Mittwoch, 10. Dezember 2008

Fundstücke 10.12.2008, 21.44 Uhr

Kampfroboter mit Moral
TP - US Army und Navy investieren bis 2010 vier Milliarden US-Dollar in ein Forschungsprogramm zur robotischen Kampfmoral. Die Befehlshaber im Pentagon erklären dazu, tief besorgt zu sein aufgrund von Studien, denen zufolge viele ihrer menschlichen Frontkämpfer im Irak durch die starke Anspannung in den militärischen Auseinandersetzungen zu Racheakten und Folterungen gegenüber feindlichen Soldaten neigen.
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Weltbank warnt vor "schwerster Rezession seit den 30er-Jahren"
TP - Auch die Weltbank befürchtet nun, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise sich nun zur schlimmsten Weltwirtschaftskrise seit der großen Depression in den 30 Jahren auswächst. Das Kursfeuerwerk an den Börsen nach der Ankündigung von Barack Obamas Konjunkturpaket kann darüber nicht hinwegtäuschen und angesichts der Hiobsbotschaften hat gestern der Dow Jones-Leitindex in den USA wieder ins Minus gedreht. Zuvor war bekannt geworden, dass die Wirtschaft in Japan deutlich stärker schrumpft ist, als bisher bekannt war. Die Krise erwischt auch China immer stärker, wo die Exporte erstmals zurückgingen und in Großbritannien droht ein Desaster am Immobilienmarkt.
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Regieren mit den Mitteln der Monarchie
TP - Kanadas Premierminister verhindert seinen Sturz, indem er das Parlament von der Stellvertreterin der englischen Königin beurlauben lässt.
Anmerkung: Ist echt krass, was in "demokratischen" Staaten grade abläuft.
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Datenschutzgesetze? Ach, immer mit der Ruhe!
TP - Während immer neue „Skandale“ rund um den Verkauf von Kundendaten ans Licht der Öffentlichkeit gelangten, ließen gesetzliche Neuregelungen auf sich warten.
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Verletzte Demokratie
TP - Ungläubig verfolgt Europa in diesen Tagen das Geschehen in Griechenland: Nach dem gewaltsamen Tod eines 15-jährigen Schülers versinkt der Mittelmeerstaat in der Gewalt. Die dritte Nacht in Folge lieferten sich tausende Jugendliche von Montag auf Dienstag in der Hauptstadt Athen Straßenschlachten mit der Polizei. Unzählige Geschäfte und öffentliche Gebäude gingen in Flammen auf. Handelsvereinigungen sprechen schon jetzt von einem Schaden in Höhe von 100 Millionen Euro. Die Regierung des Konservativen Kostas Karamanlis versucht sich im Krisenmanagement und versagt.
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"Wohlstand ist nicht für uns reserviert"
SZ - Die Weltgemeinschaft braucht ein gemeinsames Ethos: Bundespräsident Köhler im SZ-Interview über die Finanzkrise, die soziale Marktwirtschaft und Armut.
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Generation Kantinengutschein
SZ - Die Bundesregierung will Praktikanten schützen, doch in den Ministerien bekommen sie oft kein Geld. Diese Sparsamkeit bringt auch Arbeitsminister Scholz in Erklärungsnöte.
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Das Pharma-Kartell
ZDF-Frontal.
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Teste sich, wer kann!
SZ - Die Minister hatten offenbar Angst, die Freude über die guten Leseleistungen wäre dahin, wenn bekannt wird, wie ungerecht es beim Wechsel aufs Gymnasium zugeht. Nun müssen die Forscher diese Daten zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlichen - mit dem Effekt, dass es dann wieder genervt heißen wird: Noch eine Studie! In Wirklichkeit werden die großen Schulstudien wie Iglu, TIMSS und Pisa höchstens alle drei Jahre durchgeführt, und dabei werden auch nicht alle Kinder, sondern nur kleine Gruppen untersucht, Stichproben eben. Man darf diese Tests nicht verwechseln mit der täglichen Prüfungswut und den sogenannten Vergleichsarbeiten, die vielen Lehrern und Schülern so lästig sind. Dass Schüler nur dann etwas lernen, wenn man sie möglichst oft und hart testet, ist eine gefährliche Idee. Sie kann Kinder ins Unglück stürzen und ihnen jede Freude am Lernen nehmen.
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Der Pharisäer in uns
SZ - Am 10. Dezember 1948 wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verkündet. Die Schriftform der Menschenrechte ist vorzüglich. Doch wie ist die Realität? Ein Essay von Heribert Prantl.
Anmerkung: Und noch ein Lesebefehl!
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Maßhalten 2.0 - Ludwig Erhard heute
SZ - In dieser Krisensituation spricht es außerdem Bände, dass gerade die deutsche Regierung zurückhaltend ist mit Konjunkturprogrammen, während in Frankreich, Großbritannien und den USA die Milliarden im Hunderter-Pack auf den Markt geworfen werden. Die Logik ist so einfach wie problematisch: Weil der private Konsum in Deutschland nur einen vergleichsweise geringen Teil des Bruttoinlandsprodukts ausmacht, nämlich etwa 57 Prozent, wird auch eine Stimulierung des Konsums wenig bringen. Zum Vergleich: In den USA liegt der Anteil bei rund 70 Prozent, in Japan bei immerhin knapp 60 Prozent. Und weil die Deutschen ohnehin zum Sparen neigen, werden sie auf Anreize nur zögerlich reagieren. Diese Haltung darf sich nicht verfestigen. Um mit Ehrhard zu sprechen wäre es ein "Irrwahn" zu glauben, in der größten Volkswirtschaft Europas kämen die Nachfrageimpulse immer von außen. Es wäre sogar sinnvoll, Erhards Maßhalteappell für Krisenzeiten umzuformulieren - etwa so: "Noch ist es Zeit, aber höchste Zeit, die Nachfrage im Inland anzukurbeln und den Mut zu Investitionen in private und öffentliche Zwecke zu fördern."
Anmerkung: LESEBEFEHLLESEBEFEHLLESEBEFEHL!
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Wilhelmina Merkel
Weißgarnix - Das Deutsche Reich war von der Reichsgründung 1871 bis 1945 von einem Problem geprägt: Es war zu klein, um in Europa eine Hegemonialposition zu erwerben und es war zu groß, um sich in das europäische Staatensystem zu integrieren. Der letzte deutsche Kaiser - Wilhelm II - ist daran desaströs gescheitert. Mit dem Nationalsozialismus endete diese deutsche Geschichte in einer historisch beispiellosen Katastrophe. Erst die Westintegration der Bundesrepublik und die Freundschaft mit Frankreich schienen dieses Problem gelöst zu haben. Alle deutschen Bundeskanzler haben sich an diese Raison d’être deutscher Nachkriegspolitik gehalten - von Konrad Adenauer bis Gerhard Schröder. Gerhard Schröder etwa hat zu Beginn seiner Kanzlerschaft das Verhältnis zu Frankreich sträflich vernachlässigt. Er wandelte lieber mit dem Britenpremier Tony Blair in neoliberalen Wolkenkuckucksheimen. Erst mit dem drohenden Golfkrieg im Jahr 2003 vollzog Schröder einen Kurswechsel. Deutschland und Frankreich sind aufeinander angewiesen. Sie sind der Motor der europäischen Integration. Die deutsch-französische Freundschaft ist für uns Deutsche existentiell. Die Bundeskanzlerin ist dabei, dieses Kapital zu verspielen. Sie wird zur Wilhelmina Merkel.
Anmerkung: Ich find den historischen Vergleich misslungen, aber die Analyse der Probleme passt.
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Sag's mit Marx

