Samstag, 31. Oktober 2009

Hallo McBeise, jemand zu hause?

Die Finanzkrise hat die Welt schon ein wenig verändert, was auch immer man vom Krisenmanagment im Einzelnen auch halten will. Selbst solche intellektuellen Flachpfeifen wie Hans-Werner Sinn reden plötzlich der Konjunkturpolitik das Wort, die sie vorher noch in Bausch und Bogen verdammt haben. Es gibt aber ein paar Leute, für die ist Hopfen und Malz verloren. Die Welt ist einfach stehen geblieben. Es ist die Vogel-Strauß-Fraktion. Ihre Vertreter sitzen vor allem in den Reihen der FDP, aber eines der schillerndsten Exemplare jener leider ganz und gar nicht vom Aussterben bedrohten Gattung sitzt in der Redaktion der Süddeutschen Zeitung und heißt Marc Beise. Telepolis hat ihm einen eigene Artikel gewidmet.
Marc Beise ist ein Phänomen. Knallhart-dogmatischer Neoliberaler, lässt er sich von der Realität kein Jota aus dem Konzept bringen. Selber schuld, die doofe Realität, wenn sie sich auch nicht an ihn anpasst! Warum diese Leute immer noch Leitartikel schreiben werde ich nicht verstehen. So auch im aktuellen Beispiel. Darin haut Beise den Unfug im Dutzend billiger raus, dass man meinen könnte, irgendein Kabarettist würde gerade Friedrich Merz veralbern oder so was. Leider ist das nicht der Fall. Der Mann meint das ernst.
So beklagt er, dass die CDU sich ganz brutal sozialdemokratisiert habe (was kompletter Unfug ist), dass auch die FDP sich gerade sozialdemokratisiere (was an der Grenze zur intellektuellen Beleidigung des Lesers ist) und dass dies eine Folge der Prinzipienlosigkeit der Politik sei. Es fehlt einfach an Leuten wie Marc Beise, die ihre Prinzipien durchsetzen, selbst wenn das gerade in den Untergang führt. Dumme Prinzipien? Egal. Hauptsache durchgesetzt! Das gilt übrigens natürlich nur für genehme Prinzipien. Wenn Lafontaine plötzlich mit 51% an die Macht käme und das LINKE-Programm umsetzte, dürfte er sich glaube ich nicht über einen Beise-Artikel freuen, in dem der ihn für seine Prinzipientreue lobt.
In einem derart brachial-liberalen Umfeld kann Beise ohne mit der Wimper zu zucken Kracher raushauen wie den, dass die volle Absetzbarkeit des Steuerberaters von der Steuer und die Verdreifachung des Schonvermögens für Hartz-IVer gleichwertig seien und davon zeugen, dass die FDP ab jetzt auch die Partei der Arbeiter und Arbeitslosen ist. Ne, klar. Und wenn die LINKE den Spitzensteuersatz auf 98% hebt und im Gegenzug die Kinderfreibeträge um 500 Euro hebt ist sie die Partei der Spitzenverdiener oder wie? Natürlich hat Beise auch teilweise Begründungen für seinen abstrusen Unfug auf Lager. Die haben etwa folgende Qualitätsstufe:
Ja, die Steuern müssen gesenkt werden - aus drei Gründen. Erstens, weil es versprochen worden ist. Zweitens als Konjunkturhilfe, und drittens als Signal: Nicht der Staat, sondern Bürger und Unternehmen wissen am besten, was sie mit Geld anfangen. Die Koalition ist angetreten, mehr Markt und weniger Staat zu wagen. Ein "Weiter so", ein weiteres Alimentieren der kollabierenden Sozialsysteme kommt nicht in Frage. Jene, die dem Staat die Obhut für alles und jedes anvertrauen wollen, hatten ihre Chance seit Jahrzehnten. Die Folge ist eine Gesamtverschuldung von bald zwei Billionen Euro, krisengeschüttelte Sozialsysteme und eine dennoch wachsende Unzufriedenheit in der Bevölkerung.
Interessant auch die Prioritätenliste der Gründe. Erstens, weil es versprochen wurde. Aha. Bleibt trotzdem dumm. Drittens brauchen wir eigentlich kaum zu diskutieren - dieses Geschwätz ist dermaßen absurd dämlich, dass man Beise am liebsten auf Schadenersatz für die bei der Lektüre unwiderruflich vernichteten Gehirnzellen verklagen würde. Übrigens ist für Beise total einfach, die Steuersenkungen zu finanzieren:
Wer aber heute Steuern senkt, muss morgen Ausgaben kürzen. Kaum ein Wort findet sich dazu im Koalitionsvertrag. Dabei hätte die neue Regierung alle Chancen auch für eine fordernde Politik, angesichts der Mehrheit in beiden Häusern, Bundestag und Bundesrat. Noch leben mehr Menschen von ihrer eigenen Hände Arbeit, als von staatlichen Transferleistungen; das Verhältnis beginnt sich jedoch zu drehen. Noch gibt es relativ viele Menschen, die anpacken wollen - wenn der Staat sie denn lässt und ihnen nicht mehr als die Hälfte des Einkommens über Steuern und Abgaben nimmt.
Es "beginnt" sich zu drehen? Und wer will und muss denn da anpacken? Welche Drogen nimmt der Mann, und wo nimmer er sie her?

