Donnerstag, 11. Dezember 2008

Sittenverbrechen?

Spiegel-TV-Magazin berichtet in einem sechsminütigen Beitrag über die Bekämpfung von Prostitution in Stuttgart und an der tschechisch-deutschen Grenze (auf tschechischer Seite). In beiden Fällen wurden massiv Videokameras in den Bezirken installiert, in denen sich Prostituierte aufhalten und auf Freier warten (was illegal ist). Im Fall Stuttgart werden die Aufnahmen ausgewertet und dann dem Freier ein Mahnbrief zugeschickt, in dem seine Straftat erläutert ist und er bis zu 1000 Euro Strafe zahlen muss. Zu diesen Straftaten gehört auch der besonders grausame Straftbestand: "Sie fuhren die Straße entlang und nahmen Blickkontakt zu einer Prostituierten auf". Intendierte Absicht dieser Briefe ist, dass Ehepartner, Freunde oder Verwandte sie sehen und peinliche Fragen stellen.
In Tschechien ist man einen Schritt weiter. Hier werden die Daten nämlich gleich ins Internet gestellt, damit die Ehefrau das Autokennzeichen abgleichen kann. Die Prositutierten bekommen Strafen in Höhe von etwa 20 Euro (was vermutlich auf unsere Verhältnisse übertragen mehr ist).
Ich halte von diesen Maßnahmen praktisch gar nichts. Nicht nur, dass sie eigentlich gegen jeden guten Geschmack verstoßen, sie gehen auch am Problem vorbei. Im Beitrag brüsten sich die Leute damit, dass die Prostitution in den entsprechenden Gebieten stark abnimmt. Das ist prinzipiell ja toll, aber was machen die Prostituierten? Geranien züchten? Die wenigsten von denen werden überhaupt legal genug sein um Sozialleistungen beziehen zu können, also müssen sie irgendwoher ja weiter ihre Kohle verdienen. Und diese Möglichkeit nimmt man ihnen. Wahrscheinlich wäre es genauso effizient und deutlich nachhaltiger, statt der Nachfrage einfach das Angebot zu reduzieren, indem man die Lebenssituation der Frauen verbessert, denn nur die wenigsten gehen freiwillig und zur Selbstverwirklichung auf den Straßenstrich, sondern weil sie keine andere Wahl haben. Aber das wäre eine vernünftige und, ja, teure Maßnahme. Und außerdem hätte man dann nicht die tollen Kameras installiert, die auch alles andere aufnehmen und für die Ewigkeit speichern.

4 Kommentare:

  1. Wenn man der sexuellen Prostitution den Kampf erklären möchte, dann muß man die Wurzeln anpacken, die Frauen dazu verdammen, jeden ekelhaften Mann über sich steigen zu lassen. In der ganzen Diskussion bezüglich Prostitution, und dies schon seit Jahrhunderten, wird die Prostituierte als passionierte Nymphomanin verunglimpft, die froh ist um jeden Penis, der sie penetriert.

    Stattdessen, getreu dieser hirnlosen Argumentation, erklärt man den Auswüchsen der Not, nämlich den Prostituierten, den Krieg und glaubt damit, die "Institution" selbst ausmerzen zu können. Solange Frauen in Not geraten, werden sich immer wieder einige finden, die den Weg der sexuellen Prostitution gehen - dies hat aber nichts über deren Intellekt, über ihre Moral oder über ihren Charakter auszusagen.

    Krieg gegen die Arbeitslosen, anstatt gegen die Arbeitslosigkeit und die daraus entstehenden Nöte und Zwänge. Zumindest der rote Faden scheint bewahrt zu werden in der Prostituierten-Frage.

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  2. Prostitution hat(te) nicht immer etwas mit "Not" oder "Zwang" zu tun.

    Siehe dazu auch Wikipedia
    http://de.wikipedia.org/wiki/Prostitution

    Zitat "Die gesellschaftliche Bewertung der Prostitution ist stark von kulturellen, ethischen und religiösen Werten abhängig..."

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  3. dasselbe "phänomen" sehen wir bei Obdachlosen: man schiebt sie aus den Innenstädten ab. Wenn die Bevölkerung die Not nicht sieht, dann ist sie auch nicht vorhanden. Ansonsten sind Prosituierte, Arbeitslose, Obdachlose an ihrem Schicksal selbst schuld.
    Die liegen ja alle in der sozialen Hängematte.
    Vielleicht hilft die Wirtschaftskriese, die den Kreis der Betroffenen brutal erhöhen wird, einem Teil der Bevölkerung zum umdenken

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  4. Das selbe Phänomen gab es schon mal in Hamburg. Da wurde die Nordseite des Hauptbahnhofs, traditionell Treffpunkt von Junkies und Obdachlosen, stärkeren Kontrollen und Überwachungsmaßnahmen unterzogen. Die Folge: Es gab weniger Junkies und Obdachlose auf der Nordseite des Haupbahnhofs :) ...


    ... gleichzeitig stieg aber die Zahl eben dieser Personen und interessanterweise auch die Kleinkriminalität (ohne dabei einen Zusammenhang konstruieren zu wollen) in Stadtteilen wie z. B. Harburg

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