Weißgarnix - Karl Marx fand ja in der Diskussion zu meinem Rentenbeitrag während der letzten beiden Tage schon ausgiebig Gehör, vor allem in Sachen “steigende Ausbeutungs-” und “fallende Profitrate”. Da möchte ich, in Zeiten wie diesen, natürlich die Gelegenheit nicht verstreichen lassen, konkret auch auf diesen einen Aspekt etwas näher einzugehen, den Marx mit dem Ende des Kapitalismus verband. Und nicht nur er, genaugenommen kreuzen sich an dieser Stelle die Wege so ziemlich aller Endzeit-Propheten, sowohl der Klassik als auch der Moderne, ohne dass das aus deren Aussagen und Schriften notwendigerweise gleich so klar werden würde. Auch meine eigene Sicht des “Kapitalismus als Kettenbrief” und dessen mögliches “Reissen” ist in diesem Kontext zu sehen.
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Thomas Plaßmann karikiert die Krise

Anmerkung: Grandios!
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Ausgependelt

Feynsinn - Nun ist es raus, was nicht anders zu erwarten war. Das BVerfG hat die Regelung der Pendlerpauschale gekippt. Die Politik nach Gutsherrenart, die diese Bundesregierung betreibt, rennt immer wieder vor denselben Aktenschrank. Sie sehen sich als Macher und Sparer im Dienste dessen, was sie und ihr favorisiertes Klientel gerade für das Richtige halten. Dabei kommt ihnen nicht in den Sinn, daß sie als Gesetzesschmiede zu einem Höchstmaß an Verantwortung und Weitsicht verpflichtet sind. Die Wurtschtelei hat Kalkül, ihnen ist die Verfassung genauso wurscht wie die essenziellen Interessen der Bürger. So wie Wallenstein seine Strategie von seinem Astrologen hat beeinflussen lassen, ist der politischen “Elite” das Orakeln der Wirtschaftslobbyisten der Maßstab. Nicht nur, daß sie keine Idee davon haben, was ihre Politik für das Volk bedeutet, sie setzen sich permanent und penetrant über die Regeln hinweg, deren Hüter und Bewahrer sie zu sein hätten.
Zum Hintergrund der Pendlerpauschale bleiben die Medien wie so oft an der Oberfläche und kritisieren im Trüben.
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Clement bei Beckmann

