Montag, 8. Dezember 2008

Fundstücke 8.12.2008, 13.20 Uhr

Deutschland und die Konjunkturpolitik - ein kafkaeskes Wintermärchen
Spiegelfechter - Die Welt steht an der Schwelle zu einer Depression, wie es sie seit den 1930er Jahren nicht mehr gegeben hat. Das Kartenhaus kreditfinanzierten Konsums bricht weltweit ein und damit geht die Nachfrage nach Produkten aller Art zurück. Betroffen sind sowohl die konsumfreudigen USA, als auch die Exportweltmeister Deutschland und China, deren Absatzmärkte wegbrechen und deren eigene Bevölkerung sich die produzierten Güter kaum leisten kann – Wettbewerbsfähigkeit hat ihren Preis. Die Weltgemeinschaft hat die Brisanz der Lage auch erkannt. China will fast 450 Mrd. Euro in die eigene Volkswirtschaft investieren, um die rückläufigen Exporte zu kompensieren, Japan nimmt dafür 200 Mrd. Euro in die Hand und die USA werden noch wesentlich tiefer in die Kasse greifen und mindestens 550 Mrd. Euro ausgeben. Auch Europa knausert nicht, wenn es darum geht, eine Systemkrise abzuwenden – Frankreich investiert 40 Mrd. Euro, Großbritannien 24 Mrd. Euro, Spanien 38 Mrd. Euro und Italien sogar 80 Mrd. Euro. Nur ein Land sperrt sich gegen stimulierende Ausgaben – Deutschland, drittgrößte Volkswirtschaft der Welt und Exportweltmeister.
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Merkel will beim Klimaschutz bremsen
SZ - Kein Klimaschutz auf Kosten der Konjunktur: Vor dem EU-Gipfel macht Angela Merkel ihre Prioritäten klar. Ex-Umweltminister Klaus Töpfer warnt vor einem Richtungswechsel - auch mit Umweltschutzmaßnahmen könne man die Konjunktur ankurbeln.
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Rentenoffenbarung, nicht -lüge!
Weißgarnix - Medienbeiträge zur privaten Altersvorsorge wie der hier in der FTD, verfehlen ihr Ziel meines Erachtens um Längen. Die private Altersvorsorge ist eine Chimäre, und Norbert Blüm hatte im Prinzip recht: die staatliche Rente hätte “sicher” sein können. Und “gerecht” obendrein. Wenn die Politik den Kapitalismus, den Staat und ihre Rolle darin verstanden hätte. Hat sie aber leider nicht. Dabei ist der Sachverhalt wirklich nicht schwierig zu durchschauen.
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Schwarze Löcher und die Zukunft des Euro
Herdentrieb -
Heute morgen gab es in der Süddeutschen Zeitung einen lesenswerten Bericht von Moritz Koch zum Thema Depfa und schwarze Löcher. Der einstmals mausgraue Wiesbadener Hypothekenfinanzierer, seit 2007 eine Tochter der Münchner Hypo Real Estate, hatte sich binnen weniger Jahre vom neuen Firmensitz Dublin aus zu einer der profitabelsten Banken weltweit entwickelt – dank eines gewaltigen Schuldenhebels, einer vermeintlich verlässlich positiv geneigten Zinsstrukturkurve und immerfort liquiden Geldmärkten, auch für die exotischsten und undurchsichtigsten Konstrukte. Der Fokus lag auf Geschäften mit öffentlichen Schuldnern, denen die Depfa entweder direkt Kredite mit variablen, also kurzfristigen Zinsen gab, oder gegen eine Gebühr als Käufer letzter Instanz für die Geldmarktpapiere öffentlicher Emittenten fungierte. Vor allem in den USA wurden offenbar de facto mit kurzfristigem Geld langfristige Infrastrukturprojekte finanziert.
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"Ein unglaubliches Gebräu"
taz - Heiner Flassbeck warnt vor den Gefahren einer Deflation und fordert von der Politik, viel Geld ins System zu pumpen - und das möglichst schnell.
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Lafontaine-Interview

DLF. Thema sind Konjunkturpakete und andere Rettungsmaßnahmen.
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Hoher Preis

