der Linkspartei

Der Kommentar beschäftigt sich mit der Krise der SPD nach dem historisch schlechten Wahlergebnis von 16,4 Prozent und stellt die provokante Frage, ob ein Zusammenschluss mit der Linkspartei eine Rettung sein könnte. Während FDP und Grüne personelle Konsequenzen ziehen, scheint die SPD trotz des Debakels auf einen Kurs der Kontinuität zu setzen. Die Gefahr bestehe, dass die Partei als Juniorpartner der CDU weiter an Profil verliere und bei der nächsten Wahl noch schlechter abschneide. Der Autor zieht eine Parallele zur Weimarer Republik, als die SPD mit der USPD fusionierte, und argumentiert, dass die SPD heute ähnliche Schritte in Betracht ziehen sollte. Die Linke habe sich durch den Bruch mit Wagenknecht von ihrer Altlast befreit und mit sozialpolitischen Themen ein überraschendes Comeback hingelegt. Ein Zusammenschluss könnte der SPD ein geschärftes soziales Profil und neue Wählergruppen verschaffen, während die Linke erstmals eine realistische Machtperspektive erhielte. Allerdings gebe es erhebliche Differenzen, insbesondere in der Außenpolitik. Der Artikel schließt mit der Spekulation, dass eine solche Fusion zwar derzeit unwahrscheinlich sei, aber in vier Jahren, abhängig von Wahlergebnissen und geopolitischen Entwicklungen, durchaus denkbar werden könnte. (Malte Göbel, Spiegel)

Ich sehe, woher Göbel die historische Parallele zieht, aber für mich ist das kein sonderlich realistisches Szenario. SPD und LINKE trennen Welten. Der Zeitpunkt für eine Vereinigung war 1990, nicht 2025. Wahr ist allerdings, dass die Abspaltung des BSW der LINKEn einen gewaltigen Gefallen getan hat, weil ein guter Teil Leute auf die Art die Partei verlassen hat, mit denen kein Staat zu machen war - da passt auch die Parallele zur USPD, die damals auf ähnliche Weise Personal an die KPD verlor. Nur sollte man die historische Parallele durchaus zu Ende denken. Der Exodus der Spinner aus der USPD machte damals die KPD überhaupt erst zu der Kraft, die die Weimarer Republik von links destabilisierte, und die Wiedervereinigung mit der SPD stärkte diese zwar kurz-, aber nicht langfristig, sorgte aber für einen oppositionsorientierten Linksruck, der der Partei dann in der Großen Koalition 1928-1930 auch nicht eben gut tat. Das Ganze ist manchmal weniger als die Summe seiner Teile.

5) Wo war Friedrich Merz als Walter Lübcke ermordet wurde?

Der Artikel kritisiert Friedrich Merz dafür, den Mord an Walter Lübcke während des Bundestagswahlkampfs 2025 als Wahlkampfthema instrumentalisiert zu haben. Merz hatte in einer Rede gefragt, wo die „Antifa und die Demonstranten gegen Rechts“ gewesen seien, als Lübcke 2019 von einem Neonazi ermordet wurde. Dies wird als Versuch gewertet, die aktuelle Protestbewegung gegen rechts zu delegitimieren. Tatsächlich, so der Artikel, gab es damals breite gesellschaftliche Reaktionen, darunter Demonstrationen und einen großen Trauergottesdienst. Merz selbst habe sich jedoch auffallend zurückgehalten und weder öffentlich gegen rechte Gewalt demonstriert noch den Angehörigen kondoliert. Seine Social-Media-Aktivitäten und öffentlichen Auftritte aus jener Zeit zeigen, dass er zwar präsent war, aber keine Position zu Lübckes Ermordung bezog. Der Artikel sieht darin einen Widerspruch zu Merz’ heutigen Aussagen und eine Taktik, von seiner umstrittenen Zusammenarbeit mit der AfD in Sachfragen abzulenken. Während Merz 2019 noch die AfD für die Verrohung der politischen Kultur verantwortlich machte, scheint er heute rhetorisch weniger Distanz zur extremen Rechten zu wahren. (Lalon Sander, taz)

Auch hier ist die Kritik absolut korrekt. Merz' zeigt wieder einmal seine Charakterschwäche, seinen Hang zum Spaltenden und in dem Fall auch schlicht zur Verdrehung von Wahrheit. Ich denke aber, vor allem zeigt es, wie sehr er in seiner eigenen Blase ist. Ich denke nämlich, dass er tatsächlich davon überzeugt ist, dass seine Version der Geschichte die richtige ist. Dass damals die Beileidsbekundungen aus dem progressiven Lager wesentlich lauter als die aus Lübckes eigener Partei waren, ist nämlich völlig richtig. Dass Merz diese Geschichte nun umzudeuten versucht weist auch auf die Abkapselung hin, die bereits seinen Wahlkampf plagte. Wer den ganzen Tag mit Linnemann, Spahn und Klöckner verbringt, kommt auf solche Ideen. Dieser Prozess ist übrigens nicht Merz-exklusiv. Ich habe letzthin erst gelesen (aber leider nicht gespeichert), dass das Spitzenpersonal aller Parteien zunehmend unfähig sei, aus der eigenen Blase heraus zu schauen. Ich weiß nicht, ob das stimmt, kann es mir aber durchaus vorstellen.

Resterampe

a) Trump’s Myth of the Trade Deficit (Wall Street Journal). Auch in Deutschland verbreitet.

b) Friedrich Merz ist nicht Volkes Stimme (Spiegel). Das ist niemand, und der Anspruch ist auch vermessen. 

c) Experten warnen vor mehr Masernausbrüchen in den USA (Spiegel). Diese Typen sind echt gemeingefährlich. 

d) Frankreichs Atomkraft: Die Illusion der hohen Stromproduktion (ichsagmal). Der Vorwurf der ideologiegetriebenen Energiepolitik fällt durchaus auf die Seite zurück.

e) The Adolescent Style in American Politics (The Atlantic).

f) Walter Lübcke: Witwe kritisiert Friedrich Merz scharf (Spiegel).


Fertiggestellt am 01.03.2025

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