NDS - Wer sich Sendung Beckmann mit Wolfgang Clement angetan hat, wird erneut erkannt haben, was schlechter (uninformierter) Journalismus ist. Beckmann war in keiner Hinsicht in der Lage, Clements energiepolitischer Position auch nur ein einziges sachliches Argument entgegen zu setzen. Es wurde so z.B. im Raum stehen gelassen, dass das Wahlprogramm der hessischen SPD ausschließlich auf erneuerbare Energien setzte. Kein Einwand etwa, dass Blockheizkraftwerke (mit Kraftwärmekoppelung) einen nahezu doppelt so hohen Wirkungsgrad wie die (von den Energiekonzernen favorisierten) Großkraftwerke haben. Clement durfte zwar behaupten, dass alternative Energieerzeugung „nie“ wirtschaftlich würde, aber kein Wort zu den immensen (staatlichen) Kosten für die Kernenergie.
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Das Pharma-Kartell

ZDF -
Pharmaunternehmen können in Deutschland nach Einschätzung verschiedener Experten fast ungestört ihre Profitinteressen verfolgen. Das geht zu Lasten der Patienten, wenn dabei Nebenwirkungen verschwiegen, Selbsthilfegruppen instrumentalisiert oder Politiker, Ärzte und Heilberufe mit Gefälligkeiten umworben werden. Christian Esser und Astrid Randerath decken in der Frontal21-Dokumentation "Das Pharma-Kartell" auf, wie dieses System funktioniert.
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Ypsilanti-update

Politik&Kunst - Selbst die 4 Edelhessen (edit: 3 von ihnen, Dagmar Metzgers Stellungnahme fehlt noch) räumen inzwischen ein, dass selbstverständlich kein Druck ausgeübt worden ist, sondern es sich wohl im wesentlichen um Scherze beim Mittagessen handelte. Mit anderen Worten: Es existiert überhaupt kein Skandal. Aber schon wird, wie immer, wenn man mobbt, das Gerücht als Tatsache gehandelt. Schon untertitelt die FAZ ein Ypsilanti/Schäfer-Gümbel-Foto mit den Worten: "In Erklärungsnot: Ypsilanti und Schäfer-Gümbel" und zwar in eben jenem Text, der den Blödsinn widerlegt.
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Lobby-Kritiker küren Europas schlimmste Strippenzieher

SpOn - Sie sollen Kriegspropaganda verbreitet und Umweltfolgen verschwiegen haben: Zum vierten Mal hat LobbyControl die "schlimmsten Lobbyisten der EU" gekürt. Eine von ihnen ist die finnische EU-Abgeordnete Kauppi, die für schwache Bankenregulierung wirbt - ganz im Sinne ihres baldigen Arbeitgebers.
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Gewonnen!

Jungle World - Der Bundestagswahlkampf 2009 kann ausfallen. Man muss die Größe haben, sich eine verlorene Schlacht einzugestehen. Daher wäre es im Sinne aller, wenn die Parteien den Sieg gleich der SPD zusprächen. Denn diese hat unter der Führung von Kajo Wasserhövel einen gewaltigen Think Tank von 120 spin doctors und creative leaders aufgeboten, dem niemand etwas entgegenzusetzen haben wird. Das Wahlkampfmotto steht und wird die politischen Gegner wie eine gewaltige Flutwelle hin­wegspülen: »SPD: Lebendig. Einig. Mutig.«
Anmerkung: Grandiose Polemik.
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Keine Entwicklungshilfe für schwulenfeindliche Länder

SZ - FDP-Chef Westerwelle hat seine Ambitionen unterstrichen, nach der Bundestagswahl Außenminister zu werden. Sein Privatleben sieht er dabei als Inspiration für seine Agenda.
Anmerkung: Hätte Lafontaine das gesagt hätte es wieder geheißen: "Guckt mal den alten populistischen Demagogen an, mit so jemandem kann man NIE Außenpolitik machen!" Bei Guido ist das ok. Da erfahren wir noch, dass er manchmal "melancholisch" wird, weil er sich den Kinderwunsch nie wird erfüllen können...
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Die Suche nach dem Recht auf Arbeit

FR - Das Menschenrecht auf Arbeit fristet in Deutschland ein Schattendasein, in der öffentlichen Debatte spielt es kaum eine Rolle. Höchste Zeit nachzuschauen: Was bedeutet dieser Anspruch und wie sieht es mit der Umsetzung aus?
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"Bildung ist keine Ware, die wir kaufen können"
DLF - Die SPD-Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin, Gesine Schwan, hat ein Umdenken in der Bildungspolitik gefordert. Bildung dürfe sich nicht nur auf eine "zehnprozentige Elite" konzentrieren, sondern müsse den Einzelnen mit seinen unterschiedlichen Möglichkeiten fördern. Das "Elitengerede" der vergangenen zehn Jahre werde "nicht zu einer gemeinschaftlichen Gesellschaft führen", so Schwan.
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