Montag, 16. August 2010

Von Sparquoten und Auslandskritiken

Von Stefan Sasse

Im (konservativen) "Wort Luxemburgs" findet sich ein ausführlicher Bericht zu der von den deutschen Medien praktisch totgeschwiegenen Kritik des luxemburgischen Staatschefs Jean-Claude Juncker an der deutschen Politik des Sozialdumping. Bereits die vorangegangene, in die gleiche Kerbe schlagende Kritik der französischen Finanzministerin hat bei den großzügig nach links und rechts besserwisserische Vorschläge ausgebenden dünnfelligen Deutschen einen Entrüstungssturm ausgelöst: was erlaubt die Französin sich, die deutsche Wirtschaftspolitik zu kritisieren! Dass Deutschland sich gerade im Fall Griechenlands damit, gelinde gesagt, nicht hinterm Berg gehalten hat, wird da gerne unter den Tisch gekehrt, galt es dort doch, die schludrigen Griechen zur Räson zu bringen und nicht sich vom Franzosen maßregeln zu lassen.

Nun also auch Juncker, der kaum im Verdacht stehen dürfte, in der Vergangenheit als besonderer Keynsianer aufgefallen zu sein. Die deutschen Medien haben sich dieses Mal wohlfeil entschlossen, diese Kritik totzuschweigen, anstatt wie beim letzten Mal eine Debatte darüber loszubrechen, ob die Exportorientierung und Lohnzurückhaltung wirklich das Maß aller Dinge ist. Diese Betrachtung sei vorangestellt, falls sich jemand wundert warum er zu dem Thema bislang nichts gehört hat.


Da das "Wort Luxemburgs" wie bereits gesagt eine konservative Zeitung zu sein scheint, überrascht auch folgendes Zitat aus dem Artikel nicht, mit dem Junckers Kritik abgeschwächt werden soll:
"In der deutschen Öffentlichkeit ist es unbestritten, dass der Konsum im Lande zu gering ist. Doch die Gleichung höhere Löhne – mehr Konsum muss nicht unbedingt aufgehen. Grund dafür ist, dass die Deutschen einen vergleichsweise hohen Teil ihres Einkommens sparen. Und daran wird die Politik wenig ändern. So gab kürzlich ein deutscher Minister zu bedenken, man könne schließlich die Menschen nicht per Gesetz zwingen, ihr Geld auszugeben. "

Das ist aus mehreren Gründen bemerkenswert. Von einer unbestrittenen Feststellung in der deutschen Öffentlichkeit, dass der Konsum zu gering sei, kann keine Rede sein. War es doch schließlich "Deutschlands klügster Ökonom" (BILD) Hans-Werner Sinn, dem die Feststellung gelang, weder Konsum noch Export seien notwendig, um Wachstum und Investitionen zu erzielen. Die Konsensöffentlichkeit wartet immer noch auf die Auflösung des Paradoxons, wer denn bitte Waren kaufen soll, wenn es weder der Binnenmarkt noch der Export tut. Es wird wohl ewig das Geheimnis des ifo-Ökonomen bleiben.
Es ist auch nicht gerade Zeugnis der besonderen analytischen Fähigkeiten des Autors, dass er die Legende von der hohen deutschen Sparquote unreflektiert wiedergibt. Ja, die deutsche Sparquote ist mit Werten zwischen 10 und 15% im internationalen Vergleich sehr hoch, besonders wenn man Länder wie die USA dazu heranzieht, in denen die Sparquote negativ ist (zum Glück für den deutschen Exportsektor, der sonst weder so groß hätte werden noch ständig über die unverantwortliche Defizitpolitik hätte wettern können, was für sich genommen schon fortgeschrittene Schizophrenie ist). Die deutsche Sparquote muss, man ihre Implikationen verstehen will, aufgeschlüsselt werden: sie ist für die unteren Einkommensgruppen negativ, für gute Teile der Mittelschicht nuzr unwesentlich größer als null und steigt in den oberen Einkommensschichten exponentiell an. Georg Schramm hat dies sehr schön deutlich gemacht.

Deswegen ist auch die Aussage "eines deutschen Ministers" Blödsinn, dass man die Leute nicht zum Geldausgeben zwingen könne. Das ist nämlich gar nicht notwendig; würden substantielle Lohnsteigerungen im Niedriglohnbereich erzielt, würden diese zusätzlichen Einkommen praktisch ungehindert in den aufgestauten Konsum fließen und den Binnenmarkt anheizen. Wie kann man ernsthaft annehmen, dass jemand, der von Löhnen um drei, vier, vielleicht auch fünf Euro die Stunde lebt und nach der Theorie unserer großartigen Neoliberalen nebenher auch noch in die Privatrente investiert, ernsthaft sparen könnte? Wer wie Millionen Niedriglöhner Hartz-IV als Aufstockung auf sein den Lebensunterhalt höchstamtlich nicht abdeckendes Gehalt erhält, darf nicht einmal substantielle Summen sparen, weil diese sofort auf das ALG-II angerechnet würden.