FR - Erinnern Sie sich noch, als über die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten diskutiert wurde. Von der Servicewüste war oft die Rede. Die deutsche Bürokratie bremse den Einzelhandel, weil sie es mit unsinnigen Bestimmungen fast unmöglich mache, in Ruhe shoppen zu gehen - so wurde gewettert. Lobbyisten frohlockten, die Liberalisierung werde den Umsatz in die Höhe treiben. Inzwischen sind gut zwei Jahre vergangenen, die Umsätze des Handels sind geschrumpft.
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Pofalla: "SPD ist reif für die Opposition"

Handelsblatt - Die SPD ist nach zehn Jahren an der Regierung reif für die Opposition", sagte Pofalla weiter. Angesichts der schweren Wirtschaftskrise hatte sich SPD-Fraktionschef Struck für die Fortsetzung der Großen Koalition nach der Bundestagswahl 2009 stark gemacht. Die "dunklen Wolken am Horizont" verstärkten den Wunsch nach einer Großen Koalition, sagte Struck in einem Interview. Die Menschen vertrauten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD). Den SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier erwähnte Struck nicht.
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Wenn die Elite unbehelligt bleibt
taz - Es gibt keine Öffentlichkeit, die jene Politiker mit Hohngelächter überschüttet, die die Finanzmarktkrise erst mitproduziert haben und sich heute inszenieren, als seien sie schon immer gegen Renditewahn und für strengste Regeln gewesen. So wagt ein Franz Müntefering frech den Satz: Neoliberales Gedankengut, nein, davon sei er nicht einmal angeweht gewesen. War er nicht dabei gewesen, als die rot-grüne Regierung für Hegdefonds, Finanzinvestoren und das Ausschlachten der Deutschland AG den Weg frei machte? Als die designierte Kanzlerin Angela Merkel und der designierte Finanzminister Peer Steinbrück in den Koalitionsvertrag hineinschrieben, "nachdrücklich" müssten für den Finanzplatz Deutschland "Produktinnovationen und neue Vertriebswege" unterstützt werden und die Aufsicht möge "mit Augenmaß" handeln. Als der Bundestag im November 2003 mit erdrückender Mehrheit beschloss, Hedgefonds zuzulassen, erklärte die Regierung: "Der Finanzplatz Deutschland ist … reif für diese Produkte"; wohlgemerkt: Ein demokratisches Land ist reif für das Finanzprodukt.
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Deutsche Bahn findet keinen Käufer

taz - Bahnchef Mehdorn wird seinen Traum aufgeben müssen, einen DAX-Konzern zu leiten. Denn sein Vertrag läuft nur bis 2011. Und bis dann wird die Privatisierung nicht mehr klappen.
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Wenn der Postmann samstags nicht klingelt

Stern - Da befürchtet die Post offenbar selbst Ärger: In einem Positionspapier fordert der Konzern zwar, nicht mehr an sechs Tagen pro Woche Briefe und Pakete ausliefern zu müssen. Doch nachdem über das Papier berichtet worden war, hieß es gleich, der Plan müsse ja nicht umgesetzt werden - jedenfalls nicht unbedingt.
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Testen, testen, testen - doch wer unterstützt die Lehrkräfte und Schüler?

GEW - Die teilweise albernen Rituale der Kultusminister, die Rankings und methodischen Probleme im Zusammenhang mit PISA-E, dem Bundesländervergleich, nähren die Überzeugung: Diese Vergleiche sind höchst entbehrlich. Sie werden parteipolitisch instrumentalisiert und dienen der Legitimierung von allen möglichen, ideologisch motivierten Schnellschüssen: Kopfnoten, Turbo-Abitur, ein Übermaß an Lernstandserhebungen und Vergleichsarbeiten. Solche Maßnahmen bereiten den Schulen nichts als Probleme, ohne dass Unterstützung und Hilfen folgen. Und immer noch haben die wenigsten Kultusminister kapiert, dass sie ihre Politik auf die Schülerinnen und Schüler mit den größten Lernproblemen konzentrieren, die Aussonderung in Sonderschulen beendet und der Hauptschulbildungsgang abgeschafft werden müssen. Vom Wiegen wird die Sau nur dann fetter, wenn sie anschließend in guter Umgebung richtig gefüttert wird.
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Verpuffen die teuren Konjunkturprogramme?

TP - Während man in Deutschland über ein zweites Konjunkturprogramm mit Investitionen, Konsumgutscheinen oder Steuersenkungen nachdenkt, scheint die Mehrwertsteuersenkung in Großbritannien nichts zu bewirken.
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