Damit das Projekt gelingen kann, darf man nicht auf Merkel und Westerwelle vertrauen. Die Hoffnungsträger sind andere. Zum Beispiel der alte Unions-Fahrensmann Wolfgang Schäuble, der Allrounder und Finanzexperte, der sich für den Job als Kassenwart eben nicht zu schade war. Und der junge Liberale Philipp Rösler, der sich traut, den Gesundheitsminister zu machen. Hier entstehen Kraftfelder, die Mut machen.

Schäuble, der Finanzexperte, ich krieg mich nicht mehr! Wenn es darum geht, meine Schwarzgeldkonten zu verwalten würd ich den auch engagieren, aber was macht denn den jetzt plötzlich zum Experten für Finanzen? Dass er ein bisschen was drüber gelernt und seither nie angewendet hat, vor über 40 Jahren? Allrounder kommt schon eher hin. Und Philipp Rösler, der tapfere! Ein Kraftfeld, das Mut macht. Fragt sich nur wem. Mit persönlich macht dieses Kraftfeld schlotternde Knie. Vermutlich ist es das Kraftfeld, das sich in Beises Kopf eingenistet hat und seither dort jenen Mut generiert, den es wohl braucht, Artikel wie diesen hier zu verfassen. Unglaublich.

NACHTRAG:

Danke an Anonym.

4 Kommentare:

  1. Als Bonbon zu diesem Artikel sollte man sich zur besseren Einstimmung auf die Persönlichkeit Marc Beises unbedingt das Interview mit Georg Schramm auf der Frankfurter Buchmesse anläßlich der Vorstellung seines Buches "Lassen Sie es mich so sagen" zu Gemüte führen:

    http://www.youtube.com/watch?v=yZFQEvhN8WY

    Besser geht's nimmer!

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  2. Beise bedient die Wirtschaft.
    Prantl die Herzbuben.
    Das ist das Geschäftskonzept der Süddeutschen.
    Vergiss die Medien.

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  3. Beise... dass die SZ einen Wirtschaftsressortleiter hat, der ein Englisch spricht, dass jeder Siebtklässler lachen würde, spricht nicht für die Zeitung. Noch dazu hat er von Makroökonomie absolut keine Ahnung. Insofern war+ist er auch für VWLer ein verlässlicher Quell flacher Unterhaltung. Das einzige, was er versteht, ist das Nachbeten von längst widerlegten Prinzipien. Das allerdings mit Verve.

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  4. Ich hätte ja gerne einen Trackback auf deinen Artikel hinterlassen. Blogger lässt das leider nicht zu... Dann eben so:

    http://www.principien.de/2009/11/02/beisereflexe-verlasslich-und-vorhersehbar/

    Gruß,
    Daniel

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