Offensichtlich ist es nicht nur eine deutsche Unsitte, Zahlen, die für sich alleingenommen nichts aussagen (ein Mann mit 100.000 Euro Vermögen und einer mit keinem Cent in der Tasche haben statistisch beide 50.000 Euro Vermögen) unreflektiert in einen der Ideologie genehmen Zusammenhang zu stellen. Es ist auch immer wieder verblüffend, wie hartknäckig manche Leute Fakten wie die offensichtliche Diskrepanz zwischen der Armut breiter Bevölkerungsschichten in Abhängigkeit von Transferleistungen oder dem Niedriglohnsektor und der "hohen" Sparquote ignorieren können, wenn es nur ihrer Meinung genehm ist.,

6 Kommentare:

  1. Im Aufschwung wischen 2002 und 2008 ist das Geldvermögen von 10% der Deutschen um über 1 Billion Euro angewachsen, während das Geldvermögen der übrigen unverändert blieb. Soviel zum Durchschnitt.
    Die Arbeitsstunden pro Kopf sind zwischen 1991 und 2008 um 11% gesunken.
    Das irre ist, die untertersten 20% teilen 'solidarisch' erzwungen durch die Wirtschaftspolitik, die knapper werdende Arbeitszeit zwischen sich auf mit der Folge sinkender Einkommen in diesem Bereich. Das ist das ganze Jobwunder.

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  2. Das sozial-nationalistische Konzept des Berliner Reichs wird kritisiert und die Kritik totgeschwiegen.
    Ei der daus.
    gez. Braunes Hartz.

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  3. Das alles ist doch in den letzten Wochen und Monaten von allen ernstzunehmenden Ökonomen hierzulande und international immer und immer wieder klar gesagt worden! Das ist nicht neu.
    Ausserdem ist es zwingend und logisch!

    Das wissen auch unsere Politclowns. Die haben aber leider nix mehr zu sagen. Das habe ich genauso schon vor Jahren hier und anderswo geschrieben. Schade das keiner die weitere Entwicklung anspricht die kommen wird, ja kommen muß, weil die Richtung in der wir unterwegs sind, genau in den Untergang führen wird!Dieses von den Mächtigen und Reichen entfesselte Massenverarmungsprogramm hin in die eigenen schmierigen Taschen wird in der Barbarei enden!

    Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Das ist auch nicht mehr änderbar! Denn der Mensch an sich ist dumm und gierig! Und die Maschinerie läuft schon selbsttätig.Einzelne die jetzt versuchen würden ins Räderwerk zu greifen würden sich die Finger abreißen.

    Die heute lebenden massgeblichen Figuren in diesem dreckigen Spiel denken nur von 12 bis Mittag. Nach mir die Sintflut gehört zwingend zur ( unausgesprochenen) neoliberalen Doktrin.

    Hier geschieht nichts einfach nur so! Das die Politik nicht mehr einfach so kann, wie sie ( vielleicht) wollte, sollte doch selbst Idioten dieser Tage ( z.B. Atomlobby) glasklar geworden sein!?

    Das was wir in diesem Lande und anderswo als Politiker vor Augen haben, sind schlicht nur noch Befehlsempfänger einer mächtigen und zu allem bereiten relativ kleinen Kaste Superreicher und Konglomeraten aus allen relevanten Wirtschaftsbereichen. Vor allem Banken, Energiekonzerne, Versicherungen und Pharmariesen haben die Szenerie schon aufgrund ihrer immensen wirtschaftlichen Macht total unter Kontrolle. Wir werden nur noch formal von politischen " Parteien" "regiert". Eigentlich sitzen da nur noch Leute die sich von einer "Karriere" als Politiker ihre persöhnlichen Pfründe versprechen. Oder glaubt noch irgendjemand an wirkliche innerparteiliche Willensbildung unter Einbeziehung der sogenannten Basis? Hahahaha...

    Das Spiel ist für alle die es wollen klar sichtbar. Es wird auch kaum noch etwas verborgen, weil immer klarer wird das man nur zusammenhalten muß um selbst übelste Unwuchten sauber abfedern zu können. Beispiele gibt es massig.

    Klar hat D eine hohe Sparquote. Die wird auch noch weiter zunehmen. Weil nur wenige immer mehr in ihr Säckel umleiten und ihren schmierigen Hals nicht vollkriegen.Das ist so logisch wie das kleine Einmaleins!

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  4. Das ist ja das Irre an der Diskussion in Deutschland: dass die Kabarettisten die ökonomischen Zusammenhänge erklären, während die Ökonomen mit Professorentitel Kabarett machen und Konsum und Export wegfantasieren. Da wundert man sich über nix mehr.

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  5. Ja, das Luxemburger "Wocht" ist wohl eher (gemäßigt) konservativ ausgerichtet.
    Zur Senkung der Sparquoe gibt es noch ein paar mehr Möglichkeiten, wie eine Vermögenssteuer, Erleichterung von Investitionen u.a.

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  6. Wen wundert es eigentlich noch? Es ist ihre Regierung, nicht unsere! Und die hat gefälligst zu machen, was ihnen dient und nicht dem Volk!

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